Urteil des VG Saarlouis vom 22.02.2011

VG Saarlouis: von der Prüfung wegen Krankheit, wichtiger grund, psychische störung, reaktive depression, treu und glauben, rücktritt, leistungsfähigkeit, unverzüglich, herbst, chancengleichheit

VG Saarlouis Urteil vom 22.2.2011, 1 K 352/10
Rücktritt von der Prüfung wegen Krankheit
Leitsätze
Erkennt der Prüfling seine Prüfungsunfähigkeit vor dem Prüfungstag hat er unverzüglich,
d.h. vor dem Prüfungstag, den Rücktritt von der Prüfung zu erklären, wenn ihm dies
zumutbar ist.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines
Betrages in Höhe der aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld
abwenden, falls der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe
leistet.
Der Streitwert wird auf 7.500 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger erstrebt bezüglich der Prüfung zum Ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung im
Herbst 2009 die Anerkennung seiner Säumnis des mündlich-praktischen Teils
(31.08.2009) aus wichtigem Grund.
Mit Schreiben vom 31.08.2009, einem Montag, dem ein amtsärztliches Attest vom
gleichen Tag beigefügt war, eingegangen beim Beklagten am 02.09.2009, beantragte der
Kläger seinen Rücktritt vom mündlich-praktischen Teil des Ersten Abschnitts der ärztlichen
Prüfung im Herbst 2009 (31.08.2009), der zweiten Wiederholungsprüfung, zu
genehmigen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass er auf Grund psychischer Probleme, die
von Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen und
oftmals unerträglicher innerer Unruhe sowie Interessenverlust geprägt seien, nicht in der
Lage sei, an der Prüfung teilzunehmen. Im amtsärztlichen Attest vom 31.08.2009 heißt
es, beim Kläger bestehe ein psycho-vegetativer Erschöpfungszustand. Er leide an
Schlafstörungen und Problemen der Konzentration und Merkfähigkeit. Er befinde sich seit
vier Monaten in psychotherapeutischer Behandlung. Die Beschwerden würden glaubhaft
geschildert. Es bestehe von Seiten des Gesundheitsamts keine Veranlassung, das
vorgelegte Attest anzuzweifeln. Er sei daher heute nicht prüfungsfähig. Mit
Wiederherstellung der Prüfungsfähigkeit sei frühestens in vier bis sechs Wochen zu
rechnen.
Auf Nachfrage des Beklagten teilte der Kläger mit, dass sich nach seiner Ansicht aus dem
amtsärztlichen Attest ausreichend die nötigen Angaben ergäben. Sollte der Beklagte diese
Ansicht nicht teilen, werde um Mitteilung gebeten, welche Angaben weiter benötigt
würden. Nachfolgend erklärte er, er sei nur ungern gewillt, noch weitere Angaben bezüglich
seiner Erkrankung zu machen, da detailliertere Angaben in sein Persönlichkeitsrecht
eingriffen. Ein weitergehendes Attest, wie gefordert, würde intime Details seiner
Persönlichkeit und seiner Erkrankung preisgeben, auf deren Schutz er einen grundgesetzlich
geschützten Anspruch habe.
Mit dem streitigen Bescheid vom 27.10.2009 wurde die Genehmigung des Rücktritts
versagt. Zur Begründung ist ausgeführt, da der Kläger seit dem Jahr 2005 zum
wiederholten Male eine Säumnis von einem Prüfungsteil auf Grund einer Diagnose geltend
mache, die den Rückschluss rechtfertige, dass es sich bei seiner Leistungsbeeinträchtigung
um eine psychogene Reaktion auf das Prüfungsgeschehen handele, sei davon auszugehen,
dass die Leistungsminderung auf ein Dauerleiden zurückgehe, dessen Behebung nicht in
absehbarer Zeit erwartet werden könne und das deshalb auch bei der Feststellung der
Leistungsfähigkeit Berücksichtigung finden müsse. In der Beachtung des Grundsatzes der
Chancengleichheit schließe eine auf unabsehbare Zeit andauernde Erkrankung die
Chancengleichheit schließe eine auf unabsehbare Zeit andauernde Erkrankung die
Annahme eines wichtigen Grundes zum Rücktritt aus. Unter einem Dauerleiden sei kein
unheilbares Leiden, sondern ein Leiden zu verstehen, dessen Heilung offen sei. Dauerleiden
prägten als persönlichkeitsbedingte Eigenschaft die Leistungsfähigkeit eines Prüflings. Ihre
Folgen bestimmten deshalb im Gegensatz zu sonstigen krankheitsbedingten
Leistungsminderungen das normale Leistungsbild des Prüflings. Danach sei eine
Genehmigung der Säumnis nicht zu erteilen. Der mündlich-praktische Teil des Ersten
Abschnitts der ärztlichen Prüfung sei mit der Note „nicht ausreichend (5)“ zu bewerten.
Der Kläger habe den mündlich-praktischen Teil und, weil es sich um die zweite
Wiederholungsprüfung handele, auch den Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung endgültig
nicht bestanden.
Dagegen erhob der Kläger am 25.11.2009 Widerspruch, den er damit begründete, seine
Prüfungsfähigkeit sei nicht durch ein Dauerleiden ausgeschlossen. Es sei nicht möglich,
allein auf Grund ähnlich klingender Formulierungen aus verschiedenen zu unterschiedlichen
Zeiten erstellen ärztlichen Attesten ohne medizinische Begutachtung die Schlussfolgerung
zu ziehen, ein Dauerleiden liege vor.
Durch Widerspruchsbescheid des zuständigen Ministeriums vom 01.03.2010 wurde der
Widerspruch zurückgewiesen. Darin heißt es, der Kläger sei dem Gebot, bezogen auf den
konkreten Fall, die wichtigen Gründe für eine Säumnis zu dem für ihn frühestmöglichen
Zeitpunkt zu erklären, nicht nachgekommen. Er habe lediglich mit Schreiben vom
31.08.2009 unter Beifügung eines amtsärztlichen Attestes vom gleichen Tag seine
gesundheitlichen Probleme zum Prüfungszeitpunkt geschildert. Weder durch dieses
Schreiben noch durch das amtsärztliche Attest seien wichtige Gründe für eine Säumnis in
genügender Art und Weise dargelegt. Aber selbst wenn man zugunsten des Klägers davon
ausgehe, dass zum Prüfungszeitraum eine ernsthafte psychische Erkrankung und eine
erhebliche Beeinträchtigung des Leistungsvermögens vorgelegen habe, so habe es doch
dem Kläger, schon auf Grund der Tatsache, dass er sich am Prüfungstag bereits seit vier
Monaten in psychotherapeutischer Behandlung befunden habe, oblegen, sich rechtzeitig
noch vor Beginn der Prüfung Klarheit über seine Prüfungsfähigkeit zu verschaffen. Da er
dies unterlassen habe, sei auch unter diesem Gesichtspunkt die Geltendmachung von
wichtigen Gründen für die Säumnis am Prüfungstag nicht mehr unverzüglich gewesen.
Weiter fehle es an der Glaubhaftmachung einer krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit.
Ein nicht in absehbarer Zeit heilbares Dauerleiden präge als persönlichkeitsbedingte
Eigenschaft die Leistungsfähigkeit eines Prüflings. Der Kläger habe nach den Unterlagen des
Beklagten seit dem Jahr 2005 bisher insgesamt sieben Mal, mit Ausnahme des
amtsärztlichen Attestes vom 09.03.2005 (Diagnose: fieberhafter Infekt), amtsärztliche
Atteste vorgelegt, die ihm wegen „Gastroenteritis“ und/oder „reaktiver Depression“
Prüfungsunfähigkeit bescheinigten. Da er somit zum wiederholten Male die Säumnis bzw.
den Rücktritt von der Prüfung oder einem Prüfungsteil auf Grund von Diagnosen geltend
gemacht habe, die den Rückschluss rechtfertigten, dass es sich bei seiner
Leistungsbeeinträchtigung um eine psychogene Reaktion auf das Prüfungsgeschehen
handele, sei davon auszugehen, dass die Voraussetzungen eines Dauerleidens vorlägen.
Auf den am 16.03.2010 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am
16.04.2010 Klage.
Unter Vertiefung seines Vortrags aus dem Widerspruchsverfahren trägt er vor, er habe
sich am 31.08.2009 zunächst zu seinem Hausarzt begeben und anschließend zu dem
Amtsarzt. Das amtsärztliche Attest sei ausreichend. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei
seiner Erkrankung um ein nicht zum Prüfungsrücktritt berechtigende Dauerleiden handele,
seien nicht vorhanden.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids vom 27.10.2009 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.03.2010 den
Beklagten zu verpflichten, die Säumnis des mündlich-
praktischen Teils des Ersten Abschnitts der Ärztlichen
Prüfung im Herbst 2009 zu genehmigen,
die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für
notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, eine Gesamtbetrachtung der „Krankengeschichte“ des Klägers rechtfertige
die Feststellung, dass gewichtige Aspekte für eine Dauererkrankung zum Prüfungszeitpunkt
vorlägen. Selbst wenn zwischenzeitlich eine Besserung eingetreten sein sollte, würde das
Vorliegen eines in seiner Persönlichkeit wurzelnden Dauerleidens zum Prüfungszeitpunkt
dadurch nicht zwangsläufig widerlegt.
Das Gericht hat durch medizinisches Sachverständigengutachten Beweis darüber erhoben,
ob eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Klägers zu einer „dauerhaften“
Prüfungsunfähigkeit im Studium der Humanmedizin führt, insbesondere ob eine psychische
Störung besteht, sie „Krankheitswert“ erreicht, die an die spezifische Prüfungssituation
gebunden ist, es sich um eine aktuelle und zeitweise Beeinträchtigung des
Leistungsvermögens handelt oder die Leistungsminderung auf einer in seiner Person
liegenden generellen Einschränkung der Leistungsfähigkeit beruht, ob deren Behebung in
absehbarer Zeit erwartet werden kann oder allenfalls mittelfristig bzw. langfristig die
Möglichkeit einer Reintegration in das Studienleben besteht. Zum Sachverständigen wurde
Dr. R., B-Stadt, bestellt. In seinem sozial-medizinischen Gutachten, Schwerpunktmäßig aus
neurologisch-psychiatrischer Sicht, vom 27.11.2010 (Abschlussdatum) kommt der
Gutachter zu dem Ergebnis, beim Kläger werde nicht über körperliche Beschwerden
geklagt noch könnten entsprechende psychische Störungen oder geistige Behinderungen
festgestellt werden, die die Feststellung trügen, eine gesundheitliche Beeinträchtigung liege
vor, die zu einer „dauerhaften“ Prüfungsunfähigkeit im Studium der Humanmedizin führten.
Es bestehe keine psychische Störung von Krankheitswert. Eine sogenannte Prüfungsangst
liege lediglich im Bereich des zu Vermutenden. Sie sei auf Nachfrage vom Kläger
ausgeschlossen worden. Er habe immer wieder betont, dass er auf Grund des
Zerwürfnisses mit seinem Vater und den familiären Schwierigkeiten nervlich angegriffen
gewesen sei und deshalb sich nicht prüfungsfähig gefühlt habe. Eine derartige nervliche
Belastung habe sicherlich vorgelegen, aber zu einer psychiatrischen Erkrankung habe dies
jedoch nicht geführt. Auf Grund seiner körperlichen, psychischen und geistigen Situation,
wie sie zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung festgestellt werde, sei der Kläger durchaus
in der Lage, die ärztliche Prüfung sofort anzutreten.
Zum Gutachten führt der Beklagte aus, dieses sei dadurch geprägt, dass der Gutachter im
Wesentlichen darauf beschränkt sei, den gesundheitlichen Zustand des Klägers zum
Zeitpunkt der Begutachtung zu beurteilen und retrospektive Betrachtungen dem „Bereich
des zu Vermutenden“ zuordnen müsse, also nur Vermutungen anstellen könne. Der
Gutachter deute jedoch die Magen-Darm-Beschwerden, Durchfälle und Erbrechen
retrospektiv als funktionelle Störung möglicherweise im Rahmen einer Prüfungsangst, die
jedoch negiert werde. Des Weiteren werde das Vorliegen einer Leistungsminderung bejaht,
die auf eine in der Person des Klägers liegenden generellen Einschränkung der
Leistungsfähigkeit beruhe. Auf Grund seiner Persönlichkeit mit fehlender Beharrlichkeit, mit
fehlender Zielstrebigkeit und mangelnden Durchsetzungsvermögen sei es wiederholt zu
dem geschilderten Verhalten gekommen, was persönlichkeitsgebunden sei. Diese
Ausführungen bestätigten die Einschätzung des Beklagten, dass keine Prüfungsunfähigkeit
im Rechtssinne vorliege und damit die ergangenen Entscheidungen rechtmäßig gewesen
seien. Die Schlussfolgerung des Gutachters, der Kläger sei durchaus in der Lage, den
Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung sofort anzutreten, beschränke sich in ihrem
Aussagewert auf die Feststellung, dass zum jetzigen Zeitpunkt keine Prüfungsunfähigkeit
gegeben sei. Auf Grund des beschriebenen situationsbezogenen klägerischen Verhaltens,
das nach Auffassung des Gutachters persönlichkeitsgebunden sei, bestehe jedoch die
konkrete Gefahr, dass es auch bei weiteren Prüfungsversuchen zu dem beschriebenen
Verhalten komme, zumal der Kläger seine Beschwerden auch dem Gutachter gegenüber
beharrlich mit familiären Problemen begründen wolle und jeden Situationsbezug zu den
Prüfungen, der augenscheinlich vorliege, verneine.
Der Kläger bewertet das Gutachten dahingehend, es stütze seinen Vortrag, dass es sich
bei seinen Erkrankungen um kurzfristige Krankheitsbilder gehandelt habe.
Der Kläger, der sein Studium im Wintersemester 2001/2002 aufgenommen hat, trat von
der ärztlichen Vorprüfung im Frühjahr 2005 nach Vorlage eines amtsärztlichen Attestes
wegen „fieberhaften Infekts“ zurück. Im Frühjahr 2006 nahm er an der ärztlichen
Vorprüfung nach der bis 30.09.2003 gültigen Ärztlichen Approbationsordnung ohne Erfolg
teil. Von den Prüfungen im Herbst 2007 erklärte er seinen Rücktritt wegen „akuter
gastrointestinaler Symptomatik, verbunden mit starken Kopfschmerzen“, so das
amtsärztliche Attest vom 22.08.2007 bzw. nach dem amtsärztliche Attest vom
14.09.2007: „Zusammenfassend lässt sich demnach folgendes feststellen: „Herr K gibt
an, seit dem 10.09.2007 erneut unter Durchfällen zu leiden, dabei auch Übelkeit und
Kopfschmerzen, kein Fieber. Heute auch Schwindelgefühl und Brechreiz.
Darmbeschwerden mit Durchfällen werden seit 2005 angegeben in einer Frequenz von ca.
1 x pro Monat. 2005 erfolgte eine Darmspiegelung. Vor zwei Jahren sei eine einmalige
Stuhluntersuchung erfolgt. Jetzt wurde vom behandelnden Arzt eine akute Gastroenteritis
diagnostiziert und medikamentös behandelt. Aus hiesiger Sicht ist Herr K heute und
voraussichtlich eine weitere Woche krankheitsbedingt nicht prüfungsfähig. Da diese
Symptomatik schon seit mehreren Jahren rezidivierend auftritt, wurde ihm dringend zur
Abklärung der Beschwerden geraten. Sollten organische Ursachen ausgeschlossen werden,
sind Maßnahmen zur Hilfe bei Stressbewältigung nötig.“
Zur Prüfung Frühjahr 2008 lautet das amtsärztliche Attest vom 12.03.2008 auf
Gastroenteritis. Für die Prüfungen im Herbst 2008 ist in dem amtsärztlichen Attest vom
21.08.2008 eine reaktive Depression in Folge familiärer Belastungssituation beschrieben
und das amtsärztlichen Attest vom 16.09.2008 bescheinigt, dass die reaktive Depression
nach wie vor bestehe, wobei die eingeleitete medikamentöse Therapie bisher nicht den
gewünschten Erfolg habe erzielen können. Mit Wiederherstellung der Prüfungsfähigkeit sei
in zwei bis drei Monaten zu rechnen.
Zu der klägerischen Säumnis des schriftlichen Teils des Ersten Abschnitts der ärztlichen
Prüfung im Frühjahr 2009 (10./11.03.2009) wegen Erkrankung an „Magen-Darm-Grippe“
ist der Verwaltungsrechtstreit 1 K 1908/09 anhängig.
Seine Säumnis des mündlich-praktischen Teils des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung
im Frühjahr 2009 (20.03.2009) wegen weiter bestehender akuter Gastroenteritis ist
Gegenstand des Verfahrens 1 K 1927/09.
Dem Kläger wurde Prozesskostenhilfe bewilligt.
Der Verwaltungsrechtsstreit wurde zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die
Verfahrensakten 1 K 1908/09 und 1 K 1927/09 und die beigezogenen
Verwaltungsunterlagen des Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen
Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg, da die Säumnis des mündlich-praktischen Teils am
31.08.2009 des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung im Herbst 2009 nicht aus
wichtigem Grund nach §§ 19, 18 ÄAppO anzuerkennen ist.
Zwar hat der Kläger unter Mitteilung der Gründe die Säumnis geltend und die Gründe
durch Vorlage einer amtsärztlichen Bescheinigung glaubhaft gemacht; diese rechtfertigten
auch als wichtiger Grund die Feststellung, dass der Prüfungsteil als nicht unternommen gilt.
Doch mangelt es an der notwendigen Unverzüglichkeit der Mitteilung der Säumnisgründe.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 31.08.2009 dem Beklagten die Gründe für seine
Säumnis konkret mitgeteilt, indem er auf seine psychischen Probleme, die von
Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Konzentrationsschwäche, Schlafstörungen und
oftmals unerträglicher innerer Unruhe sowie Interessenverlust geprägt seien, verwies. Im
beigefügten amtsärztlichen Attest vom 31.08.2009 wird der bei ihm damals bestehende
psycho-vegetativer Erschöpfungszustand dahingehend beschrieben, er leide an
Schlafstörungen und Problemen der Konzentration und Merkfähigkeit, er sei daher nicht
prüfungsfähig. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerden kein Ausmaß
erreicht hatten, die ein vollständiges Absehen von der Prüfung nahegelegt hätten, bestehen
nicht.
Damit hat der Kläger „konkrete erhebliche, gesundheitliche, leistungsmindernde
Beeinträchtigungen und Beschwerden im Sinne von Befundtatsachen angegeben“.
zu diesem Erfordernis vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom
07.05.1991 - 9 S 42/90 -, juris
Es ist nicht nachvollziehbar, welchen konkreten Vortrag der Beklagte vor Augen hat, den
der Kläger darüber hinaus zur näheren Konkretisierung des wichtigen Grundes,
so BVerwG, Beschluss vom 27.01.1994 - 6 B 12/93 -, Buchholz
421.0 Prüfungswesen Nr. 328,
hätte leisten müssen, um nach seinem Dafürhalten die Gründe für den Rücktritt
ausreichend zu beschreiben. Nach Niehues,
Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 2 Prüfungsrecht, 4. Aufl. 2004, Rz.
131,
muss der Prüfling die „maßgeblichen Gründe angeben, d.h. seine körperlichen oder
geistigen Beschwerden nennen, so wie er sie zu erkennen vermag (z.B. Kopfschmerzen,
Erbrechen, Fieber).“ Das hat der Kläger getan.
Auf Grund der amtsärztlichen Stellungnahme,
vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 09.07.2002 - 14 A
1630/02 - und15.09.2005 - 14 E 1130/05 -, beide juris,
lag auch zur Überzeugung des Gerichts,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.06.1993 - 6 B 9/93 -, Buchholz
421.0 Prüfungswesen Nr. 316,
mit dem näher beschriebenen psycho-vegetativen Erschöpfungszustand, der die
Konzentration beeinträchtigte, ein wichtiger Grund in der Person des Klägers für seine
Säumnis von diesem Prüfungsteil vor.
Diese gesundheitliche Beeinträchtigung ist nicht als ein die Leistungsfähigkeit des Klägers
prägendes „Dauerleiden“ unbeachtlich.
Weil Krankheit, die eine erhebliche Verminderung der Leistungsfähigkeit während der
Prüfung bewirkt, zu einem Prüfungsergebnis führen würde, das nicht die durch die Prüfung
festzustellende wirkliche Befähigung des Kandidaten wiedergäbe, und um die hierin
liegende Beeinträchtigung der Chancengleichheit des Prüflings zu verhindern, ist anerkannt,
dass ein durch Erkrankung prüfungsunfähiger Kandidat die Möglichkeit besitzt, von der
Prüfung zurückzutreten bzw. seine Säumnis zu entschuldigen und diese ohne Anrechnung
auf bestehende Wiederholungsmöglichkeiten neu zu beginnen. Anknüpfungspunkt der
Anerkennung entsprechender Beeinträchtigungen ist dabei, dass die im Zustand der
Erkrankung erbrachte Prüfung nicht die „normale“ Leistung des Prüflings widerspiegelt und
seine Erfolgschancen so in unzumutbarer Weise geschmälert wären. Keine
Prüfungsunfähigkeit in diesem Sinn kann deshalb angenommen werden, wenn die
Beeinträchtigung auf einer in der Person des Prüflings liegenden generellen Einschränkung
seiner Leistungsfähigkeit beruht. Derartige „Dauerleiden“ prägen als
persönlichkeitsbedingte Eigenschaften vielmehr das normale Leistungsbild des Prüflings und
können auch bei Berücksichtigung des in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten prüfungsrechtlichen
Grundsatzes der Chancengleichheit nicht berücksichtigt werden Die Frage, ob eine
gesundheitliche Beeinträchtigung zu einer Prüfungsunfähigkeit im Rechtssinne führt, macht
daher die Unterscheidung erforderlich, ob es sich um eine aktuelle und zeitweise
Beeinträchtigung des Leistungsvermögens handelt oder ob die Leistungsminderung auf ein
„Dauerleiden“ zurückgeht, dessen Behebung nicht in absehbarer Zeit erwartet werden
kann und das deshalb auch bei der Feststellung der Leistungsfähigkeit des Prüflings
berücksichtigt werden muss. Nicht als Prüfungsunfähigkeit im Rechtssinne anzuerkennen
sind Leistungsminderungen durch Prüfungsstress oder Examensangst, weil derartige
Belastungen zum typischen, grundsätzlich jeden Kandidaten treffenden Prüfungsgeschehen
gehören. Anderes ist es, wenn die psychische Beeinträchtigung „über allgemeine
Examenspsychosen hinausgeht“ und „Krankheitswert“ erreicht, wobei es einer generellen
Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Prüflings im Sinne eines „Dauerleidens“
entsprechen kann, wenn die Angststörung an die spezifische Prüfungssituation gebunden
ist.
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.04.2009 - 9 S 502/09
-, VGH Bayern, Beschluss vom 04.10.2007 - 7 ZB 07.2097 -, beide
juris
Der bisherige Prüfungsverlauf des Klägers gibt ohne Zweifel Anlass, der Frage des
Bestehens eines „Dauerleidens“ nachzugehen. Die mangels eigener Sachkunde des
Gerichts durchgeführte Beweiserhebung konnte mit dem Gutachten im November 2010
jedoch die gerichtliche Überzeugung des Vorliegens einer andauernden generellen
Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers nicht begründen. Rückschauend auf die
Prüfungssituation im Jahr 2009 lässt sich zwar feststellen, dass eine gewisse Disposition
des Klägers Voraussetzung seiner Erkrankung war. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass
die für das Entstehen einer Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes daneben
erforderliche und dazugekommene familiäre Belastungssituation jedoch mehr als nur eine
zeitweise Beeinträchtigung des Leistungsvermögens war, sind nicht gegeben.
Allerdings ist die Säumnis nicht aus wichtigem Grund nach §§ 19, 18 ÄAppO anzuerkennen,
weil es an der Unverzüglichkeit der Mitteilung der wichtigen Gründe mangelt. Fehlt es an
dieser Mitwirkungshandlung und muss sich der Prüfling die verspätete Mitteilung der
Gründe vorwerfen lassen, ist eine Anerkennung des wichtigen Grundes bzw. die
Genehmigung des Rücktritts nicht möglich.
so VGH Hessen, Urteil vom 10.01.1991- 6 UE 1426/90 -, juris
Der Kläger hätte im konkreten Fall bereits vor dem Prüfungsbeginn am Montag dem
31.08.2009 den Rücktritt erklären müssen. Sein Aufsuchen des Haus- und Amtsarztes am
Prüfungstag entschuldigt dies nicht.
Zu den Anforderungen an die Unverzüglichkeit der Mitteilung hat das
Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 13.05.1998 - 6 C 12/98 -,
BVerwGE 106, 369,
ausgeführt:
Eine Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung hat
regelmäßig zur Folge, dass es für den Prüfungsabschnitt oder
Prüfungsteil auch dann bei der Note „ungenügend“ bleibt, wenn
objektiv ein wichtiger Grund für die Säumnis vorgelegen hat.
Allerdings gilt es hier in besonderer Weise zu beachten, dass die
Sanktion des ggf. endgültigen Verlustes der Prüfungschance nicht
außer Verhältnis zu dem mit der Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung
verfolgten legitimen Ziel der Wahrung der Chancengleichheit steht.
Ob eine Mitteilung im Rechtssinne unverzüglich ist, ist stets auch im
Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG zu beurteilen. Hieraus ergeben sich
insbesondere im Falle des endgültigen Nichtbestehens einer Prüfung
durch Verletzung der prüfungsverfahrensrechtlichen Nebenpflicht zur
unverzüglichen Mitteilung eines Säumnisgrundes Schranken. Hat die
Verletzung einer solchen Pflicht nämlich zur Folge, dass die Prüfung
als nicht bestanden gilt, so wird sie letztlich ebenfalls zu einer die
Freiheit der Berufswahl begrenzenden „Prüfungsschranke“. Insoweit
gelten vergleichbar die Grundsätze, die das
Bundesverfassungsgericht für das materielle Prüfungsverfahren
entwickelt hat. Vorschriften, die für die Aufnahme des Berufs eine
bestimmte Vor- und Ausbildung sowie den Nachweis erworbener
Fähigkeiten in Form einer Prüfung verlangen, greifen in die Freiheit
der Berufswahl ein. Sie müssen deshalb den Anforderungen des Art.
12 Abs. 1 GG genügen (vgl. BVerfGE 84, 34 <45 f.>; 84, 59 <72
f.>). Die Leistungen, die in einer solchen Prüfung gefordert werden,
und die Maßstäbe, nach denen die erbrachten Leistungen zu
bewerten sind, bedürfen somit einer gesetzlichen Grundlage; die
Prüfungsschranke darf zudem nach Art und Höhe nicht ungeeignet,
unnötig oder unzumutbar sein (vgl. BVerfGE 80, 1 <24>). Darüber
hinaus beansprucht das Grundrecht der Berufsfreiheit auch Geltung
für die Durchführung des Prüfungsverfahrens (vgl. BVerfGE 52, 380
<389 f.>). Grundrechtsschutz ist auch durch die Gestaltung von
Verfahren zu bewirken (vgl. BVerfGE 53, 30 <65>).
Diese Grundsätze sind auf die Anforderungen an die Unverzüglichkeit
der Mitteilung von Gründen im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 ÄAppO
übertragbar. Die Mitwirkungspflicht des Prüflings dient dem Schutz
der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren. Allein dieser, das
gesamte Prüfungsrecht beherrschende Grundsatz rechtfertigt die
einschneidende Folge der verspäteten Mitteilung, nämlich den ggf.
endgültigen Verlust einer Prüfungschance und damit der Möglichkeit,
überhaupt in dem gewählten Beruf tätig zu sein. Deshalb muss die
Beurteilung, wie und wann ein Prüfling seine Mitwirkungsobliegenheit
zumutbarerweise zu erfüllen hat, mit einbeziehen, wenn im Einzelfall
der Zeitpunkt der Benachrichtigung des Prüfungsamtes sich auf die
Chancengleichheit der übrigen Prüflinge nicht auswirken kann. Eine
Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit des Prüflings zur
unverzüglichen Mitteilung liegt in diesen Fällen nur dann vor, wenn sie
im Sinne eines „Verschuldens gegen sich selbst“ - vorwerfbar ist (s.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 7. Oktober 1988 - BVerwG 7
C 8.88 - BVerwGE 80, 282, 286 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen
Nr. 259; vgl.a. Urteile vom 22. Oktober 1982 - BVerwG 7 C 119.81 -
BVerwGE 66, 213, 215 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 167;
vom 17. Februar 1984 - BVerwG 7 C 67.82 - BVerwGE 69, 46, 50
= Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 195; vom 6. September 1995
- BVerwG 6 C 16.93 - BVerwGE 99, 172, 176 = Buchholz 421.0
Prüfungswesen Nr. 355).
„Unverzüglich“ in diesem Sinne bedeutet - wie sonst auch (vgl. § 121
BGB) - „ohne schuldhaftes Zögern“. Da die Mitwirkungslast an der
Grenze der Zumutbarkeit endet, ist eine Erklärung von
Säumnisgründen hiernach dann nicht unverzüglich, wenn sie nicht zu
dem frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgt, zu dem sie vom Prüfling
zumutbarerweise hätte erwartet werden können. Dies bedeutet:
Kann die Mitteilung von Säumnisgründen nach den gesamten
Umständen, insbesondere wegen der Evidenz der Verhinderung, aus
Sicht eines „vernünftig handelnden Prüflings“ die Chancengleichheit
der Mitprüflinge nicht mehr beeinflussen, und kann sich eine zeitnahe
Überprüfung durch das Prüfungsamt auf die Beweislage nicht mehr
wesentlich auswirken, können - je nach Lage der Dinge - auch andere
gewichtige Umstände an Bedeutung gewinnen. Daher muss etwa
eine Mitteilung eines noch an Unfallfolgen leidenden Prüflings
zumutbarerweise von ihm nicht bereits mit den ersten ihm möglichen
zielgerichteten Handlungen erwartet werden. Informiert ein solcher
Prüfling das Prüfungsamt innerhalb eines Zeitraums von wenigen
Tagen nach Entlassung aus dem Krankenhaus, und ist er in diesen
Tagen zudem noch tätig geworden, um ein ärztliches oder gar
amtsärztliches Attest zu besorgen, das er zur zusätzlichen
Beweissicherung ergänzend zum Krankenhausbericht für erforderlich
halten durfte, so ist es nicht mehr entscheidend, ob er die schriftliche
Mitteilung seiner Säumnisgründe einen oder zwei Tage später zur
Post bringt, als ihm dies objektiv möglich gewesen wäre. In einem
solchen Fall genügt es, wenn der Prüfling noch in engem zeitlichen
Zusammenhang zur versäumten Prüfung handelt.
Wie stets, ist auch im konkreten Fall die Frage der Zumutbarkeit der Erklärung des
Rücktritts vor der Prüfung eine Frage des Einzelfalls.
vgl. etwa: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03.11.2005 - 14 A
3101/03 -, juris
Allgemein ist zu fordern:
Der Prüfling muss, nachdem er seine zur Prüfungsunfähigkeit
führende gesundheitliche Belastung erkannt hat, alsbald ohne weitere
Verzögerung zum frühestmöglichen, ihm zumutbaren Zeitpunkt
seinen Rücktritt erklären und dabei auch unverzüglich die Gründe
hierfür mitteilen. Diese Obliegenheit ist Teil der auf dem
Prüfungsrechtsverhältnis beruhenden Pflicht des Prüflings, im
Prüfungsverfahren mitzuwirken, die ihren Rechtsgrund in dem auch
im Prüfungsrechtsverhältnis geltenden Grundsatz von Treu und
Glauben hat. Daher ist es auch Sache des Prüflings, sich rechtzeitig
vor der Prüfung, aber auch insbesondere während der Prüfung
Klarheit über seine Prüfungsfähigkeit zu verschaffen und ggf.
unverzüglich die in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgesehenen
Konsequenzen zu ziehen und Prüfungsunfähigkeit spätestens dann,
wenn er sich ihrer bewusst geworden ist, geltend zu machen. Zur
Mitwirkungspflicht des Prüflings gehört auch, dass er sich bei
Auftreten gesundheitlicher Beeinträchtigungen selbst um die Frage
seiner Prüfungsfähigkeit und eines evtl. erforderlichen Rücktritts
kümmert und dass diese Frage bei auftauchenden Zweifeln sofort
geklärt wird. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Prüfling die
genaue krankheitsbedingte Ursache seiner Prüfungsunfähigkeit kennt
und dass er die Krankheitssymptome richtig deuten und alle
Auswirkungen der Krankheit zutreffend einschätzen kann. Vielmehr
muss er sich bereits bei subjektivem Krankheitsverdacht, also wenn
ihm erhebliche Beeinträchtigungen seines Leistungsvermögens im
Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre nicht verborgen
geblieben sind, unverzüglich selbst um eine Aufklärung seines
Gesundheitszustandes bemühen.
so VGH Bayern, Urteil vom 23.09.2004 - 7 B 03.1192 -, juris
Unterlässt der Prüfling dies, obwohl es ihm zuzumuten ist, ist es ihm verwehrt, sich
nachträglich auf eine Erkrankung am Prüfungstag zu berufen.
Dazu hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, er sei bis zum
Prüfungstag davon ausgegangen, an der Prüfung teilnehmen zu können. Er halte es für
ausreichend, wie schon zuvor, am Prüfungstag den Amtsarzt aufzusuchen und dem
Beklagten daraufhin die Gründe der Säumnis mitzuteilen.
Die die klägerische Säumnis begründende gesundheitliche Beeinträchtigung war kein
plötzlich auftretendes Ereignis. Nach dem amtsärztlichen Attest vom 31.08.2009, und wie
vom Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt, befand er sich seit vier Monaten in
psychotherapeutischer Behandlung, es bestand ein psycho-vegetativer
Erschöpfungszustand mit Schlafstörungen, Problemen der Konzentration und der
Merkfähigkeit, von einer Wiederherstellung der Prüfungsfähigkeit sei frühestens vom
Prüfungstag ab in vier bis sechs Wochen auszugehen.
Bereits den Prüfungen im Herbst 2008 war er wegen einer reaktiven Depression in Folge
familiärer Belastungssituation (nach den amtsärztlichen Attesten vom 21.08.2008 und
16.09.2008) ferngeblieben, wobei mit Wiederherstellung der Prüfungsfähigkeit in zwei bis
drei Monaten zu rechnen sei.
Das Gericht ist danach davon überzeugt, dass der Kläger sehr wohl seine
Prüfungsunfähigkeit erkannte, aber davor zurückschreckte, wie geboten und ihm bekannt,
unverzüglich, d. h. vor dem Prüfungstag, den Amtsarzt aufzusuchen und den Rücktritt von
der Prüfung zu erklären. Stattdessen ließ er den Prüfungstag anbrechen und begab sich
zum Hausarzt und zum Amtsarzt. Bei diesem Geschehensablauf ist dem Kläger
entgegenzuhalten, dass er die Augen vor dem Verschloss, was jedem hätte einleuchten
müssen: dass es ihm zumutbar war, bereits vor dem Prüfungstag seine Prüfungsfähigkeit
ärztlich und amtsärztlich abzuklären und den Rücktritt vor der Prüfung zu erklären.
Dies entspricht einer vorwerfbaren Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit des Prüflings zur
unverzüglichen Mitteilung im Sinne eines „Verschuldens gegen sich selbst“. Anhaltspunkte
dafür, dass das vom Kläger entwickelte doch planvolle Vorgehen im Zustand einer die
Willensbildung völlig ausschließenden Beeinträchtigung erfolgte, bestehen nicht. Daher
bedurfte es keiner Beweiserhebung zur Frage der Steuerungsfähigkeit des Klägers bis zur
Erklärung des Rücktritts.
vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 23.06.1998 - 8 R 40/95 -
Dieser Bewertung als „Verschulden gegen sich selbst“, wie sie der streitige
Widerspruchsbescheid vornimmt, steht nicht entgegen, dass der Beklagte entsprechende
vorgehende Versäumnisse, etwa in den Jahren 2008 und 2007, aus wichtigem Grund und
als unverzüglich mitgeteilt genehmigte und auch seinen Ausgangsbescheid nicht auf den
Mangel der Unverzüglichkeit stützte. Denn Gegenstand der gerichtlichen Prüfung ist der
Ausgangsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids und die in den Verfahren 1 K
1908/09 und 1 K 1927/09 streitigen Bescheide vom 19.05.2009 und 20.05.2009 sind
ausdrücklich auf das nicht gegebene Erfordernis der Unverzüglichkeit der Mitteilung des
wichtigen Grundes und des Rücktritts vor der Prüfung gestützt. Weiter wurde der Kläger
mit den die jeweiligen vergleichbaren Rücktritte von den Prüfungen im Frühjahr und Herbst
2008 genehmigenden Bescheiden vom 10.08.2008 und 28.01.2009 in einer beigefügten
„Information“ abschließend darüber belehrt, dass aus den bereits erteilten Genehmigungen
bei gleichem Sachverhalt kein Rechtsanspruch hergeleitet werden könne, die
Entscheidungen ergingen im Einzelfall. Mit der Ladung zur streitigen Prüfung hat der
Beklagte ausdrücklich auf das Erfordernis der Unverzüglichkeit der Mitteilung des wichtigen
Grundes und des Rücktritts vor der Prüfung hingewiesen. Dem Kläger kommt danach kein
schutzwürdiges Vertrauen dahingehend zu, blind darauf zu vertrauen, dass eine
Entschuldigung am Prüfungstag ausreichend sei.
Die Versäumnis des mündlich-praktischen Teils der Prüfung zum Ersten Abschnitt der
ärztlichen Prüfung im Herbst 2009 (31.08.2009) ist daher nicht unverzüglich erfolgt und
damit nicht aus wichtigem Grund anzuerkennen. Damit ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 167 VwGO, 708 Nr.
11, 711 ZPO.
Die Berufung ist nicht gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, da die Voraussetzungen
des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG und orien-tiert sich
an der Empfehlung in Ziffer 36.1 des Streitwertkatalogs für die Verwal-tungsgerichtsbarkeit
in der Fassung vom Juli 2004, NVwZ 2004, 1327, wonach für die ärztliche Prüfung ein
Streitwert in Höhe von 7.500 EUR vorgesehen ist.
vgl. OVG Niedersachsen Beschluss vom 03.03.2010 - 2 ME 343/09 -
, juris