Urteil des VG Saarlouis vom 09.03.2010

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VG Saarlouis Urteil vom 9.3.2010, 3 K 737/08
Krankenhausfinanzierung - Aufnahme einer Hauptfachabteilung für Psychosomatische
Medizin und Psychotherapie mit bestimmter Bettenzahl in den Krankenhausplan für das
Saarland
Tenor
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 29.10.2009 verpflichtet, über den
Antrag der Klägerin vom 16.07.2007 auf Aufnahme in den Krankenhausplan für das
Saarland mit 20 Krankenhausbetten (psychosomatische Akutbehandlung) unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld abwenden, wenn nicht die
Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt in A-Stadt- ein Zentrum für Psychosomatik und Verhaltensmedizin.
Unter dem 16.07.2007 beantragte sie durch ihre jetzigen Bevollmächtigten beim
Beklagten, sie „im Umfang von 20 Krankenhausbetten in den Krankenhausplan des
Saarlandes aufzunehmen“, und führte zur Begründung u.a. aus, zwar sei dem ihr
vorliegenden Krankenhausplan zu entnehmen, dass eine Fachrichtung „Psychosomatik“
nicht vorgesehen sei, eine solche Planung sei jedoch rechtswidrig und die Länder seien
verpflichtet, solche Fachabteilungen zur Gewährung eines entsprechenden
„Facharztstandards“ vorzuhalten und in den Krankenhausplan aufzunehmen.
Es bestehe auch ein entsprechender, und zwar weit höherer, Bedarf. Die im Saarland
bestehende Situation, dass nämlich an mindestens zwei Krankenhäusern ein
psychosomatischer Schwerpunkt existiere und solche Leistungen in anderen
Fachabteilungen erbracht würden, sei offensichtlich rechtswidrig (vgl. VG Saarlouis, Urteil
vom 26.06.2007 - 3 K 342/06 -.)
Der Beklagte teilte daraufhin mit, eine zeitnahe Bescheidung des Antrags sei „eher
unwahrscheinlich“, weil das zitierte Urteil noch nicht rechtskräftig sei (Schreiben vom
14.08.2007).
Am 04.08.2008 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben, die sie in der Folge begründet
hat und dabei ihre bereits in der Antragsschrift vom 16.07.2007 vorgebrachten Argumente
wiederholt, vertieft und ergänzt.
Nachdem der Beklagte durch Bescheid vom 29.10.2009 den Antrag abgelehnt hatte,
hat die Klägerin diesen Bescheid „zum Gegenstand des Verfahrens“ gemacht (Schriftsatz
vom 04.11.2009).
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 29.10.2009 zu
verpflichten, über ihren Antrag vom 16.07.2007 auf Aufnahme in
den Krankenhausplan für das Saarland mit 20 Krankenhausbetten
(psychosomatische Akutbehandlung) unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Auch der Beklagte geht davon aus, dass der zwischenzeitlich ergangene Bescheid vom
29.10.2009 zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung erklärten Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens
sowie der Verfahren 3 K 342 und 343/06 sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen
des Beklagten (1 Hefter) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Der – in die ursprüngliche Untätigkeitsklage
einbezogene – angefochtene Bescheid des Beklagten vom 29.10.2009 ist rechtswidrig und
verletzt die Klägerin in ihren Rechten; die Klägerin hat einen Anspruch auf Neubescheidung
ihres Antrags auf Aufnahme in den Krankenhausplan 2006 – 2010 unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts (113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.)
1. Zur Begründung wird zunächst in vollem Umfang auf die Ausführungen der Kammer u.a.
im Verfahren 3 K 342/06 Bezug genommen. Das dort ergangene Urteil vom 26.06.2007
ist zwar durch den zwischen den Beteiligten im Berufungsverfahren 3 A 351/07
geschlossenen Vergleich wirkungslos. Die Rechtsausführungen in der genannten
Entscheidung sind nach Auffassung des erkennenden Gerichts jedoch nach wie vor
zutreffend; auch an der Sachlage hat sich seither nichts geändert. Gleichwohl hat der
Beklagte nicht die gebotenen Rückschlüsse daraus gezogen.
Die Kammer hat seinerzeit u.a. ausgeführt:
2. Die mündliche Verhandlung hat eine Vielzahl zusätzlicher Gesichtspunkte dafür geliefert,
Bedarf
Betten gegeben sein dürfte, und dass andererseits erhebliche Zweifel daran bestehen,
dass das von der saarländischen Krankenhausplanung verfolgte Konzept den
sachgerechte psychosomatische Versorgung
- Die Vertreter der beiden in Rede stehenden Kliniken haben
übereinstimmend und seitens des Bevollmächtigten des Beklagten
Wartezeit
bedarf keiner näheren Darlegung, dass insofern von einer
Akutversorgung nicht die Rede sein kann. Keine Lösung ist es
angesichts der Schwere vieler psychosomatischer Krankheitsbilder
(z.B. posttraumatische Belastungsstörung mit Suizidgefahr), dass
Psychiatrie
Patient, wiederum nach Vorstellung der saarländischen
ambulante
Besonderheit und Komplexität psychosomatischer
Erkrankungen
somatoforme Störungen und Schmerzzustände, Störungen des
Essverhaltens, psychische Störungen bei schweren chronischen
Erkrankungen, psychosomatische Störungen bei und durch Mobbing
und Burn-Out, chronischer Tinnitus, pathologisches Spielen,
posttraumatische Belastungsstörungen usw.) erfordert einen
Therapeutenstab
Psychotherapie, sonstige Ärzte, Psychologen, Familientherapeuten,
Sozialarbeiter, Sozialtherapeuten, Sportlehrer, Kunst- und
Gestaltungstherapeuten usw.) als Team und einen breit gefächertes
Therapieangebot
Familientherapie, Bewegungstherapie, Kreativtherapie,
Entspannungsverfahren usw.). Wie all dies innerhalb einer
internistischen Abteilung geleistet werden kann, ist schlechterdings
nicht vorstellbar.
- Letztlich wird es, wie im Verfahren 3 K 342/06 von der Kammer
dargelegt, darauf ankommen, dass der Beklagte die von ihm
Bedarfsanalyse
nachholt
dies (erst) zur Vorbereitung des neuen Krankenhausplanes tun zu
wollen, führt im vorliegenden Rechtsstreit nicht weiter. Ob und
welche Konsequenzen der Beklagte sodann im Hinblick auf den
Antrag der Klägerin zu ziehen hat, ist nach den zitierten
Ausführungen der Kammer derzeit noch offen.
3. Nach alldem war wie geschehen zu entscheiden.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 124 a
Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).