Urteil des VG Saarlouis vom 14.03.2011

VG Saarlouis: aufschiebende wirkung, gemeinde, vorbescheid, bedingung, markt, erlass, stadtrat, satzung, genehmigung, interessenabwägung

VG Saarlouis Beschluß vom 14.3.2011, 5 L 132/11
Zur Anwendung von § 14 Abs. 3 BauGB bei einem Vorbescheid mit der von der Gemeinde
geforderten Bedingung.
Leitsätze
Erteilt die Gemeinde ihr Einvernehmen unter der "Bedingung", dass die Voraussetzungen
des § 34 Abs. 3 BauGB durch ein neutrales Gutachten nachgewiesen werden und
übernimmt der Bauvorbescheid diese Formulierung, hindert eine nach dem Vorliegen des
Gutachtens erlassene Veränderungssperre nicht mehr die Erteilung der Baugenehmigung
mit gleichzeitiger Ersetzung des Einvernehmens.
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen
trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert wird auf 15.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Antragstellerin begehrt unter Hinweis auf ihr vom Antragsgegner ersetztes
Einvernehmen nach § 36 BauGB einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Baugenehmigung
vom 08.11.2010, mit der dem Beigeladenen der Neubau eines Fachmarktes in einem
Bereich erteilt wurde, für den die Antragstellerin am 23.11.2009 eine Veränderungssperre
(§ 14 BauGB) beschlossen hat.
I.
Das Baugrundstück befindet sich in der F.straße in B., Gemarkung L. Auf diesem befand
sich ehemals die Schuhfabrik B. Bis Ende 2009 war das Gelände an den Sonderposten-
Markt „Fundgrube“ vermietet.
Im Flächennutzungsplan ist der Bereich als „Gewerbe-Baufläche“ bezeichnet. Ein
Bebauungsplan existiert (noch) nicht.
Mir Datum vom 18.08.2008 beantragte der Beigeladene die Erteilung eines Vorbescheides
(§ 76 LBO) zum Neubau eines Fachmarktes mit 141 Stellplätzen auf dem Grundstück. Der
Fachmarkt sollte aus 3 Märkten (einem Discounter mit einer Nettogeschossfläche
von 1.088 m
2
und einer Verkaufsfläche von 811 m
2
, einem
Sonderpostendiscounter mit 430 m
2
NGF und 400 m
2
VK, einem Textildiscounter mit
530 m
2
NGF und 500 m
2
VK), einem Bäcker + Café + Stehimbiss mit 250 m
2
NGF und
200 m
2
VK, einer Restfläche von (22,00 x 50,50 =) 1.111 m
2
sowie einer
Physiotherapie mit 190 m
2
NGF.
Die Antragstellerin versagte unter dem 06.10.2008 das Einvernehmen zu dem Vorhaben:
Es füge sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren
Umgebung ein; es sei nach § 11 Abs. 3 BauNVO nur in Kerngebieten und Sondergebieten
zulässig.
Mit Schreiben vom 09.08.2008 teilte der Architekt des Beigeladenen mit, die
Verkaufsfläche von Markt 1 werde auf 798 m
2
reduziert. Bei der dargestellten Restfläche
werde die Verkaufsfläche ebenfalls unter 800 m
2
liegen (Nebenfläche 250 m
2
,
Verkaufsfläche 750 m
2
). Unter dem 19.11.2008 reichte der Beigeladene geänderte
Unterlagen beim Antragsgegner ein. Der Fachmarkt sollte nunmehr aus 4 Märkten (einem
Discounter mit 1.049 m
2
NGF und 798 m
2
VK sowie einem Bäcker mit 43 m
2
NGF und
24,6 m
2
VK, einem Sonderpostendiscounter mit 433 m
2
NGF und 401 m
2
VK, einem
Textildiscounter mit 535 m
2
NGF und 502 m
2
VK, einem Drogeriemarkt mit 947 m
2
NGF und 750 m
2
VK), einem Bäcker + Café + Stehimbiss mit 260 m
2
NGF und 91 m
2
VK sowie der Physiotherapie mit 190 m
2
NGF bestehen.
Zu dem geänderten Vorhaben gab die Antragstellerin am 26.01.2009 folgende
Stellungnahme gemäß § 36 BauGB ab:
Zu dem Teil-Vorhaben A (Tedi-Markt, KiK-Textildiscount und Drogeriemarkt, Bäckerei mit
Café und Praxis für Ergotherapie) wird das Einvernehmen nach § 36 BauGB auf der
Grundlage von § 36 BauGB nur in Aussicht gestellt, w e n n in einem neutralen Gutachten
nachgewiesen wird, dass von dem Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen auf den
zentralen Versorgungsbereich „Innenstadt B.“ und den Stadtteil L. zu erwarten sind.
Zu dem Teilvorhaben B (Netto-Markt mit integriertem Bachshop) wird das Einvernehmen
nach § 36 BauGB auf der Grundlage von § 36 BauGB nur in Aussicht gestellt, w e n n die
Verkaufsfläche der Einzelhandelseinrichtung unter 800 qm bleibt und in einem neutralen
Gutachten nachgewiesen wird, dass von dem Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen
auf den zentralen Versorgungsbereich „Innenstadt B.“ und den Stadtteil L. zu erwarten
sind.
Bei der Auswahl des Gutachters ist die Stadt B. einzubinden.
Für das Bauvorhaben ist die erforderliche Erschließung gesichert.
Am 28.01.2009 erteilte der Antragsgegner dem Beigeladenen für das Vorhaben folgenden
Bauvorbescheid gemäß § 76 LBO:
Vorbehaltlich der Prüfungsergebnisse, die erst nach Vorlage vollständiger Bauvorlagen und
durch Anhörung aller im Baugenehmigungsverfahren zu beteiligenden Stellen festgestellt
werden können, stelle ich Ihnen die Erteilung einer Baugenehmigung unter folgenden
Auflagen und Bedingungen in Aussicht.
1. Die in den am 19.11.2008 vorgelegten Planunterlagen und der diesen Unterlagen
beigegebenen Projektbeschreibungen bezeichneten Vorhaben Netto Markendiscount
(Lebensmittel) mit Bäcker, Tedi (Sonderpostenmarkt), Kik (Textildiscount), Café mit
Bäckereiverkauf, Drogeriemarkt und Physiotherapie sind entsprechend der Vorschrift des §
34 Abs. 1 BauGB zulässig, wenn in einem von Ihnen vorzulegenden neutralen Gutachen
der Nachweis erbracht wird, dass von dem Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen auf
zentrale Versorgungsbereiche in der Stadt B. oder andere Gemeinden zu erwarten sind (§
34 Abs. 3 BauGB).
2. Die in der Stellungnahme des Landesamtes für Umwelt- und Arbeitsschutz vom
31.10.2008 formulierten Hinweise und Auflagen sind Bestandteil dieses Vorbescheides und
bei der Planung und Durchführung des Vorhabens zu beachten.
3. Alle sonstigen bauordnungsrechtlichen Vorschriften sind bei der Planung des Vorhabens
zu beachten.
Ende Juni 2009 legte die Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung mbH - GMA – dem
Antragsgegner die 48 Seiten umfassende Auswirkungsanalyse zur Ansiedlung eines
Fachmarktzentrums am Standort B., F.straße/ ring vom Juni 2009 vor. Die Antragstellerin
vertrat in einem Schreiben an den Antragsgegner die Auffassung, dass die Nichterwartung
schädlicher Auswirkungen auf den zentralen Versorgungsbereich der Stadt in dem
Gutachten nicht ausreichend dargelegt sei und bat um Mitteilung, ob das Gutachten
anerkannt werde.
Der Stadtrat der Antragstellerin beschloss am 19.11.2009 die Aufstellung eines einfachen
Bebauungsplans „Iring“ gemäß § 30 Abs. 3 BauGB für diesen Bereich. Ausweislich der
Bekanntmachung im Amtlichen Bekanntmachungsblatt der Stadt vom 04.12.2009
beschränken sich die Inhalte des Bebauungsplans weitgehend auf die Festsetzung gemäß §
9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zur Art der baulichen Nutzung als Gewerbegebiet gemäß § 8
BauNVO. Dabei sollen die zulässigen Vorhaben mit dem Ziel eingeschränkt werden, die
vorhandene gewerbliche Nutzung des produzierenden bzw. verarbeitenden Gewerbes
planungsrechtlich zu sichern sowie den Bereich baugebietsspezifisch weiterzuentwickeln.
Zugleich erließ der Stadtrat eine Satzung über eine Veränderungssperre für den Bereich
des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans gemäß § 14 BauGB. Der
Satzungsbeschluss wurde ebenfalls im Amtlichen Bekanntmachungsblatt der Stadt vom
04.12.2009 veröffentlicht.
Mit Bauschein vom 08.11.2010 erteilte der Antragsgegner dem Beigeladenen die
Baugenehmigung zum „Neubau eines Fachmarktes“. Nach den der Baugenehmigung zu
Grunde liegenden Planvorlagen sollen ein Lebensmitteldiscounter mit integriertem
Backshop, ein Textildiscounter, ein Drogeriemarkt, ein Non-Food-Discounter und eine
Bäckerei mit Café auf dem Gelände errichtet werden.
Zugleich ersetzte der Antragsgegner das mit der Stellungnahme vom 18.05.2010
versagte Einvernehmen der Antragstellerin gemäß § 72 Abs. 3 LBO. Zur Begründung heißt
es dazu, mit Vorbescheid vom 28.01.2009 sei für das Vorhaben eine Baugenehmigung in
Aussicht gestellt worden. Als Bedingung sei in den Vorbescheid aufgenommen worden,
dass durch ein vorzulegendes neutrales Gutachten der Nachweis erbracht werde, dass von
dem geplanten Bauvorhaben keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale
Versorgungsbereiche in der Stadt B. oder anderen Gemeinden zu erwarten seien (§ 34
Abs. 3 BauGB). Dieses Gutachten als Auswirkungsanalyse zur Ansiedlung eines
Fachmarktes sei am 28.06.2009 vorgelegt worden. Es habe ergeben, dass durch die
Ansiedlung keine Auswirkungen gemäß § 34 Abs. 3 BauGB zu erwarten seien. Bei dieser
Sach- und Rechtslage sei das rechtswidrig versagte Einvernehmen zu ersetzen.
Gegen die ihr am 16.11.2010 förmlich zugestellte Baugenehmigung erhob die
Antragstellerin am 03.12.2010 Widerspruch, über den bisher nicht entschieden wurde. Mit
Schreiben vom 11.02.2011 hat der Beigeladene angekündigt, mit den Bauarbeiten am
21.02.2011 zu beginnen.
Am 21.02.2011 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht die Anordnung der
aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung beantragt. Zur
Begründung macht sie geltend, das Vorhabengrundstück befinde sich in einem Gebiet, für
das am 04.12.2009 eine Veränderungssperre gemäß § 14 BauGB bekannt gemacht
worden sei. Das Vorhaben widerspreche den Zielen des einfachen Bebauungsplans, dessen
Aufstellung am 19.11.2009 vom Stadtrat beschlossen worden sei. Damit verletze die
Erteilung der Baugenehmigung die gemeindliche Planungshoheit. Etwas anderes gelte nur,
wenn der Bauvorbescheid die Sperrwirkung des § 14 BauGB aufhebe. Grundsätzlich
hindere allerdings das zu einem Bauvorbescheid erteilte Einvernehmen die Gemeinde nicht,
eine dem Vorhaben widersprechende Bauleitplanung zu betreiben und diese durch eine
Veränderungssperre zu sichern. (BVerwG, Urteil vom 19.02.2004 – 4 CN 16.03 -, NVwZ
2004, 858) Der Bauvorbescheid vom 28.01.2009 sei auch keine baurechtliche
Genehmigung im Sinne von § 14 Abs. 3 BauGB, weil er keine verbindliche Feststellung der
bebauungsrechtlichen Zulässigkeit des Bauvorhabens enthalte. Vielmehr werde mit dem
Bauvorbescheid nur die Erteilung einer Baugenehmigung „in Aussicht gestellt“. Ein
Vorbescheid, der nur einzelne bauplanerische Fragen zugunsten des Bauherrn klärt, möge
die Baugenehmigungsbehörde landesrechtlich binden, könne sich aber nicht gegenüber
einer Veränderungssperre durchsetzen. (Lemmel, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3.
Aufl., Stand: April 2010, § 14 Rdnr. 24; VGH München, Beschluss vom 29.11.1999 – 1 B
97.3762 -, BayVBl. 2000, 314) Vorliegend enthalte das im Vorbescheid dargestellte
Vorhaben keine Angaben zum Maß der baulichen Nutzung (Höhenentwicklung der
Gebäude) und zum künftigen „Immissionsverhalten“, was für die Frage des Einfügens
unter dem Gesichtspunkt des Gebotes der Rücksichtnahme erforderlich sei. Auch fehlten
Angaben zur Beurteilung der Frage, ob von dem Vorhaben schädliche Auswirkungen auf
zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde zu erwarten seien (§ 34 Abs. 3 BauGB). Zu
diesem Punkt sei der Vorbescheid auch nicht verbindlich, weil er als Bedingung die Vorlage
eines neutralen Gutachtens verlange, dass derartige schädliche Auswirkungen nicht zu
erwarten seien. Ohne diese Feststellung sei aber die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit
des Vorhabens nicht im Verständnis von § 14 Abs. 3 BauGB verbindlich festgestellt.
Abgesehen davon müsse die Behörde die Rechtsfrage, ob von dem Vorhaben schädliche
Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten seien, selbst entscheiden und
dürfe sie nicht einem Sachverständigen übertragen. Nach dem Wortlaut der
Nebenbestimmung trete die Bedingung ein, wenn ein entsprechendes Gutachten mit dem
Ergebnis vorliege, dass keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche
zu erwarten seien. Derartiges könne mit einem Vorbescheid nicht geregelt werden. Das
mit der Baugenehmigung zugelassene Vorhaben könne auch nicht im Wege der Ausnahme
nach § 14 Abs. 2 BauGB zugelassen werden, weil es den mit der Veränderungssperre
verfolgten Zielen zuwiderlaufe.
Das Vorhaben habe aber auch ohne die Veränderungssperre nicht zugelassen werden
dürfen, weil von ihm schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der
Gemeinde zu erwarten seien. Die vom Beigeladenen vorgelegte „Auswirkungsanalyse zur
Ansiedlung eines Fachmarkt-Zentrums am Standort der GMA, Juni 2009“ erbringe nicht
den Nachweis, dass von dem Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale
Versorgungsbereiche der Stadt und anderen Gemeinde zu erwarten seien. Das ergebe sich
schon daraus, dass die Auswirkungsanalyse gar nicht das genehmigte Vorhaben betreffe.
Die städtebaulichen Aspekte (Entfernung zum zentralen Versorgungsbereich „Innenstadt“
bzw. Ortskern Lautzkirchen, Einfluss auf Magnetbetrieb in der Innenstadt, örtliche
Gegebenheiten des zentralen Versorgungsbereichs, Standorteignung im Hinblick auf
geplante Branchen, etc.) würden lediglich oberflächlich skizziert oder blieben gänzlich
unberührt. Aufgrund seiner Lage jenseits der Bahnlinie am Rande des Stadtteils L.
übernehme das Planvorhaben nicht die Versorgungsfunktion in diesem Stadtteil. Die
Nahversorgung könne nur durch Ansiedlung entsprechender Einzelhandelseinrichtungen in
zentraler Lage, gesichert und gestärkt werden. Die GMA-Auswirkungsanalyse beschränke
sich bei der Ermittlung der zu erwartenden schädlichen Auswirkungen weitgehend auf die
zu erwartenden Umsätze. Die prognostizierte Umsatzumverteilung sei insoweit als „allein
maßgebliches“ Kriterium bedenklich. Der Schwellenwert von 10 % allein reiche nicht aus
um Funktionsstörungen anzunehmen oder abzulehnen. (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil
vom 11.12.2006 – 7 A 964/05 -, BRS 70 Nr. 90) Aussagekräftiger sei nach der
Rechtsprechung die Betrachtung der Verkaufsflächen. Der große Anteil der geplanten
Verkaufsflächen lasse im Verhältnis zu den vorhandenen Verkaufsflächen derselben
Branche im zentralen Versorgungsbereich schädliche Auswirkungen erwarten. Deutlich
werde dies dadurch, dass mit dem Planvorhaben der im CIMA-Gutachten 2007, S. 40,
ermittelte mittelfristige Bedarf voll ausgeschöpft werde, sodass Einzelhandelsvorhaben an
städtebaulich günstigeren Standorten, etwa dem IX-Markt-Gelände, nicht mehr realisiert
werden könnten. Das zeige, dass das Gutachten die Auswirkungen auf potentielle
Einzelhandelsstandorte nicht berücksichtige. In der GMA-Auswirkungsanalyse sei von einer
Verbesserung des Betriebstypenmixes in B. die Rede. Die Analyse treffe indes keine
Aussage zu den Auswirkungen des Vorhabens auf den Branchenmix im Zentralort Das
Angebotsspektrum werde mit dem Vorhaben nicht erweitert. Der geplante Branchenmix
schaffe etwa im Bereich Bekleidung und Schuhe für den Einzelhandel in der Innenstadt eine
ernstzunehmende Konkurrenz. So stehe der geplante Textildiscounter in direkter
Konkurrenz zum NKD-Markt in der Innenstadt. Die geplanten Verkaufsflächen und die
Stellplatzanlage lassen Nachteile für den Magnetbetrieb im zentralen Versorgungsbereich
befürchten. Der Analyse lasse sich auch nicht entnehmen, ob der geplante Standort
geeignet sei, zusätzliche Kaufkraft in B. zu binden ohne den zentralen Versorgungsbereich
zu schwächen. Entgegen den Darstellungen in der GMA-Analyse werde im CIMA-Gutachten
der Vorhabenstandort an der F.straße als Alternativstandort nur für den Fall bezeichnet,
dass eine Einzelhandelsentwicklung der innerstädtischen Bereiche nicht möglich sei. Weiter
heiße es im CIMA-Gutachten auf Seite 80, dass unabhängig davon in diesem Bereich
grundsätzlich Einzelhandelseinrichtungen mit dem Schwerpunkt auf nicht zentrenrelevante
Sortimente vorstellbar seien. Indes seien alle am Vorhabenstandort geplanten Sortimente
innenstadt- und damit zentrenrelevant. Gegen die Zulässigkeit des Vorhabens spreche
auch § 11 Abs. 3 BauNVO, demzufolge großflächiger Einzelhandel nur in Kern- und
Sondergebieten zulässig sei. Einer Zulassung des Vorhabens durch eine Bauleitplanung
stehe aber der Landesentwicklungsplan „Siedlung“ entgegen. Dieser verlange, dass bei der
Ansiedlung großflächigen Einzelhandels das Konzentrationsgebot, das Kongruenzverbot,
das Beeinträchtigungsverbot und das städtebauliche Integrationsgebot zu beachten seien.
Diesen Prinzipien werde das genehmigte Vorhaben nicht gerecht. Selbst wenn die
Rechtslage vorliegend als offen einzustufen wäre, müsse im Rahmen der
Interessenabwägung zur Sicherung der Planungshoheit der Gemeinde ausnahmsweise die
aufschiebende Wirkung angeordnet werden. Denn im Falle der Verwirklichung des
Bauvorhabens könnten die im aufzustellenden Bebauungsplan gewünschten Ziele nicht
mehr realisiert werden.
Die Antragstellerin beantragt,
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die dem
Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 08.11.2010
anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt unter Hinweis auf die Verwaltungsentscheidung,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Beigeladene beantragt (ebenfalls),
den Antrag zurückzuweisen.
Seiner Ansicht nach geht die Antragstellerin von falschen tatsächlichen und rechtlichen
Voraussetzungen aus. Der bestandskräftige Bauvorbescheid regele die
bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens. Aus der Beschreibung des Projektes
habe sich eindeutig ergeben, dass es um eingeschossige Bauten gegangen sei, sodass das
höhenmäßige Einfügen keine Rolle gespielt habe. Von der Veränderungssperre angesehen
mache die Antragstellerin auch keine substantiellen Einwendungen gegen das Bauvorhaben
geltend. Bei der Nebenbestimmung „… wenn … der Nachweis erbracht wird, dass … keine
schädlichen Auswirkungen … zu erwarten sind § 34 Abs. 3 BauGB)“ handele es sich um
eine zulässige Bedingung, die mit der Vorlage der Auswirkungsanalyse eingetreten sei. Das
habe der Antragsgegner in der Baugenehmigung ausdrücklich bestätigt. Das dem
Gutachten zugrunde liegende Vorhaben der GMA sei mit dem genehmigten identisch. Die
Vorgehensweise der GMA entspreche den Vorgaben im Systematischen Praxiskommentar
zum BauGB von Gänslmayer/Hauth, § 34 Rdnr. 149. Die Einwendungen der Antragstellerin
seien ersichtlich nicht tragfähig. Soweit diese sich auf das Urteil des BVerwG vom
19.02.2004 stütze, sei darin offen gelassen worden, ob sich die Gemeinde treuwidrig
verhalte, wenn sie ihr Einvernehmen zu dem Vorhaben erteile und dann unter Hinweis auf
eine spätere Veränderungssperre gegen die Baugenehmigung vorgehe. Für diesen Fall
komme Graf, in NVwZ 2004, 1435 ff., unter Zustimmung von Battis/Krautzberger/Löhr,
BauGB, § 14 Rdnr. 21, zu dem Ergebnis, dass die Regelung des § 14 Abs. 3 BauGB auch
gelte, wenn zwar noch keine Genehmigung, wohl aber das Einvernehmen der Gemeinde zu
dem Vorhaben erteilt wurde.
II.
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die
dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 08.11.2010 anzuordnen, ist zulässig,
aber unbegründet.
Der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Hs. i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO statthaft,
da Widerspruch und Anfechtungsklage bei Baugenehmigungen nach § 212 a Abs. 1 BauGB
keine aufschiebende Wirkung haben. Er hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Die im Rahmen dieses Verfahrens vorzunehmende summarische Überprüfung nach
Maßgabe der §§ 80 Abs. 3, 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO setzt für die begehrte
Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs grundsätzlich eine Verletzung
der dem Schutz des Antragstellers dienenden Rechte mit „überwiegender
Wahrscheinlichkeit“ voraus, die bereits mit den Erkenntnismöglichkeiten des
Eilrechtschutzverfahrens festgestellt werden kann. Dieser Maßstab ergibt sich aus der in §
212 a BauGB enthaltenen Entscheidung des Gesetzgebers, die aufschiebende Wirkung des
Nachbarwiderspruches gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens
grundsätzlich auszuschließen.
Für eine solche „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ der Erfolgsaussicht des Widerspruchs
spricht derzeit wenig. Wenn der Ausgang des Hauptsacheverfahrens derzeit als offen
einstufen wäre, würde die Interessenabwägung vorliegend gegen für die Antragstellerin
sprechen. Im Rahmen der Interessenabwägung ist stets zu berücksichtigen, dass der
Gesetzgeber im § 212 a BauGB dem Interesse an der Verwirklichung des Bauvorhabens
grundsätzlich den Vorrang eingeräumt hat, so dass es „besonderer Umstände“ bedarf, um
eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. (Ernst/Zinkahn/Bielenberg,
BauGB, § 34 Rdnr. 40 a unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 10.10.2003 – 1 BvR
2025/03 -) Solche Umstände liegen hier nicht vor.
Rechtlicher Ansatz für den von der Antragstellerin geltend gemachten Anspruch ist § 36
BauGB. Nach dessen Absatz 1 Satz 1 wird über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§
31, 33 bis 35 im bauaufsichtlichen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde im
Einvernehmen mit der Gemeinde entschieden, das diese für die Erteilung der
Baugenehmigung ausdrücklich verweigert hat.
Grundsätzlich steht außer Frage, dass die vom Antragsgegner erteilte Baugenehmigung die
Antragstellerin in ihren öffentlich-rechtlich geschützten Rechten verletzt und folglich
aufzuheben wäre, wenn der Antragsgegner das für die Erteilung der Baugenehmigung
notwendige Einvernehmen der Klägerin zu Unrecht ersetzt hätte.
Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits mit Urteil vom 19.11.1965
5
() entschieden,
dass die Baugenehmigungsbehörde mit der Nichtachtung der Beteiligung der Gemeinde
nicht nur eine ihr in § 36 Abs. 1 BBauG auferlegte Verfahrenspflicht verletzt, sondern damit
möglicherweise auch sachlich in das – noch offene - Planungsrecht der Gemeinde eingreift.
Dieser Verstoß wiege so schwer, dass die von der Gemeinde angefochtene
Baugenehmigung aufzuheben sei, ohne dass bereits bei dieser Gelegenheit zu prüfen sei,
ob der Bauherr das Vorhaben auch gegen den Willen der Gemeinde durchführen könne.
Danach führe allein die Missachtung des gesetzlich gewährleisteten Rechts der Gemeinde
auf Einvernehmen zur Aufhebung der Baugenehmigung; einer materiell-rechtlichen
Überprüfung der Rechtslage bedürfe es nicht. (Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19.11.1965 –
4 C 133.65 -, Buchholz 406.11 § 36 BBauG Nr. 2 = BRS 16 Nr. 90) Der Gesetzgeber
habe in dem Konflikt zwischen Planungshoheit und Baufreiheit eine eindeutige Regelung
getroffen, der zufolge gegen den Willen der Gemeinde in den Fällen des § 36 Abs. 1 Satz 1
BauGB bis zu einer gerichtlichen Klärung der Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens auf
die Verpflichtungsklage des Bauwerbers hin keine Baugenehmigung erteilt werden dürfe.
(BVerwG, Urteile vom 07.02.1986 – 4 C 43.83 -, BRS 46 Nr. 142 = BauR 1986, 425;
vom 10.08.1988 – 4 C 20.84 -, BRS 48 Nr. 144 = BauR 1988, 694) Im
Anfechtungsprozess, in dem sich die Gemeinde gegen ein missachtetes
Einvernehmenserfordernis wehrt, prüfe das Gericht daher nicht, ob der Bauherr einen
materiellen Anspruch auf die beantragte Genehmigung besitze. Vielmehr sei
Streitgegenstand des Anfechtungsprozesses allein die von der klagenden Gemeinde für
sich in Anspruch genommene Rechtsposition. (BVerwG, Beschluss vom 05.03.1999 – 4 B
62.98 -, BRS 62 Nr. 178 = BauR 1999, 1281) Materiell-rechtlicher Bezugspunkt sei die
Planungshoheit der Gemeinde. Hinter dem gesetzlichen Einvernehmenserfordernis stehe
der Zweck, die gemeindliche Planungshoheit zu schützen. Die Gemeinde sei als Trägerin
der Planungshoheit befugt, gerade auch in Reaktion auf einen Bauantrag durch politische
Entscheidung die planungsrechtlichen Beurteilungsgrundlagen für ein Vorhaben noch –
wenn auch unter Umständen nur gegen Entschädigung – zu ändern. (BVerwG, Urteil vom
12.12.1991 – 4 C 31.89 -, BRS 52 Nr. 136) Das gemeindliche Einvernehmen sei ein
Sicherungsinstrument, mit dem die Gemeinde als sachnahe und fachkundige Behörde an
der Beurteilung der bebauungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen mitentscheidend
beteiligt werden solle. (BVerwG, Urteil vom 14.04.2000 – 4 C 5.99 -, BRS 63 Nr. 115;
Beschluss vom 11.08.2008 - 4 B 25.08 -, BauR 2008, 1844)
Mit dem Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 hat der Bundesgesetzgeber indes mit § 36
Abs. 2 Satz 3 BauGB die Möglichkeit eröffnet, dass die nach Landesrecht zuständige
Behörde ein rechtswidrig versagtes Einvernehmen der Gemeinde ersetzen kann. Das
Saarland hat davon mit der Regelung des § 72 LBO Gebrauch gemacht. Damit ist
entscheidend, ob die Antragstellerin ihr Einvernehmen rechtswidrig versagt hat und der
Antragsgegner es daher nach § 72 Abs. 1 Satz 1 LBO ersetzen durfte. Das ist dann der
Fall, wenn das genehmigte Vorhaben den sich aus § 36 Abs. 2 BauGB ergebenden
Vorgaben entspricht.
Der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung steht zur Überzeugung der Kammer die mit der
Satzung vom 19.11.2009 erlassene Veränderungssperre nicht entgegen.
Nach § 14 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde nach Erlass eines Beschlusses über die
Aufstellung eines Bebauungsplans zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich
eine Veränderungssperre u.a. mit dem Inhalt beschließen, dass Vorhaben im Sinne des §
29 BauGB nicht durchgeführt werden dürfen.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Stadtrat der Antragstellerin hat mit Beschluss vom
19.11.2009 die Aufstellung eines (einfachen) Bebauungsplans für das betroffene Gebiet
beschlossen und mit Satzung vom selben Tage eine Veränderungssperre u.a. mit dem
Inhalt beschlossen, dass Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB nicht durchgeführt werden
dürfen. Die Veränderungssperre ist auch mit der Veröffentlichung im Amtlichen
Bekanntmachungsblatt der Stadt vom 04.12.2009 wirksam geworden.
Die Veränderungssperre ist aller Voraussicht nach auch nicht deshalb unwirksam, weil sie
quasi ins Blaue hinein oder aber als bloße Verhinderungsplanung erlassen wurde.
Rechtliche Voraussetzung für den Erlass einer Veränderungssperre nach § 14 Abs. 1
BauGB ist, dass im Zeitpunkt der Beschlussfassung des gemeindlichen Beschlussorgans ein
Mindestmaß an Klarheit darüber besteht, welche positiven Ziele mit der Planung verfolgt
werden; die Veränderungssperre darf dann gezielt dazu eingesetzt werden, die rechtlichen
Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines nicht zielkonformen Vorhabens zu verändern.
(OVG des Saarlandes, Urteil vom 03. und 09.04.2008 – 2 C 309/07 -) Die Annahme eines
Sicherungsbedürfnisses im Sinne des § 14 Abs. 1 BauGB für eine eingeleitete
städtebauliche Planung setzt nicht voraus, dass bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung
über die Veränderungssperre die Rechtmäßigkeit des künftigen Bebauungsplans feststeht.
Vielmehr ist eine solche Satzung nur dann als ungültig zu bewerten, wenn bereits bei ihrem
Erlass offenkundig ist, dass die Planungsziele der Gemeinde, die gesichert werden sollen,
mittels einer rechtmäßigen Bauleitplanung von vornherein nicht erreichbar sind. (OVG des
Saarlandes, Beschluss vom 27.02.2008 – 2 B 450/07 -, BRS 73 Nr. 113)
Vorliegend hat die Antragstellerin den Vorbescheid des Beigeladenen zum Anlass
genommen, eine einfache Bauleitplanung mit dem Ziel in die Wege zu leiten,
Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung zu treffen, um auf diese Weise die
vorhandene gewerbliche Nutzung des produzierenden bzw. verarbeitenden Gewerbes
planungsrechtlich zu sichern. Dagegen dürfte von Rechts wegen kaum etwas zu erinnern
sein. Bereits § 1 Abs 3 Satz 1 BauGB stellt klar, dass es allein der
Entscheidungskompetenz der Gemeinde obliegt, ob sie einen Bebauungsplan aufstellen will
oder nicht. Sie hat dies zu tun „sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung
und Ordnung erforderlich ist“. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen spricht nach Lage
der Dinge einiges. Eine abschließende Entscheidung dazu ist jedoch im vorliegenden
Verfahren nicht erforderlich.
Erkennbar liegen auch die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der
Veränderungssperre nach § 14 Abs. 2 BauGB nicht vor.
Demgegenüber spricht derzeit einiges für die Annahme, dass die Voraussetzungen des §
14 Abs. 3 BauGB vorliegen. Danach werden Vorhaben, die vor dem Inkrafttreten der
Veränderungssperre baurechtlich genehmigt worden sind, von der Veränderungssperre
nicht berührt (sog. veränderungssperrenrechtlicher Bestandsschutz).
Eine baurechtliche Genehmigung im Sinne von § 14 Abs. 3 BauGB ist auch der Vorbescheid
in der Gestalt der Bebauungsgenehmigung, wenn sie nicht nur die Zusage einer (erst
künftigen) Baugenehmigung darstellt, sondern – nach Landesrecht (was bei den
landesbauordnungsrechtlichen Vorbescheiden durchwegs anzunehmen ist) – ein
abgespaltener Teil der Baugenehmigung ist. (Jäde/Dirnberger/Weiß. BauGB/BauNVO, 6.
Aufl. 2010, § 14 Rdnr. 40 unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 03.02.1984 – 4 C 39.82 -
, BRS 42 Nr. 170; Ferner/Kröninger/Aschke, BauGB, 2. Aufl. 2008, § 14 Rdnr. 19) Von der
Bebauungsgenehmigung ist die Zusage zu unterscheiden; diese stellt keinen
vorweggenommenen Teil der Baugenehmigung dar. (BVerwG, Urteil vom 23.05.1975 – 4
C 28.75 -, BRS 29 Nr. 116; Urteil vom 09.12.1983 – 4 C 44.80 -, BRS 40 Nr. 176; Urteil
vom 03.02.1984 – 4 C 39.82 -, BRS 42 Nr. 170) Das OVG Berlin hat einen Vorbescheid,
mit dem die „Zustimmung“ zur Errichtung eines Vorhabens „in Aussicht“ gestellt wurde,
als Genehmigungszusage und nicht als Bebauungsgenehmigung qualifiziert. (OVG Berlin,
Beschluss vom 27.03.1986 – 2 S 145.85 -, BRS 46 Nr. 139)
Vorliegend hat der Antragsgegner dem Beigeladenen mit dem weiter unter ausdrücklich als
Vorbescheid, der keine Baugenehmigung darstellt, bezeichneten Bescheid vom
28.01.2009 „die Erteilung einer Baugenehmigung unter folgenden Auflagen und
Bedingungen in Aussicht“ gestellt. Dabei handelt es sich nach dem Landesrecht im
Saarland grundsätzlich um eine Bebauungsgenehmigung. Dementsprechend hat der
Antragsgegner dem Beigeladenen in dem Vorbescheid attestiert, dass die in den …
Planunterlagen … bezeichneten Vorhaben … entsprechend der Vorschrift des § 34 Abs. 1
BauGB zulässig sind, … . Das stellt vom Grundsatz her eine Bebauungsgenehmigung dar.
Der Einwand der Antragstellerin, das im Vorbescheid dargestellte Vorhaben enthalte keine
Angaben zum Maß der baulichen Nutzung (Höhenentwicklung der Gebäude) und zum
künftigen „Immissionsverhalten, was für die Frage des Einfügens unter dem Gesichtspunkt
des Gebotes der Rücksichtnahme erforderlich sei, ist ungeeignet, die Qualifizierung des
Vorbescheides als Bebauungsgenehmigung in Frage zu stellen. Aus den Plänen mit der
Angabe Grundflächenzahlen und Verkaufsflächenzahlen ergab sich ohne Weiteres, dass nur
eine eingeschossige Bebauung vorgesehen war. Damit konnte sich in Bezug auf die
Höhenentwicklung kein planungsrechtliches Problem des Einfügens ergeben. Auch zum
Immissionsverhalten enthielten die den Gegenstand des Vorbescheidverfahrens bildenden
Pläne mit der Darstellung der Ein-/Ausfahrt, Stellplätze und Anlieferungsbereiche
hinreichende Angaben.
Soweit es in dem Vorbescheid im Weiteren heißt, „wenn in einem von Ihnen vorzulegenden
neutralen Gutachten der Nachweis erbracht wird, dass von dem genannten Vorhaben
keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Stadt Blieskastel
oder anderen Gemeinden zu erwarten sind (§ 34 Abs. 3 BauGB)“, kann dahinstehen, ob es
sich dabei um eine zulässige Bedingung im Verständnis von § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG, eine
Bestimmung, nach der der Eintritt oder der Wegfall einer Vergünstigung oder einer
Belastung von dem ungewissen Eintritt eines zukünftigen Ereignisses abhängt, handelt.
Jedenfalls ist die Antragstellerin zur Überzeugung des Gerichts aufgrund des Umstandes,
dass die Bedingung, so es eine sollte, vor dem Erlass der Veränderungssperre eingetreten
ist, vorliegend nicht anders zu behandeln, als wenn der Vorbescheid nach dem Eingang der
Auswirkungsanalyse und vor dem Erlass der Veränderungssperre ohne die „Bedingung“
erlassen worden wäre.
Zwar ist eine Gemeinde durch die Erteilung des Einvernehmens zu einem Bauvorhaben
grundsätzlich nicht gehindert ist, eine dem Vorhaben widersprechende Bauleitplanung zu
betreiben und diese durch eine Veränderungssperre zu sichern. (BVerwG, Urteil vom
19.02.2004 – 4 CN 16.03 -, BRS 67 Nr. 11) Erhält der Bauantragsteller indes eine
veränderungssperrensichere Rechtsposition, geht die Veränderungssperre für dieses
Vorhaben ins Leere. Weiter heißt es in dem von der Antragstellerin zitierten Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts übrigens, worauf der Beigeladene mit Nachdruck hingewiesen
hat, dass der Senat erwogen habe, ob für Vorhaben, für die zwar noch keine
Baugenehmigung erteilt ist, zu denen die Gemeinde jedoch ihr Einvernehmen erteilt hat,
generell oder bei unveränderter Sach- und Rechtslage wegen der Bindung der Gemeinde
an das erteilte Einvernehmen in erweiternder oder analoger Anwendung von § 14 Abs. 3
BauGB von den Wirkungen der Veränderungssperre freizustellen sind (vgl. auch Gäde,
Gemeinde und Baugesuch, 2. Aufl. 2000, Rdnr. 123). Die Frage wurde aber offen
gelassen, weil sie in dem Normenkontrollverfahren nicht entscheidungserheblich war.
Im vorliegenden Verfahren bedarf es angesichts des Umstandes, dass der mit der von der
Antragstellerin gewünschten „Bedingung“ ergangene Vorbescheid vom 28.01.2009
bestandskräftig und die „Bedingung“ im Juni 2009 und damit vor dem Inkrafttreten der
Veränderungssperre am 04.12.2009 eingetreten ist, keiner Entscheidung, ob die
Antragstellerin aufgrund des mit der Erklärung vom 26.01.2009 jedenfalls nicht versagten
Einvernehmen zu dem Vorbescheid in der Weise daran gebunden ist, dass es ihr von
Rechts wegen verwehrt wäre, sich nunmehr gegen die Baugenehmigung zu wehren.
Der Antragsgegner hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 21.11.2008 unter Hinweis
auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.11.2005 – 4 C 14.05 – (erneut) um
Erteilung des Einvernehmens zu dem mit den geänderten Planunterlagen vom 19.11.2008
beantragten Bauvorscheides gebeten. Dieses Ersuchen ging bei der Antragstellerin am
24.11.2008. Nach § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB gilt das Einvernehmen der Gemeinde als
erteilt, wenn es nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens verweigert wurde.
Vorliegend hat sich die Antragstellerin am 26.01.2009, einem Montag, in der Weise zu der
Bauanfrage geäußert, dass sie das Einvernehmen unter den Bedingungen in Aussicht
gestellt hat, die der Antragsgegner in den Vorbescheid vom 28.01.2009 aufgenommen
hat. Hätte der Antragsgegner, anstatt den Vorbescheid am 28.01.2009 zu erlassen, den
Beigeladenen zunächst aufgefordert, mittels Vorlage eines neutralen Gutachtens den
Nachweis zu erbringen, dass von dem Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen
ausgehen, und den Vorbescheid erst nach dem Eingang und der Prüfung der
Auswirkungsanalyse erlassen, hätte die Antragsgegnerin aufgrund ihres dann mit dem
Eintritt der Bedingung wirksam gewordenen Einvernehmens keine rechtliche Möglichkeit
mehr gehabt, sich mit Erfolg gegen den dann unbedingt ergangenen Vorbescheid zu
wehren. Aus diesem Grunde kann die rechtliche Position der Antragstellerin keine andere
sein, wenn der Antragsgegner die „Bedingung“ der Gemeinde so in den Vorbescheid
aufnimmt.
Soweit die Antragstellerin die Methode der Auswirkungsanalyse unter Hinweis auf das Urteil
des OVG Münster vom 11.12.2006 – 7 A 964/05 -, BRS 70 Nr. 90, beanstandet, weist die
Kammer nur beiläufig darauf hin, dass diese Methode – anders als die des OVG Münster -
mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts übereinstimmt. Dieses hat
nämlich im Urteil vom 11.10.2007 – 4 C 7.07 – ausgeführt:
Die Fragestellung, ob die Schädlichkeitsschwelle des § 34 Abs. 3 BauGB erreicht wird,
zwingt den Rechtsanwender dazu, ökonomische Zusammenhänge zu ermitteln und im
Hinblick auf ihre städtebauliche Relevanz zu bewerten. Das OVG benennt die zu
erwartenden Kaufkraftabflüsse als Kriterium dafür, ob die ökonomischen Fernwirkungen
eines Vorhabens die Funktionsfähigkeit eines zentralen Versorgungsbereichs stören
können. Dieses Kriterium stellt eine bekannte Größe in Rechtsprechung und Schrifttum zu §
2 Abs. 2 BauGB und § 11 Abs. 3 BauNVO dar und wird weitgehend gebilligt. Auch der
Senat hat es in seinem Urteil zum Einkaufszentrum Mülheim-Kärlich vom 17.09.2003 (– 4
C 14.01 -, BVerwGE 119, 25 (33) = BRS 66 Nr. 1: In dem Fall habe sich der
Kaufkraftabfluss zwischen 1992 und 1996 von 9,2 auf 16,2 erhöht; die kritische Grenze
liege je nach Sortiment in einem Bereich zwischen 10 und 30%.) herangezogen, um die
Gefährdung innerstadtnaher Einzelhandelsbetriebe durch die Fernwirkung eines
großflächigen Einkaufszentrums zu umschreiben.
In Abgrenzung zu der Praxis, den zu erwartenden Kaufkraftabfluss mit Hilfe gutachterlich
prognostizierter Umsatzumverteilungen zu ermitteln, stellt das OVG den Rechtssatz auf,
die voraussichtlichen Umsatzumverteilungen seien als solche kein maßgebliches Kriterium
für die mit dem Begriff der schädlichen Auswirkungen erfassten Funktionsstörungen. Auch
bei § 34 Abs. 3 BauGB sei – nicht anders als sonst im baurecht – primär auf baurechtlich
relevante und vom Baurecht erfasste Vorhabenmerkmale abzustellen. Die konkreten
Umsatzverteilungen hingen von verschiedenen, baurechtlich nicht beeinflussbaren Faktoren
der individuellen Betriebsgestaltung und ihren Auswirkungen auf ein wiederum durch
individuelle Besonderheiten anderer Betriebe geprägtes Marktgeschehen ab. Faktoren wie
die Preisgestaltung, die Attraktivität des Warenangebots oder das – mehr oder weniger
aggressive – Werbeverhalten seien bei der bauplanungsrechtlichen Beurteilung der
Zulassungsfähigkeit von Vorhaben irrelevant. Eine Baugenehmigung werde nicht für einen
konkreten Betreiber des Vorhabens erteilt, sondern für einen abstrakt umschriebenen
Betrieb. Mit der Baugenehmigung könne nicht die betreiberunabhängige Produktivität des
jeweiligen Vorhabens gesteuert werden.
Das OVG verfolgt im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 3 BauGB erkennbar das Ziel, aus
grundsätzlichen Erwägungen deren Berechtigung sie durch das in das Verfahren
eingeführten Marktgutachten der Klägerin bestätigt sieht, die Möglichkeit des Rückgriffs auf
Prognosen der Umsatzverteilung aus Rechtsgründen auszuschließen. Dem ist zu
widersprechen. …
Allein der Umstand, dass die Beurteilung wirtschaftlicher Zusammenhänge dem
Rechtsanwender im Rahmen des § 34 Abs. 3 BauGB schwerfallen mag, und die Erfahrung,
dass Vorhabenbetreiber in einzelnen Fällen unplausible Marktgutachten vorlegen, erlauben
nicht die Schlussfolgerung, die voraussichtlichen Umsatzumverteilungen seien kein
maßgebliches Kriterium für die mit dem Begriff der schädlichen Auswirkungen erfassten
Funktionsstörungen. Somit verbietet sich die Annahme, Marktgutachten seien von
vornherein und generell ungeeignet, um auf der Ebene der Vorhabenzulassung oder einem
Gerichtsverfahren aufzuklären, ob schädliche Auswirkungen zu erwarten sind.
Gleichwohl folgt daraus kein revisionsgerichtlich beachtlicher Fehler des angefochtenen
Urteils. Denn es ist grundsätzlich Aufgabe des Tatsachengerichts, die Methode zu
bestimmen, anhand derer ein voraussichtlicher Kaufkraftabfluss prognostisch ermittelt
wird, bzw. zu überprüfen, ob die von der Genehmigungsbehörde verwandte Methode zu
beanstanden ist. Entwickelt das Gericht andere Kriterien, als sie in der Praxis gängige
Verwendung finden, ist das revisionsgerichtlich hinzunehmen, wenn die Wahl der Kriterien
nicht von einem Rechtsirrtum infiziert ist, gegen Denkgesetze verstößt oder sonst zu einer
schlechthin ungeeigneten Ermittlungsmethode führt.
Im Urteil vom 17.12.2009 – 4 C 2.08 - hat das Bundesverwaltungsgericht diese Maßstäbe
vollumfänglich bestätigt, im Urteil vom selben Tage – 4 C 1.08 – allein die Vorgabe des
Bayerischen VGH beanstandet, der schädliche Auswirkungen durch
Einzelhandelsgroßprojekte erst ab einer starren Grenze von 25 % Kaufkraftabschöpfung
angenommen hatte. Die vom Beigeladenen vorgelegte Auswirkungsanalyse vom Juni 2009
kommt auf der Grundlage einer Prognose des Kaufkraftabflusses zu dem Ergebnis, dass
das Vorhaben keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche habe, weil
die Umsatzverluste in Blieskastel bei Lebensmitteln zwischen 3 und 4 % und bei Textilien
ca. 8 – 9 % betragen werden.
Soweit sich die Antragstellerin auf die Regelung des § 11 Abs. 3 BauNVO beruft, derzufolge
großflächige Einzelhandelsbetriebe bauplanungsrechtlich nur in Kerngebieten und für sie
festgesetzten Sondergebieten zulässig sind, greift dieser Einwand nicht, weil dem
Beigeladenen mit der Baugenehmigung nicht Errichtung großflächiger Einzelhandelbetriebe
im Verständnis von § 11 Abs. 3 BauNVO erlaubt wurde.
Wann von Großflächigkeit im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO auszugehen ist, ergibt sich
nicht aus der Norm, wohl aber aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
Dieses nimmt seit den Urteilen vom 24.11.2005 (- 4 C 10.04 -, - 4 C 14.04 -, - 4 C 8.05 -)
„Großflächigkeit“ ab 800 m
2
Verkaufsfläche an.
Dem Beigeladenen wurde mit der angegriffenen Baugenehmigung die Errichtung von vier
Märkten mit jeweils 760 m
2
, 415 m
2
, 512 m
2
bzw. 775 m
2
Verkaufsfläche sowie von
141 Stellplätzen erteilt. Keiner dieser Märkte erfüllt die Voraussetzungen für einen
großflächigen Einzelhandelsbetrieb. Aufgrund des Vorbescheides vom 28.01.2009 steht im
Verhältnis zur Antragstellerin bestandskräftig fest, dass dies sich in das von dem an dieser
Stelle zuletzt betriebenen Sonderpostenmarkt Fundgrube geprägten Gebiet im Verständnis
von § 34 Abs. 1 BauGB einfügen.
Vorliegend ist im Rahmen der Interessenabwägung auch nicht ausnahmsweise eine
Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs zur Sicherung der
Planungshoheit der Gemeinde geboten. Denn im Falle der Verwirklichung des
Bauvorhabens auf das Risiko des Beigeladenen hin würden in Bezug auf die vorliegend als
rechtlicher Belang für die Antragstellerin allein in Betracht kommende Planungshoheit keine
nicht rückgängig zu machenden Fakten geschaffen.
Damit ist der Antrag zurückzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind auf der Grundlage von § 162 Abs. 3
VwGO für erstattungsfähig zu erklären, da dieser einen förmlichen Antrag gestellt hat und
damit das Risiko eingegangen ist, im Falle des Unterliegens auf der Grundlage von § 154
Abs. 3 VwGO an den Kosten beteiligt zu werden.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2
GKG sowie Textziffer 9.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, der
für die Klage einer drittbetroffenen Nachbargemeinde einen Wertansatz von 30.000 EUR
vorsieht. Dieser Betrag ist nach Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges bei Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.