Urteil des VG Saarlouis vom 24.02.2011

VG Saarlouis: aufenthaltserlaubnis, gemeinsame elterliche sorge, anspruch auf einbürgerung, stadt, öffentliches interesse, schutzwürdiges interesse, besondere härte, unterhalt, besitz, duldung

VG Saarlouis Urteil vom 24.2.2011, 2 K 830/09
Zur Einbürgerung eines minderjährigen Ausländers
Leitsätze
1. Rechtmäßig ist der Aufenthalt eines Ausländers i.S. v. § 10 I S. 1 StAG, wenn ihm
Aufenthaltstitel tatsächlich erteilt worden sind; Duldungszeiten genügen nicht.
2. Der minderjährige Einbürgerungsbewerber erfüllt die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1
Nr. 4 StAG, wenn die Unterhaltszahlungen eines Elternteils und das Kindergeld in der
Summe den Sozialleistungsbedarf übersteigen, unbeschadet des Leistungsbezuges des
anderen Elternteils.
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 31.07.2009 verpflichtet, den
Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss
ergebenden Kostenschuld abwenden, sofern nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der
Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der am … 1995 in M. geborene Kläger begehrt seine Einbürgerung.
Die Mutter des Klägers ist liberianische Staatsangehörige; der Vater des Klägers, ehemals
ghanaischer Staatsangehöriger, hat die Vaterschaft nach der Geburt des Klägers
anerkannt. Im Jahr 1996 wurde der Vater des Klägers eingebürgert. Seit dem 16.12.2008
besteht die gemeinsame elterliche Sorge.
Die Mutter des Klägers hatte nach ihrer Einreise am 16.03.1994 erfolglos um Asyl
nachgesucht (zuletzt VGH München, Beschluss vom 07.10.2003 -26 AA 95.32666-). Der
für den Kläger am 14.06.1995 gestellte Asylantrag blieb ebenfalls ohne Erfolg (zuletzt OVG
Saarlouis, Urteil vom 27.05.1998 – 1 R 271/96-).
Dem Kläger wurde erstmals am 04.11.2004 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt; zuvor war er
im Besitz von Duldungen. Nach Anhörung des Klägers lehnte der Beklagte den Antrag auf
Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit mit Bescheid vom 31.07.2009 ab. Zur
Begründung ist ausgeführt, nach § 10 StAG i.V.m. den vorläufigen Anwendungshinweisen
des Bundesministeriums des Innern könne die Einbürgerung u.a. nur nach einem
achtjährigen rechtmäßigen Inlandsaufenthalt erfolgen. Die von dem Kläger seit seiner
Geburt in Deutschland verbrachten Zeiten könnten nicht vollständig angerechnet werden.
Die zur Einbürgerung erforderliche Niederlassungszeit beginne erst mit der Erteilung eines
anrechenbaren Aufenthaltstitels am 04.11.2004 und werde daher erst im Jahre 2012
erreicht. Der vorherige Aufenthalt, währenddessen dem Kläger eine Duldung erteilt
gewesen sei, sei kein rechtmäßiger Aufenthalt im Sinne des StAG. Die Duldung sei lediglich
die zeitweise Aussetzung der Abschiebung eines zur Ausreise verpflichteten Ausländers.
Auch nach § 8 StAG ergebe sich keine andere Bewertung. Die zeitlichen Voraussetzungen
in beiden Bestimmungen seien zwar grundsätzlich identisch; aufgrund der Tatsache, dass
der Vater des Klägers die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, könne aber eine
Ermessenseinbürgerung als Abkömmling eines deutschen Staatsbürgers in Frage kommen.
Abkömmlinge deutscher Staatsbürger könnten mit einer nach Lage des Einzelfalls kürzeren
Aufenthaltsdauer als acht Jahre eingebürgert werden, wobei nach der gängigen Praxis
derzeit mindestens vier Jahre erforderlich seien. Die Voraussetzungen für die
Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG i.V.m. Nr. 8.1.1.4 der vorläufigen
Anwendungshinweise des BMI zum Staatsangehörigkeitsrecht seien gleichwohl nicht erfüllt.
Zwingende Voraussetzung nach § 8 StAG sei die eigenständige Sicherung des
Lebensunterhaltes durch den Einbürgerungsbewerber. Der Bezug von Leistungen nach SGB
II und SGB XII stehe unabhängig von einem zu vertretenden Verschulden einer Einbürgerung
entgegen. Nach den vorgelegten Unterlagen beziehe der Kläger mit seiner Mutter derzeit
monatliche Leistungen seitens der ARGE A-Stadt zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Da
sein Lebensunterhalt mithin durch öffentliche Mittel bestritten werde, sei eine Einbürgerung
ausgeschlossen. Eine Ausnahme von dem Erfordernis einer selbstständigen Sicherung des
Lebensunterhalts nach § 8 Abs. 2 StAG komme ebenfalls nicht in Betracht. Weder sei ein
öffentliches Interesse an der Einbürgerung gegeben noch seien Anhaltspunkte für das
Vorliegen einer besonderen Härte ersichtlich.
Gegen den ihm am 01.08.2009 zugestellten Bescheid richtet sich die am 01.09.2009 bei
Gericht eingegangene Klage.
Zur Begründung ist vorgetragen, gemäß § 33 AufenthG könne einem Kind, das im
Bundesgebiet geboren werde, von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden,
wenn ein Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis besitze. Der Vater des Klägers sei bei seiner
Geburt im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen. Die alte Fassung der Vorschrift (§ 21
AuslG) habe das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 25.10.2005 – 2 BvR
524/01 – für verfassungswidrig erklärt, soweit ein Anspruch auf Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis in Anknüpfung an den Vater ausgeschlossen gewesen sei. Dass in der
ab 2007 gültigen Neufassung des Gesetzes der Gleichheitsverstoß behoben und der
Anwendungsbereich auf den Vater ausgedehnt worden sei, habe der Beklagte
rechtsfehlerhaft unberücksichtigt gelassen. Es müsse deshalb davon ausgegangen werden,
dass der Kläger sich seit seiner Geburt rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, wobei sich
der rechtmäßige Aufenthalt des Vaters auf das Kind auch ohne entsprechenden
Aufenthaltstitel übertragen lasse. Damit habe der Kläger einen gesetzlichen Anspruch auf
Einbürgerung nach § 10 StAG.
Was die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts angehe, sei darauf hinzuweisen,
dass die Unterhaltsfähigkeit des Klägers von dem Unterhaltsanspruch gegen seinen Vater
abhänge. Bei einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch sei es ausreichend, wenn der Dritte
leistungsfähig und der Unterhaltsanspruch im Inland durchsetzbar sei. Der Vater zahle
aktuell monatlich 334,-- Euro Unterhalt an den Kläger. Zu den Unterhaltszahlungen sei das
Kindergeld in Höhe von 184,-- Euro hinzuzurechnen. Die Inanspruchnahme staatlicher
Leistungen durch die unterhaltspflichtigen Eltern könne dem jugendlichen
Einbürgerungsbewerber nicht zugerechnet werden. Auf den Bezug von Wohngeld habe der
Kläger verzichtet.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom
31.07.2009 zu verpflichten, dem Kläger eine
Einbürgerungszusicherung zu erteilen,
hilfsweise,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom
31.07.2009 zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zunächst auf die Ausführungen in seinem ablehnenden Bescheid. Weiter macht
er geltend, der Kläger gehe zu Unrecht davon aus, dass sich der rechtmäßige Aufenthalt
seines Vaters ohne entsprechenden Titel auf seinen Aufenthalt übertragen lasse. Die
Zeiten, in denen der Kläger nur über eine Duldung verfügt habe, seien auf die für die
Einbürgerung erforderliche Zeit nicht anrechenbar. Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts im
Sinne des Staatsangehörigkeitsgesetzes werde erst durch den Besitz einer
Aufenthaltsgenehmigung vermittelt. Darüber hinaus sei der gesetzlich erlaubte oder
genehmigungsfreie wie auch der nach § 69 Abs. 3 AuslG 1990 fiktive Aufenthalt
rechtmäßig. Das Staatsangehörigkeitsrecht regele ausdrücklich in § 12 b Abs. 3 StAG unter
welchen Voraussetzungen Unterbrechungen des erforderlichen achtjährigen rechtmäßigen
Aufenthaltes unschädlich seien. Da das Gesetz selbst Regelungen für fiktiv erlaubte
Aufenthaltszeiten enthalte, könnten weitere Umstände, die dort nicht aufgeführt seien,
nicht für eine fiktive Berechnung der Aufenthaltszeiten herangezogen werden. Die
Duldungszeiten könnten daher auch insoweit nicht angerechnet werden, als der leibliche
Vater im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit bzw. vorher einer
Niederlassungserlaubnis gewesen sei.
Eine Einbürgerung im Rahmen des Ermessens gemäß § 8 StAG scheide wegen des
fortbestehenden Leistungsbezuges ungeachtet der Unterhaltszahlungen durch den Vater
weiterhin aus. Die Mutter als Unterhaltsverpflichtete erhalte weiterhin Leistungen nach
dem SGB II, die in Teilen (z. B. für die Wohnung) auch dem Kläger zuzurechnen seien.
Ferner sei nicht absehbar, dass der Kläger in Zukunft ohne Wohngeldzahlungen
auskommen werde. Eine besondere Härte i. S. d. § 8 Abs. 2 StAG, wonach von der
Sicherung des Lebensunterhaltes abgesehen werden könne, liege nicht vor.
Die Kammer hat zur Frage der Unterhaltszahlungen und des Leistungsbezuges des Klägers
Auskünfte des Landkreises A-Stadt – Kreisjugendamt – und des Jobcenters A-Stadt
eingeholt. Auf die Stellungnahmen vom 04.02. und 23.02.2011 nebst Anlagen wird Bezug
genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt
der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen und Ausländerakten. Er
war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nach Maßgabe des Urteilstenors begründet.
Dem Kläger steht allerdings ein Anspruch auf eine Einbürgerungszusicherung nach § 10
StAG nicht zu.
Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG scheitert
daran, dass es zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an dem
notwendigen achtjährigen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers im
Bundesgebiet fehlt.
Rechtmäßig ist der Aufenthalt eines Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland – sofern
nicht besondere Befreiungstatbestände eingreifen – nur, wenn er von der zuständigen
Ausländerbehörde erlaubt worden ist. Die Rechtmäßigkeit muss sich auf den dauernden
Aufenthalt beziehen, „ihn abdecken“. Ein entsprechender Aufenthaltstitel muss tatsächlich
erteilt worden sein. Der bloße Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, der einen
tatsächlichen Aufenthalt rechtmäßig werden lässt, reicht nicht aus. Ist die
Aufenthaltsgenehmigung rückwirkend erteilt worden, sind die vor dem Erteilungszeitpunkt
liegenden, von der Rückwirkung erfassten Zeiträume zu berücksichtigen. Zeiten der bloßen
Duldung eines ausreisepflichtigen Ausländers sind grundsätzlich nicht als Zeiten
rechtmäßigen Aufenthalts anzurechnen.
Vgl. zu Vorstehendem OVG Saarlouis, Urteil vom
13.09.2006 – 1 R 17/06 -; Berlit, GK-StAR, Stand Oktober
2005, § 10 StAG, Rdnr. 101 ff.
Vorliegend war der Kläger in der Zeit nach Abschluss seines Asylverfahrens und der
erstmaligen Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (d. h. zwischen Mitte 1998 und Ende
2004) lediglich im Besitz von Duldungen. Die dem Kläger auf seinen Antrag vom
27.08.2004 am 04.11.2004 erteilte Aufenthaltserlaubnis basierte ausweislich der
Ausländerakte der Mutter des Klägers – Bl. 170 – auf den Vorschriften der §§ 23 Abs. 1 Nr.
2 i. V. m. § 17 Abs. 1 AuslG. Die Aufenthaltserlaubnis wurde dem Kläger mithin als
ausländischem minderjährigem ledigen Kind eines Deutschen – nämlich seines Vaters – zur
Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft erteilt. Ausweislich des
Abschlussvermerks ist die Ausländerbehörde seinerzeit nach dem Ergebnis ihrer
Ermittlungen davon ausgegangen, dass zwischen dem Kläger und seinem deutschen Vater
eine familiäre Lebensgemeinschaft in der Form einer Beistandsgemeinschaft aufgrund
regelmäßiger gegenseitiger Besuchskontakte bestand. Rückwirkung ist diesem
Aufenthaltstitel ersichtlich nicht beigemessen worden. Von daher hält sich der Kläger nicht
i. S. d. § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG seit acht Jahren rechtmäßig im Inland auf.
Zugunsten des Klägers kann auch aus § 10 Abs. 3 Satz 2 StAG nichts hergeleitet werden.
Nach dieser Vorschrift kann beim Vorliegen besonderer Integrationsleistungen,
insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Abs. 1
Satz 1 Nr. 6 übersteigen, die Achtjahresfrist auf sechs Jahre verkürzt werden. Dass der
Kläger in diesem Sinne besondere Integrationsleistungen erbracht hätte, ist nicht dargetan.
Eine rechtliche Notwendigkeit für den Beklagten, im Fall des Klägers gleichwohl von einer
ausreichenden Dauer eines rechtmäßigen Aufenthalts auszugehen, bestand auch nicht aus
sonstigen Gründen.
Grundsätzlich ist bei der einbürgerungsrechtlichen Betrachtung auf erteilte Aufenthaltstitel
abzustellen. Von daher war der Beklagte weder verpflichtet, Überlegungen dazu
anzustellen, ob dem Kläger bereits zu einem früheren Zeitpunkt ein Anspruch auf Erteilung
einer Aufenthaltserlaubnis wegen des Bestehens einer familiären Lebensgemeinschaft mit
seinem deutschen Vater zugestanden hat, noch mit Blick auf die neugefasste Vorschrift
des § 33 AufenthG einen rechtmäßigen Aufenthalt des Klägers im Sinne des § 10 Abs. 1
StAG durch „Übertragung“ des rechtmäßigen Aufenthalts des Vaters auf den Kläger
anzunehmen.
Dass sich der Kläger und seine Mutter erst im August 2004 um einen
aufenthaltsrechtlichen Titel bemühten, lässt sich nach Aktenlage im Übrigen unschwer
damit erklären, dass das Asylverfahren der Mutter des Klägers erst im Oktober 2003
abgeschlossen war, sie bis dahin also über eine Aufenthaltsgestattung verfügte, so dass
eine Notwendigkeit, ihren Aufenthalt und den des minderjährigen Klägers über dessen
Vater zu sichern, nicht bestand.
Soweit der Kläger nunmehr beabsichtigt, erstmals einen Antrag auf rückwirkende Erteilung
einer Aufenthaltserlaubnis bei der Ausländerbehörde zu stellen, ersichtlich mit dem Ziel,
einen durchgehenden rechtmäßigen Aufenthalt von acht Jahren zu erreichen, ergibt sich
aus der von ihm insoweit angeführten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom
29.09.1998 – 1 C 14/97 – juris zwar, dass ein Ausländer grundsätzlich eine (unbefristete)
Aufenthaltserlaubnis auch rückwirkend erhalten kann, wenn er hieran ein schutzwürdiges
Interesse hat. Beanspruchen kann der Ausländer die Aufenthaltserlaubnis danach aber
lediglich mit Wirkung von einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt nach der
Antragstellung . An einem Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor
dem Jahr 2004 fehlt es vorliegend. Schon dies verbietet es, bei der
einbürgerungsrechtlichen Betrachtung davon auszugehen, der Aufenthalt des Klägers sei –
fiktiv – seit acht Jahren rechtmäßig, weil ihm eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis
rückwirkend erteilt werden müsse.
Ebenso wenig kommt eine Aussetzung des Verfahrens bis zur möglichen Entscheidung der
Ausländerbehörde in Betracht. Die vorliegend maßgebliche Frage, ob sich der Kläger seit
acht Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, kann vielmehr anhand der vorliegenden
Einbürgerungs- und Ausländerakten abschließend vom Gericht beantwortet werden.
Zu Unrecht hat der Beklagte allerdings auch eine Einbürgerung des Klägers auf der
Grundlage des § 8 StAG mit der Begründung abgelehnt, die tatbestandlichen
Voraussetzungen dieser Norm seien nicht erfüllt, weil der Kläger nicht im Stande sei, sich
und seine Angehörigen zu ernähren (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG).
Entgegen den Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid, an denen der Beklagte auch
in der letzten mündlichen Verhandlung festgehalten hat, ist die genannte Voraussetzung im
maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erfüllt. Das
Tatbestandsmerkmal beinhaltet, dass der Lebensunterhalt des Einbürgerungsbewerbers
ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel, die nicht auf Eigenleistungen beruhen,
gesichert sein muss. Hängt die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts von einem
unterhaltsverpflichteten Dritten ab, so kommt es darauf an, inwieweit der Dritte
leistungsfähig und der Unterhaltsanspruch durchsetzbar ist.
Vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 20.11.2009 – 4 K
2203/09 – juris; Hailbronner/Renner/Maaßen,
Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Auflage § 8 StAG Rdnr. 38.
Insoweit hat das Kreisjugendamt bei dem Landkreis A-Stadt mit Schreiben vom
04.02.2011 mitgeteilt, der Vater des Klägers zahle den Unterhalt seit 1999 regelmäßig
und in voller Höhe. In den Jahren 2005 bis 2008 habe er sehr unregelmäßig gezahlt und
nicht monatlich. Ab 2009 zahle er den Unterhalt jedoch wieder regelmäßig und in voller
Höhe. Dem Schreiben waren Aufstellungen über die Zahlungen in der Zeit vom
16.01.2009 bis zum 27.12.2010 beigefügt. Mit Blick darauf kann aus Sicht der Kammer
nicht angenommen werden, dass die Unterhaltszahlungen derzeit allein aus
einbürgerungstaktischen Gründen erfolgen und nach Einbürgerung ausbleiben sollten.
Zweifel an der künftigen Unterhaltszahlung sind vielmehr nicht veranlasst, zumal dem
Kreisjugendamt nach Darlegung der Prozessbevollmächtigten des Klägers zur
Durchsetzbarkeit des Anspruchs eine vollstreckbare Urkunde vorliegt. Auch der Beklagte
geht insoweit – so jedenfalls die Einlassung der Beklagtenvertreter in der letzten
mündlichen Verhandlung – nunmehr davon aus, dass Unterhaltszahlungen künftig in der
erforderlichen Höhe erbracht werden.
Was den Bezug von Sozialleistungen angeht, hat die von der Kammer um Stellungnahme
gebetene ARGE A-Stadt (jetzt Jobcenter A-Stadt) mit Schreiben vom 23.02.2011
ausgeführt, der Kläger werde aus verwaltungsrechtlichen Gründen des SGB II in der
Bedarfgemeinschaft seiner Mutter geführt. Er sei mit dem ihm zur Verfügung stehenden
Einkommen in Höhe von 518,-- Euro (334,-- Euro Unterhalt und 184,-- Euro –gemeint-
Kindergeld) in der Lage, seinen Lebensunterhalt selbständig sicherzustellen. Dieses
Einkommen übersteige den leistungsrechtlichen Bedarf des Kindes in Höhe von 474,94
Euro, der sich aus seiner Regelleistung in Höhe von 287,-- Euro und seinen anteiligen
Kosten der Unterkunft in Höhe von zur Zeit 187,94 Euro errechne.
Davon abgesehen kann der dem Schreiben beigefügten „Horizontalübersicht“ für Februar
2011 entnommen werden, dass der Kläger kein Wohngeld mehr bezieht. Dies erklärt sich
daraus, dass der Kläger laut einer von ihm zu den Akten gereichten Bescheinigung der
Wohngeldbehörde bei dem Landkreis A-Stadt vom 24.01.2011 auf die weitere Zahlung
von Wohngeld verzichtet hat. Bei dem Wohngeld handelt es sich um eine staatliche
Leistung, die gewährt wird, wenn das Familieneinkommen bestimmte Höchstgrenzen nicht
erreicht, um dem Wohnungsinhaber zur Vermeidung sozialer Härten durch Zuschüsse ein
Mindestmaß an Wohnraum zu sichern. Der Bezug von Wohngeld kann der Einbürgerung
entgegenstehen, wenn sich bei einer prognostischen Betrachtung ergibt, dass der
Betreffende auch in Zukunft auf diese Leistung angewiesen sein wird.
Vgl. VG Oldenburg, Urteile vom 25.02.2009 – 11 A
1907/07 – und vom 12.12.2001 – 11 A 4238/00 -, juris.
Vorliegend muss aber gesehen werden, dass es ausweislich der für die Kammer
maßgeblichen Stellungnahme des Jobcenters A-Stadt der Zahlung von Wohngeld nicht
bedarf, damit der Kläger seinen Lebensunterhalt sicherstellen kann, hierfür vielmehr der
gezahlte Unterhalt sowie das Kindergeld ausreichend sind. Bezogen auf den Kläger kann
von daher nicht angenommen werden, dass der Verzicht auf Wohngeld eine Bedarfslücke
entstehen lässt, die durch andere Sozialleistungen geschlossen wird. Von daher kann
offenbleiben, ob dem Kläger ein Wohngeldanspruch überhaupt zusteht, was nach
Auffassung seiner Prozessbevollmächtigten nicht der Fall ist. Dahinstehen kann auch, ob
der Kläger entsprechend der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärung
absehbar keinen erneuten Wohngeldantrag stellen wird; entscheidend ist, dass er aufgrund
der ihm zufließenden Mittel, die den auf ihn entfallenden Regelbedarf decken, auf die
Gewährung von Wohngeld nicht angewiesen ist.
Unschädlich ist schließlich, dass die Mutter des Klägers, bei der er derzeit wohnt, weiterhin
im Leistungsbezug steht und er mit ihr aus „verwaltungsrechtlichen Gründen“ seitens des
Jobcenters A-Stadt in einer Bedarfsgemeinschaft geführt wird. Der minderjährige Kläger ist
gegenüber seiner Mutter mangels Leistungsfähigkeit zum einen nicht unterhaltspflichtig
(vgl. § 1603 Abs. 1 BGB), zum anderen kann der Umstand, dass die Mutter des Klägers
staatliche Leistungen in Anspruch nimmt, dem minderjährigen Kläger nicht zugerechnet
werden (vgl. entsprechend auch Nr. 10.1.1.3 der vorläufigen Anwendungshinweise des
Bundesministeriums des Innern vom 17.04.2009).
Da die sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 StAG nicht streitig sind, ist der
Beklagte mithin unter Aufhebung seines Bescheides zu verpflichten, über die Einbürgerung
des Klägers erneut zu entscheiden und dabei Ermessen auszuüben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollsteckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11,
711 ZPO.
Das Gericht sieht keine Veranlassung, die Berufung auf der Grundlage des § 124 a Abs. 1
Satz 1 VwGO zuzulassen.
Beschluss
Der Streitwert wird entsprechend der am Streitwertkatalog für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit orientierten ständigen Kammerrechtsprechung auf den
doppelten Auffangwert und damit auf 10.000,-- Euro festgesetzt.