Urteil des VG Saarlouis vom 24.10.2008
VG Saarlouis: geschiedene frau, neubewertung, ehepartner, wiederverheiratung, vollstreckung, doppelbelastung, unterhaltspflicht, verfassung, hinterbliebenenrente, rechtsnorm
VG Saarlouis Urteil vom 24.10.2008, 3 K 708/08
Rechtsschutz gegen die Kürzung der Versorgungsbezüge wegen Versorgungsausgleich mit
dem ersten Ehegatten, trotz Unterhaltsverpflichtungen aus der zweiten Eheschließung
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss
ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kürzung der Versorgungsbezüge des Klägers.
Der am … 1936 geborene Kläger stand als Beamter auf Lebenszeit (zuletzt Bes. Gr. A 13)
im Dienst der Bundesrepublik Deutschland. Mit Ablauf des 30.09.2001 wurde er in den
Ruhestand versetzt und erhält seither von der Beklagten Versorgungsbezüge nach dem
Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG -.
Zum 18.02.1986 war seine (erste) Ehe rechtskräftig geschieden und durch Beschluss des
Amtsgerichts zu Lasten seiner Versorgung auf dem Versicherungskonto seiner früheren
am … 1941 geborenen Ehefrau, bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte – BfA –
Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 739,18 DM begründet worden. Sie selbst
bezieht mittlerweile eine Rente aus eigener Erwerbstätigkeit.
Nach ihrer Scheidung haben sowohl der Kläger als auch seine geschiedene Ehefrau wieder
geheiratet; der Kläger lebt inzwischen getrennt und hat das Sorgerecht für die aus der
zweiten Ehe hervorgegangenen Kinder C., M. und N..
Durch bestandskräftigen Bescheid vom 08.08.2001 setzte die Beklagte (A. A.) die
Versorgungsbezüge des Klägers fest, die sie gemäß § 57 BeamtVG im Hinblick auf den o.a.
Versorgungsausgleich um 1.087,61 DM kürzte.
Mit Schreiben vom 15.04.2008 bat der Kläger die Beklagte „unter Bezugnahme auf das
neue Unterhaltsrecht“, „die Kürzung (seiner) Versorgungsbezüge rückwirkend ab 1.1.08
einzustellen.“ Seine geschiedene Frau sei kinderlos und lebe „in vermögenden
Verhältnissen“, während er selbst drei schulpflichtige Kinder zu versorgen habe, was
zusammen mit der vorgenommen Kürzung und seiner hohen steuerlichen Belastung zu
großen finanziellen Problemen geführt habe, die er altersbedingt nicht mehr ausgleichen
könne.
Die Kürzung beträgt seit 01.08.2008 monatlich 602,76 EUR.
Durch Bescheid vom 08.05.2008 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab,
die Kürzung der Versorgungsbezüge gemäß § 57 BeamtVG erfolge unabhängig davon,
„inwieweit die geschiedene und ausgleichsberechtigte Ehefrau bedürftig ist und/oder eine
Rente aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Recht erhält“. Das gelte auch für den
Fall der Wiederverheiratung. Änderungen im Unterhaltsrecht hätten „keinerlei
Auswirkungen“ auf die Kürzung der Versorgungsbezüge gemäß § 57 BeamtVG.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 27.05.2008 Widerspruch ein, den er im
wesentlichen damit begründete, nach dem neuen Unterhaltsrecht solle die Zweitfamilie
des Unterhaltspflichtigen weitgehend materiell gesichert werden; daher sei die bisherige
Rechtslage zugunsten der geschiedenen Ehefrau „unbillig und damit revidierbar“. Der
Gesetzgeber müsse zu einer „Neubewertung und Aktualisierung“ der entsprechenden
Vorschriften kommen.
Durch Widerspruchbescheid vom 13.06.2008 (zugestellt am 25.06.2008) wurde der
Widerspruch zurückgewiesen, und zwar mit folgender - zum Teil zusätzlicher - Begründung:
- Die Beklagte sei an die (nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts
–
BVerfG
–
unbedenkliche)
Kürzungsvorschrift des § 57 BeamtVG gebunden.
- Ein Härtefall, der (und zwar nur) über §§ 4 und 5 VAHRG
auszugleichen wäre, liege nicht vor.
- Die Änderungen im Unterhaltsrecht zum 01.01.2008 seien für die
versorgungsrechtliche Würdigung des Sachverhalts ohne Belang.
Am 24.07.2008 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
Er wiederholt, ergänzt und vertieft seine bisherige Argumentation. Dass die vor mehr als
20 Jahren festgelegte Kürzung seiner Versorgungsbezüge in erster Linie ein Instrument der
Rentenversicherung sei, stehe seinem Anspruch nicht entgegen. Das reformierte
Unterhaltsecht erwarte von geschiedenen Ehegatten in verstärktem Maß, für sich selbst zu
sorgen. Gerade das aber habe seine geschiedene Ehefrau bereits vor Jahren auf
bemerkenswerte Weise getan. Ob und inwieweit die gegenwärtige Strukturreform des
Versorgungsausgleichs Altfälle wie den seinen regeln werde, sei vorliegend unbeachtlich.
Der Kläger beantragt (sinngemäß schriftlich),
unter Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 08.05.2008 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2008 die
Kürzung der Versorgungsbezüge ab dem 01.01.2008 entfallen zu
lassen und die Beklagte zu verurteilen, ihm die einbehaltenen Beträge
zu erstatten.
Die Beklagte beantragt (ebenfalls schriftlich),
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die ergangenen Entscheidungen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten
und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten (2 Hefter) Bezug genommen;
er war Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
I.
Über die Klage konnte im Einverständnis mit den Beteiligten durch den Vorsitzenden als
Berichterstatter und ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§§ 87 a Abs. 2 und
3, 101 Abs. 2 VwGO).
II.
Die Klage ist zulässig aber nicht begründet.
1. Gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG sind die Versorgungsbezüge des Klägers wegen
des zugunsten seiner früheren Ehefrau durchgeführten Versorgungsausgleichs um den
nach Abs. 2 berechneten Betrag zu kürzen. Das hat die Beklagte (bestandskräftig) in
rechtlich nicht zu beanstandender Weise getan, wobei Rechtsgrundlage und
Berechnungsweise der in Rede stehenden Kürzung zwischen den Beteiligten unstreitig sind.
2. Das so genannte "Pensionistenprivileg" ist auf den Kläger unstreitig nicht anzuwenden,
weil er sich zum maßgeblichen Zeitpunkt der familiengerichtlichen Entscheidung noch nicht
im Ruhestand befand.
Vgl. hierzu u.a. Urteile der Kammer vom 12.12.2000 - 3 K 156/00 -
, vom 27.08.2002 - 3 K 45/01 - und vom 28.01.2005 - 3 K 74/03 -
jeweils m.w.Nw.; zur Kürzung, wenn der Beamte nicht wegen
Erreichens der Altersgrenze, sondern vorzeitig wegen
Dienstunfähigkeit
18.05.2004 - K 39/03 - unter Hinweis auf
Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, BeamtVG, Komm., § 57 Rdnr. 1 a;
zuletzt OVG Münster, Urteil vom 09.04.2008 – 1 A 2307/07 -, DVBl.
2008, 1004 (LS), Langtext bei juris
3. Die Beklagte musste von der Kürzung auch nicht gemäß §§ 4, 5 VAHRG absehen, weil
Härtefälle
gemacht hat. Das BVerfG hatte in seiner Entscheidung vom 28.02.1980 - 1 BvL 11/77 -
u.a., BVerfGE 53, 257, 300 ff. die Regelungen über den Versorgungsausgleich im
Grundsatz für verfassungsmäßig erklärt und insbesondere auch deren Vereinbarkeit mit
Art. 33 Abs. 5 GG festgestellt. Gleichzeitig hatte es den Gesetzgeber für verpflichtet
gehalten, in bestimmten Härtefällen zusätzliche Regelungen zu treffen, die es ermöglichen,
nachträglich eintretenden grundrechtswidrigen Auswirken des Versorgungsausgleichs zu
begegnen. Eine solche Regelung ist insbesondere in § 5 Abs. 1 VAHRG mit dem Ziel
getroffen worden, eine Doppelbelastung des Versorgungsempfängers aufgrund
Unterhaltspflicht und gleichzeitiger Kürzung der Versorgungsbezüge zu vermeiden.
Zum Fall einer derartigen „Belastungskumulation des Verpflichteten“
im Verhältnis zum Berechtigten durch Unterhalt einerseits und
Versorgungsausgleich andererseits (bei Wiederverheiratung mit dem
früheren Ehepartner) vgl. OVG Münster, aaO
4. Dass die Kürzung gemäß § 57 BeamtVG in anderen als den gesetzlich normierten
Härtefällen - und zwar in Übereinstimmung mit der Verfassung - vorzunehmen ist, wenn
z.B. der Berechtigte bis zu seinem Tod keine Leistungen erhalten hat, aber eine nach
seinem Ableben zu zahlende Hinterbliebenenrente an den „Zweit“-Ehepartner gewährt
wird, hat die Kammer bereits mehrfach entschieden.
Vgl. die Urteile der Kammer vom 21.11.2000 - 3 K 319/98 -,
11.01.2001 - 3 K 136/00 - und vom 28.01.2005, aaO, m.w.Nw.
(insbesondere BVerfG, 05.07.1989 - 1 BvR 11/87 -, NJW 1989,
1383 und OVG Münster, 19.07.1993 - 12 A 3282/91 -, Schütz,
Beamtenrecht, ES/C III 2 Nr. 20)
5. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber (jedenfalls in der Vergangenheit)
andere
nicht ausgleichsbedürftig
ähnlich OVG Münster, Urteil vom 09.04.2008, aaO
was u.a. aus dem Ausnahmecharakter der Vorschriften des VAHRG folgt, die selbst eng
auszulegen sind.
Vgl. Stegmüller pp, aaO, Erl. 2 zu § 5 VAHRG
Ob der Gesetzgeber zu einer Neuregelung seit 01.01.2008 im Hinblick auf die Änderung
des Unterhaltsrechts verpflichtet ist, wie der Kläger meint, kann vorliegend dahinstehen, da
es jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt an einer den Anspruch des Klägers tragenden
Rechtsnorm fehlt, was für den Bereich des Besoldungs- und Versorgungsrechts, der einer
Gesetzesbindung
BeamtVG), entscheidend ist. So sind auch die Vorschriften des § 57 BeamtVG zwingendes
Recht.
Vgl. Stegmüller pp, aaO, Erl. 1.5 zu § 57 BeamtVG
Der Kläger selbst hat dies in seiner Widerspruchsbegründung im Übrigen selbst erkannt:
Insgesamt ist die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO i.V.m.
708 Nr. 11, 711 ZPO.
Für eine Zulassung der Berufung bestand keine Veranlassung (vgl. §§ 124 a Abs. 1 Satz 1
i.V.m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO).
Beschluss
Der Streitwert wird (wie bereits im Beschluss vom 14.08.2008) gemäß §§ 63 Abs. 2, 52
14.466,24 Euro