Urteil des VG Saarlouis vom 16.12.2009

VG Saarlouis: bebauungsplan, raumordnung, befreiung, gewerbe, einkaufszentrum, grundstück, gemeinderat, landesplanung, zeichnung, subjektives recht

VG Saarlouis Urteil vom 16.12.2009, 5 K 1831/08
Erfolgreiche Anfechtung der Baugenehmigung für ein Einkaufszentrum durch
Nachbargemeinde
Leitsätze
1. Die Ausfertigung eines Bebauungsplans geht ins Leere, wenn die Planurkunde die mit
dem Satzungsbeschluss festgelegten Änderungen des Planentwurfs nicht enthält.
2. Ein solcher Ausfertigungsmangel kann grundsätzlich durch eine Berichtigung der
Planurkunde, erneute Ausfertigung und rückwirkende Inkraftsetzung im Wege eines
ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB geheilt werden.
3. Ausnahmsweise scheidet die Fehlerbehebung eines nicht wirksam ausgefertigten
Bebauungsplans u.a. aus, wenn das ursprünglich unbedenkliche Abwägungsergebnis
aufgrund einer grundlegenden Veränderung der Verhältnisse unhaltbar geworden ist.
4. Ein nicht wirksam ausgefertigter Bebauungsplan, der die Errichtung eines
Einkaufszentrums in einem Gewerbe- und Industriegebiet ermöglicht, darf nach dem
Inkrafttreten des Landesentwicklungsplans Siedlung (des Saarlandes) vom 04.07.2006
nicht mehr nach § 214 Abs. 4 BauGB geheilt werden.
5. Eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Einkaufszentrums im Außenbereich kann
von der Nachbargemeinde mit Erfolg angegriffen werden, weil die Zulassung eines
Einkaufszentrums grundsätzlich eine förmliche Planung unter Beteiligung der
Nachbargemeinde (§ 2 Abs. 2 BauGB) erfordert.
6. Der Einwand der Standortgemeinde, die Nachbargemeinde halte sich (auch) nicht an die
Zielvorgaben des Landesentwicklungsplans, ist im Rahmen des erforderlichen
Raumordnungsverfahrens und der Planaufstellung zu berücksichtigen, nicht jedoch im
Verfahren gegen die erteilte Baugenehmigung.
Tenor
Die Baugenehmigung vom 03.06.2008 und der Widerspruchsbescheid vom 13.11.2008
werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte und die Beigeladene zu 1. jeweils zur
Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. und 2. werden nicht erstattet.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der
sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls
nicht der die Vollstreckung betreibende Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in
derselben Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die klagende Kreisstadt S. wendet sich gegen die der Beigeladenen zu 1. erteilte
Baugenehmigung zum Neubau eines Einkaufszentrums mit einer Gesamtnutzfläche von
18.480 qm und 454 Pkw-Stellplätzen auf einem 26.137 qm großen Grundstück in der
Nachbargemeinde Ensdorf.
Mit Bauantrag vom 12.08.1996 beantragte die frühere Beigeladene zu 1. beim Beklagten
die Erteilung einer Baugenehmigung zum „Neubau eines Warengeschäftshauses“ auf dem
Vorhabengrundstück. Der Beklagte hielt die Einholung eines Verkehrsgutachtens für
notwendig, um beurteilen zu können, ob die Erschließung gesichert sei. Unter dem
27.09.2004 erteilte der Beklagte der Klägerin sodann einen Vorbescheid für dieses
Vorhaben, der mit weiterem Bescheid vom 02.07.2007 bis zum 28.09.2008 verlängert
wurde. (Gegen den Vorbescheid und dessen Verlängerung hat die Klägerin am 10.12.2009
Widerspruch erhoben.)
Mit Bauschein vom 03.06.2008 wurde der früheren Beigeladenen zu 1. die
Baugenehmigung zum „Neubau eines Einkaufszentrums (Nutzung gemäß formloser
Baubeschreibung vom 29.02.2008), 3.000 kW Feuerungsanlage, 454 Pkw-Stellplätze“ auf
dem Grundstück in Ensdorf erteilt. Weiterhin wurde gemäß § 31 BauGB Befreiung von den
Festsetzungen des Bebauungsplans „Ober dem Mühlenweg und Hohweiher“ erteilt.
Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Ober dem Mühlenweg
und Hohweiher“ der Gemeinde Ensdorf. Dieser Plan wurde am 22.01.1965 vom
Gemeinderat als Satzung beschlossen. Im Rahmen der Beschlussfassung durch den
Gemeinderat am 22.01.1965 wurden die Bedenken und Anregungen der Firma B. gegen
die Planvorlage einstimmig anerkannt. Die Firma B. hatte im Vorfeld angeregt, die
Baugrenze an der Westseite ihres Grundstücks bis auf 6 m Abstand zur Straße zu
verlegen, die nördliche Baugrenze entlang der Bundesbahn ohne Rücksprung in gerader
Linie bis zum Ende ihres Baugrundstücks zu führen und die Grundflächenzahl im gesamten
Gebiet des Bebauungsplanes entsprechend § 17 BauNVO auf das höchstzulässige Maß von
0,7 und die Baumassenzahl auf 6,0 heraufzusetzen (vorher 0,5 bzw. 4,5). Diese
Änderungen fanden indes keinen Niederschlag in der vom Bürgermeister am 25.01.1965
unterzeichneten Ausfertigung des Bebauungsplans, die dem Ministerium für Öffentliche
Arbeiten mit Begleitschreiben vom 26.02.1965 zur Genehmigung vorgelegt wurde.
Am 25.08.1966 wurde der Bebauungsplan vom Minister für Öffentliche Arbeiten und
Wohnungsbau gemäß § 11 BBauG genehmigt. Die Planurkunde trägt hinsichtlich der
Genehmigung das Aktenzeichen …, das Datum 25. Aug. 1966 und die Unterschrift von
Regierungsbaurat B. Ausweislich des Vermerks des Bürgermeisters auf der Planurkunde
vom 15.09.1966 wurde die öffentliche Auslegung gemäß § 12 BBauG ortsüblich bekannt
gemacht; ein Datum der Bekanntmachung enthält die Planausfertigung nicht.
Die Planlegende enthält folgende Festsetzungen gemäß § 9 Abs. 1 und 5 BBauG:
2.1 Baugebiet
Gewerbegebiet s. Zeichnung
2.1.1. zulässige
Anlagen
Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser,
Lagerplätze und öffentliche Betriebe, soweit
diese Anlagen für die Umgebung keine
erheblichen Nachteile oder Belästigungen zur
Folge haben können.
Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude
Tankstellen
2.2.2. zulässige
Anlagen
ausnahmsweise Wohnungen für Aufsichts-
und
Bereitschaftspersonen
sowie
für
Betriebsinhaber und -leiter,
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale,
gesundheitliche und sportliche Zwecke.
2.2 Baugebiet
Industriegebiet s. Zeichnung
2.2.1. zulässige
Anlagen
Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser,
Lagerplätze und öffentliche Betriebe,
Tankstellen
2.2.2. zulässige
Anlagen
ausnahmsweise Wohnungen für Aufsichts-
und
Bereitschaftspersonen
sowie
für
Betriebsinhaber und -leiter,
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale,
gesundheitliche und sportliche Zwecke.
3. Maß der
baulichen Nutzung
s. Zeichnung
3.1. Zahl der
Vollgeschosse
s. Zeichnung
3.2.
Grundflächenzahl
s. Zeichnung
3.3.
Geschossflächenzahl
s. Zeichnung
3.4. Baumassenzahl
s. Zeichnung
3.5. Grundflächen
der baulichen
Anlagen
-------
4. Bauweise
offen
5. Überbaubare und
nicht überbaubare
Grundstücksflächen
s. Zeichnung
6. Stellung der
baulichen Anlagen
--------
7. Mindestgröße der
Baugrundstücke
15 ar
8. – 28.
….
Das an der Straße rund 166 m und am gegenüberliegenden Ende rund 175 m breite und
im Osten rund 146 m, im Westen rund 158 m tiefe Vorhabengrundstück ist das einzige
Grundstück, das nördlich der W…-Straße liegt und für das keine Art der baulichen Nutzung,
keine Grundflächenzahl und keine Baumassenzahl zeichnerisch dargestellt ist. Insoweit
enthält der Bebauungsplan allein ein durch Baulinien und Baugrenzen dargestelltes
Baufenster.
Das vom Beklagten genehmigte Einkaufszentrum (Laut Betriebsbeschreibung sollen dort
folgende Nutzungen stattfinden: Nachbarschaftsläden, Fachmärkte, Vollsortimenter,
Restaurants, Gastronomie, u.a. 4 Restaurants, 11 Ladenlokale, Discount-Markt, u.a.
Fachmärkte Entertainment, Textilien, Sportartikel, Kleintierbedarf, Modeaccessoires,
Reitsportartikel, Drogerie, Lebensmittel, Metzgerei, Bäckerei, Food-Court) soll innerhalb des
zuletzt genannten Bereichs in der Weise errichten werden, dass der 35 m tiefe Baukörper
an der Ostseite des Grundstücks mit einem Abstand von 8,00 m zur Grenze 131,50 m
nach Norden hin in die Tiefe des Grundstücks reicht, dort um 90° nach Westen abknickt,
mit einem Abstand zur hinteren Grundstücksgrenze von zwischen 8 m im Osten und
11,395 m im Westen auf einer Länge von 145 m verläuft und sodann um 90° nach Süden
abknickt, wo er in einer Tiefe von 80 m wieder in Richtung auf die W…-Straße hin zuläuft.
Durch diese Lage befindet sich der Baukörper mit einer Fläche von 5.940 qm außerhalb
des im Bebauungsplan dargestellten Baufensters. Nachdem für das Vorhabengrundstück
eine Baulast in das Baulastenverzeichnis eingetragen wurde, dass eine Fläche von 5.940
qm innerhalb des Baufensters unbebaut bleibt, erteilte der Beklagte die Befreiung von den
Festsetzungen des Bebauungsplans gemäß § 31 BauGB.
Am 04.07.2008 ging beim Beklagten der Widerspruch der Klägerin gegen die
Baugenehmigung vom 03.06.2008 ein. Zur Begründung machte die Klägerin geltend, die
Baugenehmigung sei rechtswidrig, weil der ihr zugrunde liegende Bebauungsplan
unwirksam sei. So sei bereits zweifelhaft, ob überhaupt eine Original-Urkunde angefertigt
worden sei. Der Bebauungsplan sei nicht einmal ordnungsgemäß ausgefertigt worden;
entsprechende Ausfertigungsvermerke bzw. Bekanntmachungsanordnungen hätten in der
eingesehenen Planakte nicht aufgefunden werden können. Unwirksam sei der
Bebauungsplan auch, weil die Planurkunde nicht den Beschluss des Gemeinderats
wiedergebe, die Baugrenzen zu ändern und die Baumassenzahl auf 6,0 zu erhöhen. Der
Bebauungsplan verstoße auch gegen das in § 8 Abs. 2 BauGB enthaltene
Entwicklungsgebot. Zum Zeitpunkt der Planaufstellung habe es keinen
Flächennutzungsplan gegeben, so dass § 8 Abs. 2 BBauG verletzt worden sei. Weiterhin
bestünden Bedenken gegen die Bestimmtheit des Bebauungsplans. Ausweislich der
Legende weise der Plan Gewerbe- und Industriegebiete aus. So fänden sich zwar in
anderen Planbereichen Baufelder mit Festsetzungen zur Art und zum Maß der baulichen
Nutzung. Für das Baufeld, in dem das genehmigte Vorhaben verwirklicht werden solle,
fehle es an solchen Festsetzungen. Damit sei nicht geklärt, ob das Gebiet nun ein
Gewerbe- oder aber ein Industriegebiet sei.
Die Rechtmäßigkeit der Genehmigung auf der Grundlage von § 34 BauGB scheide aus, da
sich das Grundstück nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, sondern
im Außenbereich befinde und dort nach § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig sei, weil es
öffentliche Belange beeinträchtige. Das Bundesverwaltungsgericht habe im Urteil vom
01.08.2002 (- 4 C 5.01 - „DOC Zweibrücken“, ZfBR 2003, 28 = BRS 65 Nr. 10)
entschieden, dass ein Einkaufszentrum im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO einen
Koordinierungsbedarf auslöse und damit ein Planungserfordernis begründe, das einen
öffentlichen Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB darstelle.
Wenn der Bebauungsplan gleichwohl als wirksam angesehen werde, sei die
Baugenehmigung wegen des Verstoßes gegen die im Bebauungsplan festgesetzte
überbaubare Grundstücksfläche rechtswidrig. Die Voraussetzungen für eine Befreiung von
den Festsetzungen über die Baugrenzen lägen nicht vor. Die Überschreitung der Baugrenze
im Mittel um 40 m auf einer Länge von 145 m und die damit verbundene Vergrößerung
der Baumasse um fast 50 % widerspreche der planerischen Grundkonzeption des
Bebauungsplans und berühre damit die Grundzüge der Planung. Die Befreiung sei auch mit
den öffentlichen Belangen nicht zu vereinbaren. Zu diesen gehöre die Berücksichtigung
gemeindenachbarlicher Belange. Die mit der Abweichung verbundene Vergrößerung des
Baufeldes um etwa 43 % bewirke, dass die gemeindenachbarlichen Interessen berührt
würden, die im Rahmen des interkommunalen Abstimmungsgebotes im Sinne von § 2 Abs.
4 BBauG zu berücksichtigen seien. Die Ermöglichung eines Einkaufszentrums berühre das
interkommunale Abstimmungsgebot essentiell. Das genehmigte Vorhaben verstoße auch
gegen den öffentlichen Belang „Ziele der Raumordnung“. Ferner sei das genehmigte
Vorhaben wegen des Verstoßes gegen § 15 BauNVO unwirksam. Das zugelassene
Vorhaben, das das rund 27.000 qm große Grundstück einschließlich der Stellplätze nahezu
vollständig überbaue und eine Geschossfläche von rund 18.500 qm habe, sei mit dem Ziel,
kleinteilige Gewerbe- und Industrie- sowie Handwerksbetriebe anzusiedeln, unvereinbar und
durchkreuze zudem die beabsichtigte Durchgrünung des Plangebiets. Auch das
Erschließungskonzept basiere auf kleinen Verkehrsmengen.
Sie werde als Nachbargemeinde durch die rechtswidrige Baugenehmigung auch in eigenen
Rechten verletzt. § 2 Abs. 2 BauGB vermittele ihr einen qualifizierten
Abstimmungsanspruch, der ihrem Interesse besonderes Gewicht verleihe, vor Nachteilen
bewahrt zu bleiben.
Mit Bescheid vom 13.11.2008 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2008
wies der Kreisrechtsausschuss den Widerspruch zurück: Die Baugenehmigung verstoße
weder unter bauplanungsrechtlichen noch unter bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten
gegen Vorschriften, die dem Schutz der Klägerin zu dienen bestimmt seien.
Bauplanungsrechtlich beurteile sich das Vorhaben nach § 30 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 2
BauGB und dem Bebauungsplan „Ober dem Mühlenweg und Hohweiher“ der Gemeinde
Ensdorf. Für die Frage der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung im Verhältnis zur Klägerin
seien dabei nur solche Normen in den Blick zu nehmen, die zumindest auch dem Schutze
der Klägerin zu dienen bestimmt seien. (BVerwG, Beschluss vom 20.09.1984 – 4 B
202/84 -, NVwZ 1985, 748 = BRS 42 Nr. 123) Dabei sei der Einwand unbeachtlich, die
Gemeinde Ensdorf habe bei der Aufstellung des Bebauungsplans im Jahre 1966 das
förmliche Verfahren nicht eingehalten und das interkommunale Abstimmungsgebot
verletzt. Der Rechtsausschuss als Verwaltungsbehörde sei nicht befugt, über die
Rechtmäßigkeit von kommunalen Satzungen zu befinden. Soweit die Klägerin rüge, die
Errichtung eines Einkaufszentrums in Ensdorf beeinträchtige ihr Recht als Mittelzentrum,
betreffe das keine drittschützende Festsetzung des Bebauungsplans. Auch die Befreiung
nach § 31 Abs. 2 BauGB wegen der Überschreitung der im Bebauungsplan festgesetzten
rückwärtigen Baugrenze verletze kein subjektives Recht der Nachbargemeinde.
Mit der am 28.11.2008 bei Gericht eingegangenen Klage ficht die Klägerin die
Baugenehmigung in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2008 weiter an.
Zur Begründung beruft sie sich auf ihren Vortrag im Widerspruchsverfahren. Insbesondere
macht sie geltend, die Baugenehmigung sei rechtswidrig, weil der ihr zugrunde liegende
Bebauungsplan unwirksam sei, das Vorhabengrundstück im Außenbereich liege, dort nicht
privilegiert sei und die Zulassung eines Einkaufszentrums mit etwa 10.000 qm
Verkaufsfläche das interkommunale Abstimmungsgebot auslöse, dessen Unterlassung
zwingend Belange der Nachbargemeinde berühre.
Die Klägerin beantragt,
die Baugenehmigung vom 03.06.2008 und den
Widerspruchsbescheid vom 13.11.2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf den Widerspruchsbescheid und sein Schreiben vom 03.12.2008 an das
Ministerium für Umwelt. Darin heißt es u.a., der Bebauungsplan enthalte Festsetzungen
über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen
und die örtlichen Verkehrsflächen. Im Bereich des Vorhabens seien mehrere durch Baulinien
beschriebene Baufenster ausgewiesen. Da der Bebauungsplan als Satzung beschlossen
worden sei, sei er wie eine Rechtsnorm auszulegen. Als Art der baulichen Nutzung habe
der Planungsgeber ein Gewerbe- und Industriegebiet ausweisen wollen. Nach den
Planzeichenverordnung vom 19.01.1965 und deren Anlage 1.4.2 sei angesichts dieses
eindeutigen Willens keine flächendeckende Ausweisung erforderlich gewesen. Folglich habe
der Plangeber festgelegt, dass grundsätzlich alle als überbaubar ausgewiesenen Flächen
der industriellen oder gewerblichen Nutzung zugeführt werden sollten. Der Genehmigung
des Bebauungsplans durch den Minister für öffentliche Arbeiten und Wohnungsbau sei eine
Überprüfung des ordnungsgemäßen Zustandekommens sowie der Vereinbarkeit des
Bebauungsplans mit dem BBauG und den aufgrund des BBauG erlassenen und sonstigen
Rechtsvorschriften vorausgegangen. In den Baufenstern, für die ein Planzeicheneintrag
über die Art der baulichen Nutzung fehle, sei eine gewerbliche oder industrielle Nutzung
zulässig. Dass der Plangeber für dieses Fenster keine Nutzung habe festlegen wollen,
könne nicht angenommen werden, weil ein Baufenster ohne Art der baulichen Nutzung
keinen Sinn mache. Eine andere Nutzung als Gewerbe oder Industrie sei wegen des
Konfliktpotentials an dieser Stelle bauplanerisch nicht zulässig gewesen. Deshalb bedürfe es
keiner Ergänzung der Festsetzungen des Bebauungsplans im Wege der Analogie. Die
erteilte Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der
überbaubaren Grundstücksflächen entspreche der bauherrenfreundlichen Praxis der
Bauaufsichtsbehörde. Die Befreiung sei rechtlich auch nicht unzulässig; sie diene der
optisch gefälligeren Ausnutzung des Baugrundstücks. Der innerhalb des Baufensters vom
Umfang her zulässige Baukörper werde lediglich um 90 Grad gedreht und komme so
außerhalb des Baufensters zu liegen. Durch die Befreiung werde vermieden, dass die
notwendigen Stellplätze auf der Grundstücksfläche ausgewiesen würden, auf der der von
der Befreiung erfasste Baukörper zu stehen komme. Die Befreiung ermögliche die
Errichtung der notwendigen Stellplätze innerhalb des Baufensters. Die durch die Befreiung
ermöglichte Bebauung außerhalb des Baufensters sei mit der Grundkonzeption des
Bebauungsplans vereinbar. Danach sei eine Bebauung des Außenbereichs gewollt
gewesen. Durch eine entsprechende Baulasteintragung sei festgelegt, dass eine Fläche
innerhalb des Baufensters, die der aufgrund der Befreiung zusätzlich bebaubaren Fläche
entspricht, künftig von jeder Bebauung frei bleibe.
Die Beigeladene zu 1. (Bauherrin) beantragt (ebenfalls),
die Klage abzuweisen.
Ihrer Ansicht nach ist der Bebauungsplan als Satzung formell gültig zustande gekommen.
Die behauptete Verletzung des Entwicklungsgebots führe nicht zur Unwirksamkeit des
Bebauungsplans, weil die Gemeinde diese Vorgehensweise in Rahmen einer organischen
baulichen Entwicklung für erforderlich gehalten habe. Der aktuelle Flächennutzungsplan der
Gemeinde vom 17.01.2005 stehe nicht im Widerspruch zum Bebauungsplan: Das
Planungsgebiet bilde eine große gewerbliche Fläche, die als Gewerbegebiet ausgewiesen
sei. Der Bebauungsplan sei auch hinreichend bestimmt. Ausweislich der Legende sei der
Planbereich als Gewerbe- und Industriegebiet zu nutzen. Auch die Befreiung von den
Festsetzungen über die überbaubare Grundstücksfläche sei rechtmäßig. Die im
Bebauungsplan festgesetzte Fläche des Baufensters betrage 14.037,09 qm. Mit dem
zugelassenen Vorhaben würden 13.067,75 qm bebaut, davon 5.940 qm außerhalb des
Baufensters. Das bedeute, dass flächenmäßig kein größerer Bereich bebaut werde als der
Bebauungsplan vorgebe. Der Baukörper werde allein nach Norden verschoben, um eine
günstigere Situation für die Parkplätze zu schaffen, die nunmehr nicht hinter, sondern (von
der W…-Straße aus gesehen) verkehrsgünstiger vor dem Gebäude lägen. Zum Ausgleich
für die Fläche von 5.940 qm außerhalb des Baufensters sei durch eine Baulast gesichert,
dass eine gleichgroße Fläche innerhalb des Baufensters unbebaut bleibe.
Die Befreiung stelle keine Umgehung einer erforderlichen Planänderung dar. Nach § 8 Abs.
2 Nr. 1 BauNVO 1962 seien in Gewerbegebieten Gewerbebetriebe aller Art zulässig, auch
Einzelhandelsbetriebe unabhängig von ihrer Größe. Die Einschränkungen für großflächige
Einzelhandelsbetriebe (§ 11 Abs. 3 BauNVO) seien erst mit der BauNVO 1968 eingeführt
worden; nach der Übergangsbestimmung gelte für Bauleitpläne, deren Aufstellung oder
Änderung bereits eingeleitet sei, die Verordnung in der bisherigen Fassung, wenn die Pläne
bei Inkrafttreten der Verordnung bereits nach § 2 Abs. 6 BBauG ausgelegt worden seien.
Die Ziele der Raumordnung und Landesplanung spielten bei der Zulassung eines
Bauvorhabens keine Rolle. (BVerwG, Beschluss vom 04.06.2008 – 4 BN 12.08 -, BauR
2008, 1415) Nach § 2 BauGB hätten Gemeinden zwar Bauleitpläne aufzustellen und nach
§ 1 Abs. 4 BauGB den Zielen der Raumordnung anzupassen. Bleibe aber eine Gemeinde
untätig, entfalte das keine normative Wirkung und begründe keine Ansprüche gegenüber
der Bauaufsicht. Die Erschließung sei gesichert. Einer Vergrößerung der Baumasse um fast
50 % liege ebenso wenig vor wie der behauptete Widerspruch zum planerischen
Grundkonzept des Bebauungsplans. Da eine Vergrößerung des Baufeldes nicht erfolge und
die Grundflächenzahl von 0,5 mit 0,499 ebenso eingehalten werde wie die Baumassenzahl
von 4,5 mit 4,26, würden nachbargemeindliche Interessen insoweit nicht berührt.
Ob das Vorhaben mit den Zielen der Raumordnung im Einklang stehe, könne dahinstehen,
weil die Grundsätze und Ziele der Raumordnung und der Landesplanung gegenüber den
Bürgern keine unmittelbare Rechtswirkung hätten.
Ein qualifizierter Abstimmungsanspruch der Klägerin nach § 2 Abs. 2 BauGB bestehe nicht,
da diese Bestimmung nur für die Bauleitplanung gelte und sich das Einkaufszentrum zudem
nicht nach § 11 Abs. 3 BauNVO, sondern allein nach den §§ 8 und 9 BauNVO 1962
beurteile. Aus § 2 Abs. 2 BauGB ergebe sich kein Anspruch auf interkommunale
Abstimmung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom
11.02.1993 – 4 C 15.92 -, NVwZ 1994, 285 = BRS 55 Nr. 174) entfalte § 2 Abs. 2
BauGB nur dann Rechtswirkungen gegenüber der Nachbargemeinde, wenn die Gemeinde
dem Bauinteressenten unter Missachtung dieser Vorschrift einen Zulassungsanspruch
verschafft habe, was vorliegend nicht der Fall sei. Die Ansicht des OVG Lüneburg, es gebe
keinen durchgreifenden Grund, Fälle mit und ohne Planungsbezug unterschiedlich zu
behandeln, sei mit der Gesetzessystematik des § 2 Abs. 2 BauGB nicht zu vereinbaren.
Dementsprechend greife § 2 Abs. 2 BauGB vorliegend nicht. Das zugelassene Vorhaben
löse auch nach seiner Art und seinem Umfang nach kein Bedürfnis aus, die Belange in einer
förmlichen Planung zu eruieren und in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Dass das
zugelassene Vorhaben unmittelbare Auswirkungen gewichtiger und städtebaulicher Art auf
das Gebiet der Klägerin haben werden, sei nicht anzunehmen. Auch § 2 Abs. 2 Satz 2
BauGB stehe der Zulassung des Vorhabens der Beigeladenen nicht entgegen, weil diese
Norm keine Wirkung gegenüber einzelnen Vorhaben habe.
Sollte der Bebauungsplan unwirksam sein, richte sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach
§ 34 BauGB, weil sich das Grundstück innerhalb eines im Zusammenhang bebauten
Ortsteils und nicht im Außenbereich befinde. Dort füge es sich im Verständnis von § 34
Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Denn in der näheren Umgebung
befinde sich ein Betrieb im Verständnis von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauNVO, der
kein Fremdkörper sei.
Die Beigeladene zu 2. (Gemeinde) stellt keinen förmlichen Antrag.
Im Laufe des Gerichtsverfahrens hat die Beigeladene 1. erklärt, dass die Anteile eines ihrer
Gesellschafter von einem neu eingetretenen Gesellschafter übernommen worden seien.
Die vier (neuen) Gesellschafter seien auch Eigentümer des Vorhabengrundstücks.
Daraufhin wurde der Beiladungsbeschluss entsprechend geändert.
Mit Aufklärungsbeschluss vom 25.06.2009 hat die Kammer die Beteiligten darauf
hingewiesen, dass der Bebauungsplan voraussichtlich schon deshalb unwirksam sei, weil er
nicht die Änderungen enthalte, die mit dem Satzungsbeschluss vom 22.01.1965
hinsichtlich der Baugrenzen des Grundstücks B. sowie der Grundflächenzahl und der
Baumassenzahl beschlossen worden seien. Dieser Ausfertigungsmangel sei wohl auch
nicht nach den §§ 214 f. BauGB unbeachtlich. Allerdings könne der Bebauungsplan ggf. im
Wege eines ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB berichtigt, erneut
ausgefertigt und mit Rückwirkung in Kraft gesetzt werden.
Zu dem Aufklärungsbeschluss macht die Klägerin geltend, eine Heilung nach § 214 Abs. 4
BauGB und eine rückwirkende Inkraftsetzung des Bebauungsplanes seien nicht mehr
zulässig, wenn sich die Verhältnisse so grundlegend geändert hätten, dass der
Bebauungsplan inzwischen einen funktionslosen Inhalt habe oder das ursprünglich
unbedenkliche Abwägungsergebnis unhaltbar geworden sei. (BVerwG, Urteil vom
10.08.2000 – 4 C 2.99 -, NVwZ 2001, 203 = BRS 63 Nr. 42; Beschluss vom 25.02.1997
– 4 NB 40.96 -, BRS 59 Nr. 31) Vorliegend hätten sich die Ziele der Raumordnung im
Zeitraum von 1966 bis 2009 so durchgreifend geändert, dass das 1965 getroffene
Abwägungsergebnis heute unhaltbar wäre. Da nach der Beschlussfassung des
Bebauungsplans Ziele der Raumordnung rechtswirksam geworden seien, die eine
Anpassungspflicht begründeten, habe der Bebauungsplan nicht mehr bekannt gemacht
werden dürfen. (BVerwG, Beschluss vom 14.05.2007 – 4 BN 8.07 -, BRS 71 Nr. 29) Die
sich aus § 1 Abs. 4 BauGB ergebende Pflicht zur Anpassung der Bauleitplanung an die Ziele
der Raumordnung sei auf eine dauerhafte Übereinstimmung der Ebenen der
übergeordneten Landesplanung und der gemeindlichen Bauleitplanung gerichtet. (BVerwG,
Urteil vom 17.09.2003 – 4 C 14.01 -, BVerwGE 119, 25 = BRS 66 Nr. 1) Hieraus folge
nicht nur eine Anpassungspflicht, wenn die Gemeinde Bauleitpläne aus eigenem Entschluss
und alleine aus städtebaulichen Gründen aufstelle oder ändere, sondern auch eine
Verpflichtung zu planerischem Tätigwerden, wenn allein geänderte oder neue Ziele der
Raumordnung eine Anpassung der Bauleitpläne erforderten. Wenn die Gemeinde
verpflichtet sei, in Kraft getretene Bebauungspläne den späteren Zielen der Raumordnung
anzupassen, müsse das erst recht für noch nicht in Kraft getretene Pläne gelten. (OVG
Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 05.11.2008 – 3 L 281/03 -) Der auf der Grundlage
der BauNVO 1962 beschlossene Plan verstoße gegen die Ziele des
Landesentwicklungsplans „Siedlung“ vom 04.07.2006. Nach dessen Ziffer 2.5.2 (44)
müssten sich großflächige Einzelhandelseinrichtungen bezüglich Größenordnung und
Warensortiment funktional in die vorgegebene zentrale örtliche Versorgungsstruktur
einfügen. Der Einzugsbereich der entsprechenden Einzelhandelseinrichtung dürfe den
Verflechtungsbereich des betreffenden zentralen Ortes nicht wesentlich überschreiten. Dies
sei vom Planungsträger nachzuweisen. Gemäß (45) sei das Beeinträchtigungsverbot zu
beachten sowie entsprechend (46) das städtebauliche Integrationsgebot, es sei denn, es
handele sich um Einzelhandelseinrichtungen mit nicht zentrenrelevanten
Warensortimenten. Schließlich habe die planende Standortgemeinde entsprechend (49)
das interkommunale Abstimmungsgebot und § 34 Abs. 3 BauGB zu beachten und bei der
Ansiedlung großflächiger Einzelhandelseinrichtungen über 5.000 m
2
Verkaufsfläche ein
Raumordnungsverfahren durchzuführen (51).
Die Beigeladene zu 2. hält den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.05.2007
– 4 BN 8.07 – für nicht einschlägig. Dort habe das BVerwG ausgeführt, dass ein
Bebauungsplan nicht mehr bekannt gemacht werden dürfe, wenn ein Ziel der
Raumordnung ersichtlich dem Zweck gedient habe, eine bestimmte gemeindliche Planung
zu verhindern. Das sei vorliegend nicht der Fall. Wenn nämlich der Bebauungsplan nach §
214 Abs. 4 BauGB rückwirkend in Kraft gesetzt werde, hätten sich die Ziele der
Raumordnung zwischen der Beschlussfassung und dem Inkrafttreten nicht geändert, weil
die Rechtslage so zu beurteilen sei, als ob die Satzung bereits im Zeitpunkt des
Inkrafttretens wirksam gewesen sei. (Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB; § 214 Rdnr. 278)
Auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.09.2003 – 4 C 14.01 – stehe
einer rückwirkenden Inkraftsetzung des Plans nicht entgegen, weil § 214 Abs. 4 BauGB
gerade die rückwirkende Inkraftsetzung vorsehe. Vorliegend diene die rückwirkende
Inkraftsetzung des Planes der Rechtssicherheit und dem Rechtsschutzinteresse aller
Grundstückseigentümer in dem Plangebiet. Deshalb sei der Bebauungsplan am
07.09.2009 neu ausgefertigt und rückwirkend zum 31.10.1966 in Kraft gesetzt worden.
Die ortsübliche Bekanntmachung sei am 11.09.2009 erfolgt.
Die Beigeladene zu 1. tritt den Ausführungen der Beigeladenen zu 2. bei und verteidigt die
Durchführung des ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB und die rückwirkende
Inkraftsetzung des Bebauungsplans mit dem vom Gesetzgeber gewollten Ziel der
Planerhaltung. Sie habe die Grundstücke von der Beigeladenen zu 2. mit der Verpflichtung
gekauft, dort (nur) großflächigen Einzelhandel oder Gewerbebetriebe anzusiedeln. Der
Bebauungsplan sei nicht funktionslos geworden. Vielmehr seien ca. 95 % des Plangebietes
plankonform bebaut worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
unterliege die Anpassungspflicht des § 1 Abs. 4 BauGB nicht dem Abwägungsprogramm
beim Erlass eines Bebauungsplans, sei diesem vielmehr rechtlich vorgelagert. (BVerwG,
Urteil vom 14.05.2007 – 4 BN 8.07 -, NVwZ 2007, 952 = BRS 71 Nr. 29) Daraus folge,
dass § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB („Für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im
Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan oder die Satzung
maßgebend.“) dann nicht heranzuziehen sei. (BVerwG, Beschluss vom 08.03.2006 – 4 B
75.05 -, NVwZ 2006, 932 = BRS 70 Nr. 2) Im Regelfall stehe aber auch eine nachträgliche
Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse einer Fehlerbehebung nach § 214
Abs. 4 BauGB wegen der Regelung des § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht entgegen. Auf
einen Verstoß gegen die Ziele des Landesentwicklungsplans (LEP) „Siedlung“ vom
04.07.2006 könne sich die Klägerin nicht berufen. Dieser sei in Bezug auf das Verhältnis
zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 2. funktionslos und damit obsolet
geworden. Nach Nummer 44 des LEP müssten sich großflächige
Einzelhandelseinrichtungen in Bezug auf Größenordnung und Warensortiment funktional in
die vorgegebene Versorgungsstruktur einfügen. Der Einzugsbereich dürfe den
Verflechtungsbereich des betreffenden zentralen Ortes nicht wesentlich überschreiten
(Kongruenzgebot). Dieses sei vom Planungsträger entsprechend nachzuweisen. In der
Gemeinde Ensdorf werde der letzte zentrale Nahrungsmittelmarkt geschlossen. Den
Nachbargemeinden Bous, Schwalbach und Saarlouis seien großzügige
Einzelhandelseinrichtungen genehmigt worden, die überwiegend nicht in den zentralen
Gemeindeteilen lägen, in Bous das EKZ, Aldi, Lidl usw., in Schwalbach Rewe, Aldi und Lidl,
in Saarlouis-Lisdorf Rewe, in Saarlouis-Fraulautern Wasgau. Das zeige mit Deutlichkeit,
dass in den Nachbargemeinden und insbesondere von der Klägerin zum Nachteil von
Ensdorf gegen das Kongruenzgebot verstoßen worden sei. Weiterhin sei sowohl von der
Klägerin als auch von den anderen Nachbargemeinden zu Lasten der Gemeinde Ensdorf
gegen das Beeinträchtigungsverbot der Nummer 45 verstoßen worden. Danach dürften bei
Neuansiedlungen, Erweiterungen und Nutzungsänderungen großflächiger
Einzelhandelseinrichtungen das Zentrale-Orte-Gefüge des Landes sowie die
Funktionsfähigkeit des jeweiligen zentralen innerörtlichen Versorgungsbereiches des
zentralen Ortes (Standortgemeinde) sowie der benachbarten zentralen Orte
(Nachbargemeinden) nicht beeinträchtigen. Das gelte insbesondere für solche
Standortgemeinden, in denen der Erfolg von städtebaulichen Maßnahmen zur funktionalen
Stärkung oder Stabilisierung von Stadt- und Ortsteilen in Frage gestellt wird. Auch gegen
das städtebauliche Integrationsgebot der Nr. 46 habe insbesondere die Klägerin zu Lasten
der Gemeinde Ensdorf verstoßen, indem sie großflächige Einzelhandelseinrichtung nicht in
engen räumlichen Zusammenhang mit dem zentralen innerörtlichen Versorgungsbereich,
sondern an die Gemeindegrenze habe errichten lassen. Bei diesen massiven Verstößen
gegen die Ziele des LEP handele es sich auch keineswegs um unbedeutende Einzelfälle
(„Ausreißer“). Vielmehr hätten die tatsächlichen Verhältnisse die Ziele des LEP offenbar
auch mit Duldung der Landesplanung in diesem Bereich quasi ad absurdum geführt. Diese
seien hier aufgrund der tatsächlich vorhandenen Bebauung (mit großflächigen
Einzelhandelsgeschäften) nicht mehr umsetzbar, und zwar auch nicht im Rahmen einer
erneuten Abwägungsentscheidung im Rahmen des Erlasses des bekannt gemachten
Bebauungsplans.
Das Gericht hat die Örtlichkeit am 30.09.2009 in Augenschein genommen; wegen des
Ergebnisses wird auf das Protokoll der Ortsbesichtigung Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und
der beigezogenen Verwaltungsunterlagen (Bauakte) der Beklagten – Untere
Bauaufsichtsbehörde – und des Bebauungsplans „Ober dem Mühlenweg und Hohweiher“
nebst Planaufstellungsunterlagen Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen
Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 03.06.2008 zum „Neubau eines
Einkaufszentrums“ ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.10.2008 in ihren
öffentlich-rechtlich geschützten Rechten.
Im Falle der Drittanfechtung einer Baugenehmigung ist diese allein daraufhin zu
untersuchen, ob sie mit wehrfähigen Rechten gerade des Dritten zu vereinbaren ist. Dabei
sind allein diejenigen Vorschriften des öffentlichen Rechts in den Blick zu nehmen, die durch
die angefochtene Baugenehmigung umgesetzt und gerade den Schutz des konkret um
Rechtsschutz nachsuchenden Dritten bezwecken sollen. Welchen Vorschriften des
Baurechts drittschützende Funktion zukommt, ist jeweils nach Inhalt, Zweck und Wirkung
der einzelnen Vorschrift darauf zu untersuchen, ob die spezielle Norm zumindest auch den
Schutz des Dritten bezweckt. Dabei ist Zurückhaltung geboten und grundsätzlich ein
strenger Maßstab anzulegen, um einer Ausuferung in Richtung auf eine verdeckte
Popularklage zu begegnen sowie den verständlichen Bedürfnissen des Bauherrn nach
Rechtssicherheit gerecht zu werden. Eine besondere subjektive Rechtsstellung des Dritten
kann nur dann anerkannt werden, wenn der Kreis der geschützten Personen durch die
Norm hinreichend klar gestellt wurde, wobei zu fragen ist, ob die Vorschrift gerade darauf
abzielt, Baumaßnahmen oder Nutzungen zu verhindern, welche typischerweise Dritte
schädigen oder gefährden. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das streitige
Vorhaben mit den sonstigen Rechtsvorschriften in Einklang steht, ist für das Verfahren
ohne Bedeutung. Dritte haben im Verwaltungsrechtsstreit kein Recht auf Einhaltung von
Rechtsvorschriften, die nicht ihrem Schutz zu dienen bestimmt sind.
Die angegriffene Baugenehmigung verletzt die Klägerin in bauplanungsrechtlicher Hinsicht
(Bauordnungsrechtliche Bedenken sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich) in ihren
öffentlich-rechtlich geschützten Rechten. Bauplanungsrechtlich beurteilt sich die
Zulässigkeit eines Vorhabens und damit auch die Abwehrmöglichkeit Dritter - wie sonst
auch - nach den für das Baugrundstück geltenden Rechtsnormen. (BVerwG, Urteil vom
28.10. 1993 - 4 C 5.93 -, BRS 55 Nr. 168 = NVwZ 1994, 686)
Da das Baugrundstück im Geltungsbereich des vom Gemeinderat der Gemeinde Ensdorf
am 22.01.1965 beschlossenen Bebauungsplans „Ober dem Mühlenweg und Hohweiher“
liegt, richtet sich die Zulässigkeit des genehmigten Vorhabens nach § 30 BauGB, wenn der
Bebauungsplan rechtswirksam ist.
1. Die Wirksamkeit des Bebauungsplans kann nicht im Hinblick darauf dahinstehen, dass für
das Vorhabengrundstück unter dem 27.09.2004 ein Vorbescheid über die
planungsrechtliche Zulässigkeit eines Warengeschäftshauses erteilt wurde. Zwar stellt sich
ein solcher Vorbescheid rechtlich als Teilendgenehmigung dar. Indes wurde der Vorbescheid
der Klägerin weder bekanntgegeben noch hatte sie – etwa aufgrund einer Beteiligung im
Verfahren – Kenntnis von dem Vorbescheid. Auch aus den Verfahrensakten des
vorliegenden Verfahrens ergab sich kein Hinweis auf den – am 29.09.2008 abgelaufenen -
Vorbescheid, sodass dieser die Abwehrrechte der Klägerin gegen die Baugenehmigung
nicht einschränken konnte.
2. Soweit die Klägerin mit ihrer Klage ursprünglich geltend gemacht hat, es sei bereits
zweifelhaft, ob von dem Plan überhaupt eine Original-Urkunde angefertigt worden sei, hat
sich dieses Vorbringen spätestens mit der Anfertigung eines neuen
Ausfertigungsexemplars im Jahre 2009 überholt.
Allerdings bestanden für das Gericht auch in Bezug auf den Gerichtsakten gereichten, im
Laufe der Zeit in zwei Teile zerfallenen Bebauungsplan keine ernsthaften Bedenken, dass
es sich dabei um die Original-Urkunde handelte. Das ergab sich ohne weiteres bereits
daraus, dass die Urkunde die dokumentenechten Unterschriften der Bürgermeisters sowie
des Vertreters des Ministers für Öffentliche Arbeiten und Wohnungsbau trägt und nicht
davon auszugehen ist, dass es weitere Exemplare mit den Originalunterschriften gibt.
Ausweislich des Begleitschreibens des Ministers für Öffentliche Arbeiten und Wohnungsbau
vom 25.08.1966 hat dieser dem Bürgermeister als Anlagen übersandt: „2
Bebauungspläne und 1 Begründung, 3 ungültige Bebauungspläne, Längs- und
Querschnitte“; die Zweitausfertigung sei für die Baugenehmigungsbehörde des Landkreises
bestimmt. Das zeigt mit Deutlichkeit, dass es sich bei dem von der Gemeinde vorgelegten
(alten) Plan nur um das Original handeln kann.
Dieser Bebauungsplan enthält zwar – wie auch der im Jahre 2009 neu angefertigte Plan -
nicht die Passage, dass der Bürgermeister die Übereinstimmung des Planinhalts mit dem
Satzungsbeschluss vom 22.01.1965 bescheinigt. Allerdings lässt sich ein dahingehender
Erklärungsinhalt der Bürgermeisterunterschrift mit dem Datum vom 25.01.1965, drei Tage
nach dem Satzungsbeschluss, verbunden mit dem Dienstsiegel durch Auslegung
entnehmen. Die Passage „Der Bebauungsplan wurde gemäß § 10 BBauG als Satzung vom
Gemeinderat am 22.01.1965 beschlossen. Ensdorf, den 25.01.1965. Der Bürgermeister.“
lässt keinen anderen Schluss zu, als dass damit die Übereinstimmung des Plans mit dem
Satzungsbeschluss bestätigt werden sollte. Nichts anderes gilt für die neue Planurkunde.
Wann der Bürgermeister den Satzungsbeschluss im Beschlussbuch der Gemeinde
abzeichnet hat für die Wirksamkeit der Ausfertigung der Originalplanurkunde keine
Bedeutung.
3. Dass der am 22.01.1965 vom Gemeinderat beschlossene Bebauungsplan am
25.01.1965 nicht wirksam ausgefertigt wurde, weil die (alte) Urkunde offenkundig nicht die
im Ratsbeschluss vom 22.01.1965 beschossenen Änderungen enthält, steht nicht mehr
ernsthaft in Frage.
Mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des OVG des Saarlandes
(Urteil vom 31.03.2004 – 1 R 6/03 -) ist davon auszugehen, dass das Rechtsstaatsprinzip
die Ausfertigung auch von in der Rechtsform gemeindlicher Satzungen ergehenden
Bebauungsplänen vorschreibt und sich die insoweit stellenden Anforderungen nach dem
jeweiligen Landesrecht richten, da sich das Baugesetzbuch bei der verfahrensrechtlichen
Ausgestaltung der Bauleitplanung auf das zur Wahrnehmung eines rechtsstaatlichen
Mindeststandards Notwendige beschränkt und keine einfachgesetzliche Regelung der
Planausfertigung enthält. (so etwa BVerwG, Beschlüsse vom 16.05.1991 – 4 NB 26.90 -,
BRS 52 Nr. 32, und vom 09.05. 1996 – 4 NB 60.96 -, BRS 58 Nr. 41; OVG des
Saarlandes, Urteil vom 10.03.2003 – 1 N 3/03 -) Allerdings ist der Bestimmung des § 10
Abs. 3 BauGB 1998 (früher § 12 BBauG/BauGB) unmittelbar zu entnehmen, dass es sich
bei der Planausfertigung um einen Verfahrensschritt handelt, der der Bekanntmachung als
Schlusspunkt des Rechtssetzungsverfahrens voranzugehen hat. (BVerwG, Beschluss vom
09.05.1996 – 4 B 60.96 -, BRS 58 Nr. 41) Das saarländische Landesrecht trifft ebenfalls
keine einfachgesetzliche Regelung der inhaltlichen Anforderungen an die Ausfertigung von
Rechtsnormen. Landesverfassungsrechtlich ist lediglich vorgeschrieben, dass die im
verfassungsmäßigen Verfahren beschlossenen Gesetze vom Ministerpräsidenten mit den
zuständigen Ministern (Art. 102 Landesverfassung) und Rechtsverordnungen von der Stelle
auszufertigen sind, die sie erlassen hat (Art. 104 Abs. 2 Landesverfassung).
Da Rechtsstaatlichkeit verlangt, dass Rechtsnormen nicht mit einem anderen Inhalt als
vom Normgeber beschlossen in Kraft gesetzt werden, kommt der Ausfertigung die
Aufgabe zu, die Übereinstimmung des Norminhaltes mit dem Willen des Normgebers zu
prüfen und zu bestätigen. (BVerwG, Beschluss vom 16.05.1991 – 4 NB 26.90 -, BRS 52
Nr. 32) Übertragen auf die Aufstellung von Bebauungsplänen in Form von gemeindlichen
Satzungen bedeutet das, dass die Übereinstimmung des zur Veröffentlichung
vorgesehenen Bebauungsplanes mit dem Willen des gemeindlichen Beschlussorgans
überprüft und bescheinigt wird. Zuständig für diese Prüfung und Erklärung ist der
Bürgermeister der jeweiligen Gemeinde, der gemäß § 59 Abs. 2 Satz 2 KSVG die
Beschlüsse des Gemeinderats ausführt. (OVG des Saarlandes, Urteil vom 31.03.2004 – 1
R 6/03 – unter Hinweis auf: Wohlfahrt, Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003, Rdnr. 85;
Lenné/Weyrich, KSVG, Stand Oktober 1998, § 12 Anm. 2)
Auf dieser Grundlage hat das OVG des Saarlandes im Urteil vom 31.03.2004 – 1 R 6/03 -
einen Bebauungsplan als nicht ausgefertigt angesehen, bei dem auf der Planlegende neben
der Unterschrift des Bürgermeisters und dem Dienstsiegel kein Datum vorhanden war und
dazu ausgeführt:
Ein Begleittext, aus dem hervorgeht, dass auf diese Weise die Übereinstimmung
des Planinhalts mit dem Satzungsbeschluss bescheinigt werden soll, fehlt indes.
Ein dahingehender Erklärungsinhalt lässt sich der Bürgermeisterunterschrift und
Dienstsiegel auch nicht durch Auslegung entnehmen. Insbesondere fehlt die
Angabe eines – nach dem Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses und vor der
Schlussbekanntmachung liegenden – Datums, das es erlaubte, Unterschrift und
Dienstsiegel von ihrem zeitlichen Kontext her als Ausfertigungsvermerk zu
verstehen. Ohne eine solche Datumsangabe aber kann der bloßen Unterschrift
des Bürgermeisters in Verbindung mit dem Dienstsiegel durchaus auch eine
andere Bedeutung zukommen, vor allem als Abzeichnung des von der
Verwaltung erstellten Planentwurfs, der dann – im Rahmen des hier
durchgeführten vereinfachten Verfahrens nach § 13 BBauG 1979 – den
betroffenen Eigentümern zur Zustimmung (Unterschrift) vorgelegt wurde. …
Eine dem Verwaltungsgericht möglicherweise vorschwebende Beweiserhebung
über den wirklichen Willen des Bürgermeisters bei der Unterschriftsleistung
und/oder deren genaueren Zeitpunkt verbietet sich. Die Frage, ob der Plan
ausgefertigt ist, muss anhand der Originalurkunde beantwortbar sein. Nur dann
ist dem gerade durch die Ausfertigung Rechnung zu tragenden Gebots der
Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit genügt.
Ist die … Änderung des Bebauungsplans … danach nicht ausgefertigt, so ist
dieser Mangel bislang weder in einem ergänzenden Verfahren nach § 215 a Abs.
1 BauGB behoben worden.
Auf dieser Grundlage wurde der am 22.01.1965 beschlossene Bebauungsplan am
25.01.1965 nicht wirksam ausgefertigt. Denn offenkundig stimmte die Originalurkunde
nicht mit dem Satzungsbeschluss überein. Ausweislich des Auszugs aus dem
Beschlussbuch der Gemeinde beschloss der Gemeinderat den Bebauungsplan unter
„Stattgabe der Bedenken und Anregungen der Firma B. auf Änderung der Baugrenzen
sowie der Grundflächen- und Baumassenzahl“. Die Baugrenze an der Westseite des
Grundstücks sollte bis auf 6 m Abstand zur Straße verlegt werden. Die nördliche
Baugrenze entlang der Bundesbahn sollte ohne Rücksprung in gerader Linie bis zum Ende
des Baugrundstücks B. geführt werden. Die Grundflächenzahl sollte im gesamten Gebiet
des Bebauungsplanes entsprechend § 17 BauNVO auf das höchstzulässige Maß von 0,7
und die Baumassenzahl auf 6,0 heraufgesetzt werden (vorher 0,5 bzw. 4,5).
Demgegenüber enthält die Planurkunde diese Änderungen nicht. Damit steht fest, dass die
(alte) Planurkunde im Rechtssinne keine Ausfertigung des am 22.01.1965 beschlossenen
Bebauungsplans ist.
3. Mit der Neuausfertigung des Bebauungsplans vom 07.09.2009 hat sich die Rechtslage
insoweit geändert, als diese Ausfertigung nunmehr die Änderungen enthält, die der
Gemeinderat am 22.01.1965 beschlossen hatte. Die Neuausfertigung beruht auf dem
Hinweis der Kammer im Aufklärungsbeschluss vom 25.06.2009, in dem eine Berichtigung,
erneute Ausfertigung und rückwirkende Inkraftsetzung des Plans im Wege eines
ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB als Möglichkeit in den Raum gestellt
wurde.
Im Regelfall steht eine nachträgliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnisse einer Fehlerbehebung nicht entgegen, weil gemäß § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB
die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der (ursprünglichen) Beschlussfassung über den
Plan maßgebend ist. Wenn sich allerdings – im Ausnahmefall – die Verhältnisse so
grundlegend verändert haben, dass der Bebauungsplan inzwischen einen funktionslosen
Inhalt hat oder das ursprünglich unbedenkliche Abwägungsergebnis unhaltbar geworden ist,
kommt eine Fehlerbehebung nicht mehr in Betracht. In diesem Fall würde allerdings auch
eine Bestätigung des Plans durch eine abwägende Entscheidung des Gemeinderats nichts
nutzen; denn ein Plan mit einem funktionslosen oder auf einem unhaltbaren
Abwägungsergebnis beruhenden Inhalt kann niemals zu wirksamem Recht werden.
(BVerwG, Urteil vom 10.08.2000 – 4 CN 2.99 –, BRS 63 Nr. 42 = NVwZ 2001, 203;
Beschluss vom 25.02.1997 – 4 NB 40.96 -, BRS 59 Nr. 31)
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nach der neueren Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts vor. So heißt es im Beschluss vom 14.05.2007 – 4 BN 8.07 -,
BRS 71 Nr. 29:
Die Pflicht, die Bauleitplanung den Zielen der Raumordnung anzupassen
(§ 1 Abs. 4 BauGB) bezweckt die Gewährleistung umfassender
Konkordanz zwischen der übergeordneten Landesplanung und der
gemeindlichen Bauleitplanung.
Aus ihr folgt das Gebot,
einen bereits in Kraft getretenen Bebauungsplan zu ändern, wenn neue
oder geänderte Ziele der Raumordnung dies erfordern.
der Gesetzgeber denn Zielen der Raumordnung in der Bauleitplanung zuweist,
ist, wie der Senat im Beschluss vom 20.08.1992 (- 4 NB 20.91 -, BVerwGE 90,
329, 332 = BRS 54 Nr. 12) näher dargelegt hat, nicht im
Abwägungsprogramm zu suchen. Er ist diesem vielmehr rechtlich vorgelagert.
Die Ziele der Raumordnung enthalten Festlegungen, die in der
Bauleitplanung als verbindliche Vorgaben hinzunehmen sind. Daraus
folgt, dass die Regelung in § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB, wonach für die
Abwägung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung
über den Bebauungsplan maßgebend ist, nicht heranzuziehen ist.
Beschluss vom 08.03.2006 – 4 B 75.05 -, BauR 2006, 1087 = Buchholz
406.11 § 1 BauGB Nr. 124 Rdnr. 12)
Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 29.09.1978 (- 4 C
30.76 -, BVerwGE 56, 283 = BRS 33 Nr. 11 = BauR 1978, 449) entschieden,
dass auch ein in beachtlicher Weise in seinem Abwägungsergebnis
mangelhafter, d.h. wegen dieses Ergebnisses nicht annehmbarer Plan nicht in
Kraft treten kann. Auch insoweit kann in zeitlicher Hinsicht nicht auf den
Satzungsbeschluss abgestellt werden. Vielmehr kommt es auf den Zeitpunkt
des gewollten Inkrafttretens, also die Bekanntmachung an. Diese Rechtsfolge
führt dazu, dass eine Gemeinde einen Bebauungsplan zwischen der
Beschlussfassung und der Bekanntmachung nicht völlig aus den Augen verlieren
darf. Wenn nach Beschlussfassung des Bebauungsplans ein Ziel der
Raumordnung rechtswirksam wird, das eine Anpassungspflicht, also eine
Verpflichtung, den Bebauungsplan zu ändern oder von einer Änderung eines
früheren Bebauungsplans abzusehen, begründet, darf der Bebauungsplan nicht
bekannt gemacht werden. Dies gilt in besonderer Weise, wenn ein Ziel der
Raumordnung ersichtlich in der Absicht erlassen worden ist, eine bestimmte
gemeindliche Planung zu verhindern. Entgegen der Auffassung der Beschwerde
fordert das Rechtsstaatsgebot nicht das Inkraftsetzen einer mit höherrangigem
Recht nicht vereinbarten gemeindlichen Satzung, sondern das Herbeiführen
(oder Belassen) einer materiell-rechtlich rechtmäßigen Regelung. (vgl. Beschluss
vom 08.03.2006 – 4 BN 56.05 -, juris Rdnr. 9)
Ob der Bebauungsplan – wie von der Klägerin sinngemäß geltend gemacht und von der
beigeladenen Gemeinde mit Nachdruck in Abrede gestellt - wegen einer grundlegenden
Veränderung der (tatsächlichen) Verhältnisse einen funktionslosen Inhalt hat, bedarf
vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, weil es darauf nicht entscheidend
ankommt.
Denn das im Jahre 1965 (aller Voraussicht nach wohl) unbedenkliche Abwägungsergebnis
ist aufgrund einer Veränderung der Verhältnisse nunmehr unhaltbar geworden. Insoweit
beruft sich die Klägerin mit Recht auf die seit dem Jahre 1965 geänderten Ziele der
Raumordnung im aktuellen Landesentwicklungsplan „Siedlung“ vom 04.07.2006 (ABl. S.
962 <991>). Der Einwand der Beigeladenen, die Ziele der Raumordnung seien der
Abwägung vorgelagert und gerade nicht zum „Abwägungsprogramm“ bei der Aufstellung
von Bebauungsplänen gehörten, greift nicht.
Aus dem zitierten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.07.2007 – 4 BN 8.07
– ergibt sich nämlich hinreichend deutlich, dass es für die Frage der Wirksamkeit eines
Bebauungsplans im Hinblick auf dessen Vereinbarkeit mit den Zielen der Landesplanung
und Raumordnung bei nach § 214 Abs. 4 BauGB rückwirkend in Kraft gesetzten Satzungen
auf den Zeitpunkt der Bekanntmachung ankommt, und damit auf die Verhältnisse im Jahre
2009.
Die aufgrund des Beschluss des Gemeinderates vom 22.01.1965 geschaffene
planungsrechtliche Zulässigkeit eines Einkaufszentrums an dem Standort im Gewerbe- und
Industriegebiet in Ensdorf ohne die Entscheidung der Landesplanungsbehörde zur
Erforderlichkeit der Durchführung eines Raumordnungsverfahrens läuft den Zielen des
Landesentwicklungsplans, Teilabschnitt „Siedlung“, vom 04.07.2006 (ABl. S. 962) – im
Folgenden: LEP Siedlung - zuwider. Nach dessen Textziffer 1.2 ist wesentlicher Inhalt des
LEP Siedlung u.a. die Festlegung von Zielen und Grundsätzen für die Ansiedlung,
Erweiterung und Änderung von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen. Dabei soll der LEP
Siedlung dazu beitragen, dass in allen Landesteilen eine bedarfsorientierte
Warenversorgung der Bevölkerung durch eine ausgewogene und breit gefächerte, nach
Zentralörtlichkeit differenzierte Einzelhandelsstruktur sichergestellt wird. Die in dem Plan
getroffenen raumordnerischen Festlegungen stellen das Ergebnis von Abwägungen
zwischen überörtlich bedeutsamen Ansprüchen und langfristig gebotenen Erfordernissen
aus Landessicht einerseits sowie der kommunalen Planungsträger und der sonstigen
öffentlichen Planungsträger andererseits dar. Den Kommunen verbleibt ein ausreichender
Spielraum, um eigenverantwortlich die Erhaltung und Entwicklung nachhaltiger Siedlungs-
und Versorgungsbedingungen gestalten zu können.
Nach Textziffer 1.5 sind die Festlegungen nach landesplanerischen Zielen (Z) und
Grundsätzen (G) der Raumordnung im Sinne der §§ 3 und 4 ROG und in Verbindung mit §
2 Abs. 1 SLPG differenziert. Dabei sind
Ziele (Z):
verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und
sachlich
bestimmten
oder
bestimmbaren,
abschießend
abgewogenen
textlichen
oder
zeichnerischen
Festlegungen
zur
Entwicklung,
Ordnung und Sicherung des Raumes. Sie lassen
nachfolgenden
Planungsebenen
je
nach
Konkretisierungsgrad Gestaltungsspielräume, können
jedoch
durch
planerische
Abwägung
oder
Ermessensausübung nicht überwunden werden.
Ziele,
die
die
Bauleitplanung
betreffen,
begründen daher eine Anpassungspflicht
Grundsätze
(G):
allgemeine Aussagen zur Entwicklung und Sicherung
des Raumes als Vorgaben für die nachfolgenden
Ermessens-
und
Abwägungsentscheidungen.
Grundsätze sind im Sinne einer Abwägungsdirektive
zu berücksichtigen und daher einer Abwägung in
nachgelagerten Planungsebenen und –verfahren,
insbesondere der Bauleitplanung, zugänglich. Das
Abwägungsergebnis im Rahmen der nachgelagerten
Planungsverfahren muss jedoch nachvollziehbar
begründet werden.
Die Bindungswirkungen de Ziele und Grundsätze richten sich nach § 4 ROG, nach § 1 Abs.
4 BauGB sowie nach § 6 Abs. 2 SLPG. In erster Linie sind die Ziele und Grundsätze
Vorgaben für die kommunale Bauleitplanung.
Das Zentrale-Orte-Konzept ist nach Tz. 2.1.1 LEP Siedlung geprägt von der Vorstellung
eines stabilen, räumlichen Grundmusters, das jedoch keineswegs statisch ist. Es unterliegt
wie andere raumordnerische Instrumentarien auch aktuellen Veränderungen der
Rahmenbedingungen und muss sich diesen anpassen. Die Zentralen Orte und die
entsprechenden Verflechtungsbereiche sind entsprechend Tz. 2.1.2 LEP Siedlung nach
einem dreistufigen System als Oberzentrum mit dem zugehörigen Oberbereich,
Mittelzentrum mit dem zugehörigen Mittelbereich und Grundzentrum mit dem zugehörigen
Nahbereich differenziert und entsprechend Anlage 1 (Tabelle) und Anlage 2 (Karte)
festgelegt. Nach Anlage 1 ist Saarlouis Mittelzentrum mit dem mittelzentralen
Verflechtungsbereich, während Ensdorf und Saarlouis Grundzentren ohne ausgewiesenen
Nahbereich sind. Die Ziele und Grundsätze für die Ansiedlung, Erweiterung und Änderung
von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen regelt Tz. 2.5.2 LEP Siedlung:
Ziele und
Grundsätze
(G)
Zur
bedarfsgerechten,
verbrauchernahen
Versorgung der Bevölkerung soll in allen Landesteilen
ein auf den jeweiligen Versorgungsauftrag des Ober-
, Mittel- oder Grundzentrums ausgerichtetes
Spektrum
von
Einzelhandels-
und
Dienstleistungseinrichtungen unterschiedlicher Größe
und Angebotsformen sichergestellt werden. Die
Standortgemeinde sollen dazu im Rahmen der
Bauleitplanung
an
städtebaulich
geeigneten
Standorten in den zentralen Orten Flächenvorsorge
für großflächige Einzelhandelseinrichtungen treffen.
(Z)
In nicht-zentralen Gemeindeteilen („Nahbereich“) ist
die
Versorgung
der
Bevölkerung
auf
die
wohnortnahe Grundversorgung mit Waren und
Dienstleistungen des täglichen Bedarfs auszurichten.
(Z)
Großflächige Einzelhandelseinrichtungen im Sinne
des § 11 Abs. 3 Baunutzungsverordnung (BauNVO)
sind nur im Oberzentrum sowie in den Mittel- und
Grundzentren zulässig (Konzentrationsgebot). In
Ausnahmefällen
sind
großflächige
Einzelhandelseinrichtungen auch in nicht-zentralen
Gemeindeteilen zulässig, wenn …
(Z)
Geschoss-
und
Verkaufsflächen
mehrerer
Einzelhandelseinheiten, die im räumlich-funktionalen
Verbund
zueinander
stehen
(Einzelhandelsagglomerationen),
sind
zusammenzuzählen. ….
(Z)
Großflächige Einzelhandelseinrichtungen müssen
sich bezüglich Größenordnung und Warensortiment
funktional in die vorgegebene zentralörtliche
Versorgungsstruktur einfügen. Der Einzugsbereich
der entsprechenden Einzelhandelseinrichtung darf
den
Verflechtungsbereich
des
betreffenden
zentralen Ortes nicht wesentlich überschreiten
(Kongruenzgebot). Dies ist vom Planungsträger
entsprechend nachzuweisen.
(Z)
Neuansiedlungen,
Erweiterungen
bzw.
Nutzungsänderungen
großflächiger
Einzelhandelseinrichtungen dürfen das Zentrale-
Orte-Gefüge
des
Landes
sowie
die
Funktionsfähigkeit
des
jeweiligen
zentralen,
innerörtlichen Versorgungsbereiches des zentralen
Ortes (Standortgemeinde) sowie der benachbarten
zentralen
Orte
(Nachbargemeinden)
nicht
beeinträchtigen (Beeinträchtigungsverbot). Dies gilt
insbesondere für solche Standortgemeinden, in
denen der Erfolg von städtebaulichen Maßnahmen
zur funktionalen Stärkung oder Stabilisierung von
Stadt- und Ortskernen in Frage gestellt wird, z.B. bei
städtebaulichen
Sanierungs-
und
Entwicklungsmaßnahmen,
Stadt-
oder
Dorferneuerungsmaßnahmen.
(Z)
Großflächige Einzelhandelseinrichtungen sind im
engen räumlich-funktionalen Zusammenhang mit
dem zentralen, innerörtlichen Versorgungsbereich
(integrierter Standort) des jeweiligen zentralen
Ortes innerhalb des Siedlungszusammenhangs zu
errichten (städtebauliches Integrationsgebot). Im
Oberzentrum sowie in den Mittelzentren sind
großflächige Einzelhandelseinrichtungen auch in den
Nebenzentren zulässig, sofern sie bezüglich
Größenordnung,
Warensortiment
und
Einzugsbereich
dem
Versorgungsbereich
des
Nebenzentrums angemessen sind und an einem
städtebaulich
integrierten
Standort
errichtet
werden.
(Z)
Großflächige
Einzelhandelseinrichtungen
können
unter
Beachtung
der
landesplanerischen
Zielsetzungen in Ausnahmefällen auch außerhalb
integrierter Standorte des jeweiligen zentralen Ortes
in Sondergebieten (gemäß Baunutzungsverordnung)
ausgewiesen werden. Dies gilt allerdings nur für
Einzelhandelseinrichtungen
mit
nicht-
zentrenrelevanten Warensortimenten, also für
Warengruppen
außerhalb
der
in
Anlage
7
dargestellten zentrenrelevanten Sortimentsgruppen,
deren Vertriebsformen aufgrund ihrer fachlichen
Spezialisierung
hauptsächlich
auf
große
Ausstellungs- und Verkaufsflächen angewiesen sind
(z.B. Möbelhäuser, Bau- und Gartenmärkte,
Autohäuser). In diesen Sondergebieten ist durch
geeignete
Bebauungsplan-Festsetzungen
die
Bündelung
zulässiger,
nicht-zentrenrelevanter
Warensortimente zu ermöglichen.
(G)
Standorte
für
großflächige
Einzelhandelseinrichtungen sollen grundsätzlich in
das Netz des öffentlichen Personennahverkehrs
eingebunden werden.
(Z)
Die planenden Standortgemeinde haben im Sinne
der § 2 Abs. 2 BauGB und § 34 Abs. 3 BauGB die
übergemeindliche Abstimmung von Planung und
Ansiedlung, Erweiterung oder Änderung von
großflächigen Einzelhandelseinrichtungen im Sinne
des § 11 Abs. 3 BauNVO sicherzustellen
(interkommunales Abstimmungsgebot).
(G)
Den
Gemeinden
wird
empfohlen,
(inter-)
kommunale Einzelhandelskonzepte zur Steuerung
der Einzelhandelsentwicklung in der betreffenden
Gemeinde
bzw.
im
betreffenden
Teilraum
aufzustellen.
(Z)
Entsprechend § 11 Abs. 1 SLPG haben öffentliche
Stellen und Personen des Privatrechts nach § 4 Abs.
3 ROG die Landesplanungsbehörde frühzeitig über
alle Planungen und Maßnahmen zur Ansiedlung,
Erweiterung und Änderung von großflächigen
Einzelhandelseinrichtungen im Sinne des § 11 Abs. 3
BauNVO zu unterrichten.
(Z)
Für
die
Ansiedlung
großflächiger
Einzelhandelseinrichtungen
über
5.000
m
2
Verkaufsfläche ist in der Regel die Durchführung
eines Raumordnungsverfahrens erforderlich. Die
Entscheidung
hierüber
obliegt
der
Landesplanungsbehörde.
(Z)
Die
Ansiedlung
von
großflächigen
Einzelhandelseinrichtungen in Vorranggebieten für
Gewerbe, Industrie und Dienstleistungen (VG)
gemäß
Landesentwicklungsplan,
Teilabschnitt
„Umwelt
(Vorsorge
für
Flächennutzung,
Umweltschutz, Infrastruktur)“ vom 13. Juli 2004
(Ziffern
70
78),
widerspricht
deren
Zweckbestimmung, Betriebe aus dem industriell-
produzierenden Sektor, des gewerblichen Bereiches
sowie
des
wirtschaftsorientierten
Dienstleistungsgewerbes anzusiedeln und ist daher
unzulässig. Zur Sicherung dieser Flächen ist daher
die Ansiedlung oder Erweiterung von großflächigen
Einzelhandelsbetrieben im Sinne des § 11 Abs. 3
BauNVO bauplanerisch auszuschließen.
(G)
Innerhalb
bauplanerisch
ausgewiesener
bzw.
auszuweisender
gewerblicher
Bauflächen
(Gewerbegebiete nach § 8 BauNVO sowie
Industriegebiete nach § 9 BauNVO) sollen in
Verbindung
mit
§
1
Abs.
9
BauNVO
Einzelhandelseinrichtungen ausgeschlossen werden.
Hiervon
können
solche
Verkaufsstätten
ausgenommen werden, die einem Handwerks- oder
Gewerbebetrieb zugeordnet und diesem baulich und
funktional untergeordnet sind und eine maximale
Verkaufsfläche von 500 m
2
nicht überschreiten.
Von dieser Beschränkung ausgenommen sind
Kraftfahrzeugreparaturwerkstätten
zugeordnete
Verkaufsstätten
für
Kraftfahrzeuge.
Zentrenrelevante Kern- oder Randsortimente sollen
in Gewerbe- und Industriegebieten in Verbindung mit
§ 1 Abs. 9 BauNVO generell ausgeschlossen
werden.
Als zentrenrelevante Sortimente im Sinne des LEP gelten nach Anlage 7
insbesondere:
- Sortimente der Grund-/Nahversorgung/des kurzfristigen Bedarfs
(Nahrungs- und Genussmittel inkl. Lebensmittelhandwerk, Getränke
und Tabakwaren)
- Bücher, Zeitschriften, Papier, Schreibwaren, Büroartikel
- Hausrat, Glas/Porzellan/Keramik, kunstgewerbliche Artikel,
Geschenkartikel, Bastelartikel, Antiquitäten
- Bekleidung, Leder-/Pelzwaren, Schuhe
- Uhren, Schmuck, Edelmetallwaren
- Drogeriewaren, Kosmetika. Pharmazeutische, medizinische und
orthopädische Artikel
- Unterhaltungselektronik/Telekommunikation- und EDV-Bedarf,
Kleinelektrohaushaltswaren („braune Ware“)
- Musikinstrumente, Musikalienhandel, Bild- und Tonträger
- Fotogeräte, feinmechanische/optische Erzeugnisse und Zubehör
- Einrichtungszubehör (ohne Möbel), Haus- und Heimtextilien,
Teppiche
(ohne
Teppichböden),
Beleuchtungskörper,
Raumausstattung
- Baby-, Kinderartikel
- Spielwaren, Sportartikel (kleinteilig), Reit-/Jagdbedarf
- Wolle, Kurzwaren/Handarbeit, Nähmaschinen und Zubehör
- Schnittpflanzen, zoologischer Bedarf, lebende Tiere, Tiernahrung
Bei der Liste handelt es sich um eine nicht abschließende, schematische
Übersicht. Zentrenrelevante Sortimente sind typischerweise prägend für das
Einzelhandelsangebot in den Innenstädten, Stadtteilzentren und Ortskernen und
deren Besucherattraktivität. Sie dienen der Nah- und Grundversorgung (Güter
des täglichen Bedarfs) und der Deckung des periodischen und aperiodischen
Haushaltsbedarfs. Zentrenrelevante Sortimente zeichnen sich i.d.R. dadurch
aus, dass sie viele Innenstadtbesucher anziehen, einen geringen
Flächenanspruch haben, häufig im Zusammenhang mit anderen
Innenstadtnutzungen nachgefragt werden und überwiegend ohne Pkw
transportiert werden können. Die Zentrenrelevanz kann in Einzelfällen in
Abhängigkeit von dem vorhandenen Angebotsbestand in den jeweiligen Zentren
in Verbindung mit städtebaulichen Kriterien differieren.
Auf dieser Grundlage ist der Umstand, dass der Bebauungsplan im Gewerbegebiet „Ober
dem Mühlenweg und Hohweiher“ die Errichtung eines Einkaufszentrums zulässt, zwar mit
dem Ziel 41 zu vereinbaren, weil weder Ensdorf noch Saarlouis einen Nahbereich haben.
Auch das Konzentrationsgebot (Ziels 42) ist nicht einschlägig, weil die Errichtung eines
großflächigen Einzelhandels danach auch im Grundzentrum zulässig ist.
Durchgreifende Bedenken bestehen indes gegen die Einhaltung des Kongruenzgebotes (Ziel
44). Denn die Gemeinde Ensdorf hat ausweislich ihrer Homepage 6.631 Einwohner (Stand:
31.03.2009). Insoweit liegt es auf der Hand, dass 6.631 Einwohner nicht ausreichen, um
ein Einkaufszentrum mit 18.500 m
2
Geschossfläche am Leben zu erhalten; ein solches
muss zwangsläufig darauf gerichtet sein, den Einzugsbereich den Verflechtungsbereich des
zentralen Ortes wesentlich zu überschreiten. Zentraler Ort ist in diesem Zusammenhang
Ensdorf, dessen Verflechtungsbereich mit dem Einkaufszentrum weit überschritten wird.
Ziel 45 wird im Hinblick auf Ensdorf nicht verletzt, weil eine Beeinträchtigung der
Versorgungsstruktur ausscheidet, wenn es in der Gemeinde ab 2010 keinen Supermarkt
mehr gibt. Ob ein Einkaufszentrum mit 18.500 m
2
Gesamtnutzfläche die
Funktionsfähigkeit
insbesondere der Klägerin beeinträchtigen wird, bedarf keiner Entscheidung.
Ob Ziel 46 durch die Errichtung des Einkaufszentrums beeinträchtigt wird, dürfte vorliegend
keine entscheidende Rolle spielen, weil es jedenfalls nicht Sache der Klägerin ist, auf einen
integrierten Standort innerhalb der Gemeinde Ensdorf zu drängen. Dasselbe gilt für Ziel 48,
das der Förderung integrierter Standorte innerhalb der jeweiligen Gemeinden, nicht jedoch
der Nachbargemeinden dient.
Ziel 49 wiederum dient der Verwirklichung des interkommunalen Abstimmungsgebotes im
Rahmen der Bauleitplanung (§ 2 Abs. 2 BauGB) bzw. bei Vorhaben im unbeplanten
Innenbereich (§ 34 Abs. 3 BauGB) und ist – weil das Vorhabengrundstück entweder im
beplanten Innenbereich (§ 30 BauGB) oder aber im Außenbereich (§ 35 BauGB) liegt -
vorliegend nicht einschlägig.
Von entscheidender Bedeutung sind vorliegend die Ziele 50 und Ziel 51. Sie dienen nur
vordergründig der Landesplanung, bezwecken aber die Umsetzung des Standortkonzepts
der Landesplanung und dienen dem interkommunalen Interessenausgleich. Der
Interessenausgleich zwischen den Gemeinden in einem gemeinsamen Ballungsraum wie
dem von Saarlouis, Ensdorf, Bous und Schwalbach hat deshalb unter Berücksichtigung der
in § 2 ROG niedergelegten Grundsätze der Raumordnung in einem
Raumordnungsverfahren auf der Grundlage von § 15 Abs. 1 ROG zu erfolgen. Hier,
insbesondere nicht im Baugenehmigungsverfahren, sind die von der beigeladenen
Standortgemeinde vorgetragenen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, dass Saarlouis nach
einer neusten Studie bundesweit auf Platz 1 der Kaufkraft pro Einwohner steht und – wie
auch die anderen Nachbargemeinden von Ensdorf (Schwalbach und Bous) - seine nach den
Vorgaben des LEP Siedlung großflächigen Einzelhandelsbetriebe mit zentrumsrelevanten
Warenangebot in Gewerbegebieten am Ortsrand hat ansiedeln lassen.
Ziel 52 enthält die stärkste Verpflichtung zur Anpassung bestehender Bebauungspläne an
den LEP Siedlung. Danach ist die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelseinrichtungen in
den im LEP Umwelt als Vorranggebiete für Gewerbe, Industrie und Dienstleistungen
ausgewiesenen Bereichen unzulässig. Allerdings erfasst der LEP Umwelt nur das bereits
bebaute Gewerbe- und Industriegebiet, in dem sich zudem in großer Übereinstimmung mit
dem LEP Siedlung nahezu ausschließlich nicht zentrumsrelevante Betriebe befinden, und
nicht den Bereich des Bebauungsplans, in dem das Einkaufszentrum errichtet werden soll.
Schließlich ist der Bebauungsplan auch mit dem Grundsatz 53 nicht vereinbar, der einen
generellen Ausschluss von Einzelhandelseinrichtungen mit zentrenrelevanten Kern- oder
Randsortimenten vorsieht.
Insgesamt hätte der Bebauungsplan nach dem Vorstehenden aufgrund der zwingenden
Anpassungspflicht (§ 1 Abs. 4 BauGB) insoweit geändert werden müssen, als er
großflächige Einzelhandelseinrichtungen mit zentrenrelevanten Kern- oder Randsortimenten
ausschließt. Diese Anpassungspflicht hätte die Gemeinde nur durch ein
Raumordnungsverfahren verhindern können, mit dem die im LEP Siedlung niedergelegten
Ziele der Raumordnung für die Raumeinheit Saarlouis/ Ensdorf/Bous/Schwalbach geändert
werden. Ein Einkaufszentrum im Verständnis von § 11 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO könnte indes
heute nur noch in einem Kern- oder Sondergebiet und nicht mehr in einem Gewerbe- oder
Industriegebiet zugelassen werden.
Durfte die Gemeinde folglich den am 22.01.1965 vom Gemeinderat beschlossenen
Bebauungsplan im Jahre 2009 ausnahmsweise nicht mehr durch ein ergänzendes
Verfahren auf der Grundlage von § 214 Abs. 4 BauGB rückwirkend in Kraft setzen, gehen
die Ausfertigung vom 07.09.2009 und die ortsübliche Bekanntmachung vom 11.09.2009
rechtlich ins Leere. Das wiederum hat zur Folge, dass der Bebauungsplan nicht in Kraft
getreten ist und nicht als Rechtsgrundlage (§ 30 BauGB) für die der Beigeladenen zu 1.
erteilte Baugenehmigung dienen kann. Auf die vielen weiteren Rügen der Klägerin gegen die
Wirksamkeit des Bebauungsplans kommt es folglich nicht (mehr) an.
Ob ein ggf. durchzuführendes Raumordnungs- mit Zielabweichungs- und
Bebauungsplanverfahren zu dem Ergebnis kommen könnte oder müsste, dass ein
Einkaufszentrum an der genehmigten Stelle und in der genehmigten Größenordnung
zulässig ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Für die grundsätzliche Zulässigkeit eines
Einkaufszentrums in Ensdorf könnte möglicherweise sprechen, dass sich aufgrund der
großflächigen Einzelhandelskonzentrationen in den Nachbargemeinde, jeweils an den
Grenzen zum Gemeindegebiet von Ensdorf die Existenzfähigkeit kleinerer
Einzelhandelsgeschäfte schwierig gestaltet und deshalb dazu führt, dass eine
verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung innerhalb der Gemeinde nicht mehr
stattfinden kann.
Bietet der am 22.01.1965 vom Gemeinderat beschlossene Bebauungsplan keine
Rechtsgrundlage für die Zulassung des Einkaufszentrums, ist das Vorhaben der
Beigeladenen zu 1. bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es den Vorschriften des
Baugesetzbuches widerspricht. Denn das Baugrundstück liegt - entgegen der Einschätzung
der Klägerin - im Außenbereich und ist dort planungsrechtlich nicht zulässig.
§ 34 BauGB betrifft die Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang
bebauten Ortsteile, § 35 BauGB die von Vorhaben im Außenbereich. Außenbereich ist in
Anlehnung an die Begriffsbestimmungen des früheren § 19 Abs. 1 Nr. 3 BauGB derjenige
Teil eines Gemeindegebietes, der nicht qualifiziert oder vorhabenbezogen beplant (§ 30
Abs. 1 und 2 BauGB) ist und auch keinen im Zusammenhang bebauten Ortsteil (§ 34
BauGB) bildet. Angesichts dieser Begriffsbestimmung verbietet sich, den Außenbereich
begrifflich mit Vorstellungen zu verbinden, die ihm - anknüpfend vor allem an den Wortteil
"Außen" - ganz bestimmte Vorstellungsbilder zuordnen, etwa das der "freien Natur", der
"Stadtferne", der "Einsamkeit" o.ä.m. Ob derartige Bilder als Indizien eine gewisse
Berechtigung haben können, mag dahinstehen. Mit dem vom BauGB geprägten Begriff des
Außenbereichs als solchem haben sie nichts zu tun. Dass diese Flächen in einem
naturalistisch-geographischen Sinne "außen" liegen, wird mit dem Rechtsbegriff des
Außenbereichs nicht festgelegt und ist daher allenfalls eine außerrechtliche
Erfahrungstatsache. (BVerwG, Urteil vom 1.12.1972 - IV C 6.71 -, BVerwGE 41, 227 =
BRS 25 Nr. 36)
Da das Vorhabengrundstück von keinem wirksamen qualifizierten Bebauungsplan im Sinne
von § 30 BauGB erfasst wird, ist für die Frage, ob das Vorhabengrundstück in der von der
Beigeladenen zu 1. beabsichtigten Weise bebaut werden kann, entscheidend, ob es sich
innerhalb eines Bebauungszusammenhanges
deshalb dem Innenbereich zuzurechnen ist.
Nach der im Urteil vom 06.11.1968 (- IV C 2.66 -, BVerwGE 31, 20 = BRS 20 Nr. 35)
zusammengefassten Rechtsprechung des BVerwG ist ein Bebauungszusammenhang im
Sinne des § 34 BauGB gegeben, soweit "die aufeinanderfolgende Bebauung trotz
vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit vermittelt". Mögliche
Bestandteile eines derartigen Bebauungszusammenhanges sind erstens bebaute
Grundstücke, zweitens unbebaute, aber bebauungsfähige Grundstücke (Baulücken im
engeren Sinne) sowie drittens "freie Flächen, die wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit
(stehendes oder fließendes Gewässer) oder wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung
(Sportplätze, Erholungsflächen) einer Bebauung entzogen sind". Ein Grundstück liegt im
Rechtssinne nicht schon deshalb innerhalb eines Bebauungszusammenhanges, weil es von
Bebauung umgeben ist. Erforderlich ist vielmehr weiter, dass das Grundstück selbst einen
Teil des Zusammenhangs bildet, selbst also an dem Eindruck der Geschlossenheit und
Zusammengehörigkeit teilnimmt. Fehlt es daran, so liegt das Grundstück zwar
geographisch, nicht jedoch auch im Sinne des § 34 BauGB innerhalb eines
Bebauungszusammenhanges. Ob ein unbebautes Grundstück, das sich einem
Bebauungszusammenhang anschließt, diesen Zusammenhang fortsetzt oder ihn
unterbricht, ist - weil jeweils vom Eindruck der Geschlossenheit abhängig - letztlich stets
eine Frage des Einzelfalles. (BVerwG, Urteil vom 01.12.1972 - IV C 6.71 -, BVerwGE 41,
227 = BRS 25 Nr. 36)
Im Sinne von § 29 Satz 1 BauGB unbebaute Flächen können einem
Bebauungszusammenhang zurechenbar sein, wenn sie den optischen Eindruck der
Geschlossenheit nicht unterbrechen. Dies kann sogar dann nicht ausgeschlossen sein,
wenn es sich um eine Grundstückslage am Ortsrand handelt. Grundsätzlich entspricht es
Regel
Unmaßgeblich für die Abgrenzung des Innenbereichs zum Außenbereich sind schließlich die
Darstellungen des Flächennutzungsplans, z.B. die dargestellten Grenzen von Bauflächen,
die Festsetzungen eines für einen Teil eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils
aufgestellten, einfachen Bebauungsplans sowie die Grenzen eines
Landschaftsschutzgebietes. (BVerwG, Urteil vom 23.5.1980 - 4 C 79.77 -, BRS 36 Nr. 64
und Urteil vom 24.02.1978 - 4 C 12.76 -, BVerwGE 55, 272 = BRS 33 Nr. 57; OVG
Bremen, Urteil vom 12.03.1985 - 1 BA 92/84 -, BauR 1985, 538 = BRS 44 Nr. 50)
Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist das Vorhabengrundstück dem Außenbereich zuzuordnen.
Es nimmt weder am Bebauungszusammenhang der P... Straße noch an dem des auf der
Südseite der W...-Straße befindlichen Gewerbegebietes Hohweiher teil. Vielmehr stellt es
sich nach jeder denkbaren Sichtweise als Teil der freien Feldmark des Taubentals dar, die
hier von Norden und Osten bis an die rückwärtigen Gärten der P... Straße bzw. bis an die
W...-Straße heranreicht.
Da das genehmigte Einkaufszentrum kein nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiertes Vorhaben
darstellt, kommt seine rechtliche Zulässigkeit nur auf der Grundlage von § 35 Abs. 2
BauGB in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann ein derartiges Vorhaben im Einzelfall
zugelassen werden, wenn seine Ausführung und Benutzung öffentliche Belange nicht
beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Das zugelassene Vorhaben beeinträchtigt
indes einen die Klägerin als Nachbargemeinde schützenden Belang, nämlich das
Erfordernis einer förmlichen Planung
Nach § 35 BauGB wird über die Zulässigkeit von Einzelvorhaben allein auf der Grundlage
eines Konditionalprogramms entschieden, das für planerische Erwägungen keinen Raum
lässt. Das gilt auch, soweit das Vorhaben öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr.
1 bis 7 BauGB berührt. Ein planerisches Element, das sich als Zulassungssperre erweisen
kann, lässt der Gesetzgeber allenfalls insofern einfließen, als er der Gemeinde, auf deren
Gebiet das Vorhaben verwirklicht werden soll, zur Wahrung der Planungshoheit die
Möglichkeit einräumt, den Vorbehalt des Einvernehmens nach § 36 BauGB für planerische
Aktivitäten zu nutzen. Das eröffnet ihr die Möglichkeit, anstelle einer Interessenabwägung,
welche § 35 BauGB zugrunde liegt, ihre eigenen abweichenden Planungsvorstellungen im
Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB umzusetzen. (BVerwG, Urteil vom 01.08.2002 – 4 C 5.01 -,
BRS 65 Nr. 10 (DOZ Zweibrücken))
Das in § 35 BauGB grundsätzlich vorgesehene Entscheidungsprogramm erweist sich in aller
Regel als ausreichend, um eine städtebaulich entstehende Konfliktlage im Außenbereich
angemessen beurteilen zu können und diese Beurteilung dem behördlichen
Entscheidungsprogramm zuzuweisen. Das gilt zum einen für die gesetzgeberischen
Wertungen, wie sie in den Privilegierungstatbeständen des § 35 Abs. 1 BauGB ihren
Ausdruck finden. Zum anderen sind die in § 35 Abs. 3 BauGB angegebenen öffentlichen
Belange regelmäßig hinreichend, um die vom Gesetzgeber bestimmte
Interessenbewertung im Einzelfall mit der im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG
gebotenen Eindeutigkeit nachvollziehen zu können. Die öffentlichen Belange, die der
Gesetzgeber in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB aufzählt, haben indes nur beispielhaften
Zu den nicht benannten öffentlichen Belangen gehört auch das
Erfordernis einer förmlichen Planung
andere Qualität als die in § 35 Abs. 3 BauGB genannten. Er bringt zum Ausdruck, dass die
in § 35 BauGB selbst enthaltenen Vorgaben nicht ausreichen, um im Sinne des erwähnten
Konditionalprogramms eine Entscheidung über die Zulässigkeit des beabsichtigten
Vorhabens treffen zu können. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht für verschiedene
Entscheidungslagen, wie sie im Außenbereich auftreten können, entschieden. (vgl.
BVerwG, Urteile vom 22.11.1968 – 4 C 98.65 -, BRS 20 Nr. 83; vom 07.05.1971 – 4 C
19.70 -, BRS 24 Nr. 147; vom 26.11.1976 – 4 C 69.74 -, BRS 30 Nr. 34) Das im
Außenbereich zu verwirklichende Vorhaben kann eine Konfliktlage mit so hoher Intensität
für die berührten öffentlichen und privaten Belange auslösen, dass dies die in § 35 BauGB
vorausgesetzte Entscheidungsfähigkeit des Zulassungsverfahrens übersteigt. Ein derartiges
Koordinierungsbedürfnis wird vielfach dann zu bejahen sein, wenn die durch das Vorhaben
berührten öffentlichen und privaten Belange einen in erster Linie planerischen Ausgleich
erfordern, der seinerseits Gegenstand einer abwägenden Entscheidung zu sein hat. Eine in
diesem Sinne „abwägende“ Entscheidung ist nach der Gesetzeslage weder der
Genehmigungsbehörde noch der Gemeinde im Rahmen des § 36 Abs. 1 BauGB
zugestanden. Sie ist nach Maßgabe der §§ 1 ff. BauGB allein in einem Bauleitplanverfahren
zu treffen.
Nach dem Stand der Rechtsprechung hängt es im Wesentlichen vom Umfang des
Vorhabens ab, ob eine Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung einer baulichen
Anlage im Sinne des § 29 BauGB ohne eine verbindliche Bauleitplanung öffentliche Belange
beeinträchtigt. (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.06.1990 - 4 C 6.87 -, BRS 50 Nr. 84, und
Urteil vom 16.06.1994 - 4 C 20.93 -, BRS 56 Nr. 72, nach dem diese Einschränkung nur
für den Regelfall gilt)
Auch im Verhältnis der Gemeinden zueinander ist § 35 BauGB nicht uneingeschränkt als
Zulässigkeitsmaßstab tauglich. Das Bedürfnis nach einer planerischen Koordinierung, und
damit das eine Zulassung nach § 35 Abs. 2 BauGB hindernde Erfordernis einer förmlichen
Planung, kann sich aus § 2 Abs. 2 BauGB ergeben. Danach sind die Bauleitpläne
benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen. Die Vorschrift richtet sich zwar in
erster Linie an die Gemeinde, die im Begriff ist, einen Bauleitplan aufzustellen. Der darin
enthaltene Rechtsgedanke kommt indes auch dann zum Zug, wenn ein Vorhaben ohne
förmliche Planung nach § 35 BauGB zugelassen werden soll. Handelt es sich um ein
Vorhaben, das im Falle einer Bebauungsplanung nur nach Abstimmung mit der
Nachbargemeinde nach § 2 Abs. 2 BauGB als zulässig festgesetzt werden könnte, so darf
das Abstimmungsgebot nicht dadurch umgangen werden, dass eine förmliche Planung
unterbleibt. Im Einzelnen ist dazu auszuführen:
§ 2 Abs. 2 BauGB steht in einem engen sachlichen Zusammenhang mit § 1 Abs. 6 BauGB.
Das interkommunale Abstimmungsgebot stellt sich als eine besondere Ausprägung des
Abwägungsgebotes dar. Befinden sich benachbarte Gemeinden objektiv in einer
Konkurrenzsituation, so darf keine von ihrer Planungshoheit rücksichtslos zum Nachteil der
anderen Gebrauch machen. Der Gesetzgeber bringt dies in § 2 Abs. 2 BauGB
unmissverständlich zum Ausdruck. Diese Bestimmung verleiht dem Interesse der
Nachbargemeinde, vor Nachteilen bewahrt zu werden, besonderes Gewicht. Das Gebot,
die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen, lässt sich als
gesetzliche Ausformung des in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten
Selbstverwaltungsrechts verstehen. § 2 Abs. 2 BauGB liegt die Vorstellung zugrunde, dass
benachbarte Gemeinden sich mit ihrer Planungsbefugnis im Verhältnis der Gleichordnung
gegenüberstehen. Die Vorschrift verlangt einen Interessenausgleich zwischen diesen
Gemeinden und fordert dazu eine Koordination der gemeindlichen Belange. Die
Nachbargemeinde kann sich unabhängig davon, welche planerischen Absichten sie für ihr
Gebiet verfolgt oder bereits umgesetzt hat, gegen unmittelbare Auswirkungen gewichtiger
Art auf dem benachbarten Gemeindegebiet zur Wehr setzen. Maßgebend ist die
Reichweite der Auswirkungen. (vgl. BVerwG, Urteil vom 08.09.1972 – 4 C 17.71 -,
BVerwGE 40, 323 = BRS 25 Nr. 14 = BauR 1972, 352; Urteil vom 15.12.1989 – 4 C
36.86 -, BVerwGE 84, 209 = BRS 50 Nr. 193; Beschluss vom 09.05.1994 – 4 NB 18.94 -
, BRS 56 Nr. 36 = BauR 1994, 492 = Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 89; Beschluss vom
09.01.1995 – 4 NB 42.94 -, BRS 57 Nr. 5 = BauR 1995, 354 = Buchholz 406.11 § 2
BauGB Nr. 37)
Besteht ein derartiger qualifizierter Abstimmungsbedarf im Sinne des § 2 Abs. 2 BauGB, so
ist dies ein starkes Anzeichen dafür, dass die Zulassungsschranken, die § 35 Abs. 3 BauGB
aufrichtet, nicht ausreichen, um ohne planerische Abwägung eine Entscheidung über die
Zulässigkeit des beabsichtigten Vorhabens treffen zu können. Dagegen fehlt es an dieser
Indizwirkung, wenn es um die Berücksichtigung von Belangen der Gemeinde geht, die keine
Auswirkungen gewichtiger Art darstellen, sondern lediglich im Rahmen des „einfachen“
Abwägungsgebotes nach § 1 Abs. 6 BauGB zu beachten sind. Solche Belange sind nach
den allgemeinen Regeln in die Abwägung einzustellen, also bereits dann, wenn sie mehr als
nur geringfügig betroffen sind. Nachbargemeinden genießen in dieser Hinsicht keinen
geringeren Schutz als private Betroffene. Umgekehrt lässt sich aus § 2 Abs. 2 BauGB nicht
etwa entnehmen, dass eine Planung, die durch Auswirkungen gewichtiger Art
gekennzeichnet ist, bereits aus diesem Grund gegen das Abwägungsgebot verstieße. Auch
hier gilt, dass selbst gewichtige Belange im Wege der Abwägung überwunden werden
dürfen, wenn noch gewichtigere ihnen im Range vorgehen. Die Bedeutung des § 2 Abs. 2
BauGB im Rahmen des allgemeinen Abwägungsgebotes liegt darin, dass eine Gemeinde,
die ihre eigenen Vorstellungen selbst um den Preis von gewichtigen Auswirkungen für die
Nachbargemeinde durchsetzen möchte, einem erhöhten Rechtfertigungszwang in der
Gestalt der Pflicht zur formellen und materiellen Abstimmung im Rahmen einer förmlichen
Planung unterliegt. Die Missachtung eines solchermaßen begründeten
Planungserfordernisses berührt zugleich den durch § 2 Abs. 2 BauGB erfassten Rechtskreis
und verletzt dadurch die Nachbargemeinde in eigenen Rechten. (zum Drittschutz im
Rahmen des § 2 Abs. 2 BauGB vgl. BVerwG, Urteil vom 08.09.1972 – 4 C 17.71 -, a.a.O.,
und Urteil vom 15.12.1989 – 4 C 36.86 -, a.a.O.)
§ 11 Abs. 3 BauNVO liegt die Wertung zugrunde, dass die in dieser Vorschrift bezeichneten
Betriebe typischerweise ein Beeinträchtigungspotential aufweisen, das es rechtfertigt, sie
einem Sonderregime zu unterwerfen. Welche Belange ganz erheblich betroffen sein
können, verdeutlicht die Aufzählung in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO. Dort werden neben
schädlichen Umwelteinwirkungen insbesondere Auswirkungen auf die infrastrukturelle
Ausstattung, auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich der in
§ 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO bezeichneten Betriebe sowie auf die Entwicklung zentraler
Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden genannt. Die
Vermutungsregel, die der Normgeber insoweit in § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO aufstellt,
bezieht sich zwar nur auf großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige
Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauNVO. Dies bedeutet indes
nicht, dass der Normgeber Einkaufszentren eine Vorzugsbehandlung angedeihen lässt. Das
Gegenteil ist der Fall. Damit die in § 11 Abs. 3 BauNVO genannten Rechtsfolgen eintreten,
bedarf es nicht eigens der Feststellung, welche nachteiligen Wirkungen konkret zu
erwarten sind. Der Normgeber geht davon aus, dass sich die in § 11 Abs. 3 Satz 2
BauNVO bezeichneten Auswirkungen bei Einkaufszentren generell nicht ausschließen
lassen. Eine Einzelfallprüfung erübrigt sich. (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.1990 – 4 C
16.87 -, a.a.O.)
§ 11 Abs. 3 Satz 1 BauNVO ist durch eine betont übergemeindliche Sichtweise geprägt.
Die Vorschrift macht, soweit es darum geht, die Auswirkungen des Vorhabens zu
beurteilen, nicht an den Gemeindegrenzen halt. Vielmehr stellt sie auf den
„Einwirkungsbereich“ ab, der weit über die Standortgemeinde hinausreichen kann. Auch
unter dem Blickwinkel der Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche lässt sie es
unabhängig davon, ob insoweit landesplanerische Festlegungen oder gemeindliche
Entwicklungskonzepte die Grundlage bilden, nicht mit einer auf ein bestimmtes
Gemeindegebiet bezogenen Betrachtung bewenden. In die insoweit gebotene Beurteilung
einzubeziehen ist nicht nur die Standortgemeinde. Rechtliche Relevanz kommt auch den
Auswirkungen „in anderen Gemeinden“ zu. (BVerwG, Urteil vom 01.08.2002 – 4 C 5.01 -,
BRS 65 Nr. 10)
Kommt somit die Zulassung eines Einkaufszentrums im Außenbereich im Wege der
Erteilung einer Baugenehmigung wegen der Planbedürftigkeit eines solchen Vorhabens
gegen den Willen einer Nachbargemeinde per se nicht in Betracht und verletzt eine so
erteilte Baugenehmigung eo ipso die durch Art. 28 GG geschützten Rechte der
Nachbargemeinde, sind die Baugenehmigung und der Widerspruchsbescheid aufzuheben.
Auf die weiteren Einwände der Klägerin gegen die der Beigeladenen zu 1. erteilte
Baugenehmigung für das Einkaufszentrum kommt es deshalb nicht (mehr) an.
Die Kostenfolge ergibt sich aus den §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 VwGO, § 100 ZPO.
Eventuelle außergerichtliche Kosten der Beigeladenen zu 2. sind nicht auf der Grundlage
von § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, weil die Beigeladene zu 2. keinen (förmlichen)
Antrag gestellt hat und deshalb auch nicht das Risiko eingegangen ist, mit dem
unterliegenden Teil gemäß § 154 Abs. 3 VwGO an den Kosten des Verfahrens beteiligt zu
werden. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. sind nicht nach § 162 Abs. 3
VwGO zu erstatten, weil die Beigeladene zu 1. in der Sache unterlegen ist.
Die Berufung wird gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung
mit § 708 Nr. 11 und § 709 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 52 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 2 GKG sowie
Textziffer 9.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, der für die
Klage einer drittbetroffenen Nachbargemeinde einen Wertansatz von 30.000 EUR vorsieht.