Urteil des VG Saarlouis vom 12.09.2006

VG Saarlouis: kamin, treu und glauben, bisherige nutzung, materielles recht, grundstück, vorverfahren, verwirkung, sanierung, eigentümer, widerspruchsverfahren

VG Saarlouis Urteil vom 12.9.2006, 5 K 98/05
Rechtmäßigkeit eines im Rahmen von Sanierungsarbeiten errichteten Kaminneubaus.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen
trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der Beklagte
oder die Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Der Streitwert wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt ein bauaufsichtliches Einschreiten des Beklagten gegen einen auf dem
Gebäude der Beigeladenen befindlichen Kamin.
Die Beigeladene ist Eigentümerin der Parzellen Nrn. ...4 und ...5, Flur 01, Gemarkung L.,
die westlich an die Parzelle des Klägers – Nr. ...6 – angrenzt. Das Vorhabengrundstück liegt
im Innenbereich des Ortsteils A-Stadt-L. und nicht im Geltungsbereich eines
Bebauungsplanes. Auf der Parzelle des Klägers befindet sich im vorderen Teil des
Grundstücks ein Gebäude, das im Erdgeschoss als Apotheke und darüber zum Wohnen
genutzt wird. An dieses Wohnhaus ist auf der Parzelle der Beigeladenen mit gleicher
Dachhöhe ein Wohnhaus angebaut. An dessen Rückfront ist grenzständig zur Parzelle des
Klägers ein früher als Waschhaus genutztes Gebäude angebaut. Auf dessen Dach befindet
sich der streitgegenständliche Kamin sowie ein Balkon. Auf dem Grundstück des Klägers ist
rückwärtig ebenfalls ein Anbau und ein Balkon vorhanden. Im Rahmen von Baumaßnahmen
wurde der auf dem früheren Waschhaus befindliche Kamin teilweise beseitigt und
nachfolgend neu aufgemauert und mit einem Edelstahlrohr versehen, dass den
gemauerten Teil des Kamins um ca. 2 m überragt.
Mit Schreiben vom 26.06.2004 beantragte der Kläger die Überprüfung des auf der
ehemaligen Waschküche befindlichen neuen Schornsteins. Der Beklagte forderte die
Beigeladene mit Schreiben vom 08.07.2004 auf, darzulegen, wie der Kamin vor dessen
Abbruch ausgesehen habe und bis wann er genutzt worden sei. Hierzu erwiderte die
Beigeladene, dass es sich bei der Baumaßnahme am Kamin nicht um die Neuerrichtung
gehandelt habe, sondern um die sach- und fachgerechte Sanierung eines Bestandskamins.
Diese Sanierungsmaßnahme sei mit dem zuständigen Bezirksschornsteinfeger in Art und
Umfang abgestimmt worden und habe sich zwingend aus der Installierung einer
Zentralheizungsanlage ergeben. In ca. 10 cm Abstand von der bestehenden Mauer zum
Haus des Klägers habe sich ein gemauerter Kamin befunden, der ca. 3 Steine über die
Mauer hinausgeragt habe. Hierauf sei ein Eternit-Kaminrohr mit einer Länge von ca. 1,50
bis 1,80 m aufgesetzt gewesen, das bis über die Gaube des Nachbarhauses hinaus geragt
habe. Entsprechend den Empfehlungen des Bezirkschornsteinfegermeisters habe das
vorhandene Eternit-Rohr durch ein wärmegedämmtes Edelstahlrohr außerhalb und
innerhalb der Kaminsteine durch ein nicht wärmegedämmtes Edelstahlrohr ersetzt werden
müssen. Nach Abriss des aufgesetzten Kaminrohrs habe sich herausgestellt, dass die alten
Kaminsteine wegen ständiger Durchfeuchtung brüchig gewesen seien. Das bestehende
marode Kaminmauerwerks sei daraufhin soweit abgerissen worden, bis die vorhandenen
Kaminsteine in einem ordnungsgemäßen Zustand gewesen seien. Hierauf sei mit
Allitkaminsteinen aufgebaut und der Edelstahlkamin installiert worden. Die Beigeladene
übersandte außerdem die Kopie eines Schreibens des Bezirkschornsteinfegermeisters vom
09.09.2004, wonach der jetzige Kamin die gleiche Höhe wie der vorherige aufweise.
Der Beklagte teilte dem Kläger mit Bescheid vom 27.10.2004 mit, dass der Antrag auf
bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Kamin abgelehnt werde. Zur Begründung ist in
dem Bescheid ausgeführt, bei der Instandsetzung des streitgegenständlichen Kamins habe
es sich um eine im Rahmen des Bestandsschutzes zulässige Maßnahme gehandelt. Der
Kamin habe schon beim Kauf des Hauses durch den Kläger eine Höhe bis etwa zur
Oberkante der Dachgaube seines Hauses gehabt. Die Frage der Abstandsfläche im Sinne
des § 7 Landesbauordnung (LBO) werde durch die Sanierung des Kamin nicht neu
aufgeworfen.
Der Bescheid wurde am 28.10.2004 zur Post gegeben und per Einschreiben an den Kläger
übersandt.
Mit am 23.11.2004 beim Beklagten eingegangenem Schreiben legte der Kläger
Widerspruch gegen den Bescheid vom 27.10.2004 ein. Zur Begründung führte er aus, der
Waschküchenofen sei seit den sechziger Jahren als Allesbrenner genutzt worden, und der
Kamin ohne Genehmigung mit Kaminsteinen aufgemauert und mit einem 1,20 m langen
Endstück aus Eternit bis zur Höhe seiner Dachgaube aufgestockt worden. Nach heftigen
jahrelangen Auseinandersetzungen zwischen den Vorbesitzern sei der Kamin schließlich
stillgelegt worden. Wenn wie in diesem Fall ein Waschküchenofen in eine moderne
Gasfeuerstelle mit Edelstahl umgewandelt werde, bleibe naturgemäß vom Bestand nicht
mehr viel übrig. Es handele sich um die Neuerrichtung einer Befeuerungsanlage mit einem
ca. 6 m hohen freistehenden Kamin. Der Bezirksschornsteinfeger habe ihm mitgeteilt, dass
er ausdrücklich die Anweisung gegeben habe, mindestens vier zusätzliche Kaminsteine
über die alte Höhe aufzumauern. Einschließlich des 1,50 m hohen Edelstahlstücks liege die
Höhe nun deutlich über der Dachgaube. Der Kamin sei ohne physikalische Trennung an
seine Grenzwand angebaut worden, wobei das Oberflächenwasser auf sein Grundstück
abgeleitet werde. Zudem beabsichtige er, die unnötige Wandscheibe abzureißen. Es habe
sich lediglich um den Kamin einer ehemaligen Waschkaue gehandelt, der nur beim
gelegentlichen Anheizen des Wassers zum Wäschewaschen genutzt worden sei. Wenn
dieser nunmehr, nachdem die vorherigen Hauptkamine des Vorderanwesens vollständig
beseitigt worden seien, die gesamte Heizanlage aufnehmen solle, gehe dies weit über die
bisherige Nutzung hinaus. Im Übrigen sei dieser Kamin durch vier Kaminsteine erhöht
worden. Durch diese bauliche Veränderung entfalle auch der Bestandsschutz vollständig.
Der Widerspruch wurde mit auf Grund mündlicher Verhandlung vom 18.05.2005
ergangenem Widerspruchsbescheid zurückgewiesen. In dem Bescheid ist ausgeführt, es
handele sich bei der Sanierung des Schornsteins zwar nicht um eine im Rahmen des
Bestandschutzes zulässige Maßnahme, weil eine Genehmigung für die Errichtung des
Schornsteins in der Abstandsfläche nicht vorgelegen habe. Es sei auch nicht ersichtlich,
dass der Schornstein zu irgendeinem Zeitpunkt genehmigungsfähig gewesen sein könnte.
Etwa bestehende Abwehrrechte des Klägers seien im vorliegenden Fall jedoch bereits
verwirkt. Die durchgeführten Verwaltungsermittlungen hätten ergeben, dass der Kamin in
seinem aktuellen Umfang bereits vorhanden gewesen sei, als die Voreigentümer des
Grundstücks des Klägers, die ihr Grundstück im Jahre 2000 an diesen verkauft hätten,
ihrerseits das Grundstück erworben hätten. Da weder die Voreigentümer noch seit dem
Jahre 2000 der Kläger Einwendungen gegen den in der Abstandsfläche errichteten Kamin
geltend gemacht hätten und der Schornstein von den Voreigentümern des Grundstücks
des Beigeladenen auch genutzt worden sei, habe die Beigeladene davon ausgehen dürfen,
dass der Eigentümer des Nachbargrundstücks den Kamin tolerieren werde. Sie habe im
Vertrauen auf dieses Verhalten die Sanierung des Schornsteins veranlasst und Investitionen
getätigt.
Der Bescheid wurde am 03.06.2005 zur Post gegeben und per Einschreiben an die
Prozessbevollmächtigten des Klägers übersandt.
Am 01.07.2005 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, es bestehe
kein Bestandsschutz und seine Rechte seien nicht verwirkt.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom
27.10.2004 und des Widerspruchsbescheids vom
18.05.2005 zu verpflichten gegen den auf dem
Grundstück der Beigeladenen im Grenzbereich zur
Parzelle-Nr. ...6 befindlichen Kamin einzuschreiten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen sowie die Hinzuziehung eines
Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu
erklären.
Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die Ausführungen im angefochtenen
Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat die Örtlichkeit am 31. Mai 2006 besichtigt. Hinsichtlich des Ergebnisses der
Ortsbesichtigung wird auf die den Beteiligten übersandte Niederschrift verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die
Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens sowie des Verfahrens 5 K 99/05 und die
beigezogenen Verwaltungsunterlagen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen
Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Einschreiten gegen den auf dem
Grundstück der Beigeladenen im Grenzbereich zur Parzelle-Nr. ...6 befindlichen Kamin. Er
wird daher durch den ablehnenden Bescheid des Beklagten vom 27.10.2004 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2005 nicht in seinen Rechten verletzt (§
113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach § 82 Abs. 1 LBO 2004 "kann" die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige
Beseitigung baulicher Anlagen anordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen
Vorschriften errichtet oder geändert worden sind, wenn nicht auf andere Weise
rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Vorschrift räumt daher der
Bauaufsichtsbehörde ein Ermessen dahingehend ein, ob sie gegen illegale bauliche Anlagen
einschreitet oder nicht. Einem Nachbarn einer illegalen baulichen Anlage steht folglich nur
ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde zu. Das
der Bauaufsichtsbehörde zustehende Ermessen verdichtet sich aber in aller Regel dann zu
einem Anspruch des Nachbarn auf Einschreiten, wenn die genannten Voraussetzungen für
ein Einschreiten gegeben sind und zusätzlich durch den Verstoß auch dem Schutz des
Nachbarn dienende öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt werden (vgl. OVG des
Saarlandes, Beschlüsse vom 31.01.1995 - 2 W 51/94 - und vom 30.04.2001 - 2 Q 4/01 -
jeweils m.w.N.). Vorliegend kann letztlich dahin gestellt bleiben, ob der auf dem Grundstück
der Beigeladenen befindliche Kamin wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über die
Abstandsflächen materiell rechtswidrig ist und deshalb auch gegen Rechte des Klägers
verstößt. Denn der Anspruch des Klägers auf ein Einschreiten des Beklagten ist auf jeden
Fall materiell verwirkt.
Das Rechtsinstitut der Verwirkung setzt voraus, dass seit der Möglichkeit zur
Geltendmachung eines Rechts ein längerer Zeitraum verstrichen ist - sogenanntes
Zeitmoment - und dass besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete
Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen - sogenanntes
Umstandsmoment -. Voraussetzung für eine Treuwidrigkeit ist neben der Untätigkeit des
Berechtigten, dass der Verpflichtete, d.h. der Bauherr, infolge eines bestimmten
Umstandes darauf vertrauen durfte und auch vertraut hat, dass der Nachbar sein Recht
nicht mehr ausüben werde und sich infolgedessen in seinen Maßnahmen so eingerichtet
hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil
entstehen würde.
Vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 26.11.1996 - 2 R
23/95 -, m.w.N..
Hinsichtlich des Begriffs "längerer Zeitraum", in dem der Berechtigte das ihm zustehende
Recht nicht ausgeübt hat, lassen sich keine allgemeingültigen Bemessungskriterien nennen.
Vielmehr hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, wann im Hinblick auf die
Grundsätze von Treu und Glauben eine Verwirkung zu bejahen ist. Es lässt sich lediglich ein
Mindestzeitraum festlegen, der einem Berechtigten auf jeden Fall zusteht, bevor er sein
materielles Recht geltend machen muss. Denn dem Berechtigten muss eine Überlegungs-
und Handlungsfrist eingeräumt werden, ehe er sein Abwehrrecht geltend zu machen hat.
Diese Frist muss auf jeden Fall länger sein, als die verfahrensrechtlichen
Rechtsbehelfsfristen. Eine Verwirkung kommt daher nur in Betracht, wenn der Berechtigte
deutlich länger als einen Monat seine Abwehrposition gegenüber dem Bauherrn nicht
geltend gemacht hat.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.1991 - 4 C 4.89 -, BRS 52
Nr. 218.
Die Voraussetzungen für eine Verwirkung des Anspruchs des Klägers auf ein Einschreiten
des Beklagten gegen den Kamin der Beigeladenen sind vorliegend gegeben.
Nach Überzeugung des Gerichts steht fest, dass auf dem Grundstück der Beigeladenen
bereits seit mehreren Jahrzehnten an der Stelle, an der sich der jetzt streitgegenständliche
Kamin befindet, ein Kamin vorhanden war. Dies ist zwischen den Beteiligten wohl auch
unstreitig. Wenn aber eine bauliche Anlage über einen derart langen Zeitraum nicht
beanstandet wird, so kann der Grundstückseigentümer ohne weiteres darauf vertrauen,
dass der Nachbar ein Einschreiten gegen diese Anlage nicht mehr verlangen wird, auch
wenn sie per se nachbarrechtswidrig sein sollte. Zwar lässt sich grundsätzlich allein aus
dem Zeitablauf ein solcher Vertrauenstatbestand nicht herleiten. Je länger jedoch die
Untätigkeit des Nachbarn dauert, um so mehr spricht für das Entstehen eines
schutzwürdigen Vertrauens beim betroffenen Grundstückseigentümer
vgl. Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2.
Auflage 2005, S. 506 Rdnr. 88.
Wenn, wie im vorliegenden Fall, mehrere Jahrzehnte seit der Errichtung vergangen sind, so
ist die Annahme eines Vertrauenstatbestandes ohne weiteres zu bejahen. So hat das OVG
des Saarlandes eine Verwirkung im Wesentlichen aufgrund von Zeitablauf bei einer
baulichen Anlage bejaht, die über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren unbeanstandet
von Seiten des Berechtigten bestanden hatte
vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 25.01.1994 - 2 R
12/93 -.
Aufgrund der vorliegenden Unterlagen ist davon auszugehen, dass eine derartige
Zeitspanne seit der Errichtung des Vorgänger-Kamins bereits vor dem Eigentumserwerb
durch den Kläger vergangen ist. Dies führt im vorliegenden Fall dazu, dass bereits der
frühere Eigentümer sein Einschreitensrecht gegen den Kamin auf Grund des Zeitablaufes
verwirkt hatte. Da der Kläger nach dem Erwerb des Grundstücks in die Rechtsposition des
vorherigen Eigentümers eingetreten ist, hat auch er sein Einschreitensrecht gegen den
zuvor vorhandenen Kamin verwirkt.
Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass ein schutzwürdiges Vertrauen der
Beigeladenen auch deshalb entstehen konnte, weil der Kläger nach seinem
Eigentumserwerb keine Einwände gegen den im Grenzbereich stehenden Kamin erhoben
hat. Auch auf Grund dieses Verhaltens durfte die Beigeladene darauf vertrauen, dass
seitens des Klägers keine Einwände mehr gegen diesen Kamin geltend gemacht würden.
Die Verwirkung gilt auch für den jetzt streitgegenständlichen Kamin. Dabei ist zu beachten,
dass sich der streitgegenständliche Kamin genau an der Stelle befindet, an der bereits
vorher der Kamin vorhanden war. Der jetzige Kamin hat auch, wie sich aus den
vorgelegten Bildern ergibt, keine wesentlich anderen Abmessungen als der vorherige. So ist
der Umfang genau gleich geblieben. Streitig ist, ob die jetzige Höhe der vorherigen
entspricht. Dies kann jedoch nach Ansicht des Gerichts dahin gestellt bleiben, da, wie die
vorgelegten Lichtbilder belegen, eine Abweichung in der Höhe auf jeden Fall so geringfügig
ist, dass ein Wiederaufleben der Abwehrrechte dadurch nicht ausgelöst wird. Dies gilt auch
hinsichtlich des Umfangs der Nutzung des Kamins. Streitig ist hier ebenfalls, in welchem
Umfang der vorherige Kamin in der Vergangenheit genutzt worden ist. So gibt der Kläger
an, dass der Kamin bereits seit mehreren Jahren nicht mehr genutzt worden sei, weil es in
der Vergangenheit zwischen den früheren Eigentümern der Nachbargrundstücke
Streitigkeiten wegen der Nutzung des Kamins und der daraus resultierenden
Rauchbelästigungen gegeben haben soll und deshalb der frühere Eigentümer des jetzigen
Grundstücks der Beigeladenen diesen nicht mehr genutzt habe. Diese Streitfrage ist jedoch
ebenfalls unerheblich. Denn das Gericht ist der Überzeugung, dass der vorherige Kamin in
der Vergangenheit zumindest zeitweise für die Verbrennung von Festbrennstoffen genutzt
worden ist und eine Nutzung auch nach einer möglichen Einstellung jederzeit hätte
wiederaufgenommen werden können. Denn auch insoweit gilt, dass der frühere
Eigentümer des Grundstücks des Klägers, soweit ersichtlich, zu keiner Zeit von der
Unteren Bauaufsichtsbehörde ein Einschreiten gegen den Kamin verlangt hat. Da der
Kläger auch keinen Nachweis darüber vorgelegt hat, dass zwischen den früheren
Eigentümern eine Vereinbarung getroffen worden ist, dass die Nutzung des Kamins auf
Dauer eingestellt werden sollte, muss davon ausgegangen werden, dass eine Benutzung
des alten Kamins jederzeit wieder möglich gewesen wäre, auch wenn der ursprüngliche
Nutzungszweck zum Betrieb des wohl an den Kamin angeschlossenen Waschkessels allein
schon auf Grund des Einsatzes von Waschmaschinen keinen Sinn mehr gemacht hat.
Hinsichtlich der jetzt von dem Kamin ausgehenden Immissionen ist festzustellen, dass
diese, auch wenn die jetzige Feuerungsanlage im Dauerbetrieb genutzt wird, mit Sicherheit
kein Niveau erreichen, die mit den früheren bei dem Einsatz von Festbrennstoffen
entstandenen Immissionen vergleichbar ist. Beim Einsatz von Gas als Brennstoff ist sowohl
hinsichtlich der Rauch- als auch der Geruchsbelästigung von erheblich geringeren
Immissionen auszugehen, als beim Einsatz von Festbrennstoffen. Deshalb kommt es auch
durch die Änderung der Feuerungsart an dem streitgegenständlichen Kamin nicht zu einem
Wiederaufleben möglicher Abwehrrechte des Klägers. Dabei ist auch darauf hinzuweisen,
dass die möglicherweise geringfügige Erhöhung des Kamins zudem zu einer Verbesserung
der Situation für den Kläger geführt hat. Denn durch die Erhöhung des Kamin werden die
Abgase der Heizungsanlage höher über den Balkon des Klägers geführt, so dass die
Immissionen noch weiter verringert werden. Daher kommt es durch den jetzigen Zustand
auf keinen Fall zu einem weitergehenden Eingriff in die Rechte des Klägers als durch den
früheren. Im Übrigen wurde die Feuerungsanlage einschließlich des streitgegenständlichen
Kamin vom zuständigen Bezirksschornsteinfeger abgenommen, so dass davon
ausgegangen werden kann, dass erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft nicht
entstehen. Deshalb ist es auch unerheblich, dass die Beigeladene die vorher für die
Feuerungsanlage genutzten Kamine auf dem First des Wohnhauses beseitigt und statt
dessen für den Anschluss der Gasheizungsanlage den auf dem früheren Waschhaus
vorhandenen Kamin genutzt hat.
Ein Anspruch des Klägers auf ein Einschreiten scheidet daher wegen der eingetretenen
Verwirkung aus.
Die Klage ist folglich mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da die
Beigeladene einen Antrag gestellt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entsprach es der Billigkeit
gemäß § 162 Abs. 3 VwGO ihre Kosten für erstattungsfähig zu erklären.
Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren war hinsichtlich der Beigeladenen
dagegen nicht notwendig, da die Voraussetzungen des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht
vorliegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die
Notwendigkeit einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder sonstigen Bevollmächtigten
im Vorverfahren nicht die Regel, sondern die Ausnahme
vgl. Urteile vom 14.11.1979 - 8 C 19.78 -, Buchholz 316
§ 80 VwVfG Nr. 1 S. 1 f., und - 8 C 35.79 -, Buchholz 316
§ 80 VwVfG Nr. 2 S. 3, 4.
§ 80 Abs. 2 VwVfG bringt ebenso wie § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO zum Ausdruck, dass
nach Einschätzung des Gesetzgebers im verwaltungsrechtlichen Vorverfahren eine
Vertretung des Bürgers durch Rechtsanwälte oder sonstige Bevollmächtigte in der Regel
weder üblich noch erforderlich ist (BT-Drucks. 3/55, S. 48, zu § 159). Aus diesem Grunde
ordnen beide Vorschriften eine Einzelfallprüfung der Notwendigkeit der Hinzuziehung eines
Bevollmächtigten an. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im
Vorverfahren ist unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse vom Standpunkt einer
verständigen Partei aus zu beurteilen. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit
gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Rechtsanwaltes
oder sonstigen Bevollmächtigten bedient hätte. Notwendig ist die Zuziehung eines
Rechtsanwaltes nur dann, wenn es der Partei nach ihren persönlichen Verhältnissen und
wegen der Schwierigkeiten der Sache nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu
führen.
St. Rspr. des BVerwG; vgl. u.a. Urteile vom 14.11.1979,
a.a.O., S. 2 f. und 4; vom 14.01.1983 - 8 C 73.80 -,
Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 13 S. 15 f.; vom
28.10.1983 - 8 C 185.81 -, Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr.
15, n. L.; vom 26.11.1985 - 8 C 115.83 -, Buchholz 316
§ 80 VwVfG Nr. 18, n. L.; vom 14.08.1987 - 8 C 129.84 -
, Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 25 S. 4.
Maßgebender Beurteilungszeitpunkt für die Notwendigkeit der Zuziehung ist die förmliche
Vollmachterteilung oder - bei schon im Ausgangsverfahren erteilter Vollmacht - der Auftrag
zur Erhebung des Widerspruchs. Für die Frage der Notwendigkeit der Hinzuziehung kommt
es nicht auf die konkrete Leistung des Bevollmächtigten an
vgl. BVerwG, Urteil vom 26.01.1996 - 8 C 15.95 -,
Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 36.
Vorliegend war es der Beigeladenen mit Blick auf die Sach- und Rechtslage zuzumuten, am
Widerspruchsverfahren ohne die Hinzuziehung von Bevollmächtigten teilzunehmen, weil der
sachkundige Beklagte ihre Interessen wahrgenommen hat. Sie war an dem
Widerspruchsverfahren nur als Dritte beteiligt und musste sich somit nicht unmittelbar
gegen eine sie belastende Maßnahme zur Wehr setzen. Die Beigeladene trat deshalb
während der Dauer des Widerspruchsverfahrens neben eine sach- und fachkundige
Behörde, die den Antrag des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten abgelehnt hatte
und die in erster Linie dazu berufen war, diese Entscheidung nunmehr gegen Angriffe des
Widerspruchsführers und späteren Klägers zu verteidigen. In derartigen Konstellationen
entspricht es vor dem Hintergrund von § 24 SVwVfG der ständigen Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes, dass besondere Gründe vorliegen müssen, um
eine anwaltliche Vertretung bereits im Vorverfahren zu rechtfertigen
vgl. OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 11.12.1998 - 2
Y 7/98 -, vom 30.03.1999 - 2 Y 1/99 - und vom
13.06.2000 - 2 Z 1/00 -.
Solche Besonderheiten sind vorliegend nicht erkennbar. Insbesondere sind keine objektiv
fassbaren Umstände erkennbar, die der Beigeladenen hätte Anlass zu der Befürchtung
geben können, die Untere Bauaufsichtsbehörde werde im Widerspruchsverfahren nicht
"standfest" bleiben und könne sich von ihrer eigenen Entscheidung "distanzieren". Unter
diesen Umständen kommt ein Ausspruch gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO zugunsten
der Beigeladenen nicht in Betracht.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr.
11, 711 ZPO.
Die Berufung ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4
VwGO nicht vorliegen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 GKG.