Urteil des VG Saarlouis vom 14.12.2010

VG Saarlouis: besondere härte, einbürgerung, bundesamt für justiz, öffentliches interesse, körperverletzung, bewährung, stadt, straftat, ausländer, firma

VG Saarlouis Urteil vom 14.12.2010, 2 K 495/09
Einbürgerung bei noch nicht getilgten strafrechtlichen Verurteilungen (u.a. Jugendstrafe)
Leitsätze
1) Eine Jugendstrafe, deren Strafmakel zwar beseitigt, die aber noch nicht getilgt ist,
unterfällt weder der Unbeachtlichkeitsschwelle des § 12 a Abs. 1 Satz 1 StAG a.F. noch
der Regelung über das Nichtberücksichtigungsermessen in § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F.
und steht daher einem Einbürgerungsausspruch nach § 10 StAG a.F. immer entgegen.
2) Zu den Voraussetzungen einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG a.F. bzw. § 8
StAG n.F.
3) Die Annahme einer "besonderen Härte" im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG n.F. setzt u.a.
voraus, dass in der Person des Einbürgerungsbewerbers atypische Umstände des
Einzelfalls vorliegen, die gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen
werden bzw. durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend
abgemildert würden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines
Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden
Kostenschuld abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der 1974 geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, der sei 1985 in der
Bundesrepublik Deutschland lebt und über eine Niederlassungserlaubnis (§ 9 AufenthG)
verfügt, begehrt seine Einbürgerung.
Am 29.05.2001 beantragte der Kläger beim Oberbürgermeister der Stadt A-Stadt den
Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung. Mit Schreiben vom
05.06.2001 leitete der Oberbürgermeister den Einbürgerungsantrag mit der Bitte um
Entscheidung an den Beklagten weiter. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass der Kläger
derzeit von Arbeitslosengeld lebe, sich nach eigenen Angaben jedoch intensiv um Arbeit
bemühe. Am 14.01.2002 wurde dem Beklagten ein Arbeitsvertrag übersandt, wonach der
Kläger ab dem 16.08.2001 befristet bis zum 31.08.2002 als Reinigungskraft bei einer
Firma in I. beschäftigt war. Des Weiteren wurde ein Sprachtest „Deutsch“ vorgelegt, den
der Kläger mit der Note „befriedigend“ bestanden hatte.
Die vom Beklagten eingeholte Auskunft aus dem Bundeszentralregister enthielt folgende
Eintragung für den Kläger:
1. 25.03.1997 AG S. (V000) – 00 JS 0000/00/00 VRS 000/00 –
Rechtskräftig seit 02.04.1997
Datum der (letzten) Tat: 25.05.1995
Tatbezeichnung: Gefährliche Körperverletzung
Angewendete Vorschriften: STGB § 223, § 223 a, § 25 Abs. 2, § 56,
§ 56 a, § 56 b, § 56 d
6 Monate Freiheitsstrafe
4 Jahre Bewährungszeit
Bewährungshelfer bestellt
Strafe erlassen mit Wirkung vom 04.07.2001
Darüber hinaus teilte das Landeskriminalamt auf Anfrage des Beklagten mit, dass die
Staatsanwaltschaft W. gegen den Kläger wegen Verstoßes gegen das Versammlungs- und
Vereinsgesetz ermittelt habe, nachdem dieser am 19.02.1994 bei einer verbotenen PKK-
Demo angetroffen worden sei; der Ausgang dieses Ermittlungsverfahrens sei nicht
bekannt. Das Landesamt für Verfassungsschutz teilte unter dem 01.08.2002 mit, dass
der Kläger im vergangenen Jahr im Rahmen der von der PKK initiierten
„Identitätskampagne“ das Formblatt „Auch ich bin ein PKK´ler“ unterzeichnet habe.
Aufgrund dieser Mitteilungen setzte der Beklagte das Einbürgerungsverfahren des Klägers
bis zu einer obergerichtlichen Entscheidung in Sachen PKK-Selbsterklärung vorübergehend
aus.
Mit Schreiben vom 21.06.2006 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass eine
Einbürgerung zumindest solange gemäß § 11 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 1 StAG
ausgeschlossen sei, als der Kläger nicht glaubhaft mache, sich von der bisherigen
Verfolgung oder Unterstützung von gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung
oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichteten
Bestrebungen abgewandt zu haben, und gab diesem Gelegenheit zur Stellungnahme.
Daraufhin bestellten sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers und führten aus, der
Kläger sei zu keiner Zeit Mitglied der PKK gewesen oder einer Organisation, die dieser
nahestehe. Er habe sich auch ansonsten nicht an irgendwelchen politischen
Auseinandersetzungen beteiligt. Dass er die PKK-Selbsterklärung unterschrieben habe,
beruhe allein darauf, dass er von Landsleuten hierzu gedrängt worden sei, ohne den Text
vorher gelesen zu haben. Er habe nur unterschrieben, um seine Ruhe zu haben. Worum es
in der Erklärung gegangen sei, sei ihm nicht bewusst gewesen.
Auf die Bitte der Prozessbevollmächtigten, nunmehr über die Einbürgerung des Klägers
bzw. die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung zu entscheiden, teilte der Beklagte
diesen unter dem 27.11.2006 mit, die wirtschaftliche Situation des Klägers sei noch nicht
abschließend geklärt.
In der Folgezeit wandte sich der Beklagte an die Arbeitsgemeinschaft der Agentur für Arbeit
S. und des Stadtverbandes S. – ARGE S.n-A-Stadt – und forderte diese zu einer
Stellungnahme im arbeitsrechtlichen Sinne und zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der
Einbürgerung bezüglich des Klägers auf.
Darauf antwortete die ARGE S.-A-Stadt, das letzte Beschäftigungsverhältnis des Klägers
habe im August 2002 geendet. In der Folge sei eine Sperrzeit nach der Beschäftigung vom
09.11. bis 29.11.2004 verhängt worden. Seit 01.01.2005 beziehe der Kläger
durchgehend Leistungen nach dem SGB II, davor habe er Sozialhilfe nach dem BSHG
bezogen. Anhaltspunkte dafür, dass er sich während der Arbeitslosigkeit intensiv um einen
neuen Arbeitsplatz bemüht hätte, seien nicht ersichtlich.
Mit Anhörungsschreiben vom 08.06.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die
Voraussetzungen für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit lägen zur Zeit nicht
vor. Eine Einbürgerung auf der Grundlage des § 10 Abs. 1 StAG setze unter anderem
voraus, dass der Einbürgerungsbewerber den Lebensunterhalt für sich und seine
unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach
dem SGB II oder dem SGB XII bestreiten könne. Von dieser Voraussetzung könne dann
abgesehen werden, wenn der Ausländer aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grund
den Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme dieser Leistungen bestreiten könne.
Nach den eingereichten Unterlagen erhalte der Kläger zur Zeit von der ARGE S.-A-Stadt
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Ausweislich des zuletzt
vorgelegten Bescheides seien Leistungen in Höhe von 1261,- Euro bewilligt worden. Damit
werde der Lebensunterhalt seit längerem aus öffentlichen Mitteln bestritten. Nach
Überprüfung der vorliegenden Unterlagen und Stellungnahmen sei kein Umstand
erkennbar, um von einem vom Kläger nicht zu vertretenden Grund für den Leistungsbezug
ausgehen zu können. Da der Kläger auf Anforderungen vom 10.10.2006 und 05.01.2007
keine Unterlagen über Eigenbemühungen vorgelegt habe, sei ein ausreichendes Bemühen
zur Beendigung der Arbeitslosigkeit nicht nachgewiesen.
Unter dem 17.07.2007 führten die Prozessbevollmächtigten des Klägers aus, der
Umstand, dass dieser derzeit auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen sei, sei von ihm
nicht zu vertreten. Der Kläger versuche seit langem, eine Arbeitsstelle zu finden. Er habe
derzeit eine Aushilfsbeschäftigung angenommen bei der Firma Garten +
Landschaftsgestaltung M. A.. Sofern die Auftragslage des Unternehmens dies ermögliche,
solle hieraus ein fester Arbeitsplatz werden. Außerdem laufe eine Bewerbung bei der Firma
C. AG. Zum Nachweis, dass der Kläger sich bereits seit Jahren erfolglos bewerbe, fügten
die Prozessbevollmächtigten Ablehnungsschreiben verschiedener Firmen bei. Darüber
hinaus verwiesen sie darauf, dass der Kläger mehrere Qualifizierungskurse absolviert und
an einem Trainingsprogramm der Bundesagentur für Arbeit für Bewerbungsschreiben etc.
teilgenommen habe. Im Übrigen habe er alle ihm angetragenen Arbeiten stets
angenommen.
Nachdem die ARGE S.-A-Stadt auf Nachfrage des Beklagten daran festhielt, dass der
Kläger keinerlei Bestrebungen unternehme, seine Arbeitslosigkeit zu beenden, sondern sich
weigere, die ihm angebotene Arbeit zu verrichten, wurde der Kläger mit Schreiben vom
26.11.2007 erneut angehört. Daraufhin legte er unter dem 29.02.2008 einen mit der
Bäckerei D. GmbH abgeschlossenen Arbeitsvertrag vom 15.02.2008 über ein
unbefristetes Arbeitsverhältnis als Fahrer für die Auslieferung der Backwaren ab dem
18.02.2008 vor. Im Anschluss daran setzte der Beklagte das Verfahren bis zum Ablauf der
vereinbarten Probezeit vorübergehend aus.
Im Rahmen der anschließenden Überprüfung der Sach- und Rechtslage fragte der Beklagte
unter anderem beim Landesverwaltungsamt an, ob in der Person des Klägers ein
Ausweisungsgrund nach § 54 Nr. 5 und 5 a des Aufenthaltsgesetzes vorliege. Daraufhin
teilte das Landesverwaltungsamt unter dem 21.10.2008 mit, der Kläger sei am
06.07.1993 vom Amtsgericht S. wegen Raubes zu einer Jugendstrafe von 14 Monaten
verurteilt worden, wobei die Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden sei (Bewährungszeit
2 Jahre). Ferner verwies das Landesverwaltungsamt auf das im Jahr 1994 bei der
Staatsanwaltschaft W. anhängig gewesene Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen
§ 20 VereinsG (PKK-Demo) und auf ein im Jahr 1996 bei der Staatsanwaltschaft S.
anhängig gewesenes Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, deren
Ausgang nicht bekannt sei. Der Kläger sei ausländerrechtlich verwarnt worden.
Die ARGE S.-A-Stadt teilte unter dem 09.12.2008 und 05.02.2009 mit, der Kläger beziehe
mit seiner Familie weiterhin durchgehend Leistungen nach dem SGB II. Seinen Arbeitsplatz
bei der Firma D. GmbH habe er verloren, nachdem ihm der Führerschein entzogen worden
sei. Die Voraussetzungen für eine Sperrzeit nach § 144 SGB III lägen vor. In den letzten
Jahren seien gegen den Kläger folgende Sanktionen verhängt worden: Wegen der
Weigerung, trotz der Belehrung über die Rechtsfolge zumutbare Arbeiten nach § 16 Abs. 3
Satz 2 SGB II auszuführen, seien ihm vom 01.11.2007 bis zum 31.01.2008 die Leistungen
nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 d SGB II um 30 % gekürzt worden. Des Weiteren seien ihm wegen
der Weigerung, in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen,
insbesondere ausreichende Eigenbemühungen nachzuweisen, vom 01.12.2007 bis zum
29.02.2008 die Leistungen nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 b SGB II erneut um 30 % gekürzt
worden. Zuletzt sei eine Kürzung der Leistungen nach § 31 Abs. 4 Nr. 3 b SGB II um 100
% für die Zeit vom 01.11.2008 bis zum 31.01.2009 erfolgt. Seit dem 01.01.2009 sei der
Kläger aushilfsweise in einer Wettannahmestelle der Firma A. M. beschäftigt.
Nach erneuter Anhörung des Klägers lehnte der Beklagte dessen Antrag auf Erwerb der
deutschen Staatsangehörigkeit mit Bescheid vom 29.04.2009 ab. Zur Begründung führte
er aus, gemäß § 10 Abs. 1 StAG in der aktuellen Fassung in Verbindung mit den
vorläufigen Verwaltungsvorschriften könne eine Einbürgerung unter anderem nur dann
erfolgen, wenn der Einbürgerungsbewerber den Lebensunterhalt für sich und seine
unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Bezug von Leistungen nach dem SGB II
und/oder SGB XII bestreiten könne. Der Einbürgerungsbewerber müsse imstande sein, den
eigenen und den Lebensunterhalt der Familie sowie etwaige gegen ihn gerichtete
Unterhaltsansprüche nachhaltig und auf Dauer aus einem selbst erwirtschafteten
Einkommen, einem eigenen Vermögen oder einem bestehenden Unterhaltsanspruch gegen
einen Dritten zu bestreiten, ohne auf öffentliche Mittel angewiesen zu sein
(Unterhaltsfähigkeit). Bei verheirateten Einbürgerungsbewerbern sei es ausreichend, dass
die Ehegatten hierzu gemeinsam in der Lage seien. Die Unterhaltsfähigkeit umfasse auch
eine ausreichende soziale Absicherung gegen Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Berufs- oder
Erwerbsunfähigkeit und für das Alter. Von der Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
StAG könne nur dann abgesehen werden, wenn der Ausländer nachweislich aus einem von
ihm nicht zu vertretenden Grund den Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme dieser
Leistungen bestreiten könne. Insoweit obliege ihm die Nachweispflicht, dass er in
ausreichendem Maße Eigenbemühungen zur Beendigung der Arbeitslosigkeit angestellt
habe. Nach den eingereichten Unterlagen erhalte der Kläger zur Zeit Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Da nach Aktenlage kein Umstand
erkennbar sei, um von einem von ihm nicht zu vertretenden Leistungsbezug ausgehen zu
können, sei sein Antrag auf Einbürgerung abzulehnen. Eine Einbürgerung im
Ermessenswege nach § 8 StAG komme ebenfalls nicht in Betracht, da der Bezug von
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II und
Sozialgeld) oder Leistungen nach dem SGB XII (Sozialhilfe) bzw. das Bestehen eines
entsprechenden Anspruchs einer Einbürgerung entgegenstünden. Dies gelte auch dann,
wenn der Einbürgerungsbewerber den Umstand, der ihn zur Inanspruchnahme dieser
Leistungen berechtige, nicht zu vertreten habe.
Der ablehnende Bescheid wurde dem Kläger zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten
am 30.04.2009 zugestellt. Am 02.06.2009 (Dienstag nach Pfingsten) hat er hiergegen
Klage erhoben, mit der er sein Einbürgerungsbegehren weiterverfolgt.
Der Kläger ist der Auffassung, ihm stünde ein Einbürgerungsanspruch gemäß § 10 Abs. 1
StAG zu. Insbesondere sei die - nach der Begründung des Bescheides allein streitige -
Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG erfüllt. Soweit sich der Beklagte im
Wesentlichen darauf berufe, dass er -der Kläger- während seiner Arbeitslosigkeit keine
ausreichenden Bemühungen zur Aufnahme einer Voll- oder Teilzeitbeschäftigung
unternommen habe, treffe dies nicht zu. Bereits mit Schreiben vom 17.07.2007 habe er
nachgewiesen, dass die Arbeitslosigkeit nicht von ihm zu vertreten sei. Außerdem habe er
Nachweise über Bewerbungen und deren Ablehnungen, soweit sie ihm vorgelegen hätten,
aus den Jahren 2003 bis 2007 vorgelegt. Am 17.07.2007 habe er eine
Aushilfsbeschäftigung bei der Firma A. erhalten, nachdem er zuvor eine Maßnahme der
Eignungsfeststellung/Trainingsmaßnahme im Sinne des § 16 SGB II ausgeführt habe. Ab
dem 18.02.2008 habe er sodann eine Vollzeitbeschäftigung bei dem Unternehmen D.
GmbH gehabt. Diese Beschäftigung habe er zum 31.08.2008 aufgeben müssen, weil er
infolge eines Verkehrsverstoßes während der Arbeitsausübung seine Fahrerlaubnis verloren
habe. Die Fahrerlaubnis sei ihm durch Strafbefehl des Amtsgerichts B.vom 20.08.2008 -
0000 Js 00000/00 Cs- für 9 Monate entzogen worden. Aufgrund dessen habe er zunächst
noch schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt gehabt, was sich auch aus dem an den
Beklagten gerichteten Schreiben der ARGE S.-A-Stadt ergebe. Dennoch habe er sich
weiterhin um eine Arbeitsstelle bemüht. In der Zeit vom 16.10. bis 04.12.2008 habe er
eine Maßnahme in der Gesellschaft für E. A-Stadt/ mbH absolviert. Ab dem 01.01.2009
habe er dann erneut bei der Firma A. eine Aushilfsbeschäftigung gefunden. Seit dem
01.05.2009 sei er in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bei dem
Personaldienstleistungsunternehmen Dr. F. beschäftigt. Soweit es in dem an den Beklagten
gerichteten Schreiben der ARGE S.-A-Stadt heiße, er -der Kläger- habe keinerlei
Bemühungen um den Erwerb einer Arbeitsstelle unternommen, sei dies demzufolge nicht
richtig. Auch soweit die ARGE ausführe, nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses mit der
Firma D. hätten die Voraussetzungen für eine Sperrzeit nach § 144 SGB III vorgelegen,
treffe dies nicht zu. Das Beschäftigungsverhältnis sei nicht durch arbeitsvertragswidriges
Verhalten, sondern wegen des Verlustes der Fahrerlaubnis gelöst worden. Wie sich aus
dem - vorgelegten - Arbeitszeugnis vom 15.09.2008 ergebe, sei der Arbeitgeber mit ihm
und seiner Tätigkeit sehr zufrieden gewesen. Soweit er -der Kläger- im Hinblick auf den
Verdienst und die Größe seiner Familie weiterhin ergänzende Leistungen nach dem SGB II
in Anspruch nehmen müsse, sei dies von ihm nicht im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
StAG zu vertreten.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom
29.04.2009 zu verpflichten, ihm eine
Einbürgerungszusicherung zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat zunächst betont, dass die strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers, nämlich die
14-monatige Jugendstrafe 1993, die 6-monatige Strafe wegen Körperverletzung 1997, die
50 Tagessätze wegen Verkehrsgefährdung 2008 und die Teilnahme an einer verbotenen
Demonstration, keinen Hinderungsgrund für eine Einbürgerung darstellten. Der Kläger habe
jedoch bis heute nicht schlüssig darlegt, dass er dauerhaft in der Lage sein werde, den
Unterhalt für sich und seine Familie zu sichern. Zwischenzeitlich seien Unterlagen bezüglich
verschiedener Bewerbungen (sieben Bewerbungen in drei Jahren) sowie der Nachweis
verschiedener Praktika und Beschäftigungsverhältnisse vorgelegt worden. Die ARGE S.-A-
Stadt habe jedoch auf Nachfrage ausgeführt, dass sowohl Sperrzeiten vorlägen als auch
der Kläger nicht konstruktiv an der Verbesserung seiner Situation mitarbeite, sondern
sogar die ihm angebotene Arbeit verweigere. Darüber hinaus habe der Kläger die
Beendigung des vorletzten Beschäftigungsverhältnisses zu vertreten, da er durch sein
Verhalten (gefährliches Eingreifen in den Straßenverkehr und damit verbundener
Führerscheinverlust) den Kündigungsgrund verantwortlich geschaffen habe. Das zuletzt
vorgelegte Beschäftigungsverhältnis im Dienstleistungsservicebereich führe bei ihm nicht
dazu, dass er frei von staatlicher Unterstützung den Lebensunterhalt für sich und seine
Familie erwirtschaften könne. Ausweislich der Berechnung der Arbeitsagentur bestehe ein
familiärer Bedarf von etwa 1.800,- Euro, dem ein durchschnittlicher Verdienst von 1.300,-
Euro entgegenstehe. Unter diesen Umständen werde der Leistungsbezug dauerhaft
bestehen bleiben. Darüber hinaus sei bei der notwendigen Sicherung des Lebensunterhalts
eine gewisse Dauerhaftigkeit zu fordern, die unter Berücksichtigung der bisherigen
Erwerbsbiografie zu beurteilen sei. Diese Dauerhaftigkeit sei im Fall des Klägers nicht
erkennbar. Eine Einbürgerung im Rahmen des Ermessens gemäß § 8 StAG scheitere
ebenfalls an der nicht nachgewiesenen dauerhaften und nachhaltigen Sicherung des
Lebensunterhalts. Eine besondere Härte liege erkennbar nicht vor.
Mit Schriftsatz vom 16.11.2009 hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er seit Oktober
2009 keine Leistungen mehr von der ARGE erhalte und damit unabhängig von
„einbürgerungshinderlichen“ öffentlichen Mitteln sei. Den Vorschlag des Beklagten, das
Verfahren für die Dauer eines Jahres ruhen zu lassen, um ihm Gelegenheit zum Nachweis
zu geben, dass er den Lebensunterhalt für sich und seine Familie nunmehr dauerhaft ohne
staatliche Leistungen sichern könne, hat er mit Schriftsatz vom 22.01.2010
widersprochen. Nachdem er mit weiterem Schriftsatz vom 25.05.2010 dargelegt hat,
dass sich sein Einkommen in den letzten Monaten nochmals deutlich erhöht habe, wobei er
sich nunmehr seit mehr als einem Jahr in demselben Arbeitsverhältnis befinde, hat der
Beklagte unter dem 14.06.2010 erklärt, dass zwischenzeitlich zur Vorbereitung der
Ausstellung einer Einbürgerungszusicherung die Sicherheitsüberprüfung des Klägers
erneuert werde; danach werde über den Sachverhalt abschließend entschieden.
Mit Beschluss vom 06.07.2010 -2 K 495/10- hat die Kammer dem Kläger zur
Durchführung des Verfahrens erster Instanz Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung
bewilligt.
Mit Schriftsatz vom 11.09.2010 hat der Beklagte erklärt, die gesetzlichen
Voraussetzungen für eine Einbürgerung des Klägers lägen nicht vor. Der Kläger sei am
06.07.1993 wegen Raubes zu einer Jugendstrafe von 14 Monaten verurteilt worden. Im
Hinblick auf eine Strafentmakelung sei diese Verurteilung nicht im Zentralregisterauszug
aufgeführt. Aus dem - beigefügten - aktuellen Schriftwechsel mit dem Bundesamt für Justiz
ergebe sich jedoch, dass die Jugendstrafe erst am 20.08.2018 getilgt werde und damit
eine Einbürgerung sowohl nach aktuellem als auch nach altem Recht hindere. Auf die
Frage, ob der Kläger in der Lage sei, den Lebensunterhalt für sich und seine
unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Bezug von Leistungen zu bestreiten,
komme es nicht mehr an. Eine Einbürgerung nach § 8 StAG scheide aus vorgenanntem
Grund ebenso aus. Anhaltspunkte für eine besondere Härte seien nicht erkennbar.
Der Kläger hat daraufhin erwidert, seiner Meinung nach liege ein Härtefall im Sinne des § 8
Abs. 2 StAG vor. Zu berücksichtigen sei, dass der Strafmakel der Jugendstrafe bereits seit
1998 gemäß § 100 JGG beseitigt sei. Dies habe den Sinn, dass die Jugendstrafe dem
Jugendlichen aufgrund der Besonderheiten des Jugendstrafrechts nicht mehr vorgehalten
werden solle. Dann könne im Einbürgerungsverfahren aber nichts anderes gelten, zumal -
wie sich aus der Auskunft des Bundesamtes für Justiz vom 28.07.2010 ergebe - über
Eintragungen von Jugendstrafen, bei denen der Strafmakel beseitigt sei, keine Auskunft
mehr an die Einbürgerungsbehörden erteilt werde. Insoweit sei die Strafmakelbeseitigung
der Tilgungswirkung gleichzusetzen. Selbst wenn man dies anders sehe, sei vorliegend ein
Härtefall gegeben, da die beiden Folgestraftaten, die im Abstand von mehreren Jahren
hinzugekommen seien, für sich genommen einer Einbürgerung nicht im Wege gestanden
hätten. Zudem handele es sich bei der letzten Verurteilung lediglich um eine
Verkehrsstraftat, die im Zusammenhang mit seiner Arbeitstätigkeit gestanden habe. Er
habe hierfür nur eine geringe Geldstrafe von 50 Tagessätzen erhalten, durch die sich
allerdings die Tilgungsfrist bis zum Jahr 2018 verlängert habe. Angesichts des Umstands,
dass er sich ansonsten seit mehr als 13 Jahren straffrei geführt und in die deutschen
Lebensverhältnisse integriert habe, stellte die Verweigerung der Einbürgerung eine
besondere Härte dar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt
der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten, der
ebenfalls beigezogenen Ausländerakte des Klägers und der Strafakte 0000 Js 00000/00
der Staatsanwaltschaft T. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 29.04.2009 ist im Ergebnis rechtmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat
zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder einen Anspruch auf Erteilung einer
Einbürgerungszusicherung nach Maßgabe des § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG i.V.m. § 38
SVwVfG noch kann er beanspruchen, dass der Beklagte über die Erteilung einer
Einbürgerungszusicherung im Ermessenswege unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Das Einbürgerungsbegehren des Klägers beurteilt sich - nachdem das
Staatsangehörigkeitsrecht durch das EU-Richtlinienumsetzungsgesetz Änderungen erfahren
hat - nach der Übergangsvorschrift des § 40 c StAG n.F.. Danach sind auf
Einbürgerungsanträge, die bis zum 30.03.2007 gestellt worden sind, die §§ 8 bis 14 und §
40 c weiter in ihrer vor dem 28.08.2007 (BGBl. I Seite 1970) geltenden Fassung
anzuwenden, soweit sie günstigere Bestimmungen enthalten. Der Günstigkeitsvergleich ist
in Bezug auf jede einzelne Einbürgerungsvoraussetzung, die nicht nach beiden
Gesetzesfassungen erfüllt ist, vorzunehmen; es ist die jeweils dem Einbürgerungsbewerber
günstigere Regelung anzuwenden. Ein Einbürgerungsbegehren kann sich so teils nach
bisherigem Recht, teils nach neuem Recht beurteilen.
Vgl. Berlit, Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht
Vgl. Berlit, Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht
durch das EU- Richtlinienumsetzungsgesetz, InfAuslR
2007, 457, 466
Für den Einbürgerungsanspruch des Klägers gilt, dass § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG,
wonach der Ausländer den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten
Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder
Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten können muss, es sei denn, er hat die
Inanspruchnahme nicht zu vertreten, durch das Richtlinienumsetzungsgesetz sachlich
unverändert geblieben ist,
vgl. Berlit, a.a.O., S. 465; die bisherige Ausnahmeregelung
des Nichtvertretenmüssens ist lediglich redaktionell in die
Einbürgerungsvoraussetzung selbst verlagert worden
während das Unbescholtenheitserfordernis - § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 12 a StAG -
demgegenüber erhebliche Verschärfungen erfahren hat. Im Fall des Klägers sind vor allem
die Absenkung der Unbeachtlichkeitsschwelle - die Grenzwerte für „Bagatellverurteilungen“
wurden jeweils um die Hälfte gesenkt, vgl. § 12 a Abs. 1 Satz 1 StAG - und die neu
eingeführte Zusammenrechnung von „Bagatellverurteilungen“ - vgl. § 12 a Abs. 1 Satz 2
StAG n.F. - von Bedeutung. Daneben wurde auch das Nichtberücksichtigungsermessen im
Fall der Verurteilung zu einer höheren Strafe - vgl. § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. bzw. §
12 a Abs. 1 Satz 3 StAG n.F. - deutlich eingeschränkt. War bislang im Einzelfall zu
entscheiden, ob die Straftat außer Betracht bleiben kann, wenn der Ausländer zu einer
höheren Strafe verurteilt worden ist, so ist diese Entscheidung künftig nur noch dann
möglich, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen den genannten Rahmen geringfügig
übersteigt.
Auf das Einbürgerungsbegehren des Klägers ist damit insoweit das für ihn günstigere alte
Recht anzuwenden.
Einem Einbürgerungsanspruch des Klägers nach § 10 StAG steht derzeit - unabhängig von
der Frage, ob er entgegen den Ausführungen des Beklagten in dem ablehnenden Bescheid
vom 29.04.2009 nunmehr die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1
Nr. 3 StAG erfüllt - entgegen, dass er mehrfach wegen Straftaten verurteilt worden ist
(vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG) und damit das Unbescholtenheitserfordernis nicht
erfüllt.
Zwar liegen sowohl die Verurteilung vom 25.03.1997 durch das Amtsgericht S. - 00 Js
0000/00/00 VRS 000/00 - wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe
von sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit
erlassen wurde, als auch die Verurteilung vom 20.08.2008 durch das Amtsgericht B.-
0000 Js 00000/00 - wegen Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit fahrlässiger
Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen unterhalb der
Unbeachtlichkeitsschwelle des § 12 a Abs. 1 Satz 1 StAG a.F., wonach die Verhängung von
Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz (Nr. 1),
Verurteilungen zu Geldstrafen bis zu 180 Tagessätzen (Nr. 2) und Verurteilungen zu
Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der
Bewährungszeit erlassen worden sind (Nr. 3), nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG außer
Betracht bleiben. Diese Straftaten können daher - da nach dem alten Recht keine
Zusammenrechnung der einzelnen „Bagatellverurteilungen“ erfolgt - einem
Einbürgerungsanspruch des Klägers nicht entgegengehalten werden. Dies gilt jedoch nicht
für die weitere Verurteilung vom 06.07.1993 durch das Amtsgericht S. - 00-000/00 -
wegen Raubes zu einer Jugendstrafe von 14 Monaten, die seinerzeit ebenfalls zur
Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen wurde. Diese
Verurteilung unterfällt weder der Unbeachtlichkeitsschwelle des § 12 a Abs. 1 Satz 1 StAG
a.F. noch der Regelung über das Nichtberücksichtigungsermessen in § 12 a Abs. 1 Satz 2
StAG a.F., wonach bei Verurteilung zu einer höheren Strafe im Einzelfall entschieden wird,
ob die Straftat außer Betracht bleiben kann.
Zunächst ist festzuhalten, dass diese Jugendstrafe, die aufgrund einer
Strafmakelbeseitigung gemäß § 100 JGG weder in dem aktuellen Zentralregisterauszug
vom 29.11.2010, den die Kammer zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung beim
Bundesamt für Justiz angefordert hat, noch in den älteren, in den Verwaltungsunterlagen
des Beklagten befindlichen Zentralregisterauszügen aufgeführt ist, dem Kläger im
maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch entgegengehalten werden
kann. Sie unterliegt nämlich nicht dem Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 des
Bundeszentralregistergesetzes -BZRG-. Danach dürfen die Tat und die Verurteilung dem
Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und zu seinem Nachteil verwertet
werden, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden ist oder zu
tilgen ist. Nach der vom Beklagten eingeholten schriftlichen Auskunft des Bundesamtes für
Justiz vom 28.07.2010 bzw. ergänzend vom 31.08.2010 tritt die Tilgungsreife der
Verurteilungen des Klägers - einschließlich der Jugendstrafe aus der Verurteilung vom
06.07.1993 - in Anwendung der Vorschriften der §§ 46 Abs. 1 Nr. 2 a, 47 Abs. 3 BZRG,
wonach bei Eintragung mehrerer Verurteilungen im Register die Tilgung einer Eintragung
erst dann zulässig ist, wenn für alle Verurteilungen die Voraussetzungen der Tilgung
vorliegen, wobei für die Berechnung der Tilgungsfrist grundsätzlich die letzte Verurteilung -
hier die Verurteilung vom 20.08.2008 durch das Amtsgericht Bernkastel-Kues - maßgeblich
ist, vorbehaltlich weiterer Straffreiheit frühestens am 20.08.2018 ein.
Dass der Strafmakel der Jugendstrafe bereits seit 1998 gemäß § 100 JGG beseitigt ist,
begründet für sich genommen kein Verwertungsverbot. Ziel der gesetzlichen Regelungen
über die Beseitigung des Strafmakels ist es, die stigmatisierenden Wirkungen der
Jugendstrafe gerade auch durch die Eintragung im Bundeszentralregister zu mindern. Nach
§ 100 JGG hat der Strafrichter (Jugendrichter) ohne weitere Prüfung zugleich den
Strafmakel als beseitigt zu erklären, wenn die Strafe oder ein Strafrest bei Verurteilung zu
nicht mehr als zwei Jahren Jugendstrafe nach Aussetzung der Bewährung erlassen wird (§
26 a JGG). Zwar tritt aufgrund der Beseitigung des Strafmakels eine Begrenzung der
Offenbarungspflicht des Verurteilten ein; dies bedeutet, dass sich der Verurteilte als
unbestraft bezeichnen darf und den der Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht
zu offenbaren braucht, da durch die Beseitigung des Strafmakels die erfolgte Verurteilung
nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen ist (§§ 53 Abs. 1 Nr. 1, 32 Abs. 2 Nr. 4 BZRG),
wobei im Fall des Klägers diese Rechtsfolge auch bereits zuvor durch die Aussetzung der
Vollstreckung der Jugendstrafe zur Bewährung eingetreten war (§§ 53 Abs. 1 Nr. 1, 32
Abs. 2 Nr. 3 BZRG). Zudem darf deshalb, weil der Strafmakel als beseitigt erklärt ist, die
Verurteilung auch in einer unbeschränkten Auskunft aus dem Bundeszentralregister nicht
mehr mitgeteilt werden; über sie wird nur noch den Strafgerichten und
Staatsanwaltschaften für ein Strafverfahren gegen den Betroffenen, nicht aber den
Ausländer- oder Einbürgerungsbehörden oder den mit diesen Angelegenheiten befassten
Gerichten mitgeteilt (vgl. § 41 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 BZRG). Jedoch bleibt die
Verurteilung zur Jugendstrafe im Bundeszentralregister eingetragen; die Beseitigung des
Strafmakels wird dort lediglich vermerkt (§ 13 Abs. 1 Nr. 5 BZRG). Dementsprechend
gehen die höchstrichterliche und die obergerichtliche Rechtsprechung übereinstimmend
davon aus, dass allein die Tatsache, dass die Verurteilung nach § 41 Abs. 3 BZRG nicht
mehr mitgeteilt werden darf, einer Verwertung nicht entgegensteht; die Beseitigung des
Strafmakels ist insoweit nicht mit der Tilgung der Eintragung über eine Verurteilung
gleichzusetzen.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.02.1997 -1 B 5.97-,
Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 8; BGH,
Beschluss vom 21.04.2009 -1 StR 144/09-, dokumentiert
in juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.09.2002
-13 S 880/00- sowie Beschluss vom 09.12.1993 -11 S
2319/93-, beide Entscheidungen dokumentiert in juris;
a.A. nur VG Stuttgart, Urteil vom 08.07.2002 -7 K
4197/01-, dokumentiert in juris: da die
Einbürgerungsbehörden und die Verwaltungsgerichte nicht
zum Kreis der in § 41 Abs. 3 BZRG genannten Stellen
gehörten, denen über eine strafentmakelte Jugendstrafe
eine Auskunft zu erteilen sei, ferner die Auskunft nur für
Strafverfahren zu erteilen sei, sei eine Verwertung der
Jugendstrafe im Einbürgerungsverfahren offensichtlich
ausgeschlossen
Die Verurteilung zur Jugendstrafe bleibt auch nicht nach § 12 a Abs. 1 Satz 1 StAG a.F. -
obligatorisch - außer Betracht. Insbesondere greift § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG a.F.
nicht ein, denn eine Jugendstrafe nach § 17 JGG ist keine Erziehungsmaßregel nach § 9 JGG
(Weisungen oder Anordnungen, Hilfe zur Erziehung in Anspruch zu nehmen) und auch kein
Zuchtmittel nach § 13 Abs. 2 JGG (Verwarnung; Erteilung von Auflagen; Jugendarrest).
Auch § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG a.F. ist - unabhängig von der Frage, ob eine
Jugendstrafe eine „Freiheitsstrafe“ im Sinne dieser Bestimmung ist (dazu unten) - jedenfalls
deshalb nicht einschlägig, weil die verhängte Strafe höher als sechs Monate war.
Der Kläger kann des Weiteren nicht gemäß § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F. beanspruchen,
dass der Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen darüber entscheidet, ob die
Verurteilung zur Jugendstrafe im Einzelfall außer Betracht bleiben kann (sog.
Nichtberücksichtigungsermessen). Denn § 12 a Abs.1 Satz 2 StAG a.F. bezieht sich nur auf
Strafen im Sinne des § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StAG a.F. und eine Jugendstrafe ist
nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine „Freiheitsstrafe“ im Sinne
des § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 19.11.1996 -1 C 25.94-,
InfAuslR 1997, 152, vom 16.11.2000 -9 C 4.00-,
BVerwGE 112, 180 und vom 17.03.2004 -1 C 5.03-,
InfAuslR 2004, 310, zur Vorgängerregelung des § 88 Abs.
1 Satz 1 Nr. 3 AuslG; ebenso Hailbronner/Renner, StAG,
4. Aufl. 2005, § 12 a StAG Rdnr. 9; a.A. Berlit in GK-StAR,
Stand: November 2005, § 12 a StAG Rdnrn. 35 ff., der
seine Auffassung allerdings selbst als Mindermeinung
bezeichnet; offen gelassen im Urteil der Kammer vom
24.10.2006 -2 K 88/06-
Insbesondere in der Entscheidung vom 17.03.2004 -1 C 5.03- hat das
Bundesverwaltungsgericht betont, dass § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AuslG nur Verurteilungen
nach Erwachsenenstrafrecht betreffe und eine Jugendstrafe weder eine Freiheitsstrafe im
Sinne des § 88 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AuslG noch eine Strafe im Sinne des § 88 Abs. 1 Satz 2
AuslG sei. Es hat dies im Anschluss an das Berufungsgericht
vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12.09.2002 -13
S 880/00-, dokumentiert in juris
aus Wortlaut, Systematik und Zweck der Vorschrift hergeleitet und darauf abgestellt, dass
für die Verurteilung zu Jugendstrafe § 88 Abs. 2 AuslG - betreffend eine
Einbürgerungszusicherung bei zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafen bis zu einem
Jahr für den Fall, dass die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen wird - eine
Sonderregelung treffe. Auch in den früheren Entscheidungen vom 19.11.1996 -1 C 25.94-
und vom 16.11.2000 -9 C 4.00- hat das Bundesverwaltungsgericht darauf verwiesen,
dass der Gesetzgeber sich des Unterschiedes zwischen der Freiheitsstrafe des allgemeinen
Strafrechts und der Jugendlichen und Heranwachsenden vorbehaltenen Jugendstrafe
bewusst gewesen sei. Auch wenn an Freiheitsstrafen und Jugendstrafen nicht immer
unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft seien, spreche der Gesamtaufbau des
Ausländergesetzes dafür, dass die zwischen der Freiheitsstrafe und der Jugendstrafe
unterscheidende Wortwahl nicht zufällig getroffen sei, sondern auf einer bewussten
gesetzgeberischen Konzeption beruhe.
Diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beansprucht auch nach der
Neuregelung der Anspruchseinbürgerung zum 01.01.2005, mit der § 88 AuslG durch § 12
a StAG ersetzt und die Sonderregelung des § 88 Abs. 2 AuslG ersatzlos gestrichen wurde,
weiterhin Geltung. Der in der Literatur vertretenen Mindermeinung,
vgl. Berlit in GK-StAR, Stand: November 2005, a.a.O.
wonach jedenfalls ab dem 01.01.2005 die zeitige, zur Bewährung ausgesetzte
Jugendstrafe als „Freiheitsstrafe“ und damit als „Strafe“ im Sinne des § 12 a Abs. 1 Satz 1
Nr. 3, Satz 2 StAG zu werten sei, da mit der Streichung der Regelung zur
Einbürgerungszusicherung bei zeitiger Jugendstrafe - § 88 Abs. 2 AuslG in der bis zum
31.12.2004 gültigen Fassung - das systematische Argument entfallen sei, diese Regelung
bilde eine vorrangige und abschließende Sonderregelung, ist nicht zu folgen. Zur
Begründung führt diese Mindermeinung aus, unterfiele die zur Bewährung ausgesetzte
zeitige Jugendstrafe nicht dem § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 StAG, bewirkte die
Streichung des vormaligen § 88 Abs. 2 AuslG nicht nur den Wegfall einer junge
Einbürgerungsbewerber begünstigenden Regelung. Sie führte vielmehr zu einer
Verschlechterung gegenüber einer Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht, weil dann
auch eine zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe von bis zu sechs Monaten nicht nach §
12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG unberücksichtigt bleiben könnte, sondern stets die
Tilgungsfrist abzuwarten wäre. Systematisch wäre diese Schlechterstellung auch nicht
durch aufenthaltsrechtliche Differenzierungen zwischen einer Freiheitsstrafe nach dem JGG
und einer solchen nach Erwachsenenstrafrecht gerechtfertigt. Auch
entstehungsgeschichtlich fehle jeder Anhalt, dass der Gesetzgeber mit der Streichung des
§ 88 Abs. 2 AuslG statt einer Gleichstellung im Strafmaß und im Verfahren mit
Verurteilungen nach Erwachsenenstrafrecht eine Schlechterstellung bei Verurteilungen
nach dem JGG hätte bewirken wollen. Auch wenn diese Auffassung nicht gänzlich von der
Hand zu weisen ist, so steht ihr doch entgegen, dass der Gesetzgeber, der sich des
Unterschiedes zwischen der Freiheitsstrafe des allgemeinen Strafrechts und der
Jugendlichen und Heranwachsenden vorbehaltenen Jugendstrafe auch bei der Neuregelung
der Anspruchseinbürgerung im StAG bewusst war, von einer Mitaufnahme der Jugendstrafe
in die Regelungen des § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 StAG ausdrücklich abgesehen
hat. Dies hat auch der Vertreter des Beklagten, der nach eigener Aussage an den
Vorberatungen im Zuge der Neufassung des StAG teilgenommen hat, in der mündlichen
Verhandlung bestätigt. In den Kommissionen sei seinerzeit argumentiert worden, dass die
Jugendstrafe als Einstieg in die Erwachsenenkriminalität zu werten sei und daher keine
Besserstellung der Jugendlichen rechtfertige, sondern im Rahmen der
Anspruchseinbürgerung als absoluter Ausschlussgrund zu berücksichtigen sei.
Dementsprechend ist auch in den Vorläufigen Anwendungshinweisen des
Bundesministeriums des Innern zum StAG - Stand: 19.10.2007 - in einer „Ergänzenden
Anmerkung“ zu Ziffer 12 a. 2. ausgeführt, die ursprüngliche Regelung des § 88 Abs. 2
AuslG über die Berücksichtigung von Jugendstrafen sei ersatzlos entfallen. Jugendstrafen
fielen daher nicht mehr unter die Privilegierung des § 12 a und stünden daher einer
Einbürgerung immer entgegen.
Vor diesem Hintergrund kann auch der vom VGH Baden-Württemberg zur früheren
Rechtslage vertretenen Auffassung, in den Fällen, in denen der Einbürgerungsbewerber zu
einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt worden
sei, liege eventuell eine Regelungslücke vor, die durch analoge Anwendung des § 88 Abs. 1
Satz 2 AuslG zu schließen sei,
Urteil vom 12.09.2002 -13 S 880/00-, a.a.O.; die Frage
war im konkreten Fall allerdings nicht
entscheidungserheblich und wurde daher offen gelassen;
auch das BVerwG hat sich in seinem im Anschluss daran
ergangenen Revisionsurteil vom 17.03.2004 -1 C 5.03-.
a.a.O., zu dieser Frage nicht geäußert
nicht gefolgt werden.
Nach alledem steht die noch nicht getilgte Jugendstrafe des Klägers aus dem Jahr 1993
einer Einbürgerung nach § 10 StAG zwingend entgegen. Unerheblich ist in diesem
Zusammenhang, dass der Beklagte bei Erlass des ablehnenden Bescheides und auch noch
bei Fertigung der Klageerwiderung davon ausgegangen war, dass diese Strafe nicht
einbürgerungsschädlich sei. Da dem Beklagten - wie oben ausgeführt - insoweit kein
Nichtberücksichtigungsermessen eröffnet war, konnte ein Vertrauenstatbestand zugunsten
des Klägers nicht entstehen.
Scheidet ein Anspruch auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung nach Maßgabe des §
10 Abs. 1 Satz 1 StAG i.V.m. § 38 SVwVfG somit aus, kann der Kläger des Weiteren auch
nicht beanspruchen, dass der Beklagte über die Erteilung einer Einbürgerungszusicherung
im Ermessenswege unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts entscheidet (§
113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Als Anspruchsgrundlage hierfür kommt § 8 StAG i.V.m. § 38 SVwVfG in Betracht, wobei
nach der Übergangsvorschrift des § 40 c StAG n.F. wiederum zunächst zu untersuchen ist,
ob die bis zum 27.08.2007 geltende Fassung des § 8 StAG oder die aktuelle Fassung für
den Kläger günstiger ist. Da der Wortlaut des § 8 StAG durch das EU-
Richtlinienumsetzungsgesetz erhebliche Änderungen erfahren hat, lässt sich dieser
Günstigkeitsvergleich im konkreten Fall nur anhand einer Alternativprüfung vornehmen.
Diese Alternativprüfung führt indes zu dem Ergebnis, dass der Kläger nach keiner der
Gesetzesfassungen einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die
Erteilung einer Einbürgerungszusicherung hat.
a) Nach § 8 Abs. 1 StAG a.F. kann ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen
Aufenthalt im Inland hat, auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn er die weiteren, in
§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 StAG a.F. näher bezeichneten Mindestvoraussetzungen
erfüllt. Hierzu gehört gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. unter anderem, dass der
Ausländer keinen Ausweisungsgrund nach §§ 53, 54 oder § 55 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 des
Aufenthaltsgesetzes erfüllt. Im Fall des Klägers kommt allerdings der Ausweisungsgrund
des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG in Betracht, wonach ein Ausländer insbesondere
ausgewiesen werden kann, wenn er einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen
Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder
Verfügungen begangen oder außerhalb des Bundesgebiets eine Straftat begangen hat, die
im Bundesgebiet als vorsätzliche Straftat anzusehen ist. Dass die den Verurteilungen des
Klägers zugrundeliegenden Taten (u.a. ein Raub sowie eine gefährliche Körperverletzung)
nicht nur vereinzelte oder geringfügige Rechtsverstöße waren, bedarf keiner vertieften
Erörterung. Mangels Tilgungsreife können diese Taten dem Kläger auch heute noch
vorgehalten werden. Unerheblich ist wegen des ausschließlichen Bezugs auf einen
Ausweisungsgrund in § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F., ob der Kläger die sonstigen
Voraussetzungen einer Ausweisung erfüllt. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts
vgl. u.a. Urteil vom 18.11.2004 -1 C 23.03-, InfAuslR
2005, 213
muss der Ausweisungsgrund im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. in der
Funktion eines Versagungsgrundes, der die Einbürgerung ausschließt, nur gleichsam
abstrakt, d.h. nach seinen tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen. Nicht erforderlich
ist, dass der Betroffene tatsächlich ausgewiesen werden soll oder darf. Als Beschränkung
des Anspruchs auf Einbürgerung ist die Frage des Ausweisungsgrundes losgelöst von
sonstigen Ausweisungsvoraussetzungen und -hindernissen selbstständig zu beurteilen. § 8
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG a.F. verweist nämlich nicht generell auf das Ausweisungsrecht,
sondern zielt auf bestimmte Ausweisungsgründe. Dies trägt der besonderen Bedeutung
der Einbürgerung eines Ausländers gegenüber Maßnahmen zur Regelung seines
Aufenthalts Rechnung.
Vor diesem Hintergrund spricht alles dafür, dass bereits die tatbestandlichen
Mindestvoraussetzungen für eine Ermessensentscheidung des Beklagten gemäß § 8 Abs. 1
StAG a.F. i.V.m. § 38 SVwVfG nicht erfüllt sind. Dies gilt im Ergebnis auch dann, wenn man
mit dem VGH Baden-Württemberg
Urteil vom 06.05.2009 -13 S 2428/08-, dokumentiert in
juris
davon ausgeht, dass der Gesichtspunkt der Aktualität des Ausweisungsgrundes, der im
aufenthaltsrechtlichen Kontext bei der konkreten Ermessensausübung, ob eine Ausweisung
verfügt werden soll, zu erörtern ist, im staatsangehörigkeitsrechtlichen Kontext als eine im
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu verortende immanente Grenze des
Einbürgerungshindernisses des Ausweisungsgrundes begriffen und das
Tatbestandsmerkmal „erfüllt“ entsprechend verfassungskonform interpretiert werden
muss. Im Einzelnen hat der VGH Baden-Württemberg hierzu folgendes ausgeführt: Was die
Berücksichtigung von strafgerichtlichen Verurteilungen als Ausweisungsgrund im
aufenthaltsrechtlichen wie im staatsangehörigkeitsrechtlichen Zusammenhang betreffe, sei
es in Ermangelung anderer aussagekräftiger Hinweise im Aufenthalts- wie im
Staatsangehörigkeitsrecht im Ausgangspunkt folgerichtig, wenn die Verurteilung solange
als Ausweisungsgrund im Rechtsverkehr vorgehalten werden könne, als noch keine Tilgung
im Bundeszentralregister erfolgt sei. Denn die Länge der Tilgungsfrist bilde die Schwere der
begangenen Straftat durchaus realitätsgerecht ab und sei daher grundsätzlich durchaus
geeignet, auch gegenwartsbezogen Schlüsse auf die Aktualität des Ausweisungsgrundes
und damit ein weiterhin gegen eine Einbürgerung sprechendes öffentliches Interesse zu
ermöglichen. Allerdings könne es der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit erforderlich
machen, auch noch nicht getilgte Straftaten auszuscheiden, wenn der
Tilgungsmechanismus des Bundeszentralregistergesetzes zu unangemessenen und daher
unverhältnismäßigen Ergebnissen führen würde. Da infolge der Bestimmung des § 47
BZRG zeitlich vorher eingetragene, aber an sich tilgungsreife Verurteilungen erst getilgt
würden, wenn bei der letzten vorangegangenen Verurteilung Tilgungsreife eingetreten sei,
müsse hier unmittelbar die Systematik des Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsrechts
korrigierend in den Blick genommen werden. Denn handele es sich bei der letzten
Verurteilung um eine Straftat, die nur einen vereinzelten oder aber vor allem geringfügigen
Charakter im Sinne des § 55 Abs.2 Nr. 2 AufenthG gehabt habe und daher gar keinen
Ausweisungsgrund ausmache, so wäre es von vornherein verfehlt, länger zurückliegende
strafgerichtliche Verurteilungen, die bereits getilgt werden könnten, wenn die letzte
Verurteilung nicht eingetragen wäre, noch vorzuhalten. Daneben könne es im Einzelfall
darüber hinaus mit Blick auf die zugrunde liegenden Straftaten erforderlich werden, aus
Gründen der Verhältnismäßigkeit eine abweichende Beurteilung vorzunehmen.
Selbst wenn man sich dieser Rechtsauffassung anschließt, führt dies im Fall des Klägers zu
keinem anderen Ergebnis. Die seiner Verurteilung vom 20.08.2008 durch das Amtsgericht
B.- 0000 Js 00000/00 - wegen Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit
fahrlässiger Körperverletzung zugrundeliegende Straftat, die allein dazu geführt hat, dass
die bereits länger zurückliegenden Verurteilungen vom 06.07.1993 wegen Raubes und
vom 25.03.1997 wegen gefährlicher Körperverletzung, die an sich tilgungsreif wären,
aufgrund der Regelung des § 47 Abs. 3 BZRG noch nicht getilgt worden sind, stellt zwar
möglicherweise einen vereinzelten Verstoß im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG dar,
da sie nach 13-jähriger Straffreiheit begangen wurde - Tatzeitpunkt der am 25.03.1997
abgeurteilten gefährlichen Körperverletzung war ausweislich des
Bundeszentralregisterauszugs der 25.05.1995 - und als Verkehrsstraftat mit den früheren
Straftaten des Klägers in keinem sachlichen Zusammenhang steht, sie kann jedoch nicht
zugleich als geringfügiger Verstoß angesehen werden.
Vgl. dazu, dass ein Rechtsverstoß nur dann unbeachtlich
im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG ist, wenn er
vereinzelt geringfügig ist, BVerwG, Urteil vom
24.09.1996 -1 C 9.94-, DVBl. 1997, 189, zur
Vorgängerregelung des § 46 Nr. 2 AuslG
Nach Ziffer 8.1.1.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht
(StAR-VwV) vom 13.12.2000 ist eine vorsätzliche Straftat, die zu einer Verurteilung
geführt hat, grundsätzlich nicht geringfügig; eine fahrlässige Straftat kann bei einer
Verurteilung von bis zu 30 Tagessätzen grundsätzlich als geringfügig eingestuft werden.
Hiernach kommt eine Bewertung der Verkehrsstraftat des Klägers als geringfügig nicht in
Betracht, da die Gefährdung des Straßenverkehrs zumindest teilweise vorsätzlich
begangen wurde - die Verurteilung erfolgte gemäß § 315 c Abs. 1 Nr. 2b, Abs. 3 Nr. 1
StGB, d.h. es wurde Vorsatz hinsichtlich der Tathandlung und Fahrlässigkeit hinsichtlich der
Herbeiführung der konkreten Gefährdung angenommen -, und die Verurteilung zu 50
Tagessätzen auch oberhalb der in der Verwaltungsvorschrift genannten Grenze von bis zu
30 Tagessätzen liegt. Angesichts des Strafmaßes kann auch ein Ausnahmefall, der nach
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
vgl. u.a. Urteil vom 24.09.1996 -1 C 9.94-, a.a.O.
unter engen Voraussetzungen auch bei vorsätzlich begangenen Straftaten in Betracht
kommt, etwa dann, wenn ein strafrechtliches Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt
worden ist, nicht angenommen werden.
Demnach bleibt es dabei, dass die tatbestandlichen Mindestvoraussetzungen für eine
Ermessensentscheidung des Beklagten gemäß § 8 Abs. 1 StAG a.F. i.V.m. § 38 SVwVfG
nicht erfüllt sind.
b) Nach § 8 Abs. 1 StAG n.F. kann ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen
Aufenthalt im Inland hat, auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn er - neben den
sonst in Nr. 1, 3 und 4 genannten Voraussetzungen - weder wegen einer rechtswidrigen
Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine
Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG
n.F.). Da der Kläger mehrfach wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt
worden ist, erfüllt er diese Mindestvoraussetzung nicht. Zwar findet die für Bagatellstrafen
geltende Regelung des § 12 a StAG n.F. auch auf Ermessenseinbürgerungen Anwendung,
da mit der Neufassung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG der Zweck verfolgt wurde, hinsichtlich
der Rechtstreue des Einbürgerungsbewerbers bei allen Einbürgerungsregelungen des StAG
gleiche Voraussetzungen zu schaffen,
vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.06.2010 -1 A
88/10-, unter Hinweis auf Marx in GK-StAR, Stand:
Oktober 2009, § 8 StAG Rdnrn. 93 und 95/96 sowie Nr.
8.1.1.2 Abs. 2 der Vorläufigen Anwendungshinweise des
Bundesministeriums des Innern -VAH- vom 17.04.2009,
abgedruckt in GK-StAR, VII-3; a.A. Berlit, Änderungen im
Staatsangehörigkeitsrecht durch das EU-
Richtlinienumsetzungsgesetz, InfAuslR 2007, 457, 465
auch hieraus kann der Kläger jedoch nichts zu seinen Gunsten herleiten. Die
Voraussetzungen des § 12 a Abs. 1 Satz 1 StAG n.F., wonach neben der Verhängung von
Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln nach dem Jugendgerichtsgesetz (Nr. 1) nur
Verurteilungen zu Geldstrafen bis zu 90 Tagessätzen (Nr. 2) und Verurteilungen zu
Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der
Bewährungszeit erlassen worden sind (Nr. 3) bei der Einbürgerung außer Betracht bleiben,
sind nämlich allenfalls bezüglich der letzten Verurteilung vom 20.08.2008 wegen
Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, nicht aber
bezüglich der bereits länger zurückliegenden, aber noch nicht getilgten Verurteilungen vom
06.07.1993 wegen Raubes und vom 25.03.1997 wegen gefährlicher Körperverletzung
erfüllt. Die höheren Strafen können auch nicht nach Maßgabe des § 12 a Abs. 1 Satz 3
StAG n.F. im Einzelfall außer Betracht bleiben, da einerseits die Bagatellgrenze durch die
gemäß § 12 a Abs. 1 Satz 2 StAG n.F. zusammenzurechnenden Verurteilungen nicht
geringfügig, sondern erheblich überschritten wird, und andererseits § 12 a Abs. 1 Satz 3
StAG n.F. auf die Verurteilung zur Jugendstrafe ohnehin keine Anwendung findet, da es sich
dabei nicht um eine „Freiheitsstrafe“ im Sinne des § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG n.F.
handelt (dazu siehe oben).
Dementsprechend ist die tatbestandliche Mindestvoraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG
n.F. (Straffreiheit) im konkreten Fall nicht erfüllt.
Allerdings eröffnet § 8 Abs. 2 StAG n.F. die Möglichkeit („kann“), im Einzelfall von der
Voraussetzung des § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG n.F. „aus Gründen des öffentlichen Interesses
oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abzusehen“. Insoweit gewährt diese
Regelung auch nach der gebotenen unmittelbaren Anwendung des § 12 a Abs. 1 Sätze 1
und 2 StAG n.F. „einen Restbestand an Flexibilität in Bezug auf das
Unbescholtenheitserfordernis“, das allerdings durch die Merkmale des öffentlichen
Interesses bzw. der Vermeidung einer besonderen Härte „tatbestandlich gebunden“ ist.
So die Formulierung bei Berlit, Änderungen im
Staatsangehörigkeitsrecht durch das EU-
Richtlinienumsetzungsgesetz, a.a.O., S. 465; zustimmend
OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.06.2010 -1 A
88/10-
Da ein öffentliches Interesse an einer Einbürgerung des Klägers im konkreten Fall nicht
erkennbar ist - der Kläger hat über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinaus keine
besonderen Integrationsleistungen erbracht, die es gebieten könnten, die strafrechtlichen
Verurteilungen bei der Beurteilung der Frage, ob seine Einbürgerung im öffentlichen
Interesse liegt, außer Acht zu lassen -, kommt es für die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 2
StAG n.F. allein darauf an, ob im Fall des Klägers eine besondere Härte vorliegt. Dieses
Tatbestandsmerkmal ist grundsätzlich eng auszulegen, da bereits die Voraussetzungen des
§ 12 a StAG n.F. (Bagatellstrafen) zugunsten des Einbürgerungsbewerbers eingreifen. Es
müssen daher für den Einbürgerungsbewerber besonders beschwerende Umstände
vorliegen, die im Einzelfall ein Absehen von darüber hinausgehenden strafrechtlichen
Verurteilungen rechtfertigen.
Vgl. Marx in GK-StAR, Stand: Oktober 2009, § 8 StAG
Rdnr. 113, unter Bezugnahme auf Nr. 8.2 der Vorläufigen
Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern
vom 19.10.2007; vgl. auch OVG des Saarlandes,
Beschluss vom 10.06.2010 -1 A 88/10-, m.w.N. zur
Rechtsprechung
Nach der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg
Urteile vom 06.05.2009 -13 S 2428/08- und vom
09.10.2009 -13 S 1609/09-, jeweils dokumentiert in juris
kommen solche besonders beschwerenden Umstände möglicherweise dann in Betracht,
wenn allein die letzte Straftat dazu geführt hat, dass die früheren Straftaten nicht getilgt
werden können, diese letzte Tat Bagatellcharakter hat und dem Einbürgerungsbewerber
ein weiteres vorläufiges Verbleiben im Status des Ausländers nicht mehr zuzumuten ist. Ein
solcher Ausnahmefall liegt hier indes nicht vor. Wie bereits ausgeführt, hat zwar allein die
letzte Verurteilung des Klägers vom 20.08.2008 wegen Gefährdung des Straßenverkehrs
in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung dazu geführt, dass die früheren
Verurteilungen vom 06.07.1993 wegen Raubes und vom 25.03.1997 wegen gefährlicher
Körperverletzung, die an sich tilgungsreif wären, aufgrund der Regelung des § 47 Abs. 3
BZRG noch nicht getilgt werden können. Die letzte Verurteilung hat auch Bagatellcharakter,
soweit der Kläger zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt worden ist, denn diese
Strafe liegt unterhalb der Unbeachtlichkeitsschwelle des § 12 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG
n.F., die bei 90 Tagessätzen liegt. Soweit darüber hinaus eine Maßregel der Besserung und
Sicherung gemäß § 61 Nr. 5 StGB angeordnet worden ist, indem dem Kläger die
Fahrerlaubnis für die Dauer von 9 Monaten entzogen wurde, fällt diese Maßregel zwar nicht
unter die Unbeachtlichkeitsschwelle des § 12 a Abs. 1 Satz 1 StAG n.F., sondern unter §
12 a Abs. 1 Satz 4 StAG n.F., wonach im Einzelfall entschieden wird, ob die Maßregel der
Besserung und Sicherung außer Betracht bleiben kann. Ausgehend von Ziffer 12 a.1.4 der
Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 19.10.2007,
wonach bei der Ermessensentscheidung vor allem zu berücksichtigen ist, wie lange die
Maßregel der Besserung und Sicherung noch andauert, welche Folgen die Tat hatte und ob
die Sozialprognose des Einbürgerungsbewerbers günstig ist, wäre es allerdings vertretbar,
der letzten Verurteilung insgesamt einen Bagatellcharakter zuzusprechen, da zu Gunsten
des Klägers spricht, dass dieser sich 13 Jahre lang straffrei geführt hat, die
Verkehrsstraftat, die er in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit begangen hat, mit den
früheren Straftaten (Raub, gefährliche Körperverletzung) in keinem Zusammenhang steht
und seine Lebensverhältnisse sich mittlerweile stabilisiert haben (festes Arbeitsverhältnis);
vor diesem Hintergrund dürfte seine Sozialprognose als günstig anzusehen sein. Die
Annahme eines Ausnahmefalls im Sinne der Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg
scheitert jedoch letztlich daran, dass nicht erkennbar ist, dass dem Kläger ein weiteres
vorläufiges Verbleiben im Status des Ausländers nicht mehr zuzumuten wäre. Insoweit
wäre erforderlich, dass in der Person des Klägers atypische Umstände des Einzelfalls
vorliegen, die gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden bzw.
durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert würden.
Vgl. hierzu OVG des Saarlandes, Beschluss vom
10.06.2010 -1 A 88/10-, unter Hinweis auf u.a. HessVGH,
Beschluss vom 21.10.2008 -5 A 1820/08.Z-,
dokumentiert in juris, sowie OVG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 11.06.2009 -5 M 30.08-, dokumentiert in
juris
Diesbezüglich hat der Beklagte zu Recht eingewandt, dass der Kläger sich durch eine
Einbürgerung in keiner seiner Rechtspositionen verbessern würde; insbesondere sei sein
Arbeitsverhältnis nicht von seiner Nationalität abhängig. Auch der Vortrag des Klägers in
der mündlichen Verhandlung, er müsse bei Nichteinbürgerung mit seiner Heranziehung
zum Wehrdienst in der Türkei rechnen, da er aufgrund seines Alters noch nicht
ausgemustert sei und bereits ein entsprechendes Vorankündigungsschreiben erhalten
habe, ist nicht geeignet, einen atypischen Umstand des Einzelfalls zu begründen. Die
Heranziehung zum Wehrdienst in der Türkei trifft nämlich alle türkischen Wehrpflichtigen,
die in Deutschland leben, und stellt für den Kläger keine Sondersituation dar. Insofern hat
die Kammer bereits mit Urteil vom 16.09.2009 -2 K 47/09- entschieden, dass die
Einbürgerung nicht dazu dienen kann, ausländische Wehrdienstverpflichtungen zu vereiteln.
Außerdem ist zu berücksichtigen, dass der Kläger gegen Zahlung eines Betrages von rund
5.000,- Euro - in der mündlichen Verhandlung wurde ein Betrag von 7.800,- Euro genannt -
eine erhebliche zeitliche Verkürzung des Militärdienstes (auf wenige Wochen) erreichen
kann. Dass dies für den Kläger nicht zumutbar wäre, hat er nicht dargelegt. Im Übrigen
besteht die Möglichkeit, die „Freikaufsgebühr“ ratenweise zu zahlen.
Vgl. dazu die Hinweise im Urteil vom 16.09.2009 -2 K
47/09
Da auch sonstige Gründe nicht erkennbar sind, fehlt es hier an atypischen Umständen des
Einzelfalls, die dazu führen könnten, dass dem Kläger ein weiteres vorläufiges Verbleiben im
Status des Ausländers nicht mehr zuzumuten wäre. Dabei verkennt die Kammer nicht,
dass das Einbürgerungsverfahren des Klägers, das sich über einen langen Zeitraum
hingezogen hat, in den letzten Jahren ausschließlich von der Frage der finanziellen
Unabhängigkeit von Sozialleistungen geprägt war, der Kläger nun erstmals eine feste
Arbeitsstelle nachweisen kann und seit mehr als einem Jahr keine Sozialleistungen mehr
bezieht, und die Vorstrafen des Klägers stets als nicht einbürgerungsschädlich angesehen
wurden. Gleichwohl handelt es sich hierbei nicht um eine „besondere Härte“ im Sinne des §
8 Abs. 2 StAG n.F., sondern um die rechtliche Folge eines Verhaltens, das der Kläger
selbst zu verantworten hat.
Fehlt es somit bereits an den tatbestandlichen Mindestvoraussetzungen des § 8 StAG n.F.,
ist für eine Ermessensentscheidung des Beklagten auch nach der neuen Rechtslage kein
Raum.
Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708
Nr. 11, 711 ZPO.
Für eine Zulassung der Berufung besteht kein Anlass (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m.
§ 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO).
Beschluss
Der Streitwert wird entsprechend der am Streitwertkatalog für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit orientierten ständigen Kammerrechtsprechung auf den
doppelten Auffangwert und damit auf 10.000,-- Euro festgesetzt.