Urteil des VG Saarlouis vom 20.11.2009

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VG Saarlouis Beschluß vom 20.11.2009, 2 L 954/09
Beamtenrecht: vorrangige Beförderung gleich beurteilter Beamter anhand des Innehabens
einer höherwertigen Funktion
Leitsätze
1. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Dienstherr seine Auswahlentscheidung unter den
aktuell im Wesentlichen gleich beurteilten Beamten anhand des Hilfskriteriums des
Innehabens einer höherwertigen Funktion trifft.
2. Es besteht kein Anspruch auf Beibehaltung einer bestimmten Beförderungspraxis, wenn
der Dienstherr - wie bisher - weder durch schriftliche Beförderungsrichtlinien noch durch
eine bis in die Einzelheiten einheitliche Beförderungpraxis gebunden ist.
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der etwaigen
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.
Gründe
Das von dem Antragsteller mit seinem Antrag sinngemäß verfolgte Begehren, dem
Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu
untersagen, den Beigeladenen zu 1. und 2. zum Beförderungstermin 01.10.2009 vor ihm
ein Amt der Besoldungsgruppe A 11 zu übertragen, bleibt ohne Erfolg.
Der Antragsteller hat nicht in hinreichender Weise gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §
920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht, dass die von dem Antragsgegner zum
Beförderungstermin 01.10.2009 beabsichtigte vorrangige Beförderung der Beigeladenen
zu seinem Nachteil rechtsfehlerhaft ist. Vielmehr ist nach der im vorliegenden Verfahren
gebotenen Prüfung mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen, dass der Antragsteller
gegenüber den Beigeladenen keine eigenen Beförderungschancen hat. Dies wäre aber
Voraussetzung für den Erlass der von dem Antragsteller begehrten einstweiligen
Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Entscheidung, welcher Beamte befördert wird, hat sich nach der
verfassungsrechtlichen Vorgabe des Art. 33 Abs. 2 GG und dessen einfach-gesetzlicher
Konkretisierung in § 9 BeamtStG zu richten, die es insbesondere gebieten, die Auslese
zwischen konkurrierenden Beamten nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung
vorzunehmen, und zwischen danach im Wesentlichen gleich geeigneten Beamten nach
Maßgabe sachgerechter Ermessenserwägungen zu befinden.
In Bezug auf die Einschätzung der Eignung eines Beamten für ein Beförderungsamt steht
dem Dienstherrn grundsätzlich ein weiter Beurteilungsspielraum zu, gegenüber dem sich
die gerichtliche Nachprüfung darauf zu beschränken hat, ob der Dienstherr den rechtlichen
Rahmen und die anzuwendenden Begriffe zutreffend gewürdigt, ob er richtige
Sachverhaltsannahmen zugrunde gelegt und ob er allgemeine Wertmaßstäbe beachtet und
sachfremde Erwägungen unterlassen hat. Dabei bleibt es der Entscheidung des
Dienstherrn insbesondere auch überlassen, welchen der zur Eignung, Befähigung und
fachlichen Leistung zu rechnenden Umständen er das größere Gewicht beimisst. Sofern
der Dienstherr – wie hier – nicht wegen der Besonderheit des Beförderungsamtes spezielle
Anforderungen an die Eignung der Beamten stellt, ist der im Rahmen der
Eignungsprognose gemäß Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG gebotene Leistungsvergleich
in erster Linie anhand ihrer aktuellen dienstlichen Beurteilungen vorzunehmen, deren
Zweck namentlich darin besteht, als Grundlage für eine am Leistungsgrundsatz orientierte
Entscheidung über die weitere dienstliche Verwendung des Beamten zu dienen. Daneben
können auch ältere dienstliche Beurteilungen als zusätzliche Erkenntnismittel herangezogen
werden, die über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beurteilten Aufschluss
geben, indem sie vor allem bei einem Vergleich von Bewerbern bedeutsame Rückschlüsse
und Prognosen über die künftige Bewährung in einem Beförderungsamt ermöglichen. Ihre
zusätzliche Berücksichtigung bei der Auswahl ist mit Blick auf den in Art. 33 Abs. 2 GG
verankerten Leistungsgrundsatz geboten, wenn eine Stichentscheidung unter zwei oder
mehr aktuell im Wesentlichen gleich beurteilten Beamten zu treffen ist
vgl. dazu ausführlich BVerwG, Urteile vom 27.02.2003 – 2
C 16.02 -, ZBR 2003, 420 und vom 19.12.2002 – 2 C
31.01 -, DVBl 2003, 1545.
Ergibt sich nach Ausschöpfung aller unmittelbar leistungsbezogener Erkenntnisquellen kein
Vorsprung eines Bewerbers, steht die Auswahlentscheidung im pflichtgemäßen Ermessen
des Dienstherrn, der dabei auch weiteren Erwägungen, wie etwa dem Dienstalter oder der
Wertigkeit der wahrgenommenen Tätigkeit Bedeutung zuerkennen darf
vgl. zum zulässigen Abstellen auf die Wahrnehmung
besonders herausgehobener Dienstaufgaben zuletzt OVG
des Saarlandes, Beschluss vom 22.09.2009 -1 B 426/09-
, mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze lässt die zugunsten der Beigeladenen getroffene
Auswahlentscheidung des Antragsgegners keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Antragstellers erkennen.
Zutreffend hat der Antragsgegner die Auswahl der für eine Beförderung in ein Amt der
Besoldungsgruppe A 11 in Betracht zu ziehenden Beamten der Kriminalpolizei (und auch
der uniformierten Polizei) zunächst an den Ergebnissen der aktuellen, zum Stichtag
15.10.2007 erstellten dienstlichen Beurteilung sowie der jeweiligen Vorbeurteilung zum
15.10.2004 ausgerichtet. Sodann hat er bei den im Gesamturteil in beiden
herangezogenen Beurteilungen jeweils gleich beurteilten Beamten im Rahmen seines
Auswahlermessens auf das Innehaben einer höherwertigen, mindestens mit A 12
bewerteten Funktion abgestellt, dabei aber ein Rangdienstalter von (mindestens) Oktober
2003 vorausgesetzt.
Auf der Grundlage dieser Kriterien konnte der Antragsteller keine Berücksichtigung vor den
Beigeladenen finden.
Wie ein Vergleich der für die Auswahlentscheidung herangezogenen dienstlichen
Beurteilungen zeigt, sind der Antragsteller und die Beigeladenen sowohl in ihrer aktuellen
Beurteilung zum 15.10.2007 als auch in der Vorbeurteilung zum 15.10.2004
übereinstimmend im Gesamturteil mit „Übertrifft erheblich die Anforderungen“ -Beurteilung
zum 15.10.2007- bzw. „Entspricht voll den Anforderungen“ -Beurteilung zum 15.10.2004-
dienstlich beurteilt worden.
Ob der Antragsgegner mit der Berücksichtigung der Beurteilungen zum 15.10.2007 und
15.10.2004 dem Gebot der Ausschöpfung aller unmittelbar leistungsbezogenen
Erkenntnisquellen Genüge getan hat oder ob er zusätzlich noch die zum 15.10.2001 und
15.10.1998 (bzw. 01.10.1999 bezüglich des Beigeladenen zu 1.) erstellten Beurteilungen
hätte mit in den Blick nehmen müssen,
vgl. zu dieser Problematik OVG des Saarlandes, Beschluss
vom 10.04.2006 -1 W 14/06-
kann vorliegend dahinstehen, da sich auch den zu den Beurteilungsstichtagen 15.10.2001
und 15.10.1998 (bzw. 01.10.1999) erstellten Beurteilungen keine Anhaltspunkte für einen
Eignungs-, Befähigungs- oder Leistungsvorsprung eines der drei Konkurrenten entnehmen
lassen - soweit die Beigeladenen in der Vorbeurteilung zum Stichtag 15.10.2001 das
Gesamturteil „Übertrifft erheblich die Anforderungen“ erhalten haben, während der
Antragsteller nur das Gesamturteil „Entspricht voll den Anforderungen“ erhalten hat, ist zu
berücksichtigen, dass die Beigeladenen jeweils im niedrigeren statusrechtlichen Amt
beurteilt worden sind - und auch der Antragsteller sich im vorliegenden Verfahren nicht
gegen den vom Antragsgegner angenommenen Eignungs-, Befähigungs- und
Leistungsgleichstand der miteinander konkurrierenden Beförderungsbewerber wendet
vgl. hierzu auch Beschluss der Kammer vom 25.10.2007
-2 L 1241/07-.
Soweit der Antragsteller im Rahmen der Schilderung seines beruflichen Werdegangs
vorgetragen hat, sein früherer Vorgesetzter habe ihm anlässlich der dienstlichen
Beurteilung zum Stichtag 15.10.1995, bei der er das Gesamturteil „Entspricht voll den
Anforderungen“ erhalten habe, zugesagt, dass er bei der nächsten dienstlichen Beurteilung
wieder das Gesamturteil „Übertrifft erheblich die Anforderungen“ erhalten werde, diese
Zusage jedoch bis zu seiner Ruhestandsversetzung im Jahr 2005 nicht eingehalten, will er
hieraus ersichtlich keinen Leistungsvorsprung gegenüber seinen Mitbewerbern herleiten.
Der Vortrag ist auch grundsätzlich nicht geeignet, begründete Zweifel an der inhaltlichen
Richtigkeit der zum Leistungsvergleich herangezogenen dienstlichen Beurteilungen des
Antragstellers hervorzurufen.
Durfte der Antragsgegner mithin von einer nach den Ergebnissen der dienstlichen
Beurteilungen im Wesentlichen gleichen Eignung von Antragsteller und Beigeladenen
ausgehen, ist es im Weiteren rechtlich nicht zu beanstanden, dass er im Rahmen des ihm
danach zustehenden weiten Auswahlermessens als grundsätzlich vorrangiges
Auswahlkriterium zunächst das Innehaben einer höherwertigen Funktion herangezogen und
dabei ein Rangdienstalter von (mindestens) Oktober 2003 vorausgesetzt hat.
Die Bestimmung und Gewichtung der Auswahlkriterien (Hilfskriterien) bei im Wesentlichen
gleich beurteilten Beamten steht allein im weiten, pflichtgemäßen Ermessen des
Dienstherrn, der dabei unter anderem der Wertigkeit der wahrgenommenen Tätigkeiten
oder auch dem Rangdienstalter bzw. dem allgemeinen Dienstalter Bedeutung zuerkennen
darf, ohne dass insoweit allerdings eine feste Rangfolge zwischen den einzelnen Kriterien
bestünde
vgl. BVerwG, Urteile vom 27.02.2003 -2 C 16.02-, ZBR
2003, 420 und vom 17.08.2005 -2 C 37.04-, BVerwGE
124, 99; OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom
10.04.2006 -1 W 14/06-, vom 19.04.1993 -1 W 28/93-
und vom 23.07.1993 -1 W 56/93-.
Wie die Kammer und auch das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes bereits mehrfach
entschieden haben, stellt es eine sachgerechte Erwägung dar, von mehreren im
Wesentlichen gleich geeignet erscheinenden Beamten diejenigen bevorzugt zu befördern,
die besonders herausgehobene Dienstaufgaben wahrnehmen oder die sich auf einem
anspruchsvolleren Dienstposten bewährt haben
vgl. zuletzt OVG des Saarlandes, Beschluss vom
22.09.2009 -1 B 426/09- m. w. N.; Urteil vom
15.07.1993 -1 R 59/91-; Beschlüsse der Kammer vom
11.11.2009 -2 L 875/09-, vom 30.09.2009 -2 L 622/09-
und vom 20.07.2009 -2 L 244/09-.
Zwar ist dem Antragsteller zuzugeben, dass auch eine andere Beförderungskonzeption
rechtlich möglich wäre, bei der etwa Bewerber auf einem höher bewerteten Dienstposten
und Nichtfunktionsstelleninhaber gleichermaßen eine Beförderungschance hätten. Auch ein
auf einer Kombination unterschiedlicher Hilfskriterien beruhendes Auswahlkonzept kann
nämlich sachgerecht sein. Es liegt aber weder in der Kompetenz des Antragstellers noch in
derjenigen des Gerichts, dem Antragsgegner ein anderes sachgerechtes, vielleicht sogar
zweckmäßigeres Beförderungskonzept vorzuschreiben
vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 10.04.2006 -1
W 14/06-.
Die Beförderungskonzeption des Antragsgegners erweist sich auch nicht deshalb als
rechtsfehlerhaft, weil bei früheren Beförderungsterminen dem Rangdienstalter zum Teil
größere Bedeutung beigemessen wurde und die fehlende Funktion etwa durch ein
entsprechend höheres Rangdienstalter „wettgemacht“ werden konnte (so z.B. im April
2009 und im Oktober 2008). Abgesehen davon, dass der Antragsgegner - wie der
Kammer aus früheren Verfahren bekannt ist - auch in der Vergangenheit dem Kriterium
des Innehabens einer höherwertigen Funktion bei Auswahlentscheidungen bereits
maßgebende Bedeutung beigemessen hat, ist insoweit entscheidend, dass der
Antragsgegner – wie die Kammer und auch das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes
bereits mehrfach festgestellt haben – bei seinen Auswahlentscheidungen weder durch
schriftliche Beförderungsrichtlinien noch durch eine bis in die Einzelheiten einheitliche
Beförderungspraxis gebunden ist
vgl. OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 19.12.2007 -1
B 445/07- und vom 04.08.2000 -1 W 6/00-; Beschlüsse
der Kammer vom 25.10.2007 -2 L 1241/07- und vom
18.01.2006 -2 F 5/06- sowie Beschlüsse der ehemals 12.
Kammer vom 11.12.2002 -12 F 59/02- und vom
19.12.1996 -12 F 106/96-.
In dem hier maßgeblichen Geschäftsbereich des Antragsgegners gibt es, wie dieser im
Rahmen des vorliegenden Verfahrens nochmals bestätigt hat, keine
beförderungsterminübergreifende feste Rangfolge der bei einer Beförderungsauswahl
zwischen mehreren im Wesentlichen gleich geeigneten Beamten anzuwendenden
Hilfskriterien. Vielmehr konkretisiert der Antragsgegner das ihm insoweit zustehende
Auswahlermessen für die einzelnen Besoldungsgruppen von Beförderungstermin zu
Beförderungstermin jeweils neu. Dadurch hat er sich einen gewissen
Entscheidungsfreiraum im Rahmen des Auswahlermessens bewahrt. In Ermangelung einer
feststellbaren einheitlichen und gleichförmigen Verwaltungsübung war er daher im
konkreten Fall befugt, bei der Auswahlentscheidung zwischen im Wesentlichen gleich
geeigneten Beamten zunächst auf das Innehaben einer höherwertigen Funktionsstelle
unter Berücksichtigung eines Mindestrangdienstalters abzustellen.
Insoweit steht der Antragsteller, der im Gegensatz zu den Beigeladenen keine
höherwertige, mindestens mit A 12 bewertete Funktionsstelle innehat, aber unstreitig
hinter den Beigeladenen zurück.
Irgendwelche Anhaltspunkte für eine willkürliche Vorgehensweise zum Nachteil des
Antragstellers sind nicht ersichtlich
vgl. zur Geltendmachung einer gezielten Manipulation im
Geschäftsbereich des Antragsgegners, für die indes
keinerlei nachprüfbare Anhaltspunkte gegeben waren,
OVG des Saarlandes, Beschluss vom 13.03.2003 -1 W
40/02-.
Lässt die zugunsten der Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung des
Antragsgegners nach alledem keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Antragstellers
erkennen, ist dessen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Kostenfolge
aus § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen.
Für einen Kostenausspruch zugunsten der Beigeladenen besteht keine Veranlassung, weil
diese im Verfahren keinen Antrag gestellt haben und damit auch kein Kostenrisiko
eingegangen sind (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
Beschluss
Der Streitwert wird gemäß §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an § 52 Abs. 5 Satz
2 GKG auf die Hälfte des sich aus dieser Vorschrift ergebenden Hauptsachewertes und
damit auf 11.113,34 Euro festgesetzt.