Urteil des VG Saarlouis vom 19.08.2010
VG Saarlouis: treu und glauben, anbau, gemeinde, grundstück, gerichtsakte, beitragsforderung, stadt, ausdehnung, beitragspflicht, fahrbahn
VG Saarlouis Urteil vom 19.8.2010, 11 K 560/09
Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag und Abgrenzung Sammelstraße und
Anbaustraße
Leitsätze
Eine Sammelstraße muss ihrer Erschließungsfunktion nach einem Abrechnungsgebiet
zuzuordnen sein, das hinsichtlich des Kreises der beitragspflichtigen Grundstücke
hinreichend genau bestimmt und abgegrenzt werden kann, was wiederum voraussetzt,
dass die Sammelstraße die einzige Erschließungsanlage ist, welche die Verbindung der
abzurechnenden Erschließungsanlage zum übrigen Verkehrsnetz der Gemeinde vermittelt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer des an die B-Straße angrenzenden Grundstücks Gemarkung …
mit der Postanschrift B-Straße.
Die B-Straße wurde von der damaligen Gemeinde N. im Jahre 1955 im Rahmen der
Festsetzungen des nicht übergeleiteten Bebauungsplans als Sammelstraße festgelegt.
Dementsprechend erhob die frühere Gemeinde N. in den Jahren 1966 und 1967 von den
Anliegern der B-Straße, deren Bauantrag für die Errichtung eines Wohnhauses bereits
genehmigt war, zu diesen gehörten der Kläger bzw. seine Rechtsvorgänger nicht,
Vorausleistungen für die Herstellung der Fahrbahndecke.
Von der B-Straße, die heute im unbeplanten Innenbereich gelegen ist, zweigen als
Sackgassen folgende Straßen ab: Die C-Straße mit einer Länge von 110,25 m, die D-
Straße mit einer Länge von 93,9 m, die E-Straße mit einer Länge von 136,83 m sowie die
in einem U-Bogen verlaufende F-Straße mit einer Länge von knapp 70 m.
In den Jahren 2000 bis 2002 wurde die B-Straße endausgebaut. Mit Verfügung vom
06.06.2003 wurde die B-Straße dem öffentlichen Verkehr gewidmet.
Mit Bescheid vom 15.06.2007 wurde der Kläger für die erstmalige Herstellung der B-
Straße zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 7.766,85 EUR herangezogen.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 21.06.2007, bei der Beklagten am
28.06.2007 eingegangen, Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, die B-Straße sei
rund 40 Jahre als Sammelstraße qualifiziert worden. Diese Qualifizierung sei zutreffend und
müsse vor dem Hintergrund des Grundsatzes von Treu und Glauben auch so aufrecht
erhalten bleiben. Im Übrigen hätten seine Rechtsvorgänger Vorausleistungen entrichtet, die
nicht angerechnet worden seien.
In einem Heranziehungsverfahren eines anderen Anliegers der B-Straße, welches von dem
Kläger und den übrigen Anliegern als "Musterverfahren" bezeichnet wurde, wurde beim
Verwaltungsgericht des Saarlandes ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung
des erhobenen Widerspruchs gestellt (Geschäfts-Nr.: 11 L 1110/07). Im Verlauf dieses
Verfahrens erging am 04.01.2008 folgende Hinweisverfügung:
„Dem Grunde nach ist für das Grundstück des Antragstellers eine sachliche Beitragspflicht
entstanden, insbesondere geht die Antragsgegnerin zu Recht davon aus, dass es sich bei
der "B-Straße" um eine Anbaustraße i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB und nicht um eine
Sammelstraße handelt.
Eine Sammelstraße unterscheidet sich nach der Legaldefinition in § 127 Abs. 2 Nr. 2
BauGB von einer Anbaustraße dadurch, dass sie nicht zum Anbau bestimmt ist. Sie dient
der mittelbaren Erschließung von Grundstücken, die unmittelbar durch eine andere zum
Anbau bestimmte Straße erschlossen sind (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23.05.1973 -IV C
19.72-, KStZ 1974, 13). Eine Sammelstraße muss daher ihrer Erschließungsfunktion nach
einem Abrechnungsgebiet zuzuordnen sein, das hinsichtlich des Kreises der
beitragspflichtigen Grundstücke hinreichend genau bestimmt und abgegrenzt werden kann,
was wiederum voraussetzt, dass die Sammelstraße die einzige Erschließungsanlage ist,
welche die Verbindung der abzurechnenden Erschließungsanlage zum übrigen Verkehrsnetz
der Gemeinde vermittelt (vgl. nur Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Aufl.
2004, § 12 Rdnr. 69 f. m.w.N.). Eine solche Funktion kommt dem vom Antragsteller als
Sammelstraße bezeichneten Straßenstück nicht zu, da die Anlieger der
Erschließungsanlage "B-Straße" das übrige Verkehrsnetz der Stadt ohne weiteres auch
über die G- und die H-Straße mittels der Straße.. bzw. der A-Straße erreichen können.
Darüber hinaus ist die "B-Straße" selbst zum Anbau bestimmt. Das Merkmal "zum Anbau
bestimmt" i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB hebt nicht auf eine subjektive Absicht der
Gemeinde oder der Benutzer der Anlage, sondern objektiv darauf ab, ob an der Anlage
tatsächlich gebaut werden kann und rechtlich gebaut werden darf. Eine Verkehrsanlage
muss - soll sie zum Anbau bestimmt sein - bei der gebotenen verallgemeinernden
Betrachtung geeignet sein, den anliegenden Grundstücken das an verkehrsmäßiger
Erschließung zu verschaffen, was sie bebaubar oder sonstwie in nach § 133 Abs. 1 BauGB
(erschließungs-beitragsrechtlicher) beachtlicher Weise nutzbar macht (vgl. nur BVerwG,
Urteil vom 02.07.1982 -8 C 28.30-, NVwZ 1983, 153); die Merkmale "zum Anbau
bestimmt" und "Erschlossensein" i.S.d. § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB stimmen im
Wesentlichen überein (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.02.1980 -4 C 63 u. 64.78-, NJW 1980,
1973). Dies berücksichtigend liegt das herangezogene Grundstück des Antragstellers
(auch) an der zum Anbau bestimmten "B-Straße" und wird von dieser i.S.d. §§ 131 Abs. 1,
133 Abs. 1 BauGB erschlossen. Denn einerseits ist das Grundstück baulich nutzbar, was
sich bereits daraus ergibt, dass es tatsächlich mit einem Wohnhaus und einer Garage
bebaut ist, und andererseits grenzt es in einer Weise an die "B-Straße", dass mit
Kraftfahrzeugen - einschließlich Rettungs- und Versorgungsfahrzeugen - an seine Grenze
herangefahren und es von da ab betreten werden kann (die Zufahrt zur Garage erfolgt
nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten sogar ausschließlich über die "B-
Straße", vgl. Schriftsätze vom 12. und 14.12.2007, Bl. 91 - 98 der Gerichtsakte), so dass
ihm hierdurch das für eine Erschließungsanlage i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB
maßgebliche sogenannte bebauungsrechtliche Erschlossensein (vgl. § 131 Abs. 1 BauGB)
vermittelt wird (vgl. hierzu nur Beschluss der Kammer vom 13.01.1999 -11 F 79/98-
m.w.N.). Aus der Vermittlung des bebauungsrechtlichen Erschlossenseins folgt zugleich das
Vorliegen des erforderlichen Erschließungsvorteils.
Dieser wird nicht deshalb in Frage gestellt, weil das Grundstück des Antragstellers auch
durch die A-Straße über dieses Erschlossensein verfügt; denn durch mehrere
Erschließungsanlagen - auch mehrere Anbaustraßen - erschlossene Grundstücke sind
grundsätzlich mehrfach beitragspflichtig (vgl. statt vieler nur Urteil der Kammer vom
22.09.2006 -11 K 139/05-). Im Falle der Zweiterschließung durch eine Anbaustraße
besteht das Erschlossensein und damit der Erschließungsvorteil nämlich allein darin, dass
einem baulich ausnutzbaren oder bereits ausgenutzten Grundstück eine über die bereits
vorhandene(n) Zufahrtsmöglichkeit(en) hinausgehende weitere, zusätzliche
Zufahrtsmöglichkeit i.S.d. oben dargestellten Heranfahrenkönnens geboten wird. Insoweit
ist weder erforderlich, dass diese Zufahrtsmöglichkeit tatsächlich in Anspruch genommen
wird (was hier durch die Garagenzufahrt jedoch der Fall ist), noch dass die Bebauung
hieran orientiert ist oder wird, noch dass dem Grundstück weitere, zusätzliche
Bebauungsmöglichkeiten eröffnet werden.
Der Antragsteller konnte vorliegend auch nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben
davon ausgehen, dass die - nach alldem zu Recht - als Anbaustraße nach § 127 Abs. 2 Nr.
1 BauGB abgerechnete "B-Straße" erschließungsbeitragsrechtlich (weiterhin) als
Sammelstraße i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 3 BauGB angesehen wird. Es ist zwar anerkannt,
dass im Einzelfall besondere Umstände eintreten können, die nach dem auch im
Verwaltungsrecht geltenden allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben einem
Heranziehungsbescheid der Gemeinde entgegengesetzt werden können (vgl. nur BVerwG,
Urteil vom 31.05.1975 -IV C 73/73-, KStZ 1976, S. 31 f.). Ein Ausfluss des Grundsatzes
von Treu und Glauben ist dabei der - von dem Antragsteller geltend gemachte - Grundsatz
des Vertrauensschutzes. Danach kann das Recht zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen
ausnahmsweise aus besonderen Gründen des Vertrauensschutzes ausgeschlossen sein
(std. Rspr. der Kammer, vgl. nur Urteil vom 24.11.1995 -11 K 260/92- m.w.N.). Ein
Vertrauensschutz setzt dabei - neben einem nachhaltigen den Vertrauensschutz
schaffenden Verwaltungshandeln - voraus, dass der Beitragspflichtige in Anwendung aller
Sorgfalt, zu der er den Umständen nach verpflichtet ist, auf die Richtigkeit einer
behördlichen Erklärung vertrauen durfte und auch vertraut und entsprechend gehandelt
hat, d.h. die Erklärung zur Grundlage wirtschaftlicher Dispositionen gemacht hat (vgl. statt
vieler nur BVerwG, Urteil vom 18.04.1975 -VII C 15.73-, KStZ 1975, 211; Urteil der
Kammer vom 24.11.1995, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Dabei kann dahingestellt belieben, ob nach der Aktenlage ein nachhaltiges und Vertrauen
schaffendes Verhalten der Stadt dahingehend gegeben ist, dass der Antragsteller davon
ausgehen konnte, dass die "B-Straße" erschließungsbeitragsrechtlich (weiterhin) als "nicht
zum Anbau bestimmte Sammelstraße" (so die Formulierung in einem vom Antragsteller
vorgelegten "Bescheid über die Festsetzungen von Vorausleistungen auf den
Erschließungsbeitrag für die Herstellung der Fahrbahn der B-Straße" der Gemeinde vom
23.06.1966, Bl. 78 der Gerichtsakte) anzusehen ist.
Jedenfalls kann sich der Antragsteller auf ein etwaig Vertrauen schaffendes Verhalten der
Stadt nicht berufen, da er nicht schutzwürdig ist. Der Antragsteller nutzt die "B-Straße"
spätestens seit dem Jahre 1972 als alleinige Zufahrt zu der von ihm auf seinem
Grundstück gebauten Garage (vgl. die Schriftsätze der Beteiligten vom 12. und
14.12.2007, Bl. 91 - 98 der Gerichtsakte); aus seiner Sicht - und nur auf diese, nicht auf
die Sichtweise anderer Anlieger, für die das vorliegende Verfahren nach dem Vortrag des
Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ein "Musterverfahren" darstellt, ist vorliegend
abzustellen - gewährt ihm die "B-Straße" mit Blick darauf gerade das, was eine
Anbaustraße i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB ausmacht, nämlich die das Merkmal "zum
Anbau bestimmt" entscheidend beeinflussende Heranfahrmöglichkeit (vgl. hierzu Driehaus,
a.a.O, § 12 Rdnr. 32).
Vor diesem Hintergrund kann es zumindest für den Antragsteller dahinstehen, ob er
konkrete Vermögensdispositionen getroffen hat.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist auch keine Verjährung der
Beitragsforderung eingetreten. Die Verjährung des Anspruchs der Gemeinde auf
Geltendmachung einer nach § 133 Abs. 2 BauGB entstandenen Beitragsforderung richtet
sich nach § 12 Abs. 1 Ziff. 4 b) KAG i.V.m. §§ 169, 170 AO. Die Verjährungsfrist beginnt
danach mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beitragsforderung entstanden ist und
beträgt vier Jahre (§ 12 Abs. 1 Ziff. 4 b) KAG). Maßgebend für das Entstehen der
Beitragsforderung ist der Zeitpunkt, in dem die Erschließungsanlage - nach den
entsprechenden Merkmalen der Erschließungsbeitragssatzung - im Rechtssinne endgültig
hergestellt ist und alle weiteren gesetzlichen Voraussetzungen für das Entstehen der
Beitragspflicht erfüllt sind, wobei die Reihenfolge unerheblich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom
13.05.1977 -IV C 82.74- und Driehaus, a.a.O., § 19 Rdnr. 33). Neben der technischen
Fertigstellung der Anlage muss die Straße gewidmet sein, ohne dass dabei die Dauer des
Zeitraums zwischen der endgültigen Herstellung der Straße und einer (nachträglichen)
Widmung von Bedeutung ist (vgl. nur Driehaus, a.a.O., § 19 Rdnr. 33), so dass vorliegend
die Beitragsforderung erst mit der Widmung der "B-Straße" im Jahre 2003 (vgl. hierzu
Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 09.11.2007, Bl. 71 ff. der Gerichtsakte) entstanden
ist und bei Erlass des Beitragsbescheides am 15.06.2007 noch nicht verjährt war.
Die Antragsgegnerin ist bei der Beitragserhebung jedoch zu Unrecht davon ausgegangen,
dass die von der "B-Straße" abzweigenden Straßen (C-, E-, D- und F-Straße) sämtlich
selbständige Erschließungsanlagen darstellen.
Ob eine längere Straße und von ihr abzweigende, anderweitig nicht mit dem öffentlichen
Straßennetz verbundene weitere Straßen eine einzige Erschließungsanlage oder aber
mehrere selbständige Anlagen darstellen, hängt von dem Gesamteindruck ab, den die
jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Betrachter vermitteln. Dabei ist
davon auszugehen, dass dann, wenn von einer längeren Straße eine Sackgasse abzweigt,
letztere grundsätzlich als unselbständig zu qualifizieren ist, wenn sie nach den tatsächlichen
Verhältnissen den Eindruck einer Zufahrt vermittelt, das heißt: ungefähr wie eine Zufahrt
aussieht. Dabei kommt ihrer Ausdehnung besondere Bedeutung zu, wobei typischerweise
von einer Zufahrt auszugehen ist, wenn die Sackgasse bis zu 100 m lang ist und weder
abknickt noch weiter verzweigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.9.2001 -11 C 16.00-, KStZ
2002, 98; ebenso Driehaus, a.a.O., § 12 Rdnrn. 10 ff.; OVG des Saarlandes, Urteil vom
16.04.2003 -1 R 8/01-; zur regelmäßig gebotenen Einstufung von unter 100 m langen
Stichstraßen als "Anhängsel" siehe auch BVerwG, Urteile vom 9.11.1984, BVerwGE 70,
247 = BRS 43 Nr. 58, und vom 25.1.1985, NVwZ 1985, 753 = BRS 43 Nr. 28).
Hiervon ausgehend sind die C-Straße (herausgemessen über 110 m lang, vgl. Bl. 36 der
Gerichtsakte) und die E-Straße (herausgemessen über 136 m lang, a.a.O.) schon aufgrund
ihrer Ausdehnung jeweils selbständige Erschließungsanlagen.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sind jedoch wegen ihrer Länge die D-Straße
(93,9 m, a.a.O) und die nur knapp 70 m messende F-Straße, die zudem in einem U-Bogen
von der "B-Straße" abzweigt, sich von daher quasi als eine Ausbuchtung der "B-Straße"
darstellt und schon allein dadurch den Eindruck einer typischen Zufahrt vermittelt (vgl. auch
die von der Antragsgegnerin vorgelegten Fotos, Bl. 59-61 der Gerichtsakte),
unselbständige "Anhängsel" der "B-Straße", womit die an diese Straßen anliegenden
Grundstücksflächen (lt. Angaben der Antragsgegnerin sind dies 11.321 qm, vgl. Bl. 89 und
90 der Gerichtsakte) bei der Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwands der "B-
Straße", zu dem auch die Kosten der Herstellung der "Anhängsel" zu rechnen sind, zu
berücksichtigen sind.
Diese Vorgaben berücksichtigend, bittet das Gericht die Antragsgegnerin, den auf den
Antragsteller entfallenden Erschließungsbeitrag zu berechnen und mitzuteilen.“
Dieses vorläufige Rechtsschutzverfahren wurde, nachdem die Beklagte die Vollziehung des
Erschließungsbeitragsbescheids gemäß § 80 Abs. 4 VwGO ausgesetzt hatte, durch
Beschluss der Kammer vom 10.07.2008 eingesellt. Das Klageverfahren dieses Anliegers
wird unter dem Az.: 11 K 723/09 geführt.
Auf den Widerspruch des Klägers vom 21.06.2007 änderte der Kreisrechtsausschuss mit
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13.05.2009 ergangenem Widerspruchsbescheid
den Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 15.06.2007 dahingehend ab, dass
der zu zahlende Erschließungsbeitrag auf 5.275,27 EUR festgesetzt wurde. Im Übrigen
wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist unter Berücksichtigung der
Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Verfahren 11 L 1110/07 ausgeführt, das
Grundstück des Klägers unterliege dem Grunde nach der Beitragspflicht im Sinne der §§
131 Abs. 1 Satz 1, 133 Abs. 1 Satz 2 BauGB. Bei der B-Straße handele es sich nicht um
eine Sammelstraße und auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes könne sich der Kläger
ebenfalls nicht mit Erfolg berufen. Es sei mit Blick auf den substantiierten Vortrag der
Beklagten auch davon auszugehen, dass für das klägerische Grundstück in den Jahren
1966/1967 keine Vorausleitungen erhoben worden seien, die nunmehr hätten angerechnet
werden müssen. Der Widerspruch sei jedoch insoweit begründet, als die Beklagte bei der
Umlegung des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes davon ausgegangen sei, bei allen
von der B-Straße abgehenden Sackgassen handele es sich um selbständige
Erschließungsanlagen. Nur bei der C-Straße und der E-Straße handele es sich um solche
selbständigen Erschließungsanlagen. Anders verhielte es sich bezüglich der D-Straße und
der F-Straße. Ausgehend hiervon seien die an die F-Straße und die D-Straße angrenzenden
Grundstücke in die Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes einzubeziehen.
Dabei ergebe sich, wie den Verwaltungsakten insbesondere zum einstweiligen
Rechtsschutzverfahren vor dem Verwaltungsgericht des Saarlandes, Aktenzeichen 11 L
1110/07 entnommen werden könne, ein maßgeblicher Beitragssatz von 12,2325 EUR pro
Quadratmeter modifizierter Grundstücksfläche. Folglich sei der Bescheid vom 15.06.2007
insoweit rechtswidrig, als darin von einem Erschließungsbeitragssatz von 18,01010 EUR
pro Quadratmeter modifizierter Grundstücksfläche ausgegangen und der von dem Kläger
zu zahlende Erschließungsbeitrag auf mehr als 5.275,27 EUR festgesetzt worden sei.
Daher habe der Erschließungsbeitragsbescheid entsprechend abgeändert werden müssen.
Der Widerspruchsbescheid wurde am 03.06.2009 an den Kläger als Einschreiben zur Post
gegeben.
Am 25.06.2009 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
Er vertieft seine Ausführungen im Verwaltungsverfahren sowie im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren und trägt ergänzend vor, die Einschätzung der Beklagten, die von
der B-Straße abzweigenden Straßen seien jeweils selbständige Erschließungsanlagen, sei
nicht aufrecht zu erhalten. Die D-Straße, die F-Straße und die C-Straße seien Anhängsel der
B-Straße und daher keine selbständigen Erschließungsanlagen.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
den Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 15.06.2007 in Gestalt
des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13.05.2009 ergangenen
Widerspruchsbescheids aufzuheben.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, aufgrund der natürlichen Betrachtungsweise, die sich am
Gesamteindruck der Anlage orientiere, seien alle von der B-Straße abzweigenden
Sackgassen als selbständige Erschließungsanlagen zu betrachten (von daher hat die Stadt
Blieskastel gegen den Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses Klage erhoben,
die unter dem Az. 11 K 540/09 anhängig ist). Im Übrigen hält sie die Ausführungen des
Widerspruchsbescheides für zutreffend.
Das Gericht hat am 09.06.2010 durch den Berichterstatter die Örtlichkeit besichtigt und
einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt. Wegen des
Ergebnisses wird auf die Niederschrift vom 09.06.2010 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des
vorliegenden Verfahrens, der Verfahren 11 K 723/09, 11 K 540/09, 11 K 685/09 und 11 L
1110/07 sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen verwiesen, der Gegenstand der
Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 40, 42, 68 ff. VwGO zulässige Anfechtungsklage, über die im Einverständnis
der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung und gemäß § 87 a
Abs. 2, Abs. 3 VwGO durch den Berichterstatter entschieden werden konnte, ist
unbegründet.
Der angefochtene Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 15.06.2007, in
Gestalt, die er durch den aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13.05.2009 ergangenen
Widerspruchsbescheid des Kreisrechtausschusses gefunden hat (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1
VwGO), ist rechtmäßig und verletzt den Kläger bereits deshalb nicht in seinen Rechten (§
113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Er findet seine Grundlage in den Vorschriften der §§ 127 ff. BauGB i.V.m. der Satzung der
Stadt Blieskastel über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen vom 31.03.1988 (im
Folgenden: EBS), gegen deren Rechtsgültigkeit keine Bedenken bestehen (vgl. in diesem
Zusammenhang nur OVG des Saarlandes, Beschluss vom 09.02.1998 - 1 W 31/97 - und
Urteil der Kammer vom 12.03.2004 - 11 K 61/02 -).
Dem Grunde nach ist für das Grundstück des Klägers nach den vorgenannten
Bestimmungen eine sachliche Beitragspflicht entstanden, insbesondere handelt es sich bei
der B-Straße um eine Anbaustraße i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB und nicht um eine
Sammelstraße.
Eine Sammelstraße unterscheidet sich nach der Legaldefinition in § 127 Abs. 2 Nr. 2
BauGB von einer Anbaustraße dadurch, dass sie nicht zum Anbau bestimmt ist. Sie dient
der mittelbaren Erschließung von Grundstücken, die unmittelbar durch eine andere zum
Anbau bestimmte Straße erschlossen sind (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 23.05.1973 - IV C
19.72 -, KStZ 1974, 13). Eine Sammelstraße muss daher ihrer Erschließungsfunktion nach
einem Abrechnungsgebiet zuzuordnen sein, das hinsichtlich des Kreises der
beitragspflichtigen Grundstücke hinreichend genau bestimmt und abgegrenzt werden kann,
was wiederum voraussetzt, dass die Sammelstraße die einzige Erschließungsanlage ist,
welche die Verbindung der abzurechnenden Erschließungsanlage zum übrigen Verkehrsnetz
der Gemeinde vermittelt (vgl. nur Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl.
2007, § 12 Rdnr. 72 f. m.w.N.). Eine solche Funktion kommt dem vom Kläger als
Sammelstraße bezeichneten Straßenstück nicht zu, da die Anlieger der
Erschließungsanlage B-Straße das übrige Verkehrsnetz der Stadt ohne weiteres auch über
die G- und die H-Straße mittels der Straße … bzw. der A-Straße erreichen können.
Darüber hinaus ist die B-Straße selbst zum Anbau bestimmt. Das Merkmal "zum Anbau
bestimmt" i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB hebt nicht auf eine subjektive Absicht der
Gemeinde oder der Benutzer der Anlage, sondern objektiv darauf ab, ob an der Anlage
tatsächlich gebaut werden kann und rechtlich gebaut werden darf. Eine Verkehrsanlage
muss - soll sie zum Anbau bestimmt sein - bei der gebotenen verallgemeinernden
Betrachtung geeignet sein, den anliegenden Grundstücken das an verkehrsmäßiger
Erschließung zu verschaffen, was sie bebaubar oder sonst wie in nach § 133 Abs. 1 BauGB
(erschließungs-beitragsrechtlicher) beachtlicher Weise nutzbar macht (vgl. nur BVerwG,
Urteil vom 02.07.1982 - 8 C 28.30 -, NVwZ 1983, 153); die Merkmale "zum Anbau
bestimmt" und "Erschlossensein" i.S.d. § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB stimmen im
Wesentlichen überein (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.02.1980 - 4 C 63 u. 64.78 -, NJW 1980,
1973). Dies berücksichtigend liegt das herangezogene Grundstück des Klägers (auch) an
der zum Anbau bestimmten B-Straße und wird von dieser i.S.d. §§ 131 Abs. 1, 133 Abs. 1
BauGB erschlossen. Denn einerseits ist das Grundstück baulich nutzbar, was sich bereits
daraus ergibt, dass es tatsächlich mit einem Wohnhaus bebaut ist, und andererseits grenzt
es in einer Weise an die "B-Straße", dass mit Kraftfahrzeugen - einschließlich Rettungs- und
Versorgungsfahrzeugen - an seine Grenze herangefahren und es von da ab betreten
werden kann, so dass ihm hierdurch das für eine Erschließungsanlage i.S.d. § 127 Abs. 2
Nr. 1 BauGB maßgebliche sogenannte bebauungsrechtliche Erschlossensein (vgl. § 131
Abs. 1 BauGB) vermittelt wird (vgl. hierzu nur Beschluss der Kammer vom 13.01.1999 -
11 F 79/98 - m.w.N.). Aus der Vermittlung des bebauungsrechtlichen Erschlossenseins
folgt zugleich das Vorliegen des erforderlichen Erschließungsvorteils.
Der Kläger konnte vorliegend auch nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben davon
ausgehen, dass die - nach alldem zu Recht - als Anbaustraße nach § 127 Abs. 2 Nr. 1
BauGB abgerechnete B-Straße erschließungsbeitragsrechtlich (weiterhin) als
Sammelstraße i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 3 BauGB angesehen wird. Es ist zwar anerkannt,
dass im Einzelfall besondere Umstände eintreten können, die nach dem auch im
Verwaltungsrecht geltenden allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben einem
Heranziehungsbescheid der Gemeinde entgegengesetzt werden können (vgl. nur BVerwG,
Urteil vom 31.05.1975 -IV C 73/73-, KStZ 1976, S. 31 f.). Ein Ausfluss des Grundsatzes
von Treu und Glauben ist dabei der - von dem Kläger geltend gemachte - Grundsatz des
Vertrauensschutzes. Danach kann das Recht zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen
ausnahmsweise aus besonderen Gründen des Vertrauensschutzes ausgeschlossen sein
(std. Rspr. der Kammer, vgl. nur Urteil vom 24.11.1995 -11 K 260/92- m.w.N.). Ein
Vertrauensschutz setzt dabei - neben einem nachhaltigen den Vertrauensschutz
schaffenden Verwaltungshandeln - voraus, dass der Beitragspflichtige in Anwendung aller
Sorgfalt, zu der er den Umständen nach verpflichtet ist, auf die Richtigkeit einer
behördlichen Erklärung vertrauen durfte und auch vertraut und entsprechend gehandelt
hat, d.h. die Erklärung zur Grundlage wirtschaftlicher Dispositionen gemacht hat (vgl. statt
vieler nur BVerwG, Urteil vom 18.04.1975 -VII C 15.73-, KStZ 1975, 211; Urteil der
Kammer vom 24.11.1995, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Dabei kann dahingestellt belieben, ob nach der Aktenlage ein nachhaltiges und Vertrauen
schaffendes Verhalten der Stadt dahingehend gegeben ist, dass der Kläger davon
ausgehen konnte, dass die B-Straße erschließungsbeitragsrechtlich (weiterhin) als "nicht
zum Anbau bestimmte Sammelstraße" (so die Formulierung in einem im Verfahren 11 L
1110/07 vorgelegten "Bescheid über die Festsetzungen von Vorausleistungen auf den
Erschließungsbeitrag für die Herstellung der Fahrbahn der B-Straße" der Gemeinde vom
23.06.1966, Bl. 78 der Gerichtsakte 11 L 1110/07) anzusehen ist.
Jedenfalls kann sich der Kläger auf ein etwaig Vertrauen schaffendes Verhalten der Stadt
nicht berufen, da er nicht schutzwürdig ist. Der Kläger nutzt die B-Straße spätestens seit
dem Jahre 1974 als alleinige Zufahrt zu seinem Grundstück (vgl. seinen Schriftsatz vom
07.08.2007, Bl. 3 der Widerspruchsakte; die entsprechenden Angaben wurden im Rahmen
der Erörterung der Sach- und Rechtslage am 09.06.2010 bestätigt); aus seiner Sicht - und
nur auf diese, nicht auf die Sichtweise anderer Anlieger ist vorliegend abzustellen - gewährt
ihm die B-Straße mit Blick darauf gerade das, was eine Anbaustraße i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr.
1 BauGB ausmacht, nämlich die das Merkmal "zum Anbau bestimmt" entscheidend
beeinflussende Heranfahrmöglichkeit (vgl. hierzu Driehaus, a.a.O, § 12 Rdnr. 34).
Vor diesem Hintergrund kann es zumindest für den Kläger dahinstehen, ob er konkrete
Vermögensdispositionen getroffen hat.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch keine Verjährung der Beitragsforderung
eingetreten. Die Verjährung des Anspruchs der Gemeinde auf Geltendmachung einer nach
§ 133 Abs. 2 BauGB entstandenen Beitragsforderung richtet sich nach § 12 Abs. 1 Ziff. 4
b) KAG i.V.m. §§ 169, 170 AO. Die Verjährungsfrist beginnt danach mit Ablauf des
Kalenderjahres, in dem die Beitragsforderung entstanden ist und beträgt vier Jahre (§ 12
Abs. 1 Ziff. 4 b) KAG). Maßgebend für das Entstehen der Beitragsforderung ist der
Zeitpunkt, in dem die Erschließungsanlage - nach den entsprechenden Merkmalen der
Erschließungsbeitragssatzung - im Rechtssinne endgültig hergestellt ist und alle weiteren
gesetzlichen Voraussetzungen für das Entstehen der Beitragspflicht erfüllt sind, wobei die
Reihenfolge unerheblich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.05.1977 -IV C 82.74- und
Driehaus, a.a.O., § 19 Rdnr. 36). Neben der technischen Fertigstellung der Anlage muss
die Straße gewidmet sein, ohne dass dabei die Dauer des Zeitraums zwischen der
endgültigen Herstellung der Straße und einer (nachträglichen) Widmung von Bedeutung ist
(vgl. nur Driehaus, a.a.O., § 19 Rdnr. 36), so dass vorliegend die Beitragsforderung erst
mit der Widmung der B-Straße im Jahre 2003 (vgl. hierzu Schriftsatz der Beklagten vom
09.11.2007, Bl. 71 ff. der Gerichtsakte 11 L 1110/07) entstanden ist und bei Erlass des
Beitragsbescheides am 15.06.2007 noch nicht verjährt war.
Im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage am 09.06.2010 wurde denn auch
Übereinstimmung darüber erzielt, dass eigentlicher Kern des Rechtsstreits (nur noch) die
Frage ist, ob die von der B-Straße abzweigenden Sackgassen selbständige
Erschließungsanlagen sind.
Ob eine längere Straße und von ihr abzweigende, anderweitig nicht mit dem öffentlichen
Straßennetz verbundene weitere Straßen eine einzige Erschließungsanlage oder aber
mehrere selbständige Anlagen darstellen, hängt von dem Gesamteindruck ab, den die
jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Betrachter vermitteln. Dabei ist
davon auszugehen, dass dann, wenn von einer längeren Straße eine Sackgasse abzweigt,
letztere grundsätzlich als unselbständig zu qualifizieren ist, wenn sie nach den tatsächlichen
Verhältnissen den Eindruck einer Zufahrt vermittelt, das heißt: ungefähr wie eine Zufahrt
aussieht. Je mehr sich Größe und Ausbau des Abzweigs dem Hauptstrang annähern und je
größer die durch ihn unmittelbar erschlossene Zahl von Grundstücken ist, desto eher
handelt es ich um eine selbständige Anlage. Dabei kommt ihrer Ausdehnung besondere
Bedeutung zu, wobei typischerweise von einer Zufahrt auszugehen ist, wenn die
Sackgasse bis zu 100 m lang ist und weder abknickt noch weiter verzweigt (vgl. BVerwG,
Urteil vom 26.9.2001 -11 C 16.00-, KStZ 2002, 98; ebenso Driehaus, a.a.O., § 12 Rdnrn.
10 ff.; OVG des Saarlandes, Urteil vom 16.04.2003 -1 R 8/01-; zur regelmäßig gebotenen
Einstufung von unter 100 m langen Stichstraßen als "Anhängsel" siehe auch BVerwG,
Urteile vom 9.11.1984, BVerwGE 70, 247 = BRS 43 Nr. 58, und vom 25.1.1985, NVwZ
1985, 753 = BRS 43 Nr. 28).
Hiervon ausgehend handelt es sich bei der D-Straße und der F-Straße jeweils um Anhängsel
der B-Straße, also um unselbständige Erschließungsanlagen. Dies ergibt sich schon aus
ihrer weit unter 100 m liegenden Ausdehnung: die D-Straße ist 93,9 m lang und die F-
Straße knapp über 70 m lang, wobei diese zudem in einem U-Bogen von der B-Straße
abzweigt, sich von daher quasi als eine Ausbuchtung der B-Straße darstellt und schon allein
dadurch den Eindruck einer typischen Zufahrt vermittelt. In der Örtlichkeit hat sich der
Eindruck der Unselbständigkeit endgültig bestätigt. Die beiden Sackgassen verfügen nur
über jeweils einen einseitigen, im Verhältnis zur Fahrbahn niveaugleichen Gehweg, während
die B-Straße als Hauptzug über beidseitige Gehwege verfügt, die durch Bordsteine von der
Fahrbahn abgegrenzt sind. Am Ende der D-Straße gibt es keinen "Wendehammer" und sie
stellt sich dadurch sowie durch den Umstand, dass sie an den zur Straßenfront
ausgerichteten Garagen der dort befindlichen Wohnhäuser Nr. 7 und Nr. 8 quasi "abrupt"
endet, als typische Zufahrt dar. Somit sind die an diese Straßen anliegenden
Grundstücksflächen bei der Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwands der B-
Straße, zu dem auch die Kosten der Herstellung der "Anhängsel" zu rechnen sind, zu
berücksichtigen. Dies hat der Kreisrechtausschuss in seinem Widerspruchsbescheid vom
13.05.2009 unter Abänderung des Erschließungsbeitragsbescheides der Beklagten vom
15.06.2007 in rechtlich nicht zu beanstandender Weise getan.
Im Gegensatz zu diesen beiden Sackgassen sind die C-Straße (herausgemessen über 110
m lang, vgl. Bl. 36 der Gerichtsakte 11 L 1110/07) und die E-Straße (herausgemessen
über 136 m lang, a.a.O.) schon aufgrund ihrer Ausdehnung jeweils selbständige
Erschließungsanlagen. Die daran anliegenden Grundstücksflächen sind bei der Verteilung
des umlagefähigen Erschließungsaufwands der B-Straße daher zu Recht nicht
berücksichtigt worden. Bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise spricht für die
Selbständigkeit dieser Straßen - neben ihrer Ausdehnung - mit Gewicht ihr von der
Hölderlin- und D-Straße unterschiedlicher Ausbauzustand; die C- und die E-Straße verfügen
über einen beidseitigen, niveaugleichen Gehweg und an ihrem Ende besteht eine - teils -
großzügige Wendemöglichkeit. Die Besichtigung der Örtlichkeit hat den Eindruck, dass die
C- und die E-Straße bloße Zufahrten seien, damit gerade nicht vermittelt; dies gilt für die C-
Straße insbesondere auch im Verhältnis zur D-Straße. Zwar liegen beide Sackgassen recht
nahe an der "100 m-Grenze". Der an Ort und Stelle gewonnene Eindruck hat jedoch -
insoweit das durch die Verwaltungsunterlagen gewonnene Bild bestätigend - maßgebliche
Unterschiede im Ausbauzustand (nur einseitiger Gehweg in der D-Straße) sowie in der
Anzahl der erschlossenen Grundstücke ergeben und gerade das "abrupte" Ende der D-
Straße an den unmittelbar zur Straßenfront hin ausgerichteten Garagen vermittelt für sie -
im Gegensatz zur C-Straße - den typischen Eindruck einer Zufahrt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.