Urteil des VG Saarlouis vom 22.07.2009

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VG Saarlouis Urteil vom 22.7.2009, 11 K 1167/07
Verwirkung des nachbarlichen Widerspruchsrechts gegen Erteilung einer wasserrechtlichen
Erlaubnis
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen der Verwirkung des Widerspruchsrechts eines Nachbarn gegen
eine erteilte wasserrechtlicher Erlaubnis.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens - mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen - trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine wasserrechtliche Erlaubnis zur Einleitung von
Niederschlagswasser in ein Gewässer 3. Ordnung, die der Beigeladenen am 25.11.2002
erteilt wurde.
Er ist Eigentümer eines aus mehreren Parzellen bestehenden, etwa 66,8 ar großen
Grundstückes in einem ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesen. An dieses Grundstück
grenzt im Straßenbereich nach Osten ein aus mehreren Parzellen bestehendes etwa 53,7
ar großes Grundstück, auf dem die Beigeladene einen Altenwohn- und Pflegeheim errichtet
hat.
Gegen die der Beigeladenen mit Bauschein vom 13.03.2002 erteilte Baugenehmigung zum
Neubau dieses Altenwohn- und Pflegeheimes hat der Kläger nach erfolglos durchgeführtem
Widerspruchsverfahren Klage vor dem Verwaltungsgericht des Saarlandes erhoben
(Geschäftsnummer 5 K 173/02). Im Rahmen dieses Verfahrens bemängelte der Kläger
unter anderem, die Baugenehmigung hätte nicht erteilt werden dürfen, weil ein
ausreichender öffentlicher Kanalanschluss, insbesondere für die Grundoberflächen- und
sonstige Wasserentsorgung, nicht vorhanden sei. Seine Klage wurde mit Urteil vom
09.10.2003 abgewiesen. Die hiergegen vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes
zugelassene Berufung wurde mit Urteil vom 26.01.2006 – 2 R 9/05 – zurückgewiesen. Im
Rahmen des Berufungsverfahrens trug der Kläger mit Schriftsatz vom 18.12.2003 vor,
dass er nach wie vor der Auffassung sei, die Wasser- und Regenwasserableitung verletze
ihn in subjektiven Rechten. Die Wasser- oder Oberflächenwasserableitung erfolge in einen
Wassergraben und über diesen in die Saar, was nicht der Baugenehmigung entspreche.
Insoweit legte er Fotos vor, aus denen seiner Meinung nach eindeutig ersichtlich sei, dass
massivste Baumaßnahmen stattgefunden hätten, durch die das Oberflächenwasser eben
nach wie vor nicht in die Kanalisation, sondern in einen Abwassergraben, der sogar noch
massiv befestigt worden sei, abgeleitet und von dort aus über sein Grundstück in die Saar
geleitet würde. Mit Schriftsatz vom 05.12.2005 trug der Kläger vor, dass die der
Baugenehmigung zugrunde liegende Annahme der Einleitung des Schmutzwassers sowie
des Regenwassers in den vorhandenen Ortskanal nicht zutreffe. Den nunmehr vorgelegten
weiteren Unterlagen lasse sich entnehmen, dass bereits am 25.11.2002 die Untere
Wasserbehörde einen Erlaubnisbescheid zur Ableitung des Niederschlagswassers durch
einen offenen Erdgraben in die Saar genehmigt habe und unter dem 19.12.2001 die
Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang durch die Gemeinde … erteilt worden sei.
Dieses Vorgehen müsse sehr befremden. Er habe von Anbeginn an, als er optisch
wahrgenommen habe, dass das gesamte Oberflächenwasser durch einen Erdgraben in die
Saar abgeleitet würde, zu dieser Problematik umfassend, auch in erster Instanz, Stellung
bezogen. Es sei nicht mehr nachvollziehbar, insbesondere auch nicht mehr unter
rechtsstaatlichen Gesichtspunkten, wie in erster Instanz habe vorgetragen werden können,
dass die Absicht bestünde, das Oberflächenwasser in den Ortskanal einzuleiten, wie dies
bei allen anderen Anliegern, so insbesondere auch bei ihm, der Fall sei. Die Beschwerde des
Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
des Saarlandes vom 26.01.2006 wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts
vom 29.05.2006 zurückgewiesen (Az.: BVerwG 4 B 31.06).
Die Beigeladene zeigte dem Landrat des Landkreises am 27.02.2004 gemäß § 86
Saarländisches Wassergesetz – SWG – an, dass die mit Bescheid vom 25.11.2002
genehmigte Baumaßnahme "Einleitung von Niederschlagswässer in ein Gewässer 3.
Ordnung ohne Namen auf dem Bereich des geplanten Seniorenheims in …" fertig gestellt
ist.
Am 08.05.2006 legte der Kläger beim Landkreis Widerspruch gegen den Bescheid vom
25.11.2002 ein. Zur Begründung wird ausgeführt, der Bescheid stehe im Zusammenhang
mit einem Bescheid der Gemeinde … über die Befreiung vom Anschluss- und
Benutzungszwang zu Gunsten der Beigeladenen. Diese beiden Bescheide würden ihn in
seinen Rechten verletzen. Das Grabensystem führe über sein Eigentum. Erst zum
Jahreswechsel 2005/2006 habe er von diesen genehmigten Ableitungen Kenntnis erlangt.
Diese Genehmigungen stellten eine Abweichung der Baugenehmigung dar. Die nunmehrige
Ableitung führe zu einer nahezu ständigen und regelmäßigen Überschwemmung seiner
Grundstücksflächen, welche eine rechtswidrige Verletzung seiner Eigentumsrechte
darstelle.
Der Widerspruch wurde mit aufgrund mündlicher Verhandlung vom 25.05.2007
ergangenem Widerspruchsbescheid zurückgewiesen. Zur Begründung wird im
Wesentlichen ausgeführt, der zulässige Widerspruch sei nicht begründet. Die insoweit
einzig ersichtliche mögliche Rechtsverletzung wegen eines Verstoßes gegen das in § 4 Abs.
1 Satz 2 WHG i.V.m. § 18, 1 a Abs. 1 WHG für die Erlaubnis und Bewilligung
gleichermaßen verankerte Gebot, auf Belange Anderer Rücksicht zu nehmen, das
ungeachtet seines objektiv-rechtlichen Geltungsanspruches Drittschutz nur insoweit
vermittele, als die Belange eines Anderen in einer qualifizierten und individualisierter Weise
betroffen seien, weil die Wasserbehörde bei ihrer Ermessensentscheidung nicht die
gewohnte Rücksicht auf die Interessen des Dritten genommen habe, liege nicht vor. Der
Vorsitzende des Kreisrechtsausschusses habe sich durch eine Ortsbesichtigung ein Bild von
den örtlichen Gegebenheiten sowohl des Wassergrabens als auch der Grundstücke
gemacht. Danach erscheine aufgrund der Tiefenlage des Grabens von etwa 1 bis 1,50 m
unter dem Geländeniveau der rechts und links angrenzenden Flächen und der Großbreite
des Grabens eine Überflutung der angrenzenden Grundstücksflächen des Klägers aufgrund
des eingeleiteten Niederschlagswassers vom Anwesen der Beigeladenen als nicht möglich.
Die insoweit im Rahmen der genehmigten Einleitung zugrunde gelegte Menge von 45 Liter
pro Sekunde könne nicht ausreichen, den Wassergraben soweit anzufüllen, dass er quasi
über die Ufer trete. Darüber hinaus sei bei der Ortsbesichtigung auch ersichtlich gewesen,
dass es sich bei den vorhandenen Grundstücken des Klägers durchaus um Feuchtflächen
handele.
Der Widerspruchsbescheid wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers am
28.08.2007 gegen Empfangsbestätigung zugestellt.
Am 12.09.2007 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
Er nimmt auf seinen bisherigen Vortrag Bezug und teilt ergänzend mit, das Wasser stehe
auf seinen Grundstücken teilweise Zentimeter hoch. Aufgrund der extremen
Durchfeuchtung seien die Grundstücke nunmehr nicht mehr nutzbar. Zum Zeitpunkt der
Ortsbesichtigung des Kreisrechtsausschusses habe eine extreme Dürrezeit wie seit
Jahrhunderten nicht mehr geherrscht. Die dort getroffenen Feststellungen seien daher nicht
aussagekräftig. Eine grundsätzliche Überflutung seiner Grundstücke sei vor der hier
streitgegenständlichen Oberflächenwasserableitung durch das großvolumige Bauobjekt der
Beigeladenen nicht gegeben gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 25.11.2002 und den
Widerspruchsbescheid aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Meinung, bei den streitgegenständlichen Flächen des Klägers handele es sich
aufgrund der Tallage und des zu erwartenden relativ hohen Grundwasserstandes
grundsätzlich um feuchte Wiesenflächen. Dies ergebe sich bereits aus den amtlichen
Katasterkarten, die entsprechend gekennzeichnet seien und auch schon vor dem Bau des
Seniorenwohnheimes so gekennzeichnet gewesen seien. Im Übrigen seien die am
20.04.2007 bei der durchgeführten Ortsbesichtigung festgestellten Tatsachen bezüglich
der Breite und der Tiefenlage des Grabens zutreffend. Eine Überflutung der Grundstücke
durch eingeleitetes Niederschlagswassers aus dem Bereich der Seniorenresidenz der
Beigeladenen sei nicht gegeben.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich zur Klage nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des
vorliegenden Verfahrens, des Verfahrens 11 K 1166/07, der Verfahren 5 K 173/02 und 2
R 9/05 sowie die beigezogenen Verwaltungsunterlagen verwiesen, der Gegenstand der
mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
I.
Der zum 01.01.2008 durch das Verwaltungsstrukturreformgesetz eingetretene
behördliche Zuständigkeitswechsel auf der Beklagtenseite vom Landkreis auf das
Landesamt führt zu einem automatischen und von Amts wegen zu beachtenden
Parteiwechsel (vgl. nur OVG des Saarlandes, Beschluss vom 30.11.1998 -8 Q 31/97-).
II.
Die Klage ist bereits unzulässig. Es fehlt an der Sachurteilsvoraussetzung einer
ordnungsgemäßen Durchführung des Widerspruchsverfahrens, weil der von dem Kläger
gegen die angegriffene wasserrechtliche Erlaubnis eingelegte Widerspruch wegen
Verwirkung unzulässig war.
Zwar ist gegenüber dem Kläger keine Bekanntgabe der wasserrechtlichen Erlaubnis vom
25.11.2002 i.S.d. § 41 SVwVfG erfolgt, so dass ihm gegenüber der Lauf der
Widerspruchsfrist gemäß § 70 Abs. 1 VwGO nicht in Gang gesetzt wurde. Die bloße
Kenntnisnahme von diesem Bescheid - wie hier - im Rahmen der Akteneinsicht reicht
insoweit nicht aus, weil es an einem Bekanntgabewillen des Beklagten fehlte (vgl. dazu
OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.03.2006 -12 A 11/05-, zit. nach juris).
Das – verfahrensmäßige – Recht, Widerspruch zu erheben kann außer durch Fristablauf
entsprechend den sich aus §§ 58, 70 VwGO ergebenden Grundsätzen aber auch durch
Verwirkung verloren gehen (BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 – IV C 2.72 – BVerwGE 44,
294). Ausgehend hiervon ist im Baurecht Folgendes anerkannt: Hat ein Nachbar von einer
dem Bauwilligen erteilten Baugenehmigung, obgleich sie ihm nicht amtlich bekannt
gegeben worden ist, auf andere Weise zuverlässig Kenntnis erlangt oder hätte er davon
zumindest zuverlässige Kenntnis erlangen müssen, so muss er sich in aller Regel nach Treu
und Glauben bezüglich der Einlegung eines Widerspruchs so behandeln lassen, als sei ihm
die Baugenehmigung im Zeitpunkt der zuverlässigen Erlangung der Kenntnis bzw. in
demjenigen Zeitpunkt amtlich bekannt gegeben worden, in dem er diese Kenntnis hätte
erlangen müssen. Von diesem Zeitpunkt an richtet sich die Widerspruchsfrist regelmäßig
nach den Vorschriften der § 70 Abs. 1 und § 58 Abs. 2 VwGO. Anlass, der Frage
nachzugehen, ob eine Baugenehmigung erteilt worden ist, geben spätestens deutlich
wahrnehmbare Bauarbeiten (vgl. nur OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.12.2005 - 10
B 10.05 -, zitiert nach juris). Dabei kommt es nicht auf den Zeitpunkt an, in dem der
Nachbar von solchen Bauarbeiten tatsächlich Kenntnis genommen hat, sondern auf
denjenigen, in dem er von diesen Arbeiten hätte Kenntnis nehmen können (vgl. nur OVG
Münster, Beschluss vom 21.02.2005 - 7 A 1642/04 - unter Bezugnahme auf das Urteil
vom 03.08.2000 - 7 A 1941/99 -). Maßgeblich ist mit anderen Worten nicht das Erkennen,
sondern die Erkennbarkeit der geltend gemachten Beeinträchtigung. Allein das Abstellen
auf die Erkennbarkeit wird dem zwischen dem Bauherrn und dem Nachbarn bestehenden
nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis gerecht, das dem Nachbarn die Obliegenheit
auferlegt, durch ein zumutbares aktives Handeln mitzuwirken, einen wirtschaftlichen
Schaden des Bauherrn zu vermeiden oder den Vermögensverlust möglichst niedrig zu
halten, und der er dadurch nachzukommen hat, dass er nach Erkennen der
Beeinträchtigung durch Baumaßnahmen ungesäumt seine nachbarlichen Einwendungen
geltend macht (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 16.04.2002 – 4 B 8.02 – BRS 65 Nr.
195). Innerhalb welcher Zeitspanne ein von dem Nachbarn gegen das Vorhaben an den
Tag gelegtes aktives Verhalten - auch ein rein passives Verhalten des Nachbarn (Nichtstun)
kann im Übrigen zur Verwirkung des Rechts führen - noch als rechtzeitig angesehen
werden kann, um nicht als treuwidrig betrachtet zu werden, hängt von den Umständen
des Einzelfalles ab. Besondere Umstände des Einzelfalles können es sogar geboten
erscheinen lassen, eine Verwirkung des Rechts zur Einlegung des Widerspruchs deutlich vor
Ablauf der regelmäßig als Orientierung heranzuziehenden Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO
anzunehmen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.12.2005, a.a.O.).
Mit Blick darauf, dass sich der Kläger im Grunde mit der vorliegenden Klage gegen die
Verwirklichung des auf dem Nachbargrundstück genehmigten Bauvorhabens eines
Senioren- und Altenheims wehrt und sich auf nachteilige Folgen des von diesem
Bauvorhaben abgeleiteten Niederschlagswassers auf seine Grundstücke beruft, ist es
sachgerecht, die obigen Grundsätze auch auf dieses Verfahren anzuwenden. Hierfür
spricht zudem die vergleichbare Interessenslage. Denn bei einer wasserrechtlichen
Erlaubnis ist ein Nachbar, der eine Beeinträchtigung seiner Belange befürchtet nicht nur
befugt, diese vor den Verwaltungsgerichten anzufechten, sondern auch - will er seine
Interessen wahren - darauf angewiesen, seine Rechte im Erlaubnisverfahren geltend zu
machen. Denn auch ihm gegenüber kann die Erlaubnis - unbeschadet ihrer Widerruflichkeit
- in Bestandskraft erwachsen (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15.07.1987 - 4 C 56/83-, zit.
nach juris). Insoweit liegt wie im Falle des baurechtlichen Nachbarstreits eine durch das
besondere nachbarliche Austauschverhältnis geprägte Konstellation vor.
Dies berücksichtigend hätte der Kläger bereits spätestens Ende 2003 zuverlässige
Kenntnis von der Erteilung der wasserrechtlichen Einleitungsgenehmigung erlangen
müssen. So war die Abwassersituation, insbesondere die Frage der Einleitung des
Niederschlagswassers des neu zu errichtenden Altenheims in den Entwässerungsgraben
"…", schon im Jahre 2002 Gegenstand von Besprechungen zwischen dem Kläger und der
Gemeinde …. Die Gemeinde … teilte dem Kläger mit Schreiben vom 15.04.2002 dabei
unter anderem mit: „Im Hinblick auf die Einleitung des Niederschlagswassers in den Graben
… darf ich Ihnen mitteilen, dass die Genehmigung zur Reinigung des Grabens bei der
Unteren Wasserbehörde beantragt ist. Nach Ausstellung der Genehmigung soll der Graben
soweit wieder hergerichtet werden, dass ein ordnungsgemäßes Abfließen des
Niederschlagswassers in den Saaraltarm möglich sein wird.“ Im Nachgang zu diesem
Schreiben teilte die Gemeinde … dem Kläger mit Schreiben vom 24.09.2002 mit, „dass
die Fachbehörden mit der Durchführung von Unterhaltungsarbeiten am
Entwässerungsgraben … zugestimmt haben. Einem Antrag auf Durchführung von
Unterhaltungsarbeiten wurde auch zugestimmt, weil durch eine hydraulische Berechnung
nachgewiesen wurde, dass das Niederschlagswasser aus dem Gebiet … ohne Probleme in
den Saaraltarm eingeleitet werden kann.“ (vgl. Bl. 13 und 16 der Verwaltungsunterlagen
der Gemeinde … im Verfahren 11 K 1166/07). Dies in den Blick nehmend ist dann
maßgebend zu berücksichtigen, dass der Kläger im Verfahren der Anfechtung der der
Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vor dem Oberverwaltungsgericht des Saarlandes
mit Schriftsatz vom 18.12.2003 seine Kenntnis der Ableitung der Niederschlagswasser in
den Entwässerungsgraben belegt, da er ausführt: „Auch was die Wasser- und
Regenwasserableitung anbelangt, so ist der Kläger nach wie vor der Auffassung, dass er
hier in subjektiven Rechten verletzt wird. Das Gericht führt aus, dass die Baugenehmigung
eine Wasser- oder Oberflächenwasserableitung in einen Wassergraben und überdies in die
Saar nicht erlaubt sei und somit die Baugenehmigung den Kläger nicht verletze.
Augenscheinlich scheint der Bauherr als Sozialträger sich jedoch weder an eine
Baugenehmigung halten zu wollen, noch sonstige Nachbarrechte überhaupt kennen zu
wollen. In Anlage A 3 und A 4 werden neuerliche Fotoaufnahmen gezeigt, aus denen
eindeutig ersichtlich ist, dass massivste Baumaßnahmen stattgefunden haben, durch die
eindeutig ersichtlich ist, dass massivste Baumaßnahmen stattgefunden haben, durch die
das Oberflächenwasser eben nach wie vor nicht in die Kanalisation, sondern in einen
Abwassergraben, der sogar noch massiv befestigt wurde, abgeleitet und von dort über das
Grundstück des Klägers in die Saar geleitet.“ (vgl. Bl. 11, 13 der Gerichtsakte 2 R 9/05).
Dies alles spricht mit Gewicht dafür, dass es sich dem anwaltlich vertretenen Kläger hätte
aufdrängen müssen, sich über die Frage der Oberflächenentwässerung durch den
Entwässerungsgraben – etwa durch eine Anfrage bei der Gemeinde oder der Unteren
Wasserbehörde – Gewissheit zu verschaffen; dies wäre ihm auch möglich und zumutbar
gewesen Der Kläger hätte daher seinen Widerspruch innerhalb der Jahresfrist, also
spätestens im Dezember 2004, einlegen müssen. Tatsächlich ist der Widerspruch des
Klägers aber erst am 08.05.2006 eingelegt worden, also über zwei Jahre nach seinem
Vortrag im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sowie der tatsächlichen Fertigstellung und
Inbetriebnahme des Entwässerungsgrabens zur Ableitung der Niederschlagswasser des
Alten- und Seniorenwohnheimes der Beigeladenen (vgl. hierzu die Fertigstellungsanzeige
vom 27.02.2004, Bl. 79 der Verwaltungsakte). Zum Zeitpunkt der Widerspruchseinlegung
war daher das verfahrensrechtliche Recht des Klägers, gegen die wasserrechtliche
Genehmigung als Drittbetroffener Widerspruch zu erheben und nach erfolglosem
Vorverfahren Klage zu erheben, bereits verwirkt.
Dies gilt selbst dann, wenn man als spätesten Zeitpunkt der Kenntniserlangung vom
Vorhandensein der Einleitungsgenehmigung den Dezember 2005 annimmt. Zu diesem
Zeitpunkt hatte der Kläger, wie er in einem Schriftsatz vom 05.12.2005 im Verfahren 2 R
9/05 darlegt, Kenntnis des Bescheides der Unteren Wasserbehörde vom 25.11.2002 (vgl.
Bl. 91 der Gerichtsakte 2 R 9/05). Mit Blick auf die besonderen Umstände des vorliegenden
Falles, die sich hier zum einen aus dem Umfang des Vorhabens der Beigeladenen ergeben
und daraus, dass dem Kläger spätestens seit 2003 bzw. der tatsächlichen Fertigstellung
und Inbetriebnahme des Entwässerungsgrabens im Jahre 2004 bekannt war, dass die
Beigeladene von ihrem Anwesen die Niederschlagswasser über den Entwässerungsgraben
in den Saaraltarm entwässert, war der Kläger nach dem Grundsatz von Treu und Glauben
gehalten, zeitnah Widerspruch einzulegen und nicht noch fünf Monate zuzuwarten. Die
Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO zielt nämlich nicht etwa darauf ab, den Betroffenen eine
entsprechend lange Frist zur Überlegung einzuräumen. Schon weil es dem Nachbarn auch
freisteht, zunächst nur vorsorglich und sogar ohne Begründung Widerspruch einzulegen,
wird ihm mit einer Abkürzung dieser Frist nichts Unzumutbares abverlangt. Jedenfalls aber
wäre ein Zuwarten mit der Einlegung des Widerspruchs ab Dezember 2005 über ein volles
Jahr hinaus bei dem hier gegebenen umfangreichen und demgemäß kostspieligen
Bauvorhaben mit dem berechtigten Interesse der Beigeladenen unvereinbar, alsbald
darüber Gewissheit zu erlangen, ob das Vorhaben irgendwelchen weiteren Angriffen
ausgesetzt ist oder nicht (in diesem Sinne auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom
20.12.2005, a.a.O.).
Schließlich sind die Voraussetzungen einer Verwirkung des Rechts auf Einlegung des
Widerspruchs auch insoweit erfüllt, als die Beigeladene ihr Vorhaben der Entwässerung zu
einem nicht nur unwesentlichen Teil gerade im Vertrauen darauf ausgeführt hat, dass
dagegen Nachbarrechte nicht geltend gemacht würden. So war die konkrete
Entwässerung - wie oben dargelegt - schon im Jahre 2002 Gegenstand umfassenden
Schriftwechsels, wurde im baurechtlichen Verfahren angesprochen und ist seit Februar
2004 - für jeden Nachbarn deutlich erkennbar - in Betrieb. Erst im Mai 2006 legte der
Kläger schließlich Widerspruch ein. All dies spricht für sich.
Der vorliegende Fall ist auch nicht durch Besonderheiten gekennzeichnet, die es geboten
erscheinen lassen, abweichend von den oben genannten Ausführungen eine Verwirkung
des verfahrensmäßigen Rechtes zur Erhebung des Widerspruchs abzulehnen. Ein solches
Vorgehen ist zwar grundsätzlich möglich, wenn besondere, von der Regel abweichende
Umstände dies nach Treu und Glauben gebieten. Derartige Umstände muss allerdings der
Kläger dartun und für deren Nichterweislichkeit trägt er die materielle Beweislast (vgl.
BVerwG, Urteil vom 25.01.1974 -IV C 2.72-, BVerwGE 44, 294 (301)). Hier hat der Kläger
keine Umstände dargetan, die es nach Treu und Glauben gebieten, ausnahmsweise nicht
von einer Verwirkung auszugehen. Solche Umstände ergeben sich insbesondere nicht mit
Blick auf die in den anhängig gewesenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren 5 K 173/02
und 2 R 9/05 gemachten Vorträge der dort Beteiligten. Der anwaltlich vertretene Kläger
hätte nämlich unabhängig von diesen Verfahren die Möglichkeit gehabt, nach Kenntnis der
erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis hiergegen zunächst vorsorglich Widerspruch zu
erheben und von dessen Weiterverfolgung gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt -
bei Erfolg seiner Klage gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung - abzusehen.
Nennenswerte Erschwernisse dürften hiermit nicht verbunden sein, zumal der Widerspruch
keiner Begründung bedurft hätte.
Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht aus dem Umstand, dass die
Widerspruchsbehörde über den Widerspruch gleichwohl zur Sache entschieden hat. Nach
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Grenze der Heilungskompetenz
dann erreicht, wenn es um einen Verwaltungsakt mit Drittwirkung geht. In diesen Fällen
sichert der Fristablauf und die damit eintretende Bestandskraft nicht nur den Schutz der
Widerspruchsbehörde vor unnötiger Belastung sondern dient auch oder gerade den
Interessen des Dritten, die durch die Bestandskraft gesicherte Rechtsposition erhalten zu
können; einer gleichwohl ergehenden Sachentscheidung der Widerspruchsbehörde kommt
für ein gerichtliches Verfahren keine das Fristversäumnis heilende Wirkung zu (vgl. nur OVG
des Saarlandes, Beschluss vom 22.03.1985 - 2 W 27/85 -, NVwZ 1986, 578 m.w.N.). Ein
solcher Fall eines Verwaltungsaktes mit Drittwirkung ist bei einer wasserrechtlichen
Erlaubnis gegeben (vgl. zur Rechtsnatur BVerwG, Urteil vom 15.07.1987 - 4 C 56/83 - und
Czychowski, WHG, §§ 7 Rdnr. 2 und 11 Rdnr. 1 m.w.N.).
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen; für eine
Kostenentscheidung zugunsten (§ 162 Abs. 3 VwGO) oder zu Lasten (§ 154 Abs. 3
VwGO) der Beigeladenen bestand keine Veranlassung.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 1 und 2 VwGO
i.V.m. 708 Nr. 1, 711 ZPO.