Urteil des VG Saarlouis vom 28.04.2008

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VG Saarlouis Beschluß vom 28.4.2008, 2 L 374/08
Zu einer unzumutbaren Härte durch die Vereitlung beruflicher Chancen, die eine
Zurückstellung vom Zivildienst über die maßgebliche Altersgrenze hinaus rechtfertigt (hier
abgelehnt).
Tenor
1. Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt.
2. Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Gründe
Der auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den
Einberufungsbescheid der Antragsgegnerin vom 04.03.2008 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 28.03.2008, durch den er zum Zivildienst vom 01.05.2008
bis 31.01.2009 einberufen worden ist, gerichtete Antrag des Antragstellers ist gemäß §§
80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, 74 Abs. 2 ZDG zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen einen
Einberufungsbescheid (vgl. § 74 Abs. 1 und 2 ZDG) hat der Gesetzgeber seine Auffassung
zum Ausdruck gebracht, dass im Regelfall das öffentliche Interesse an der sofortigen
Vollziehung eines Einberufungsbescheides dem privaten Interesse des Zivildienstpflichtigen,
den Zivildienst vor der Entscheidung über einen von ihm eingelegten Rechtsbehelf nicht
leisten zu müssen, vorgeht. Als Ausnahme von diesem allgemeinen Grundsatz ist die
Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur dann geboten, wenn entweder schon im
Anordnungsverfahren festgestellt werden kann, dass der Zivildienstpflichtige die ihm durch
den Einberufungsbescheid auferlegte Pflicht zur Zivildienstleistung mit überwiegender
Aussicht auf Erfolg bestreitet, oder wenn zwar der endgültige Ausgang des
Hauptsacheverfahrens noch offen ist, die Vollziehung der Einberufung den
Zivildienstpflichtigen jedoch so hart treffen würde, dass demgegenüber der
Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses durch eine Aussetzung geringeres Gewicht
zukommt
vgl. dazu BVerwG, Beschlüsse vom 04.03.1994 – 8 C
1/04 -, Buchholz 448.11, § 74 ZDG Nr. 1 und vom
26.06.1996 – 8 C 11/96 -, Buchholz 448.0, § 12 WPflG
Nr. 192.
Aufgrund der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung bestehen
an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einberufungsbescheides keine durchgreifenden
rechtlichen Bedenken.
Insbesondere steht dem Antragsteller gegenüber seiner Einberufung zum Zivildienst kein
Zurückstellungsgrund nach § 11 Abs. 4 ZDG zur Seite.
Da die von dem Antragsteller erwartete Umwandlung seines derzeit noch befristeten
Arbeitsvertrages mit der Firma ... & ... in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ab dem
01.01.2009 nicht einem der Regeltatbestände des § 11 Abs. 4 Satz 2 ZDG unterfällt, ist
vorliegend allein die allgemeine Härteminderungsklausel des § 11 Abs. 4 Satz 1 ZDG in
Betracht zu ziehen. Danach soll ein anerkannter Kriegsdienstverweigerer vom Zivildienst
auf Antrag zurückgestellt werden, wenn die Heranziehung für ihn wegen persönlicher,
insbesondere häuslicher, wirtschaftlicher oder beruflicher Gründe eine besondere Härte
bedeuten würde. Da der Antragsteller allerdings eine Zurückstellung vom Zivildienst
erstrebt, die ersichtlich über die für ihn nach § 13 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 24 Abs. 1 Satz 2
Nr. 1 ZDG maßgebliche Altersgrenze hinausführte, könnte diese ihm nach § 13 Abs. 1 Satz
3 ZDG nur gewährt werden, wenn die Einberufung eine unzumutbare Härte bedeuten
würde. Die für diese Fälle für eine Zurückstellung vom Zivildienst vorausgesetzte
unzumutbare Härte bedeutet gegenüber der in § 11 Abs. 4 Satz 1 ZDG genannten
„besonderen Härte“ eine Steigerung sowohl des Grades als auch der Anforderungen an
ihre Vermeidbarkeit
vgl. zu der gleichlautenden Vorschrift des § 12 Abs. 6 Satz
2 WPflG BVerwG, Urteil vom 23.03.1984 – 8 C 72/82 –
u.a., NVwZ 1985, 192 m.w.N.
Die Annahme einer solchen unzumutbaren Härte ist vorliegend indes nicht gerechtfertigt.
Das von dem Antragsteller angestrebte unbefristete Arbeitsverhältnis als
Industriekaufmann bei der Firma ... & ... bedeutet für ihn, worauf die Antragsgegnerin zu
Recht hingewiesen hat, ersichtlich nicht eine einmalige Chance, einen herausragenden,
seiner besonderen Befähigung entsprechenden Beruf zu ergreifen, der durch die
Einberufung zum Zivildienst endgültig verlorenginge
vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 29.01.1993 – 8 C
32/92 -, Buchholz 448.0, § 12 WPflG Nr. 182, wonach es
bereits für die Annahme einer besonderen Härte
„schlechterdings nicht möglich“ sein darf, die gegebene
Berufschance, sei es auch auf anderem Wege, zu
verwirklichen.
Dass es dem Antragsteller mit seiner Berufsausbildung als Industriekaufmann und seinen
aufgrund einer Tätigkeit im Rahmen eines befristeten Arbeitsvertrages bei der Firma ... &
... bislang erworbenen Kenntnissen, die er im Übrigen nur aufgrund einer ihm früher bereits
gewährten Zurückstellung hat erwerben können, nicht möglich sein sollte, nach Ableistung
des Zivildienstes entweder bei seinem bisherigen Arbeitgeber oder auch bei einer anderen
Firma eine entsprechende Stelle zu erhalten, steht nicht zu erwarten. Selbst wenn der
Antragsteller, sollte ein Arbeitsverhältnis mit der Firma ... & ... tatsächlich endgültig
ausgeschlossen sein, was in deren Schreiben vom 26.02.2008 indes nicht einmal
hinreichend dargetan ist, Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Arbeitsplatz haben
sollte, handelte es sich dabei um eine allgemeine, nicht einmal um eine besondere,
geschweige denn eine unzumutbare Härte im Sinne von §§ 11 Abs. 4 Satz 1, 13 Abs. 1
Satz 3 ZDG.
Im Weiteren kann auch in der von dem Antragsteller in dem auf seine Zurückstellung
gerichteten Klageverfahren 2 K 257/08 vorgelegten Unabkömmlichkeitserklärung der Firma
... & ... vom 28.01.2008 ein hinreichender Grund für eine Zurückstellung nicht gesehen
werden. Soweit darin darauf hingewiesen wird, dass die persönliche Begleitung eines im
April 2008 anlaufenden, mit einer Mindestlaufzeit von zehn Monaten angesetzten Projekts
durch den Antragsteller unumgänglich sei und die Einarbeitung eines neuen Mitarbeiters
den Projektbeginn stark verzögern sowie den Betriebsablauf empfindlich stören würde, sind
damit keine „persönlichen“ Gründe im Sinne von § 11 Abs. 4 Satz 1 ZDG dargetan.
Derartige, zugleich im öffentlichen Interesse liegende Gründe des Arbeitgebers können nur
über ein Unabkömmlichkeitsgesuch des Arbeitgebers gegenüber der für eine
Unabkömmlichstellung nach § 16 ZDG vorschlagsberechtigten Behörde zur Geltung
gebracht werden. Überdies erfolgt die Unabkömmlichstellung ausschließlich im öffentlichen
Interesse, nicht aber im Interesse des Zivildienstpflichtigen, so dass sich der Antragsteller
selbst gegenüber einer etwaigen Verweigerung mangels Verletzung in eigenen Rechten
nicht mit Rechtsmitteln wehren könnte
vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 14.02.1986 – 8 C 80/83 -,
NVwZ 1987, 225.
Dass die Antragsgegnerin den Antragsteller vor seiner Einberufung nicht erneut untersucht
hat, vermag seinem Antrag ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Zwar ist gemäß § 39
Abs. 1 Nr. 1 ZDG ein anerkannter Kriegsdienstverweigerer vor der Einberufung ärztlich zu
untersuchen, wenn sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er nicht zivildienstfähig oder
vorübergehend nicht zivildienstfähig ist; dies ist anzunehmen, wenn er wegen
vorübergehender Zivildienstunfähigkeit vom Zivildienst zurückgestellt war und auf seinen
Antrag, wenn seine Verfügbarkeit nicht innerhalb der letzten zwei Jahre vor der Einberufung
festgestellt worden ist. Ungeachtet dessen, dass die Verfügbarkeit des Antragstellers
zuletzt mit Musterungsbescheid vom 23.07.2002 festgestellt worden war, bedurfte es
vorliegend ausnahmsweise aber deshalb nicht der von dem Antragsteller erst mit
Schreiben vom 25.03.2008 beantragten Nachuntersuchung, weil eine erneute ärztliche
Tauglichkeitsüberprüfung nach den nachvollziehbaren Darlegungen der Antragsgegnerin in
ihrem Bescheid vom 10.04.2008 nicht mehr rechtzeitig bis zu dem Einberufungstermin
01.05.2008 durchzuführen ist und es dem Kläger ohne Weiteres möglich und zumutbar
war, die Untersuchung unter Hinweis auf seine angeblich nicht unerheblichen
gesundheitlichen Einschränkungen rechtzeitig zu beantragen. Die Antragsgegnerin durfte
den Antragsteller daher zu Recht auf die zu Beginn des Zivildienstes unmittelbar
stattfindende Einstellungsuntersuchung verweisen
vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29.05.1991 – 8 C 52/89 –,
DÖV 1991, 980 und Beschluss vom 11.05.1994 – 8 B
58/94 -, zitiert nach juris.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen und
dem Antragsteller wegen fehlender Erfolgsaussichten seines Antrages gemäß §§ 166
VwGO, 114 ZPO Prozesskostenhilfe zu versagen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 75 Satz 1 ZDG unanfechtbar.
Beschluss
Der Streitwert wird in Anwendung an §§ 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3 GKG auf die Hälfte
des Auffangstreitwertes und damit auf 2.500,-- Euro festgesetzt.
Dieser Beschluss ist gemäß § 75 Abs. 1 ZDG unanfechtbar.