Urteil des VG Saarlouis vom 24.11.2010

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VG Saarlouis Urteil vom 24.11.2010, 5 K 273/10
Aufgrund eigener Aufschüttung untergegangener Anspruch des Nachbarn auf
bauaufsichtliches Einschreiten gegen eine Stützmauer, die eine unter 50 cm hohe
Aufschüttung an der Grenze sichert.
Leitsätze
1. Stützmauern und Aufschüttungen an der Grundstücksgrenze sind ungeachtet der Frage,
ob von ihnen Wirkungen wie von oberirdischen Gebäuden ausgehen, nur zulässig, wenn sie
die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 und/oder 11 LBO 2004 erfüllen.
2. Eine auf der Grenze stehende Mauer mit einer dahinter errichteten Aufschüttung ist
abstandsflächenrechtlich unzulässig.
3. § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 LBO 2004 lässt nur bis zu 40 cm erhöhte "Terrassen" und keine
sonstigen Aufschüttungen zu.
4. Wer an der gemeinsamen Grundstücksgrenze eine Aufschüttung mit Stützmauer
errichtet, hat grundsätzlich keinen Anspruch gegenüber der Bauaufsichtsbehörde auf
Einschreiten gegen eine Aufschüttung nebst Stützmauer seines Nachbarn.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen
tragen die Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der Beklagte
oder die Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger begehren vom Beklagten als Bauaufsichtsbehörde die Verpflichtung, der
Beigeladenen die Entfernung einer zwischen 0,78 m und 0,87 m hohen aus L-Steinen
bestehenden Stützwand an der gemeinsamen Grundstücksgrenze aufzugeben, die eine
zwischen 36 und 47 cm hohe Aufschüttung abstützt.
Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks an der H…
straße in A-Stadt .... An dieses Grundstück grenzt nach Süden Flurstück …, das
Grundstück der Beigeladenen, an. Die Grundstücke liegen nicht im Geltungsbereich eines
Bebauungsplanes.
Die Kläger errichteten ihr Wohnhaus aufgrund der Baugenehmigung vom 14.03. 1984.
Seinerzeit war geplant, die freistehende Garage auf der Nordseite ihres Grundstück und
damit abgewandt vom Grundstück der Beigeladenen zu errichten. Auf der Ansicht Süd ist
das „alte Gelände“ an der Grenze zum jetzigen Grundstück der Beigeladenen und darauf
eine Aufschüttung von etwa 30 cm dargestellt. Dieses Vorhaben wurde jedoch nicht
ausgeführt. Mit der Baugenehmigung vom 22.10.1985 wurde den Klägern unter Wegfall
der Garage auf der Grundstücksnordseite der Neubau einer Doppelgarage auf der Grenze
zum jetzigen Grundstück der Beigeladenen genehmigt. Auf der Ansicht Süd der
genehmigten Pläne verläuft die Geländeoberfläche nunmehr vom Straßenniveau bis zur
südwestlichen Ecke des Wohnhauses eben. Im Verhältnis zur Darstellung des „alten
Geländes“ in der Genehmigung vom 14.03.1984 beträgt die Länge der Aufschüttung mehr
als 20 m, die Höhe am höchsten Punkt ca. 1,50 m. Eine Stützmauer ist in der
Genehmigung vom 22.10.1985 weder erwähnt noch dargestellt, vor Ort allerdings
vorhanden.
Mit E-Mail vom 19.03.2009 und Schreiben vom 03.04.2009 wandten sich die Kläger an
den Beklagten: Auf dem Grundstück der Beigeladenen sei eine umlaufende Stützmauer mit
Hinterfüllung errichtet worden. Es werde um Überprüfung der Rechtmäßigkeit und
Beseitigung gebeten.
Mit der im vereinfachten Verfahren (§ 64 LBO 2004) erteilten Baugenehmigung vom
23.06.2009 erlaubte der Beklagte der Beigeladenen die „Geländeauffüllung im kompletten
rückwärtigen Grundstücksbereich und Herstellung einer umlaufenden Stützwand aus L-
Steinen an den Grundstücksgrenzen, jeweils als nachträgliche Genehmigung“. Dagegen
erhoben die Kläger am 15.07.2009 Widerspruch: Die verwendeten L-Steine seien
begrifflich keine Einfriedung im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 10 b LBO. Als Stützmauer
dienten sie nicht der Sicherung des natürlichen Geländes und seien deshalb mit den
Regelungen der §§ 7 und 8 LBO nicht zu vereinbaren. Das verletze sie in ihren Rechten.
Die Kläger beantragten sodann die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres
Widerspruchs. Nachdem die Beteiligten den Streit in der Hauptsache für erledigt erklärt
hatten, wurde das Verfahren mit Beschluss vom 25.09.2009 – 5 L 769/09 – eingestellt
und den Klägern die Kosten auferlegt, weil sie voraussichtlich unterlegen wären: Die
Einhaltung der Abstandsfläche sei nicht Gegenstand des vereinfachten
Genehmigungsverfahrens und für eine Rücksichtslosigkeit spreche nichts. Anschließend
nahmen die Kläger ihren Widerspruch gegen die Baugenehmigung zurück.
Mit Schreiben vom 27.10.2009 beantragte der Kläger zu 2. unter Hinweis auf das Urteil
des OVG des Saarlandes vom 12.02.2009 – 2 A 17/08 – ein Einschreiten des Beklagten
gegen die mittels Stützmauer gesicherte Aufschüttung auf dem Grundstück der
Beigeladenen an der gemeinsamen Grundstücksgrenze.
Der Beklagte bestätigte die Eingabe unter dem 08.12.2009, kündigte eine
Ortsbesichtigung in den nächsten Tagen an und wies zugleich darauf hin, dass er die
Kosten für die veranlasste Überprüfung einfordern werde, wenn sich bei der Überprüfung
ergebe, dass kein Handlungsbedarf bestehe.
Am 30.03.2010 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Untätigkeitsklage erhoben. Zur
Begründung machen sie geltend, die entlang ihrer Grundstücksgrenze auf dem Grundstück
der Beigeladenen errichtete Stützmauer verstoße gegen die zwingenden Bestimmungen
des Abstandsflächenrechts in den §§ 7 und 8 LBO. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 b LBO seien
Stützmauern ohne eigene Abstandsfläche nur zur Sicherung des natürlichen Geländes
zulässig. Die von der Beigeladenen verwendeten L-Steine seien schon begrifflich keine
„Einfriedigung“ im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 10 b LBO, sondern „Stützmauern“. Das ergebe
sich weiterhin aus der Auffüllung des nicht „natürlichen“ Geländes. Diese Geländeauffüllung
stelle auch keine „offene erhöhte Terrasse“ im Verständnis von § 8 Abs. 2 Nr. 2 LBO dar,
die in der Abstandsfläche und ohne eigene Abstandsfläche zulässig sei, wenn sie an der
Grundstücksgrenze im Mittel bis zu 0,50 m erhöht sei. Aufgrund des Verstoßes gegen die
Abstandsflächenbestimmungen sei der Beklagte unabhängig von der Feststellung einer
tatsächlichen Betroffenheit zum Einschreiten verpflichtet.
Mit Bescheid vom 04.05.2010 hat der Beklagte unter Hinweis auf einen nicht erkennbaren
Handlungsbedarf ein Einschreiten gegen die Stützmauer abgelehnt: Bei einer örtlichen
Überprüfung am 26.04.2010 sei festgestellt worden, dass die aus L-Steinen hergestellte
Einfriedung im Bereich zum Grundstück der Kläger zwischen 0,78 m und 0,87 m hoch sei.
Die Auffüllung des Geländes des Beigeladenen überschreite dort an keiner Stelle 0,50 m.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 LBO seien erhöhte Terrassen an der Grundstücksgrenze im Mittel bis
zu 0,50 m zulässig, Einfriedungen bis 2,00 m Höhe nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 b LBO. Das
OVG des Saarlandes habe in seinem Urteil vom 12.02.2009 – 2 A 17/08 – die Frage, ob
bei einer systematischen Auslegung der beiden genannten Bestimmungen Stützmauern
zur Sicherung erhöhter Terrassen zulässig seien, nicht entschieden. Nach Auffassung des
Beklagten seien Grenzmauern bis zu 2,00 m Höhe, die Aufschüttungen von bis zu 0,50 m
Höhe sicherten, zulässig.
Gegen den Bescheid vom 04.05.2010 haben die Kläger Widerspruch erhoben und den
Bescheid zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht.
Am 19.11.2010 hat die Beigeladene bei der Gemeinde A-Stadt die beabsichtigte
Verwirklichung des von der Genehmigungspflicht freigestellten Vorhabens „Errichtung einer
Terrasse im rückwärtigen rechtsseitigen Grundstücksbereich“ angezeigt. Diese Terrasse
soll etwa 14 m tief und 7 breit und an der Grenze zum Grundstück der Kläger etwa 45 cm
erhöht sein.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid vom 04.05.2010 aufzuheben und den
Beklagten zu verpflichten, der Beigeladenen durch eine
sofort vollziehbare Beseitigungsanordnung aufzugeben, die
an der gemeinsamen Grundstücksgrenze errichtete
„Stützwand“ zu entfernen;
hilfsweise, unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts über den Antrag auf bauaufsichtliches
Einschreiten erneut zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seinen Bescheid vom 04.05.2010. Darin heißt es, die Beklagte sehe keinen
Handlungsbedarf. Bei einer örtlichen Überprüfung am 26.04.2010 sei festgestellt worden,
dass die aus L-Steinen hergestellte Einfriedung im Bereich zum Grundstück der Kläger
zwischen 0,78 m und 0,87 m hoch sei. Die Auffüllung des Geländes des Beigeladenen
überschreite dort an keiner Stelle 0,50 m. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 LBO seien erhöhte
Terrassen an der Grundstücksgrenze im Mittel bis zu 0,50 m zulässig, Einfriedungen bis
2,00 m Höhe nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 b LBO. Das OVG des Saarlandes habe in seinem
Urteil vom 12.02.2009 – 2 A 17/08 – die Frage, ob bei einer systematischen Auslegung
der beiden genannten Bestimmungen Stützmauern zur Sicherung erhöhter Terrassen
zulässig seien, nicht entschieden. Er – der Beklagte – halte Grenzmauern bis zu 2,00 m
Höhe, die Aufschüttungen von bis zu 0,50 m Höhe sicherten, für zulässig. Viele andere
Landesbauordnungen erlaubten bis zu 1 m erhöhte Terrassen an der Grundstücksgrenze.
Die Oberste Bauaufsichtsbehörde habe inzwischen signalisiert, dass § 8 Abs. 2 LBO und
insbesondere die Nr. 2 im Zuge der nächsten Novellierung geändert werde, um eine
Regelung wie in den anderen Bundesländern zu schaffen.
Die Beigeladene beantragt (ebenfalls),
die Klage abzuweisen.
Ihrer Ansicht nach könnten L-Steine ebenso wie Hecken, Zäune oder Mauern auch
begrifflich ohne Weiteres Einfriedungen darstellen, weil damit das Grundstück im weiteren
Sinne allein optisch abgesteckt werde. Da das Gelände nach hinten abschüssig sei, habe
die Notwendigkeit bestanden, es mittels der Einfriedung gegen ein Abrutschen abzusichern.
Da offene Terrassen an der Grundstücksgrenze bis zu 0,50 m erhöht errichtet werden
dürften, müsse das auch für andere Geländeauffüllungen gelten. Eine konkrete
Beeinträchtigung der Kläger im Hinblick auf die Schutzgüter der Abstandsflächenregelungen
sei nicht zu erkennen. Wenn es eine Beeinträchtigung des Lichteinfalls auf dem Grundstück
der Kläger geben sollte, läge das allein an deren eigener Hecke.
Das Gericht hat die Örtlichkeit am 25.08.2010 in Augenschein genommen; wegen der
Einzelheiten wird auf das Protokoll der Ortsbesichtigung Bezug genommen.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich der
des einstweiligen Verfahrens (5 L 769/09) sowie der beigezogenen Verwaltungs- und
Bauakten der Beklagten betreffend die Anwesen der Beigeladenen sowie der Kläger
verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die auf die Verpflichtung des Beklagten zum Einschreiten gegen die Stützmauer der
Beigeladenen gerichtete Klage ist als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig.
Nach dieser Bestimmung ist die Klage abweichend von § 68 VwGO zulässig, wenn über
einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne
zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Diese
Voraussetzungen liegen vor. Denn die Kläger haben beim Beklagten jedenfalls Ende
Oktober 2009 einen Antrag auf Erlass bauaufsichtlicher Beseitigungsanordnungen
gegenüber der Beigeladenen gestellt, über den nicht innerhalb von drei Monaten
entschieden wurde.
Die Kläger haben indes keinen Anspruch auf ein bauaufsichtliches Einschreiten des
Beklagten gegen die Beigeladene mit dem Ziel der Beseitigung der an der Grenze zu ihrem
Grundstück errichteten Stützmauer aus L-Steinen. Die Ablehnung des Einschreitens durch
die Beklagte ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren öffentlich-rechtlich
geschützten Rechten.
Als Rechtsgrundlage für einen Anspruch der Kläger kommt § 57 Abs. 2 VwGO in Betracht.
Danach haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, der Änderung, der
Nutzungsänderung, der Beseitigung sowie der Instandhaltung von Anlagen darüber zu
achten, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften
erlassenen Anordnungen eingehalten werden; in Wahrnehmung dieser Aufgaben haben sie
die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
Das der Bauaufsichtsbehörde nach § 57 Abs. 2 LBO zustehende Ermessen ist im Falle der
nachbarschützender
Rechtsverlustes im Einzelfall regelmäßig auf ein Einschreiten reduziert. Demgegenüber hat
ein Nachbar grundsätzlich keinen Anspruch auf Einhaltung von Rechtsnormen, die nicht
seinem Schutz zu dienen bestimmt sind.
Im Falle der Nichtbeachtung nachbarschützender Bestimmungen des öffentlichen
vorbehaltlich eines individuellen
Rechtsverlustes im Einzelfall
bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber baurechtswidrigen Anlagen und/oder deren
Nutzung. Dieser Anspruch umfasst regelmäßig auch ein Recht auf gegebenenfalls
zwangsweise Realisierung entsprechender Anordnungen im Wege des
Verwaltungszwanges, im Einzelfall sogar unter Anwendung eines bestimmten
Zwangsmittels. (OVG des Saarlandes, Urteil vom 12.12.1986 - 2 R 144/86 -, S. 12 unter
Hinweis auf die ständige Senatsrechtsprechung, z.B. Beschluss vom 08.09.1975 - II W
40/75 -, AS 14, 214 = BRS 29 Nr. 142, und Urteil vom 22.10.1982 - 2 R 209/81 -, AS
19, 129 = NVwZ 1983, 685; ebenso Beschlüsse vom 07.09.1988 - 2 W 422/86 - und
vom 31.01.1995 - 2 W 51/94 -) Dieser Anspruch von Grenznachbarn auf Erlass und
Durchsetzung einer Beseitigungsanordnung bezüglich unzulässiger Grenzbauten besteht
nach der ständigen Rechtsprechung des VG und des OVG des Saarlandes unabhängig von
der Feststellung einer tatsächlichen Betroffenheit im Einzelfall. Für die Annahme eines
Verstoßes gegen die Grenzabstandsbestimmungen und den daraus resultierenden
nachbarlichen Abwehranspruch kommt es daher nicht darauf an, ob und inwieweit der sich
gegen das Vorhaben wendende Nachbar durch die Unterschreitung der Abstandsflächen zu
seinem Grundstück hin in dessen Benutzung im Einzelfall real beeinträchtigt wird.
(Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Aufl., XI. Rdnr. 99 (S. 509) mit
Nachweisen) Grenze für die Frage des Bestehens eines solchen Anspruchs ist das sich aus
dem Rechtsgedanken des § 226 BGB ergebende Schikaneverbot, das eine
Rechtsausübung dann verbietet, wenn sie ohne jedes schutzwürdige Interesse erfolgt.
Wegen der „zentimeterscharf“ konzipierten Abstandsverpflichtungen kommt die Annahme,
dass ein Anspruch des Nachbarn „schikanös“ in diesem Sinne ist, grundsätzlich allerdings
nur bei einer Unterschreitung der Abstandsverpflichtung „um wenige Zentimeter“ in
Betracht. (Vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 06.03.1987 – 2 R 180/84 -, BRS 47 Nr.
100 (S. 261 <265>))
Durch die Errichtung der „Stützmauer“ der Beigeladenen an der Grenze zum Grundstück
der Kläger werden zwar auf der Grundlage der Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes zur Zulässigkeit von Stützmauern und
Aufschüttungen an der Grundstücksgrenze vom Grundsatz her Rechte verletzt, die dem
Schutze der Kläger zu dienen bestimmt sind (1.). Allerdings sind die Kläger von Rechts
wegen gehindert diesen Verstoß gegen die Abstandsflächenbestimmungen geltend zu
machen (2.).
1. Nach der anerkannt nachbarschützenden Bestimmung des § 7 Abs. 1 LBO sind vor den
Außenwänden von Gebäuden oder vor den Abschnitten von Außenwänden von Gebäuden
Flächen von oberirdischen Gebäuden sowie von Anlagen nach Absatz 7 freizuhalten
(Abstandsflächen), deren Tiefe nach Absatz 5 Satz 3 mindestens 3 m beträgt. Wenn nach
planungsrechtlichen Vorschriften mit Grenzabstand gebaut werden muss, auf dem
Nachbargrundstück aber innerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche ein Gebäude ohne
Grenzabstand bereits vorhanden ist, so kann gestattet oder verlangt werden, dass
ebenfalls ohne Grenzabstand gebaut wird.
In diesem Zusammenhang spielt es aufgrund der Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 10 b und Nr.
11 LBO rechtlich keine Rolle, ob von der Stützmauer und Aufschüttung Wirkungen wie von
oberirdischen Gebäuden im Verständnis von § 7 Abs. 7 LBO ausgehen. Nach § 8 Abs. 2 Nr.
11 LBO sind zur Grundstücksgrenze geneigte Aufschüttungen in Abstandsflächen und ohne
eigene Abstandsfläche oder mit einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche zulässig, wenn
das Neigungsverhältnis 1 zu 1,5 zur Geländeoberfläche nicht übersteigt. Das bedeutet mit
anderen Worten, dass der Nachbar eine zur Grundstücksgrenze geneigte Aufschüttung
hinnehmen muss, wenn diese in einem Abstand von 3 m von der Grundstücksgrenze nicht
höher als 2 m ist. Die an der Grenze zwischen 36 cm und 47 cm hohe Aufschüttung auf
dem Grundstück der Beigeladen hält diesen Neigungswinkel an der Grenze zum
Grundstück der Kläger nicht ein. Um diesen Winkel einzuhalten, muss eine 1 m hohe
Aufschüttung ab einem Abstand von 1,5 m von der Grenze entfernt auf das ursprüngliche
Niveau auslaufen, eine 0,5 m hohe Aufschüttung ab 0,75 m und eine 40 cm hohe
Aufschüttung ab 60 cm von der Grenze.
Das OVG des Saarlandes hat im Urteil vom 12.02.2009 – 2 A 17/08 – grundsätzlich
entschieden, dass das Eingreifen von § 8 LBO (Abweichungen von den Abstandsflächen)
nicht erfordert, dass die Voraussetzungen für des § 7 LBO für die Einhaltung von
Abstandsflächen vorliegen, von einer Aufschüttung somit keine Wirkungen wie von
oberirdischen Gebäuden ausgehen müssen. Wenn § 8 LBO bestimmte Anlagen in der
Abstandsfläche zulässt, kommt es damit auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7
Abs. 1 und/oder 7 LBO nicht an. Das bedeutet für Aufschüttungen im Grenzbereich nichts
anderes, als dass § 8 Abs. 2 Nr. 11 LBO vom Grundsatz her das Maß aller Dinge ist und
damit nur Aufschüttungen zulässig sind, die das dort bezeichnete Neigungsverhältnis zur
Grundstücksgrenze einhalten.
Unzutreffend ist die allerdings Einschätzung der Kläger, eine aus L-Steinen errichtete Mauer
auf der Grenze stelle stets eine Stützmauer dar, die nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 LBO in der
Abstandsfläche sowie ohne eigene Abstandsfläche nur zur Sicherung des natürlichen
Geländes und damit nicht zur Sicherung von Aufschüttungen zulässig ist. Nach der
genannten Bestimmung sind Einfriedungen und Sichtschutzwände bis zu 2,00 m
Gesamthöhe über der Geländeoberfläche zulässig. Aus welchem Material Einfriedungen
und Sichtschutzwände hergestellt sein sollen, lässt die LBO offen. Deshalb spricht von
Rechts wegen nichts dagegen, dass Einfriedungen des Grundstücks auf der Grenze zum
Nachbargrundstück aus (bis zu 2,00 m über der Geländeoberfläche hohen) L-Steinen
errichtet werden dürfen. Ob es sich bei einer solcher Mauer aus L-Steinen um eine
Einfriedung oder aber eine Stützmauer im Verständnis von § 8 Abs. 2 Nr. 10 LBO handelt,
hängt allein davon ab, ob sich hinter dieser eine Aufschüttung befindet oder nicht.
Die aus L-Steinen bestehende Grenzwand der Beigeladenen im Grenzabstand stellt derzeit
eine Stützmauer zur Sicherung einer Aufschüttung und keine Einfriedung dar, weil die
natürliche Geländeoberfläche in diesem Bereich um bis zu 47 cm aufgefüllt wurde. Diese
Aufschüttung entspricht – wie bereits ausgeführt - auch nicht § 8 Abs. 2 Nr. 11 LBO, der
Aufschüttungen im Grenzbereich nur im Neigungsverhältnis von 1 zu 1,5 zulässt.
Ausgehend von einer Aufschüttung von 36 bis 45 cm und diesem Neigungswinkel müsste
die Aufschüttung in einem Bereich von etwa 54 bis 70 cm zur Grenze der Kläger auf das
natürliche Geländeniveau abgeflacht werden. Bei der Differenz zwischen vorhandenem und
zulässigem Aufschüttungsniveau handelt es sich auch nicht mehr um eine Größenordnung,
die vom Schikaneverbot umfasst wird.
Entgegen der Einschätzung des Beklagten führt der Umstand, dass § 8 Abs. 2 Nr. 2 LBO
2004 im Mittel bis zu 0,50 m erhöhte Terrassen an der Grundstücksgrenze zulässt, nicht
zu einer grundsätzlichen Zulässigkeit von Aufschüttungen bis zu 0,50 m Höhe an der
Grundstücksgrenze.
Die Ausgestaltung der Abstandsflächenbestimmungen als nachbarschützende Normen
beruht im Saarland auf der Erwägung, dass eine bauliche Anlage an der Grenze durch
seine Auswirkungen auf das Nachbaranwesen in Form vor allem des Entzugs von Licht und
Sonne, der räumlichen Beengung und der Beeinträchtigung des Wohnfriedens Belange des
Anliegers tangiert. Wenn die LBO gleichwohl nach Maßgabe des Gesetzes bestimmte
bauliche Anlagen in Abstandsflächen und ohne eigene Abstandsfläche zulässt, so nicht im
Interesse des Bauherrn an größtmöglicher Ausnutzung seines Grundstücks. Die LBO
enthält insoweit abschließende Bestimmungen, unter denen ein Nachbar eine Abweichung
von den „allgemeinen“ Abstandsflächenbestimmungen hinnehmen muss. (so zum
Grenzgaragenprivileg: OVG des Saarlandes, Beschluss vom 26.06.1995 - 2 W 25/95 -,
Seite 6 f. unter Hinweis auf die Urteile vom 25.06.1982 - 2 R 126/81 - und vom
01.06.1990 - 2 R 58/88 – und den Beschluss vom 27.06.1994 – 2 W 22/94 - (zur
vergleichbaren Situation bei der - seinerzeit geltenden - auf zwei Grundstücksgrenzen
beschränkten Inanspruchnahme des sogenannten Schmalseitenprivilegs des § 7 Abs. 1
Satz 1 LBO))
Wenn die LBO seit der Fassung von 1996 und derzeit mit § 8 Abs. 2 Nr. 2 LBO 2004 nur
„Terrassen“ an der Grundstücksgrenze auf entsprechenden Aufschüttungen erhöht zulässt
und nicht mehr - wie noch zuvor „Aufschüttungen“ (jeder Art) – muss der Nachbar
unabhängig vom Sinn dieser Änderung auch nur im Mittel bis zu 0,50 m erhöhte
„Terrassen“ in der Abstandsfläche hinnehmen.
Dass die Beigeladene bei der Gemeinde die Freistellung des Vorhabens „Errichtung einer
Terrasse im rückwärtigen rechtsseitigen Grundstücksbereich“ angezeigt hat, hat für das
vorliegende Verfahren keine Bedeutung, weil maßgebend für die Beurteilung der Sach- und
Rechtslage der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ist und diese „Terrasse“ derzeit
noch nicht realisiert ist.
2. Die Kläger können die Verletzung der ihren Schutz bezweckenden Vorschriften des
öffentlichen Rechts vorliegend aber nicht mit Erfolg geltend machen, weil sie sich an diese
Vorschriften selbst nicht gehalten haben.
Nach der bis zum Inkrafttreten der LBO 2004 geltenden Regelung konnte sich ein Nachbar
gegen die Verletzung von drittschützend ausgestalteten Grenzabstands- oder
wenn
und soweit
Baugrundstück zu wahrenden Grenzabstand in das nachbarliche Austauschverhältnis
"einbrachte". Dabei spielte es im Verhältnis der Nachbarn untereinander keine Rolle, ob der
erste Verstoß gegen die Abstandsflächenbestimmungen formell genehmigt war oder nicht.
In diesem Verhältnis kommt es allein auf das materielle Recht an. Dementsprechend
musste der Nachbar ein Heranrücken der Bebauung an die gemeinsame Grenze
hinnehmen, wenn und soweit er sich der Grenze seinerseits unter Unterschreitung des
freizuhaltenden Abstandes genähert hat. Das Austauschverhältnis wurde insoweit
gewissermaßen auf "niedrigerer Ebene" wieder hergestellt. Dabei kam es nicht darauf an,
ob der Nachbar die in unzureichendem Grenzabstand vorhandene Bebauung selbst ins
Werk gesetzt hat, ihn also gewissermaßen der "Vorwurf" traf, sich selbst rechtswidrig
verhalten zu haben. (Urteil der Kammer vom 09.06.2010 – 5 K 613/09 – unter Hinweis
auf OVG des Saarlandes, Beschluss vom 14.01.2000 – 2 V 14/99 -) Allerdings musste
eine gewisse Gleichartigkeit der Verstöße gegen die Abstandsflächenvorschriften bestehen.
Mit dem Inkrafttreten der LBO 2004 wurde dieses Prinzip der sich aus dem Begriff der
„Deckungsgleichheit“ beim Anbau ergebenden Gleichartigkeit aufgegeben. Daraus folgt,
wie das OVG des Saarlandes im nachfolgend zitierten Beschluss vom 25.05.2010 – 2 A
31/10 – ausgeführt hat, dass sich der Nachbar, der sich selbst an die
Abstandsflächenbestimmungen nicht gehalten hat, eine Verletzung der
Abstandsflächenbestimmungen durch seinen Nachbarn nur noch mit Erfolg geltend machen
kann, wenn das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmeverbot verletzt ist:
Der Senat hat im Urteil vom 18.09.2008 – 2 A 4/08 – zu den gegenüber § 6 LBO 1988
neu gefassten Sätzen 2 bis 4 des § 7 Abs. 1 LBO 2004 ausgeführt, nach dem
gegenwärtigen, nur noch auf ein Bauen an der Grenze („ohne Grenzabstand“)
abstellenden Gesetzestext könne der Eigentümer eines nicht im Einklang mit den
Grenzabstanderfordernissen bebauten Grundstücks auch einen darüber hinausgehenden
Eingriff in die Abstandsflächenbestimmungen grundsätzlich – vorbehaltlich der Grenzen des
Rücksichtnahmegebotes – nicht mehr abwehren. Darin liegt die Aussage, dass sich –
nachdem der Gesetzgeber die noch in § 6 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 LBO 1988 enthaltene
Beschränkung einer wechselseitigen Grenzbebauung außerhalb von Bereichen mit einem
planungsrechtlich vorgegebenen Zwang zum Bauen ohne Grenzabstand auf den (im
wesentlichen deckungsgleichen) Anbau gezielt beseitigt hat - den bauordnungsrechtlichen
Abstandsflächenvorschriften insoweit keine Einschränkungen (mehr) entnehmen lassen.
Grundsätzlicher Klärungsbedarf im Verständnis von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ergibt sich
insoweit auch nicht unter dem Gesichtspunkt der vom Kläger im Zusammenhang mit der
Geltendmachung des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO thematisierten
Frage der Behandlung von Grenzbauten in Fällen einer vorhandenen grenzständigen
Bebauung auf dem Nachbargrundstück, wenn nach bebauungsrechtlichen Vorschriften
ohne Grenzabstand gebaut werden darf. Auch für diese Konstellation gilt die Aussage des
Senats im Urteil vom 18.9.2008 – 2 A 4/08 -, dass der Eigentümer eines nicht im Einklang
mit den Grenzabstandserfordernissen bebauten Grundstücks auch einen darüber
hinausgehenden Eingriff in die Abstandsflächenfunktionen grundsätzlich – vorbehaltlich der
Grenze des in planungsrechtlichen Vorschriften enthaltenen Rücksichtnahmegebotes –
nicht mehr abwehren kann. Der Beantwortung weiterer grundsätzlich klärungsbedürftiger
Fragen bedarf es hierfür nicht. Im Ausgangspunkt ist festzuhalten, dass die Sätze 2 bis 4
des § 7 Abs. 1 LBO 2004 gegenüber der in seinem Satz 1 begründeten prinzipiellen Pflicht
zur Freihaltung von Abstandsflächen – ganz allgemein betrachtet – den Vorrang des
Bauplanungsrechts zum Ausdruck bringen und ferner Situationen regeln, in denen von
dessen Vorgaben abgewichen ist. Dabei bestimmt § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBO 2004
zunächst den Vorrang eines planungsrechtlich begründeten Zwanges zur Grenzbebauung
gegenüber der Pflicht des Satzes 1 zur Freihaltung von Abstandsflächen. Auch § 7 Abs. 1
Satz 2 Nr. 2 LBO 2004, wonach die Freihaltung einer Abstandsfläche nicht erforderlich ist,
wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden darf und
öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls ohne
Grenzabstand gebaut wird, bringt das Primat des Planungsrechts zur Geltung: In Fällen, in
denen kein bodenrechtlicher Zwang zur Grenzbebauung besteht, gleichwohl aber
planungsrechtlich ohne Grenzabstand gebaut werden darf – etwa bei der ausdrücklichen
planerischen Zulassung oder dem Vorhandensein von Doppelhäusern oder Hausgruppen
(letztere unterhalb zur Schwelle geschlossenen Bauweise) in der näheren Umgebung –
besteht im Grundsatz eine Pflicht zur Freihaltung von Abstandsflächen oder anders
gewendet, ein einseitiger Grenzanbau wäre unzulässig. Erlaubt sein soll nur eine
wechselseitige Grenzbebauung. (vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerwG, Urteil vom
24.2.2000 – 4 C 12.98 – BRS 63 Nr. 185, zu Doppelhäusern in offener Bauweise)
In einer solchen Konstellation soll § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO 2004 sicherstellen, dass in
Fällen, in denen die planungsrechtliche Befugnis („darf“) zur Errichtung eines Gebäudes
ohne Grenzabstand ausgenutzt werden soll, auch auf dem Nachbargrundstück ohne
Grenzabstand gebaut wird. Die Regelung zielt dabei ersichtlich, zumindest in erster Linie
auf den zuerst Bauenden ab.
Die Bestimmungen des § 7 Abs. 1 Sätze 3 und 4 LBO 2004 betreffen hingegen
Fallgestaltungen, in denen eine von den planungsrechtlichen Vorgaben abweichende
Situation vorgefunden wird, sei es dass trotz zwingender planungsrechtlicher Vorgabe
eines Bauens mit Grenzabstand an der Nachbargrenze bereits ein Gebäude vorhanden ist
(Satz 3) oder trotz zwingender Pflicht zu einer Bebauung ohne Grenzabstand ein Gebäude
mit Grenzabstand ausgeführt ist (Satz 4), und eröffnen der Behörde die Befugnis, zu
gestatten oder zu verlangen, dass ebenfalls ohne Grenzabstand gebaut wird (Satz 3) oder
eine Abstandsfläche freigehalten wird (Satz 4). Letztlich geht es darum, ob dem
Zweitbauenden ebenfalls eine Abweichung von den planungsrechtlichen Vorgaben erlaubt
oder sogar vorgegeben wird. Den beiden letztgenannten Fallgestaltungen lässt sich die
Konstellation, dass in einem Gebiet, in dem Planungsrecht sowohl bauen mit als auch ohne
Grenzabstand erlaubt, also auch Gebäude ohne Grenzabstand errichtet werden „dürfen“,
bei vorhandener grenzständiger Bebauung auf dem Nachbargrundstück ein Vorhaben auf
dem Baugrundstück ebenfalls ohne Grenzabstand ausgeführt werden soll, ersichtlich nicht
zuordnen. Denn die vorgesehene hinzutretende Bebauung ohne Grenzabstand stellt hier
gerade keine Abweichung von entsprechenden planungsrechtlichen Vorgaben dar. Im
Gegenteil: Mit ihr wird entsprechend den planungsrechtlichen Intentionen, denen letztlich
auch mittels § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO 2004 Rechnung getragen werden soll, die
Einseitigkeit der vorhandenen Grenzbebauung gerade beseitigt. Von daher besteht insoweit
auch kein Bedarf für eine Gestaltungsentscheidung wie in den Fällen des § 7 Abs. 1 Sätze
3 und 4 LBO 2004. In Erwägung zu ziehen wäre allenfalls eine analoge Anwendung von § 7
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO 2004. Zwar hat der Senat in seiner Rechtsprechung zu § 6 LBO
1988 die Frage einer analogen Anwendung des damaligen § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO
1988 mehrfach angesprochen (und letztlich offen gelassen). (OVG des Saarlandes,
Beschlüsse vom 11.3.2002 – 2 Q 35/01 – und vom 23.6.2003 - 1 Q 21/03 -)
Diese Rechtsprechung muss jedoch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass sowohl §
6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 als auch Satz 3 LBO 1988 die Zulässigkeit einer Grenzbebauung bei
vorhandenem grenzständigen Baubestand auf dem Nachbargrundstück auf den (im
wesentlichen deckungsgleichen) Anbau beschränkten, also eine bauordnungsrechtliche
Begrenzung des Umfanges der Befugnis zum Bauen ohne Grenzabstand in derartigen
Fällen enthielten. Diese bauordnungsrechtliche Begrenzung ist indes – wie dargelegt – vom
Gesetzgeber in § 7 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 LBO 2004 bewusst beseitigt worden, und es
besteht kein Grund zu der Annahme, dass der Gesetzgeber in Fallgestaltungen, in denen
planungsrechtliche Vorgaben ein Bauen ohne Grenzabstand sogar erlauben („darf“), die
Ausführung eines grenzständigen Vorhabens bei vorhandener Grenzbebauung auf dem
Nachbargrundstück stärker einschränkt als in Fallgestaltungen, in denen auf dem
Nachbargrundstück eine Bebauung ohne Grenzabstand vorhanden ist, obwohl nach
planungsrechtlichen Vorgaben mit Grenzabstand gebaut werden muss (§ 7 Abs. 1 Satz 3
LBO 2004). Im Übrigen ist in Fällen, in denen Planungsrecht die Errichtung von Gebäuden
ohne Grenzabstand erlaubt und auf dem Nachbargrundstück ein Grenzgebäude vorhanden
ist, der planungsrechtlichen „Vorgabe“, dass die Grenzbebauung wechselseitig erfolgt, die
mittels § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO 2004 sichergestellt werden soll, gerade Rechnung
getragen. Mit Blick auf die spezifische nachbarrechtliche Situation ist ferner auf den auch
vom Verwaltungsgericht angeführten Grundsatz zu verweisen, dass derjenige, auf dessen
Grundstück ein grenzständiges Gebäude vorhanden ist, prinzipiell von seinem Nachbarn
nicht mit Erfolg verlangen kann, dass dieser abstandsflächenrechtliche Bestimmungen
beachtet, von denen seine eigene Bebauung abweicht. Das erlaubt es, aus den Regelungen
des § 7 Abs. 1 Sätze 2 bis 4 LBO 2004 zu schließen, dass der Normgeber auch in Fällen, in
denen bei planungsrechtlicher Zulässigkeit von Gebäuden ohne Grenzabstand ein
Grenzgebäude auf dem Nachbargrundstück vorhanden ist, dem Nachbarn, auf dessen
Grundstück das Gebäude ohne Grenzabstand steht, gegenüber der Errichtung eines
Gebäudes ohne Grenzabstand an der anderen Seite der Grenze kein
abstandsflächenrechtliches Abwehrrecht zubilligt, sondern ihn (ebenfalls) auf die
Geltendmachung eventueller Verstöße gegen drittschützendes Bauplanungsrecht
beschränkt.
Vorliegend haben die Kläger ihr Grundstück ausweislich der beigezogenen Bauakten im
Zuge der Bebauung ihrerseits und zwar im vorderen Grundstücksteil auf einer Länge von
insgesamt mehr als 20 m, davon 8 m hinter der Grenzgarage unmittelbar an der Grenze
zum Grundstück der Beigeladenen zwischen 1,00 m und 1,50 m aufgeschüttet und mit
einer Stützmauer abgestützt, um dort eine ebene Fläche u.a. für die Garage und eine
Terrasse herzustellen. Das ergibt sich ohne weiteres aus den Ansichten Süd der
Bauscheine vom 14.03.1984 und vom 22.10.1985. In der Ansicht Süd zum Bauschein
vom 14.03.1984 ist das „alte Gelände“ ohne die (spätere) Aufschüttung dargestellt.
Aufgrund der mit dem Bauschein vom 22.10.1985 genehmigten Verlagerung der Garage
von der Nord- auf die Südseite des Grundstücks der Kläger wurde sodann das gesamte
Gelände der Kläger zwischen dem Wohnhaus und der Grenze zum Grundstück der
Beigeladenen in einer Breite von 5,50 m in dem genannten Umfang aufgefüllt, um eine
Beigeladenen in einer Breite von 5,50 m in dem genannten Umfang aufgefüllt, um eine
ebene Fläche zwischen der hinteren Garagentür und der hinteren Erdgeschossebene des
Wohnhauses zu erreichen. Das hat bei der Ortseinsicht des Gerichts seine Bestätigung
gefunden.
Diese Aufschüttung hat zu keinem Zeitpunkt dem materiellen Recht entsprochen. Nach § 7
Abs. 4 der im Jahre 1985 geltenden LBO 1965/1974 waren im Bauwich (§ 7 Abs. 1 S. 1
LBO 1965/1974: „Von den Grundstücksgrenzen, die nicht an öffentlichen Verkehrsflächen
liegen, müssen Gebäude nach Maßgabe der folgenden Absätze einen Mindestabstand
(Bauwich) einhalten.) bauliche Anlagen, zu denen nach § 2 Abs. 2 Satz 3 auch
Aufschüttungen gehörten, unzulässig; ausgenommen waren … Anschüttungen bis 50 cm
Höhe. Auch nach den späteren Fassungen der LBO waren Aufschüttungen im Bauwich
bzw. in der Abstandsfläche von 1 m bis 1,5 m materiell-rechtlich unzulässig.
Aufgrund dieser ebenfalls mit einer Stützmauer gesicherten Aufschüttung auf einer Länge
von mehr als 20 m an der Grenze zum jetzigen Grundstück der Beigeladenen mit einer
Höhe von bis zu 1,5 m ist es den Klägern von Rechts wegen verwehrt, von der
Bauaufsichtbehörde ein Einschreiten gegen eine mittels einer Stützwand gesicherten,
weniger als 50 cm hohen Aufschüttung auf einer Länge von unter 20 m an der
gemeinsamen Grenze der Privatbeteiligten zu verlangen.
Eine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebotes ist eindeutig zu
verneinen. Die geringfügige Aufschüttung im Grenzbereich durch die Beigeladene ist den
Klägern gegenüber nicht rücksichtslos.
Das Rücksichtnahmegebot ist keine allgemeine Härteklausel, die über den speziellen
Vorschriften des Städtebaurechts oder gar des gesamten öffentlichen Baurechts steht,
sondern Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts. Im unbeplanten
Innenbereich findet das Rücksichtnahmegebot seine gesetzliche Grundlage im Begriff des
Einfügens in § 34 Abs. 1 BauGB, in Bebauungsplangebieten in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO,
demzufolge die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen
unzulässig sind, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach
der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar
sind. (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.12.2000 - 4 C 3.00 -, NVwZ 2001, 813 = BRS 63 Nr.
160)
Das Gebot der Rücksichtnahme soll einen angemessenen Interessenausgleich gewähren.
Die dabei vorzunehmende Abwägung hat sich daran zu orientieren, was dem
Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage
der Dinge zuzumuten ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des
Rücksichtnahmebegünstigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je
verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso
weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen.
Berechtigte Belange muss er nicht zurückstellen, um gleichwertige fremde Belange zu
schonen. (BVerwG, Urteil vom 14.01.1993 -4 C 19.90-, BRS 55 Nr. 175 m.w.N.)
Dass das bundesrechtliche Rücksichtnahmeverbot nicht verletzt ist, ergibt sich
bereits aus dem Umstand, dass die Kläger ihrerseits aufgrund der
Baugenehmigung aus dem Jahre 1985 eine umfangreichere Aufschüttung auf
ihrem Grundstück an der Grenze vorgenommen haben. Das ergibt sich aber
auch weiterhin daraus, dass diverse andere Landesbauordnungen
entsprechende Aufschüttungen bis 0,50 m oder sogar bis 1,00 m an der
Grundstücksgrenze erlauben und die Wirkungen von nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 LBO
2004 zulässigen Terrassen an der Grundstücksgrenze ganz sicher nicht geringer
sind als die einer ggf. sogar bepflanzten einfachen Aufschüttung.
Damit steht den Klägern kein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten des Beklagten
gegen die zur Sicherung der Aufschüttung von weniger als 0,50 m vorhandene Stützwand
der Beigeladenen zu.
Auch der auf die Neubescheidung gerichtete Hilfsantrag der Kläger hat keinen Erfolg. Wenn
den Klägern eine Berufung auf die konkrete Verletzung der Abstandsflächenbestimmungen
durch die Beigeladene aufgrund ihres eigenen Verstoßes gegen diese Bestimmungen von
Rechts wegen verwehrt ist, steht ihnen auch kein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie
Neubescheidung ihres Antrages auf Einschreiten nicht zu.
Folglich ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus den § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen sind den Klägern auf der Grundlage von § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen,
weil die Beigeladenen einen förmlichen Antrag gestellt haben und damit zugleich das Risiko
eingegangen sind, im Falle des Unterliegens an den Kosten des Verfahrens beteiligt zu
werden (§ 154 Abs. 3 VwGO).
Die Berufung wird nicht gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO zugelassen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung
mit den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 52 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 2 GKG.