Urteil des VG Saarlouis vom 23.11.2007

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VG Saarlouis Urteil vom 23.11.2007, 10 K 17/07
Ehrenmord in Syrien als Grund für ein Abschiebungsverbot
Leitsätze
Zur Frage der Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG
wegen der Gefahr der Tötung durch Angehörige der eigenen Familie (Ehrenmord)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines
Betrages in Höhe der aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe
leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist kurdische Volkszugehörige und nach ihren eigenen Angaben am
02.02.2005 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, wo sie am
25.02.2005 ihre Anerkennung als Asylberechtigte beantragte. Zur Begründung gab sie
unter Darlegung im Einzelnen im Wesentlichen an, sie sei gezwungen gewesen, Syrien zu
verlassen, weil sie wegen ihres Engagements für die Yekiti-Partei vom syrischen
Geheimdienst gesucht worden sei.
Mit Bescheid vom 26.07.2005, 5150057 - 475, lehnte die Beklagte den Antrag auf
Anerkennung als Asylberechtigte als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die
Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht vorliegen und stellte weiter
fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Zudem
forderte sie die Antragstellerin unter Fristsetzung auf, die Bundesrepublik Deutschland zu
verlassen, und drohte ihr die Abschiebung nach Syrien oder in einen anderen Staat, in den
sie einreisen darf oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, an.
Gegen den ihr am 29.07.2005 zugestellten Bescheid erhob die Klägerin unter Berufung auf
ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren am 05.08.2005 Klage, mit der sie ihr
Asylbegehren und die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 bis 7
AufenthG weiterverfolgte, und stellte zugleich Antrag nach § 80 V VwGO, der durch
Beschluss des Gerichts vom 12.08.2005, 5 F 22/05.A, zurückgewiesen worden ist.
Im Verlaufe des Verfahrens legte die Beklagte mit Schreiben vom 18.07.2006 Unterlagen
der Polizeiinspektion Lebach -Kriminaldienst- vor, aus denen hervorgeht, dass die Klägerin
nach ihren eigenen Angaben in der Vernehmung als Beschuldigte vom 07.02.2006 am
30.01.2005 nach Deutschland gekommen ist, um den syrischen Staatsangehörigen M. N.
zu heiraten und hier zu studieren. Diesen habe sie am 02.02.2005 nach traditionellem
Ritus geheiratet und am 02.02.2006 sei die gemeinsame Tochter I. geboren worden.
Befragt zu ihren Angaben bei der Anhörung bei der Beklagten gab die Klägerin an, dass alle
damaligen Angaben falsch gewesen seien.
Nach Kenntnisnahme von diesem Vorgang ließ die Klägerin folgendes vortragen:
Sie räume ein, dass ihre Angaben im Asylverfahren falsch gewesen seien. Hintergrund ihrer
Einreise in die Bundesrepublik Deutschland sei allein die von ihren Eltern und den Eltern
ihres in religiöser Ehe verheirateten Ehemannes verabredete Eheschließung, aus der ihre
am 02.02.2006 in der Bundesrepublik Deutschland geborene Tochter I. A. hervorgegangen
sei, gewesen. Die Tante der Klägerin, die Schwester ihrer Mutter, A. B., lebe in der
Bundesrepublik und verfüge hier über eine Aufenthaltserlaubnis. Diese sei im Oktober 2004
besuchsweise in Syrien gewesen und habe dort mitbekommen, dass die Eltern ihres
Ehemannes eines abends zu ihren Eltern gekommen seien und um die Hand der Klägerin
angehalten hätten. Die Familien hätten schließlich die Heirat vereinbart. Die Ausreise der
Klägerin sei dann von den Eltern des Ehemannes organisiert worden, die auch für ein Visum
nach Deutschland gesorgt hätten. Der Reisepass, den die Klägerin gehabt habe, sei später
von ihrem Ehemann verbrannt worden. Er habe sie auch bei ihrer Ankunft in Düsseldorf
gemeinsam mit der Tante und deren Ehemann abgeholt und ins Saarland gebracht, wo
bereits zwei Tage danach die religiöse Eheschließung vor einem Imam in der Wohnung der
Tante vorgenommen worden sei. Zur Hochzeitsnacht habe ihr Ehemann sie nach Frankfurt
gebracht, wo sie festgestellt habe, dass dieser an einer den ganzen Körper betreffenden
Hauterkrankung leide. Deshalb habe sie den Geschlechtsverkehr verweigert. Dieser habe
sie jedoch massiv bedrängt, so dass sie schließlich gegen ihren Willen „einwilligte“.
Während der Schwangerschaft habe es häufig Streitigkeiten gegeben, weil der Ehemann
sie zum Geschlechtsverkehr gezwungen habe. Er habe ihr ständig gedroht, sie zu
schlagen, wenn sie ihm nicht zu Willen gewesen sei. Bereits am 06.03.2006 sei es zu
einer massiven Körperverletzung durch ihren Ehemann gekommen, die zu einem
Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken unter dem Aktenzeichen 8 Js
948/06 geführt habe. Bei der zugrunde liegenden Auseinandersetzung habe er die Tür mit
dem Fuß aufgestoßen und hierbei das gemeinsame Kind am Kopf getroffen, so dass es
ohnmächtig geworden sei. Seit diesem Vorfall lebe sie von ihm getrennt. Er verfolge sie
jedoch auch jetzt weiter, stehe ständig vor ihrer Tür und fordere sie auf, zurückzukommen.
Auch seine Eltern übten entsprechenden Druck auf ihre Eltern in Syrien aus. Die Familie des
Mannes sei im Gegensatz zur Familie der Klägerin in Syrien sehr vermögend. Bereits
aufgrund dessen verfüge sie über entsprechende Beziehungen. Im Hinblick auf die
Gewalttätigkeiten ihres Ehemannes sei sie von der Verpflichtung zum Wohnen in der
Gemeinschaftsunterkunft befreit. Vor dem Familiengericht Merzig habe ihr Ehemann ein
Besuchsrecht in der Form des begleitenden Umfangs erstritten (Az.: 30 F 94/06 UG). Das
Asylverfahren ihres Ehemannes sei abgeschlossen, so dass ihm die Abschiebung nach
Syrien drohe. Dort würden er und seine Familie den Druck auf die Klägerin erheblich
verschärfen und sie sei dort schutzlos. Ihre Eltern drängten sie ebenfalls, zu ihrem
Ehemann zurückzukehren, da sie durch die Trennung die Familienehre verletzt habe.
Zudem habe sie Angst vor der Familie des Ehemannes. Sie könne sich, nach Syrien
zurückgekehrt, nicht gegen die familiären Vorstellungen beider Familien wehren, wieder zu
ihrem Ehemann zurückzukehren. Hinzu komme, dass ein gemeinsames Kind vorhanden
sei, das nach moslemischer Auffassung zum Vater gehöre. Sie wäre daher in Syrien der
Gewalt des Ehemannes und der Zwangsehe ausgesetzt. Bei einer Abschiebung bestehe
daher eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben der Klägerin.
Weiter beruft sich die Klägerin darauf, dass sie erfahren habe, dass am 13.08.2006 das
Elternhaus in Syrien in Brand gesteckt worden sei und Vater und Bruder ihres Ehemannes
im Hinblick darauf festgenommen worden seien. Zudem habe ihr Ehemann ihr am
26.10.2006 auf der Straße aufgelauert, sie mit einem Messer bedroht und das
gemeinsame Kind entführt, ungeachtet des Umstandes, dass im vorangegangenen
Gewaltschutzverfahren vor dem Amtsgericht Merzig (30 F 240/06 UG) ein Vergleich
geschlossen worden sei, in dem er sich u.a. verpflichtet gehabt habe, zumindest einen
Abstand von 50 Metern einzuhalten und Kontakt ausschließlich über Rechtsanwälte und
Umgangspfleger zur Klägerin und dem gemeinsamen Kind aufzunehmen.
Im Übrigen legte die Klägerin ein ärztliches Attest des Dr. med. K., Köln, vom 20.11.2006
vor, wonach bei ihr eine akute psychische Dekompensation, psychische Störungen, ein
Depressionssyndrom und weitere Erkrankungen vorliegen, auf deren Grundlage eine
Verlegung ihres Aufenthalts von Saarbrücken nach Bonn, in die Nähe ihrer Verwandten,
befürwortet wird.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides der Beklagten vom
26.07.2005, zu verpflichten, festzustellen, dass ein
Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie weist insbesondere auf die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen aus syrischen
Ermittlungsakten im Hinblick auf die im Schriftsatz der Klägerin vom 06.09.2006 erwähnte
Brandstiftung hin, aus denen hervorgehe, dass nicht das Elternhaus der Klägerin in Syrien,
sondern lediglich die Haustür in Brand gesteckt worden sei. Aus diesen Unterlagen sei
weiter zu entnehmen, dass seit der religiösen Heirat der Klägerin zwischen ihrer und der
Familie ihres Ehemannes Streitigkeiten herrschten, die auch vor den syrischen Gerichten
ausgetragen würden. Hinsichtlich der Brandstiftung habe die Familie der Klägerin
anscheinend Familienangehörige des Ehemannes angezeigt, woraufhin diese wohl
kurzzeitig festgenommen worden seien und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden
sei. Im Gegensatz zu den Angaben der Klägerin zu ihrer Schutzlosigkeit, die auf Druck aus
beiden Familien beruhe, sprächen die vorgelegten Protokolle eine andere Sprache. Danach
stritten sich die beiden Familien erbittert vor den syrischen Gerichten. Es sei dabei nicht
ansatzweise erkennbar, dass die Familie der Klägerin hierbei benachteiligt wäre oder gar
Angst hätte, aufgrund der guten Vermögensverhältnisse und zahlreichen Beziehungen der
anderen Familie zu ihrem Recht zu kommen. Hinzu komme, dass aus dem bisherigen
Verfahren bekannt sei, dass die Klägerin es mit der Wahrheit nicht so genau nehme. All
dies mache deutlich, dass sie den Sachverhalt so wiedergebe, wie er für ihre Zwecke
gerade günstig erscheine.
Mit Beschluss vom 21.08.2006, 5 K 123/05.A, hat das Gericht das Verfahren hinsichtlich
des mit Klageerhebung gestellten Antrags auf Anerkennung als Asylberechtigte und
Feststellung von Abschiebungsverboten abgetrennt, unter dem Aktenzeichen 5 K 56/06.A
fortgeführt und nach Rücknahme der Klage insoweit eingestellt.
Mit Beschluss vom 13.03.2007, 10 L 393/07, hat die Kammer den Antrag der Klägerin auf
Abänderung des Beschlusses vom 12.08.2005, 5 F 22/05.A, zurückgewiesen.
Mit weiteren Beschlüssen vom 29.10.2007, 10 K 17/07, hat die Kammer den Rechtsstreit
dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen und der Klägerin die von ihr beantragte
Prozesskostenhilfe verweigert.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich der
Akten 5 F 22/05 und 10 L 393/07 sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der
Beklagten und der Ausländerbehörde einschließlich der den traditionell angetrauten
Ehemann der Klägerin betreffenden Akten der Beklagten (2606014-475 und 5003824-
475), der ebenso wie der Inhalt der der anliegenden Liste zu entnehmenden Dokumente
aus der gerichtlichen Dokumentation Syrien Gegenstand der mündlichen Verhandlung war,
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten
zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht zu.
Abschiebungsschutz nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass der Klägerin bei Rückkehr in
ihr Herkunftsland eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit innerhalb
absehbarer Zeit nach der Einreise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Hiervon ist
nach den Feststellungen der Kammer weder im Hinblick auf die von der Klägerin geltend
gemachte Gefährdung durch die Familie des Vaters ihres Kindes noch durch Angehörige
ihrer eigenen Familie vor dem Hintergrund ihrer Trennung von ihrem Lebensgefährten bzw.
Ehemann noch im Hinblick auf die geltend gemachte Erkrankung auszugehen.
Soweit die Klägerin geltend macht, sie sei nach Deutschland gekommen, um die zuvor vom
Heimatland aus arrangierte Ehe mit dem syrischen Staatsangehörigen M. N. einzugehen
und habe sich von diesem getrennt und damit die Familienehre verletzt, hat die Kammer
im Beschluss vom 13.03.2007, 10 L 393/07, folgendes ausgeführt:
„In Anbetracht dieses Vorbringens vermag das Gericht bei Würdigung sämtlicher bisher
bekannter Umstände nicht zu erkennen, dass die Antragstellerin im Falle einer Rückkehr
nach Syrien in ihren durch § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geschützten Rechtsgütern Leib,
Leben und Freiheit konkret-individuell gefährdet sein könnte. Vielmehr ist der
Antragsgegnerin darin beizupflichten, dass die Auseinandersetzungen zwischen den
Familien der Antragstellerin und ihres Ehemannes in Syrien, die mittlerweile auch die
dortige Justiz beschäftigen, keineswegs darauf hindeuten, dass zwischen den Familien ein
starkes Ungleichgewicht hinsichtlich der Möglichkeit zur Durchsetzung ihrer jeweiligen
Interessen besteht. Die mehr oder weniger offene Feindschaft zwischen den Parteien lässt
es dabei als abwegig erscheinen, dass die Familie der Antragstellerin diese im Falle einer
Rückkehr dazu drängen könnte, zu ihrem Ehemann zurückzukehren. Im Übrigen ist es
unter den gegebenen Umständen nicht nachvollziehbar, dass die Antragstellerin durch ihre
Trennung von Herrn N. die Ehre ihrer Familie verletzt haben sollte, denn das Verhalten ihres
Ehemannes ihr gegenüber dürfte selbst nach traditionell muslimischer Anschauung als
ungebührlich gelten.
Vgl. dazu z.B. die Auskünfte des Deutschen Orient-Institus vom
22.3.2004 an das VG Braunschweig und vom 30.12.1998 an das
VG Gelsenkirchen sowie des Auswärtigen Amtes vom 4.3.2004 an
das VG Braunschweig, vom 4.12.1998 an das VG Gelsenkirchen und
vom 28.8.1998 an das VG Köln
Es gibt auch keinerlei Hinweise darauf, dass die Familie der Antragstellerin deren Einwände
gegen die Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft mit Herrn N. nicht
anerkennen würde. Die erheblichen bzw. feindseligen Streitigkeiten zwischen den Familien
der Antragstellerin und ihres Ehemannes sind vielmehr geeignet, das Gegenteil zu belegen.
Insgesamt gesehen ist deshalb davon auszugehen, dass die Antragstellerin im Falle einer
Rückkehr bzw. Rückführung in ihr Heimatland darauf vertrauen darf, dass ihre Familie ihr
Schutz gewährt. Darüber hinaus ist mit Blick auf das bisherige Verhalten der syrischen
Behörden damit zu rechnen, dass bei einem strafrechtlich relevanten Fehlverhalten ihres
Gatten oder dessen Familienangehörigen auch staatlicherseits eine entsprechende
Schutzbereitschaft besteht.“
Dieser Bewertung folgt die Kammer auch nach Maßgabe des Ergebnisses der mündlichen
Verhandlung im Hauptsacheverfahren. Nachdem der Kammer vorliegenden
Erkenntnisquellen steht die von der Klägerin für sich in Anspruch genommene Gefährdung –
sei es durch die Familie ihres in Imam-Ehe angetrauten Ehemannes, sei es durch ihre
eigene Familie – erkennbar nicht. Aus dem ausführlichen Gutachten des
Deutschen Orient-Instituts vom 22.12.2006 an VG Mainz
ergibt sich, dass der sogenannte Ehrenmord gewissermaßen reserviert sei für
Tabuverstöße von Mädchen, die die Ehre der Familie berührten. Darunter seien alleine
vorehelicher Sex und eheliche Untreue zu verstehen. Eine derartige Situation liege dann
nicht vor, wenn es sich um den „Fall einer völlig normalen, ja sogar erwartungsgemäßen,
wahrscheinlich sogar von Anfang an geplanten Verehelichung“ handele, in denen für den
Vater selbst dann, wenn die Tochter dessen Verheiratungspläne durchkreuze, kein Grund
vorhanden sei, die Tochter umzubringen. Dies sei sozial gesehen für den Vater „nicht
durchstehbar“. Dazu müsse man wissen, dass diese Ehrenmorde ja gerade deshalb
geschähen, weil sie letztlich von den sozialen und traditionellen Vorstellung gedeckt seien
und deshalb die Mörder nicht belangt würden, sondern der Mantel des allgemeinen
Schweigens darüber gedeckt werde.
Diese Situation ist der vorliegende Fall durchaus zuzuordnen, da die von der Klägerin
behauptete Ehe gerade von ihren Eltern und den Eltern des syrischen Mannes, von dem sie
in der Bundesrepublik Deutschland ein Kind empfangen hat, arrangiert worden ist. Auch
wenn sie durch die Trennung von diesem die Ehepläne ihrer Eltern durchkreuzt haben
sollte, stellt dies nach der Auskunftslage ersichtlich keinen Grund dar, eine Gefährdung
durch ihre eigene Familie an Leib und Leben oder Freiheit bei Rückkehr anzunehmen, wie
dies die Klägerin darzulegen sucht. Dies insbesondere, wenn der klägerische Vortrag
zutrifft, dass der ihr verehelichte Mann am ganzen Körper an einer Hauterkrankung leidet
und den ehelichen Geschlechtsverkehr erzwungen hat. Nach den Angaben von
Savelsberg, Europäisches Zentrum für kurdische Studien, Berlin, vom
18.03.2005,
droht der Klägerin zwar, dass ihr, wie in traditionellen syrischen Kreisen üblich,
grundsätzlich das Scheitern der Ehe angelastet wird und nicht ihrem Ehemann.
Scheidungen bzw. Trennungen würden „für Frauen“ als „Schande“, mit der Folge, dass
geschiedene/getrennte Frauen gesellschaftlich ausgegrenzt werden“, gelten. Dies sei in
traditionellen Kontexten gerade dann der Fall, wenn die Frau während ihrer Ehe geschlagen
oder sogar vergewaltigt worden sei. Dies vorausgesetzt, geht aus der Auskunft indes nicht
hervor, dass in einer derartigen Situation eine Gefährdung von Leib und Leben der Frau zu
erwarten ist. Vielmehr wird dort weiter ausgeführt, dass dann, wenn die Frau nach Syrien,
zu ihrer Familie, zurückkehre, zu erwarten sei, dass die Familie versuchen werde, sie so
schnell wie möglich wieder zu verheiraten. Es sei folglich damit zu rechnen, dass der Vater
sie an den erst besten Mann verheiraten werde, der bereit sei, mit ihr zusammen zu leben,
zumal realistische Möglichkeiten, unabhängig von der Familie zu leben, es für die Frau nicht
gebe. Auch diese Auskunft spricht damit dafür, dass die von der Klägerin befürchtete
Gefährdung im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nach Rückkehr nicht mit der
erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit besteht, zumal sie die behaupteten
Bedrohungen aus ihrer Familie heraus in keiner Weise näher belegt oder auch nur sonst
plausibel gemacht hat. Soweit sie sich mit Schriftsatz vom 14.11.2007 auf eine
Tötungsdrohung eines Onkels beruft, weil ihr in Imam-Ehe angetrauter Ehemann ihrer
Familie erzählt haben soll, sie sei keine Jungfrau mehr gewesen, als sie nach Deutschland
gekommen sei, stellt dies einen neuen, unsubstantiierten und eindeutig gesteigerten
Vortrag dar, dem auch angesichts der Unglaubwürdigkeit der Klägerin im Hinblick auf ihre
der Beklagten in der Anhörung im Verwaltungsverfahren aufgetischte frei erfundene
Verfolgungsgeschichte keine Relevanz für die erforderliche Gefährdungsannahme
zukommt. Nichts anderes gilt für eine Gefährdung unter dem Gesichtspunkt einer von der
Klägerin befürchteten „Zwangsehe“.
Wie bereits in o. a. Beschluss dargelegt, spricht auch nichts für eine zu erwartende
Gefährdung durch die Familie des Vaters ihres Kindes im Hinblick auf die Übergriffe von
Angehörigen dieser Familie gegenüber der Familie der Klägerin. Danach ist von Bedeutung,
dass nach den vorliegenden Erkenntnissen, insbesondere auch den vorgelegten Auszügen
aus den syrischen Ermittlungsakten, möglicherweise zwar ein Anschlag durch diese verübt
worden ist, dieser aber von der Ausführung her nicht als nachhaltig geführter Angriff auf
Leib und Leben von Angehörigen aus ihrer Familie gesehen werden kann. Alle diesbezüglich
vorliegenden Erkenntnisse deuten vielmehr darauf hin, dass die Klägerin sich insoweit in
den Schutz ihrer Familie begeben kann und von einer aktuellen konkreten Bedrohung von
Leib und Leben nach Rückkehr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gerade nicht
auszugehen ist. Dafür spricht insbesondere auch, dass die Klägerin nicht hat verdeutlichen
oder belegen können, weshalb ihr bzw. ihren Familienangehörigen von den Angehörigen
aus der anderen Familie überhaupt nachgestellt werden sollte, zumal sich die gemeinsame
Tochter nach ihren Angaben bei den Familienangehörigen des Mannes aufhalten soll. Die
diesbezüglich von ihr dargelegte angebliche Drohung des Vaters ihres Kindes, ihr etwas
anzutun, wenn er auf sie treffe bzw. wenn sie nach Syrien zurückkehre, ist nicht
nachvollziehbar.
Nach allem spricht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Gefährdung der Klägerin im
Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG und bleibt die Klage deshalb ohne Erfolg.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG. Die sonstigen
Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.