Urteil des VG Saarlouis vom 04.03.2009

VG Saarlouis: stadt, örtliche zuständigkeit, auflage, genehmigung, transport, verkehrssicherheit, anwendungsbereich, fahrzeugführer, anhörung, erlass

VG Saarlouis Urteil vom 4.3.2009, 10 K 1139/07
Erlaubnis und Ausnahmegenehmigung zum Betrieb von Gabelstaplern mit übergroßer
Ladung; Anliegerinteresse
Leitsätze
a) Gabelstapler, deren Bauart dem Fahrzeugführer kein ausreichendes Sichtfeld lassen,
bedürfen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen einer Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO (§
35 b Abs. 2 StVZO) und zum Transport übergroßer Ladungen einer
Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 5 StVO. Der Betrieb der Gabelstapler kann
auf eine bestimmte Straße oder Straßenabschnitt beschränkt werden.
b) Die Erlaubnis und Ausnahmegenehmigung berechtigen in dem von ihnen umfassten
räumlichen Bereich auch zur Durchführung von Be- und Entladetätigkeiten durch die
Gabelstapler.
c) Wenden sich Anlieger der Straße unter Berufung auf Immissionen gegen den dort
durchgeführten Betrieb der Gabelstapler, ist zu unterscheiden zwischen den
Beeinträchtigungen, die durch die in der Straße bewegten und abgestellten
Schwerlastkraftwagen hervorgerufen werden, und denen, die durch den Betrieb der
Gabelstapler verursacht werden. Da die Erlaubnis und Ausnahmegenehmigung nur die
Benutzung der Gabelstapler regeln, kommt es nur auf die unmittelbar von den
Gabelstaplern ausgehenden Beeinträchtigungen der Anlieger an.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines
Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden
Kostenschuld abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen eine straßenverkehrsrechtliche Dauererlaubnis und -
ausnahmegenehmigung, die der Beklagte der Beigeladenen zum Betrieb von zwei
Gabelstaplern in der M.- und L. Straße in C-Stadt erteilt hat.
Die Klägerin zu 1) ist Eigentümerin der Anwesen M. Straße 4 und 6, die Klägerin zu 2)
Mieterin im Anwesen C-Straße, die Kläger zu 3) und 4) sind Miteigentümer und Bewohner
des Anwesens M. Straße 9 in C-Stadt. Die Beigeladene betreibt in den Anwesen I-Straße
und 1a ein Druckerei- und Verlagsgeschäft mit externen Lagern in der M. Straße sowie der
angrenzenden L. Straße. Die M. Straße ist in dem Bereich, in dem sich die Anwesen
befinden, eine Sackgasse.
Durch Bescheid des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 11.10.2005 wurde der
Beigeladenen auf der Grundlage des § 70 Abs. 1 Ziffer 2 StVZO jederzeit widerruflich die
(Ausnahme-)Genehmigung erteilt, den LKW-Stapler Yale (GB), Typ GLP 16 AF, abweichend
von den Bestimmungen der StVZO zum Befahren (ca. 100 m) der M. Straße und L. Straße
zu den externen Lagern der Beigeladenen bis 31.10.2008 in Betrieb zu nehmen. Zugleich
wurde unter Ziffer 1 der „Bedingungen und Auflagen“ die Erlaubnis gemäß § 29 Abs. 3
StVO zum Befahren (ca. 100 m) der M. Straße und L. Straße zu den externen Lagern der
Beigeladenen erteilt. Im Weiteren ist in den Ziffern 3 und 4 der „Bedingungen und
Auflagen“ u.a. ausgeführt:
„Fahrten auf der öffentlichen Straße dürfen nur in Begleitung eines
Einweisers, der in dauernder Sichtverbindung mit dem
Fahrzeugführer steht und die erforderlichen Hinweise für das sichere
Führen des Fahrzeuges geben kann, durchgeführt werden. …
Bei Fahrten ohne Last müssen die Gabelspitzen mit einem rot-
weißen Warnbalken abgedeckt sein.“
Seit März 2006 kam es zu schriftlichen Beschwerden und Anzeigen von Anliegern der M.
Straße, darunter die Klägerinnen zu 1) und 2), an den Bürgermeister der Stadt C-Stadt, die
sich insbesondere gegen das Abstellen von Lastzügen in der M. Straße zur Be- und
Auslieferung von Produkten der Beigeladenen sowie das Be- und Entladen mittels
Gabelstaplern richteten, weil die damit verbundenen Immissionen von Lärm, Abgasen und
Staub und Erschütterungen die Lebens- und Wohnqualität stark beeinträchtigten und auch
mit den Zielsetzungen der Sanierung des Gebiets „Altstadt C-Stadt - südlicher Teil“ nicht
vereinbar seien. Gerügt wurde weiter, dass mehr Gabelstapler als der in der
Ausnahmegenehmigung bezeichnete zum Einsatz kämen, der Be- und Entladeeinsatz der
Gabelstapler von der Ausnahmegenehmigung nicht gedeckt sei und auch sonst gegen
Auflagen der Ausnahmegenehmigung verstoßen werde. Am 16.10.2006 wurde die
Angelegenheit unter Leitung des Bürgermeisters der Stadt C-Stadt mit Anliegern und
Vertretern der Beigeladenen erörtert. Mit Schreiben vom 15.12.2006 nahm der
Bürgermeister der Stadt C-Stadt gegenüber der Klägerin zu 1) zu einzelnen Beschwerden
Stellung, verwies insbesondere hinsichtlich der Ladevorgänge mittels Gabelstapler auf die
Ausnahmegenehmigung des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit und führte außerdem
aus, dass die Örtlichkeit künftig verstärkt überwacht werde und Verkehrsverstöße
geahndet würden.
Durch weiteren Bescheid des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 08.01.2007
wurde der Beigeladenen auf der Grundlage des § 70 Abs. 1 Ziffer 2 StVZO jederzeit
widerruflich die (Ausnahme-)Genehmigung erteilt, den LKW-Stapler Kalmar, Typ ET 1,5,
abweichend von Vorschriften der StVZO zum Befahren öffentlicher Verkehrswege bis
31.01.2010 in Betrieb zu nehmen. Zugleich wurde in diesem Bescheid unter „Bedingungen
und Auflagen“ in Ziffer 1 darauf hingewiesen, dass die für das Befahren öffentlicher
Straßen wegen der Sichtfeldeinschränkung erforderliche Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO
bei der zuständigen Straßenverkehrsbehörde zu beantragen sei, und in Ziffern 4 und 5
gleichlautende Ausführungen wie im Bescheid vom 11.10.2005 (dort Ziffern 3 und 4)
gemacht.
Unter dem 17.01.2007 beantragte die Beigeladene beim Beklagten die Erteilung von
Erlaubnissen nach § 29 Abs. 3 StVO zum Befahren der M.- und L. Straße in C-Stadt mit
den o.g. Gabelstaplern. Der mit Schreiben des Beklagten vom 18.01.2007 um
Stellungnahme gebetene Bürgermeister der Stadt C-Stadt antwortete mit Schreiben vom
05.02.2007, seitens der Stadt bestünden gegen die Erteilung der Erlaubnisse grundsätzlich
keine Bedenken, jedoch werde um Aufnahme der Auflagen gebeten, dass die Stapler
werktags nur in der Zeit von 06.00 bis 22.00 Uhr zum Befahren der M.- und der L. Straße
benutzt werden dürften und Schrittgeschwindigkeit einzuhalten sei (verkehrsberuhigter
Bereich).
Durch Bescheide vom 08.02.2007 -25/2007 und 26/2007- erteilte der Beklagte der
Beigeladenen die Dauererlaubnis gemäß § 29 Abs. 3 StVO sowie die
Dauerausnahmegenehmigung gemäß §§ 46 Abs. 1 Nr. 5 2 StVO zur Beförderung von
Ladungen mit Überbreite, Überhöhe und/oder Überlänge betreffend die Gabelstapler
Kalmar und Yale mit Ladung (Paletten) im Bereich der M.- und L. Straße in C-Stadt jeweils
bis zum 07.02.2010. Im Anlageblatt 3 ist unter „Weitere Auflagen“ jeweils ausgeführt:
„Es darf nur werktags in der Zeit von 06.00 bis 22.00 Uhr gefahren
werden.
Es darf nur Schrittgeschwindigkeit gefahren werden
(verkehrsberuhigter Bereich).“
Mit Schreiben vom 14.02.2007 übersandte der Beklagte der Klägerin zu 1) (und deren
Ehemann) auf deren Antrag vom 13.02.2007 Kopien der Bescheide vom 08.02.2007.
Mit Schreiben vom 24.04.2007 stellten die Kläger beim Beklagten den Antrag, die
Erlaubnisse Nr. 25 und 26/2007 vom 08.02.2007 gemäß § 48 SVwVfG zu „widerrufen“
und machten dazu folgendes geltend: Die Beigeladene führe weder Großraum- und
Schwertransporte durch, noch befördere sie Ladungen mit Überbreite, Überbreite oder
Überlänge. Ausweislich beiliegender Lichtbilder nutze sie die Genehmigungen dazu, um mit
ihren Gabelstaplern kreuz und quer im öffentlichen Verkehrsraum Lastzüge zu be- und
entladen. Damit würden die in den Anlageblättern 2 und 3 erteilten Auflagen ad absurdum
geführt. Auch habe die Stadt C-Stadt in ihrer Stellungnahme bewusst verschwiegen, dass
Anlieger der M. Straße seit März 2006 auf die exzessive Nutzung des öffentlichen
Verkehrsraums hingewiesen hätten. Die Genehmigungen seien demnach zu widerrufen,
weil die Transporte nicht wie beantragt durchgeführt und die Auflagen nicht eingehalten
würden, die Stadt C-Stadt eine unrichtige Stellungnahme abgegeben habe, aufgrund § 29
Abs. 3 StVO nicht die Bewilligung erteilt werden könne, im öffentlichen Verkehrsraum mit
Gabelstaplern LKW`s zu be- und entladen, der betroffene Verkehrsbereich ein förmlich
beschlossenes Sanierungsgebiet sei, das verkehrsberuhigt ausgelegt sei, und das
Sanierungskonzept durch die Genehmigungen konterkariert werde, indem LKW`s und
Sattelzüge in den verkehrsberuhigten Raum eingeschleust würden.
Daraufhin veranlasste der Beklagte eine Überprüfung der Angelegenheit durch die
Polizeiinspektion C-Stadt. Mit Stellungnahme vom 11.05.2007 teilte die Polizeiinspektion C-
Stadt dem Beklagten mit, dass die Problematik aufgrund einer Vorsprache der Klägerin zu
1) und weiterer Anwohner im Februar 2007 bekannt sei. Es sei vereinbart worden, dass
die Beschwerdeführer bei Verstößen gegen die Erlaubnisse Nr. 25 und 26/2007 die
Dienststelle informieren sollten. Nach Hinweisen der Klägerin zu 1) habe die Dienststelle
das verbotswidrige Parken eines Gabelstaplers in der M. Straße sowie das Fahren eines
Gabelstaplers ohne Begleitperson beanzeigt. Ansonsten seien bis dato keine weiteren
Beschwerden der Anwohner gemeldet und im Zuge der Streifentätigkeit keine Verstöße
festgestellt worden. Zu der Problematik, ob das Be- und Entladen der Zulieferfahrzeuge
von den Bescheiden des Beklagten erfasst werde, habe die Ortspolizeibehörde eine Klärung
über den Landkreis herbeiführen wollen.
Mit Schreiben an den Beklagten vom 30.07.2007 und 17.08.2007 wiederholten die Kläger
ihr Begehren, die Genehmigungen „zu entziehen“, und trugen unter Bezugnahme auf
beigefügte Lichtbilder ergänzend vor, dass bei der Inbetriebnahme der Gabelstapler weder
der Einweiser vorhanden sei, noch bei Leerfahrten Warnbalken angebracht würden. Die
Beigeladene beachte weder die Nachtruhezeiten (so Nachtfahrt mit Gabelstapler am
19./20.06.2007, gegen 00.10 Uhr) noch die Sonn- und Feiertagsregelung. Zudem werde
an der Auffassung festgehalten, dass die in den Genehmigungen angeführten
Rechtsgrundlagen auf die Nutzung von Gabelstaplern auf öffentlichen Straßen nicht
anwendbar seien und die Genehmigungen daher schon aus diesem Grund nicht hätten
erteilt werden dürfen bzw. nunmehr sofort einzuziehen seien. Die Stadt C-Stadt als für die
Überwachung der in den Genehmigungen erteilten Auflagen zuständige Ordnungsbehörde
habe trotz förmlicher Anzeige und Dokumentation durch Lichtbilder kein Interesse, ihrer
Pflicht als Kontrollbehörde nachzukommen.
Mit Schreiben vom 22.08.2007 teilte der Beklagte der Beigeladenen mit, dass aufgrund
mehrerer Beschwerden von Anwohnern der M. Straße davon ausgegangen werden müsse,
dass die Auflagen der Bescheide vom 08.02.2007 (insbesondere die vorgegebenen
Sperrzeiten) nicht eingehalten würden, und forderte diese auf, künftig die Einhaltung der
Auflagen sicherzustellen, andernfalls weitergehende Maßnahmen vorbehalten blieben.
Hiervon wurden die Kläger mit Schreiben desselben Tages in Kenntnis gesetzt.
Die Beigeladene teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 27.08.2007 mit, dass die
Mitarbeiter auf die strenge Einhaltung der ihnen bekannt gegebenen Auflagen hingewiesen
worden seien und die Auflagen auch eingehalten würden. Gleichwohl werde das Schreiben
des Beklagten zum Anlass genommen, die Mitarbeiter erneut auf die Auflagen aufmerksam
zu machen.
Mit am 07.09.2007 eingegangener Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Da der
Beklagte ungeachtet ihrer Anzeigen vom 24.04.2007 und 30.07.2007 nicht reagiert und
einen rechtsmittelfähigen Bescheid nicht erlassen habe, sei Untätigkeitsklage geboten.
Aufgrund der extremen Nutzung der M.- und L. Straße durch die Beigeladene könnten sie
ihre ihnen aus der Satzung des Sanierungsgebiets C-Stadt Altstadt-Süd zugewachsenen
subjektiv-öffentlichen Rechte an der Nutzung und Teilhabe im Sanierungsbereich nicht
wahrnehmen. Die Beigeladene, die insbesondere nach dem Sanierungsbeschluss der Stadt
C-Stadt ihre Betriebsfläche auf etwa 3000 qm erweitert habe, habe bis zum 08.02.2007
ihre Gabelstapler ohne Genehmigung im öffentlichen Verkehrsraum in Betrieb genommen.
Die erteilten Ausnahmegenehmigungen bezögen sich auf Schwerlastverkehr bzw.
Transporte mit Überbreite und seien für den beantragten Zweck, nämlich den Transport
von Paletten durch Gabelstapler, untauglich. Soweit die Genehmigungen und Auflagen
angesichts der Sichtfeldeinschränkung der Verkehrssicherheit dienen sollten, mangele es
an der inhaltlichen Bestimmtheit. Zudem berechtigten die Ausnahmegenehmigungen
allenfalls zum Transport von Paletten zwischen den Betriebsstätten M. Straße und L.
Straße. Stattdessen würden die Ausnahmegenehmigungen genutzt, um im gesamten
Bereich der M. Straße sowie Teilen der L. Straße Schwerlastkraftwagen zu be- und
entladen und Produktionsmaterial in den diversen Lagern der Beigeladenen zu lagern oder
dort zu entnehmen. Auch benutze die Beigeladene den Bereich der M. Straße, um Waren
zu lagern und zu kommissionieren sowie Abfallbehälter zu transportieren. Es sei leicht
vorstellbar, welchen Belastungen an Motorenlärm, Staubemissionen, Verkehrsstau,
allgemeinem Betriebslärm und Abgasen die Anwohner ausgesetzt seien, welche die
erklärten Ziele der Stadtkernsanierung konterkarierten. Die in den Genehmigungen
enthaltenen Auflagen würden nicht eingehalten. Gabelstaplerfahrten fänden grundsätzlich
ohne Einweiser statt. Ein solcher werde nur abgestellt, wenn sie - die Kläger - sich auf der
Straße aufhielten. Dieser werde nicht pro Gabelstapler, sondern für den gesamten
Staplerverkehr eingesetzt. Die Gabelstapler führen auch augenscheinlich erheblich schneller
als 10 km/h. Der Warnbalken sei, wenn er überhaupt benutzt werde, mehr Dekoration als
zweckbestimmender Gegenstand; nach den Richtlinien für Gabelstaplerverkehr sehe ein
solcher Warnbalken anders aus. Die Beigeladene betreibe ihre Produktion im Drei-Schicht-
Betrieb auch an Sonn- und Feiertagen und auch nachts, wobei dann auch die Stapler ohne
die erforderlichen Genehmigungen eingesetzt würden (z.B. am 12.08.2007). Im Weiteren
habe die Beigeladene ausweislich des Schreibens des Beklagten vom 05.11.2008 erklärt,
bis Ende November 2008 die Nutzung der Betriebsgebäude auf den
Baugenehmigungszustand zurückzuführen und für das Betriebsgelände I-Straße einen
Antrag auf Nutzungsänderung zu stellen. Dies zeige, dass es sich bei der Beigeladenen um
einen nicht genehmigten Betrieb handele. Zum Beleg ihrer Angaben legen die Kläger
zahlreiche Lichtbilder über die Situation in der M. Straße sowie Schriftverkehr insbesondere
der Stadt C-Stadt zur Frage des Erfordernisses einer zusätzlichen Genehmigung von Sonn-
und Feiertagsarbeit nach dem Sonn- und Feiertagsgesetz vor. Zum Beleg ihrer Angaben
reichen die Kläger eine Vielzahl von Lichtbildern zu den Gerichtsakten.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Beklagten zu verpflichten, die Bescheide vom 08.02.2007 – 25
und 26/2007- aufzuheben.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen
und führt zur Begründung aus, dass für die Fahrzeuge eine Genehmigung gemäß § 35 b
Abs. 2 StVZO erforderlich sei, weil für den Fahrzeugführer kein ausreichendes Sichtfeld
vorhanden sei. Zuständig für diese Genehmigung sei nach § 70 Abs. 1 Nr. 2 StVZO die
oberste Landesbehörde. Diese Genehmigungen seien am 11.10.2005 und 08.01.2007
durch das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit erteilt worden. Da in Punkt 1 der
Bedingungen und Auflagen jeweils wegen der bauartbedingten Einschränkung des
Sichtfeldes eine Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO durch die Straßenverkehrsbehörde (§ 47
Abs. 1 Satz 3 StVO) gefordert worden sei, seien die Erlaubnisse vom 08.02.2007 nach §
29 Abs. 3 StVO erteilt worden. Diese bezögen sich ausschließlich auf die Benutzung von
Fahrzeugen im öffentlichen Verkehrsraum, deren Bauart dem Führer kein ausreichendes
Sichtfeld lasse. Dies sei bei Gabelstaplern durch das Hubgerüst der Fall, wobei es
unerheblich sei, ob der Stapler mit oder ohne Ladung benutzt werde. Die Erlaubnisse
dienten ausschließlich der Verkehrssicherheit und begründeten keine subjektiven
öffentlichen Rechte der Anlieger. Damit fehle es bereits an der Klagebefugnis. In der Sache
bezögen sich die aufgezeigten Verstöße bezüglich des fehlenden Einweisers und der nicht
abgedeckten Gabelspitzen bei Leerfahrten ausnahmslos auf die Auflagen der vom
Ministerium erteilten Ausnahmegenehmigungen. Gleichwohl sei aufgrund der Anzeigen der
Kläger vom 24.04.2007 und 30.07.2007 die Polizeiinspektion C-Stadt um Überprüfung
gebeten worden. Die darüber hinaus vorgetragenen Verstöße seien mit Blick auf das Gebot
der Verhältnismäßigkeit nicht geeignet, den Widerruf der erteilten Erlaubnisse zu
begründen.
Die durch Beschluss der Kammer vom 11.09.2007 am Verfahren beteiligte Beigeladene
trägt vor, dass die Klägerin zu 1) aufgrund ihres Wohnsitzes in A-Stadt nicht in subjektiven
Rechten verletzt sein könne. Das Druckerei- und Verlagsgeschäft bestehe seit rund 50
Jahren und beschäftige derzeit 106 Mitarbeiter. Entgegen der Anzeige der Kläger bei der
Polizeiinspektion C-Stadt vom 09.02.2007 lägen die für den Einsatz der beiden
Gabelstapler erforderlichen Genehmigungen vor, so auch eine Betriebserlaubnis vom
14.11.2006. Die Ausnahmegenehmigung, die das Befahren der M. Straße und von Teilen
der L. Straße gestatte, werde nur zu unverzichtbaren betriebsnotwendigen Zwecken
genutzt, wie Materialtransport zwischen externen Lagern in der M.- und L. Straße und
Materialversorgung der Betriebstätten I-Straße und 1a. Die Materialversorgung beinhalte
zwangsläufig Entladevorgänge betreffend Papierlieferungen und Beladevorgänge in Bezug
auf Versand von Fertig- oder Halbfertigwaren. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten und
der Größe der Lkws könnten diese nur in der M. Straße entladen werden. Dies erfolge
unter größtmöglicher Rücksichtnahme auf die Anlieger ausschließlich vor ihren
Betriebsgebäuden. Auf die Größe der Lieferfahrzeuge aus ganz Europa bestehe kein
Einfluss. Dieser Verkehr sowie die Staplerbewegungen könne den Klägern, soweit sie in
2005/2006 in der M. Straße Immobilien erworben haben, nicht verborgen geblieben sein.
Die Mitarbeiter seien auf die Einhaltung der Auflagen verpflichtet worden und würden diese,
soweit dies überprüft werden könne, auch einhalten. Grundsätzlich finde keine Fahrt ohne
Einweiser statt. Allerdings könne es vorkommen, dass gerade bei Be- und
Entladevorgängen, bei denen zwei Stapler in Betrieb seien, ein Einweiser abgestellt werde.
Die Staplerfahrer hielten auch die Schrittgeschwindigkeit ein, der Elektrostapler Kalmar
könne zudem technisch bedingt die Geschwindigkeit von 10 km/h gar nicht erreichen.
Leerfahrten würden nicht ohne Warnbalken vorgenommen. Eingeräumt werde, dass dies
früher nicht immer konsequent gehandhabt worden sei. Nur bei Be- und Entladevorgänge
könne wegen des Arbeitsablaufs und der kurzen Zeiträume die Abdeckung nicht ständig
auf- und abgesetzt werden. Wegen des Einweisers gehe jedoch von den Be- und
Entladevorgängen keine Gefahr aus. Zu dem Vorwurf der Staplerfahrt am Sonntag dem
12.08.2007 sei eine verbindliche Äußerung nicht möglich. Insoweit bestehe aber im
Gegensatz zu einer früheren Annahme nach Rücksprache mit der Straßenverkehrsbehörde
nunmehr Klarheit, dass bei der nur in seltenen Ausnahmefällen stattfindenden Sonn- und
Feiertagsarbeit auch für die Staplernutzung eine zusätzliche Genehmigung eingeholt
werden müsse, was nunmehr fallweise, so am 02.09.2007, geschehe und auch
genehmigt werde. Zur Nachtzeit finde kein Gabelstaplerbetrieb statt, dieser ruhe in der
Zeit zwischen 22.00 und 06.00 Uhr. Durch deren Betrieb finde keine extreme Nutzung der
M.- und L. Straße statt. In der M. Straße erfolge auch anderweitig gewerbliche Nutzung mit
Zufahrts- und Anliefer-/Ablieferverkehr. Wer in einer Industriestadt wie C-Stadt, noch dazu
in einem Mischgebiet, wohne, müsse zwangsläufig mit gewerblich bedingten
Begleiterscheinungen leben.
Die Kammer hat die Örtlichkeit am 04.03.2009 in Augenschein genommen. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.03.2009
Bezug genommen.
Die Beteiligten haben anlässlich der Ortsbesichtigung am 04.03.2009 übereinstimmend zu
Protokoll der Sitzungsniederschrift erklärt, dass sie auf die Durchführung einer mündlichen
Verhandlung verzichten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die
beigezogenen Verwaltungsunterlagen verwiesen, deren Inhalt zum Gegenstand der
Beratung der Kammer gemacht wurde.
Entscheidungsgründe
Da die Beteiligten übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung
verzichtet haben, kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im schriftlichen Verfahren entschieden
werden.
Die Klage ist zulässig. Sie ist bei sachgerechter Auslegung des erkennbaren Willens der
Kläger auf die Verpflichtung des Beklagten gerichtet, die Bescheide vom 08.02.2007 -25
und 26/2007 - gemäß den §§ 48, 49 (Abs. 2 Nr. 2) SVwVfG aufzuheben. Für eine solche
Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO spricht maßgeblich, dass der an den
Beklagten gerichtete Verwaltungsantrag der Kläger vom 24.04.2007 ausdrücklich diesen –
wenn auch auf die Aufhebung nach § 48 SVwVfG beschränkten - Inhalt hatte, die
nachfolgenden Eingaben der Kläger vom 30.07.2007 und 17.08.2007 sich auf diesen
Antrag beziehen, die Klage vom 06.09.2007 hierauf bezogen als Untätigkeitsklage erhoben
worden ist und sich die Kläger in der Klageschrift und im Schriftsatz vom 23.11.2007 auf
die Nichtentscheidung des Antrages berufen und ausdrücklich den Widerruf der erteilten
Genehmigungen verlangen (vgl. S. 39 Gerichtsakte, a. E.).
Die Kläger sind schon deshalb klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO, weil es möglich
und keineswegs gänzlich ausgeschlossen erscheint, dass sie angesichts der örtlichen
Verhältnisse jedenfalls in ihrem Recht auf ermessensfehlerfreie Berücksichtigung ihrer
Anliegerbelange beeinträchtigt sind. Zwar ist § 45 Abs. 1 StVO grundsätzlich auf den
Schutz der Allgemeinheit und nicht auf die Wahrung der Interessen einzelner ausgerichtet.
Der einzelne besitzt aber einen – auf die ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde
begrenzten – Anspruch auf Schutz seiner Individualinteressen, wenn
grundrechtsgefährdende oder billigerweise nicht mehr zuzumutende Verkehrseinwirkungen
im Sinne des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO zu befürchten sind.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.12.1993, 11 C 45/92, m.w.N., zitiert
nach Juris
Im Zeitpunkt des Klageeingangs am 07.09.2007 lagen auch bezogen auf den nicht
beschiedenen Antrag der Kläger vom 24.04.2007 die Voraussetzungen des § 75 VwGO
unzweifelhaft vor.
Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Kläger haben keinen Anspruch auf
Aufhebung der Bescheide des Beklagten vom 08.02.2007 -25 und 26/2007- und können
auch nicht im Ermessenswege eine Bescheidung ihres Antrages vom 24.04.2007 in ihrem
Sinne verlangen.
Ein Aufhebungsanspruch nach § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 SVwVfG
dieser Anwendungsbereich des § 48 SVwVfG ergibt sich daraus, dass
die fraglichen Bescheide des Beklagten aus der maßgeblichen Sicht
der Beigeladenen als Adressat der Bescheide begünstigende
Verwaltungsakte im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 SVwVfG sind, vgl.
auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10.Auflage, § 48 Rdnr. 73, wonach
Verwaltungsakte mit Dritt- bzw. Doppelwirkung stets als
begünstigende Verwaltungsakte anzusehen sind, wenn es um die
Rücknahme des Verwaltungsaktes als ganzes geht,
scheitert jedenfalls daran, dass nicht festgestellt werden kann, dass die
streitgegenständlichen Erlaubnisse und Ausnahmegenehmigungen rechtswidrig sind.
Die Bescheide vom 08.02.2007 sind zunächst in formeller Hinsicht ordnungsgemäß
zustande gekommen. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Beklagten folgt aus den
§§ 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 a Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Nr. 4 StVO in Verbindung
mit § 6 Abs. 1 StVZustG vom 13.06.2001, zuletzt geändert durch Gesetz vom
21.11.2007 (Amtsblatt, S. 2393). Der Beklagte hat auch die Stadt C-Stadt als zuständige
Straßenbaubehörde ordnungsgemäß beteiligt. Da die übermäßige, nach
Straßenverkehrsrecht erlaubnispflichtige und einer Ausnahmegenehmigung bedürftige
Straßenbenutzung über den Gemeingebrauch hinausgeht und damit eine Sondernutzung
im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 StrG darstellt, war der Beklagte gemäß § 18 Abs. 7 Satz
2 StrG verpflichtet, vor seiner Entscheidung die sonst für die Erteilung der
Sondernutzungserlaubnis zuständige Straßenbaubehörde, hier die Stadt C-Stadt, zu hören.
Dies hat der Beklagte mit Schreiben an die Stadt C-Stadt vom 18.01.207 getan. Der
Beklagte hat auch die mit Schreiben der Stadt C-Stadt vom 05.02.2007 geforderten
Auflagen, dass die Stapler werktags nur in der Zeit von 06.00 bis 22.00 Uhr zum Befahren
der M.- und der L. Straße benutzt werden dürfen und Schrittgeschwindigkeit einzuhalten
haben, in die Bescheide vom 08.02.2007 aufgenommen, so dass die
straßenverkehrsrechtlichen Bescheide vom 08.02.2007 gemäß § 18 Abs. 7 Satz 1, 3 StrG
die Sondernutzungserlaubnis ersetzen. Der Einwand der Kläger, dass die Stadt C-Stadt im
Rahmen ihrer Anhörung die von ihnen erhobenen Einwände nicht weitergegeben habe,
greift nicht, weil es allein darauf ankommt, ob die Stadt C-Stadt ihrerseits Bedenken gegen
die Erteilung der Erlaubnis und Ausnahmegenehmigung hat und geltend macht, was aber
nicht der Fall war.
Soweit die Kläger weiter rügen, dass sie mit Schreiben vom 11.01.2007 von der Stadt C-
Stadt verlangt haben, sie gemäß den § 13 Abs. 2 SVwVfG im Hinblick auf die abzugebende
Stellungnahme der Stadt C-Stadt zu beteiligen, dringen sie ebenfalls nicht durch, weil die
nach § 18 Abs. 7 Satz 2 StrG erforderliche Anhörung der Straßenbaubehörde selbst nicht
ein auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtetes Verfahren ist (§ 9 SVwVfG) und
daher eine Beteiligung nach § 13 SVwVfG nicht möglich ist. Soweit die Klägerin zu 1) mit
Schreiben vom 13.02.2007 beim Beklagten die Zulassung als Beteiligte nach § 13 SVwVfG
beantragt hat, ging dies schon deshalb ins Leere, weil zu diesem Zeitpunkt die
streitgegenständlichen Bescheide bereits erlassen waren. Zu einer Hinzuziehung der Kläger
als Beteiligte von Amts wegen war der Beklagte nicht verpflichtet.
Ebenso wenig erweisen sich die streitgegenständlichen Bescheide als verfahrensfehlerhaft,
weil die Kläger nicht angehört worden sind. Denn die Kläger waren, wie dargelegt, nicht
Beteiligte im Sinne von § 28 Abs. 1 SVwVfG und mussten auch nicht beteiligt werden, ganz
abgesehen davon, dass sie im Vorfeld der Entscheidung ihre Auffassung bereits in einer
Vielzahl von Eingaben dargelegt haben und daher eine Anhörung gemäß § 28 Abs. 2
SVwVfG nach den Umständen des Falles nicht geboten erscheint.
Schließlich steht der formellen Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 08.02.2007 nicht
entgegen, dass diese nicht gemäß den Anforderungen aus § 39 Abs. 1 SVwVfG begründet
worden sind. Die Bescheide sind auf Antrag der Beigeladenen ergangen. Aus § 39 Abs. 2
Nr. 1 SVwVfG ergibt sich auch, dass dieser gegenüber nicht begründet werden muss, aus
welchen Gründen den Einwänden der Kläger nicht gefolgt worden ist. Es ist nicht die
Funktion einer Begründung eines begünstigenden Verwaltungsaktes, die Rechtsstellung des
Begünstigten zusätzlich schon vorbeugend für einen „Nachbarprozess“ abzusichern.
Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage, § 39 Rdnr. 85
Rechtsgrundlagen für die Erteilung der Erlaubnisse und der Ausnahmegenehmigungen sind
§ 29 Abs. 3 StVO und § 46 Abs. 1 Nr. 5 StVO. Gemäß § 29 Abs. 3 Satz 2 StVO bedarf -
auch - der Verkehr mit Fahrzeugen, deren Bauart dem Führer kein ausreichendes Sichtfeld
lässt, einer Erlaubnis. Vorliegend ist, wie sich aus den bei Erlass der Bescheide vom
08.02.2007 vorgelegenen Ausnahmegenehmigungen des Ministeriums für Wirtschaft und
Arbeit vom 11.10.2005 und 08.01.2007 ergibt, das Sichtfeld des Fahrzeugführers beider
Gabelstapler infolge des Hubmastes beeinträchtigt (§ 35 b Abs. 2 StVZO). Damit bedarf
der Verkehr mit den Gabelstaplern der Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO. Soweit die Kläger
einwenden, die Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO sei für den beantragten Zweck untauglich,
weil die Beigeladene keinen Großraum- und Schwerlastverkehr durchführe, verkennen sie
den Anwendungsbereich der Erlaubnis nach § 29 Abs. 3 StVO. Im Weiteren unterliegt es
keinen Bedenken, dass die Erlaubnisse als Dauererlaubnisse erteilt worden sind, da nicht
für jede einzelne Fahrt mit den Gabelstapler Einzelerlaubnisse beantragt und erteilt werden
können.
Im Rahmen dieser Erlaubnisse nach § 29 Abs. 3 StVO wurden der Beigeladenen zugleich
Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Abs. 1 Nr. 5 StVO erteilt. Nach dieser Bestimmung
können die Straßenverkehrsbehörden in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für
bestimmte Antragsteller Ausnahmen von den Vorschriften über Höhe, Länge und Breite
von Fahrzeug und Ladung genehmigen (§ 18 Abs. 1 Satz 2, § 22 Abs. 2 bis 4). Vorliegend
ist nach Sachlage und auch ausweislich der von den Klägern vorgelegten Lichtbilder davon
auszugehen, dass die Beigeladene mit den Gabelstaplern auch Paletten in Übergröße
transportiert, so dass insoweit der Anwendungsbereich dieser Ausnahmegenehmigung
eröffnet ist.
Nach ihrer sachlichen Reichweite erfassen die erteilten Ausnahmegenehmigungen und
Erlaubnisse die Befugnis der Beigeladenen, den Bereich der M.- und L. Straße zwischen den
Hauptgebäuden I-Straße und 1a sowie den in der M. Straße und L. Straße gelegenen
auswärtigen Lagern, deren Belegenheit jeweils nach den Feststellungen der Kammer im
durchgeführten Ortstermin feststeht, mit den Gabelstaplern zu befahren und dabei auch
Ladungen in Übergröße zu transportieren. Daher ist auch die im vorgenannten räumlichen
Bereich erfolgende Be- und Entladetätigkeit durch die beiden Gabelstapler durch die
streitgegenständlichen Bescheide vom 08.02.2007 gestattet. Zu den durch die Erlaubnisse
und Ausnahmegenehmigungen gestatteten Fahrten mit den Gabelstaplern gehören
nämlich nicht allein solche, die auf direkten Weg zwischen Hauptgebäuden und auswärtigen
Lagern erfolgen, um zwischen diesen Orten z.B. Materialtransporte durchzuführen.
Vielmehr erlauben die Bescheide der Beigeladenen auch, dass in dem von den Erlaubnissen
und Ausnahmegenehmigungen erfassten räumlichen Bereich auch Be- und
Entladetätigkeiten durch die beiden Gabelstapler durchgeführt werden. Denn diese Be- und
Entladetätigkeit als solche ist letztlich nichts anderes als der Transport von Ladungen, der
der Beigeladenen auch bei Übergröße des Transportgutes im dem betreffenden Bereich der
M.- und L. Straße genehmigt worden ist. Diese Auslegung ergibt sich vor allem aus dem
Wortlaut der streitgegenständlichen Bescheide, die in den Anträgen und damit auch in den
auf diese Bezug nehmenden Genehmigungen als „Geltungsbereich“ die M.- und L. Straße
in C-Stadt bestimmen, - die in den Anträgen weiter enthaltenen Formulierungen Abgangs-
und Empfangsort sowie Fahrtweg betreffen die Durchführung von Großraum- und
Schwerlastverkehr, für die das Antragsformular ebenfalls Verwendung findet - und im
Weiteren aus Sinn und Zweck der Bescheidregelungen, die der Beigeladenen den zur
Durchführung der Materialversorgung der Betriebstätten I-Straße und 1a sowie des
Vertriebs notwendigen Betrieb der Gabelstapler gestatten sollen, wozu aber
Entladevorgänge etwa bezüglich Papierlieferungen und Beladevorgänge in Bezug auf den
Versand von Fertig- oder Halbfertigprodukten zwangsläufig gehören. Zudem muss gesehen
werden, dass die Be- und Entladetätigkeiten der Gabelstapler mit Wissen des Beklagten
stattfinden. Hätte der Beklagte einen derartigen Einsatz der Gabelstapler in dem
vorgenannten räumlichen Bereich nicht gestatten wollen, wäre schon längst zu erwarten
gewesen, dass der Beklagte hiergegen einschreitet, was aber nicht geschehen ist.
In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass die streitgegenständlichen Bescheide und
damit auch ihre Auslegung durch die Kammer allein den Einsatz der Gabelstapler betreffen.
Der sich im Weiteren stellenden Frage, ob das Befahren und Abstellen von
Schwerlastkraftwagen in der M.- und L. Straße rechtmäßig ist, muss für die im
vorliegenden Verfahren vorzunehmende Überprüfung der Rechtmäßigkeit der
streitgegenständlichen Bescheide nicht entscheidungserheblich nachgegangen werden.
Nach Maßgabe dieser Auslegung kann auch dem Einwand der Kläger, dass die erteilten
Bescheide in Bezug auf Zwecke der Verkehrssicherheit inhaltlich unbestimmt sind, nicht
gefolgt werden.
Soweit nach Nr. 1 VwV zu § 46 eine Ausnahmegenehmigung nur in besonders dringenden
Fällen gerechtfertigt ist und an den Nachweis solcher Dringlichkeit strenge Anforderungen
zu stellen sind, muss fallbezogen gesehen werden, dass der Transport der Ladungen in
Übergröße vor allem der Belieferung der Betriebsstätten mit weiter zu bearbeitenden
Materialien sowie der Auslieferung von fertigen Produkten, mithin der Aufrechterhaltung
des täglichen Geschäftsbetriebes dient. Dass insoweit die Voraussetzungen einer
besonderen Dringlichkeit gegeben sind, liegt auf der Hand, auch wenn diese Umstände
nicht eigens in einem Aktenvermerk niedergelegt sind (vgl. hierzu Nr. 1 Satz 3 VwV zu §
46). Auf die Streitfrage, ob das Vorliegen der Ausnahmesituation das Ermessen eröffnet
oder erst im Rahmen der Ermessensentscheidung zu prüfen ist,
vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Auflage, § 46 StVO, Rdnr.
23 m.w.N.
kommt es daher vorliegend nicht an. Gemäß § 46 Abs. Abs. 1 Nr. 5 StVO steht die
Erteilung der Ausnahmegenehmigung im Ermessen der Straßenverkehrsbehörde. Dabei
sind auch die durch die beantragte Ausnahmegenehmigung möglicherweise eintretenden
Beeinträchtigungen von Anliegerinteressen zu berücksichtigen.
Vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Auflage, § 46 StVO, Rdnr.
23, mit Hinweisen auf OLG Oldenburg, NZV 1989, 22, und VGH
München NZV 1998, 390
Vorliegend hat der Beklagte in den streitgegenständlichen Bescheiden nicht dargelegt, von
welchen Erwägungen er bei seiner Entscheidung ausgegangen ist und inwieweit er die
widerstreitenden Interessen der Anlieger einerseits und der Beigeladenen andererseits
berücksichtigt hat. Soweit in der Klageerwiderung vorgetragen ist, dass die Erlaubnisse
ausschließlich der Verkehrssicherheit dienten und keine subjektiven öffentlichen Rechte der
Anlieger begründeten, handelt es sich ersichtlich um rechtliche Ausführungen des Beklagten
in Bezug auf die Frage der Klagebefugnis der Kläger, die nicht den zwingenden Schluss
darauf zulassen, dass bei Erlass der Bescheide die Interessen der Kläger gänzlich außer
Acht gelassen wurden. Ebenso wenig kann angenommen werden, dass die
Anliegerinteressen derart schwerwiegend betroffen sind, dass die Bescheide bei
rechtmäßiger Ermessensausübung nicht hätten erteilt werden dürfen. Vielmehr erscheinen
die Anliegerinteressen der Kläger durch den Betrieb der Gabelstapler nur in
eingeschränktem Maße betroffen. Es ist nämlich zu unterscheiden zwischen den
Beeinträchtigungen der Kläger, die durch die in der M. Straße bewegten und abgestellten
Schwerlastkraftwagen hervorgerufen werden, und denen, die durch den Betrieb der
Gabelstapler verursacht werden. Da die Bescheide vom 08.02.2007 allein die Benutzung
der Gabelstapler regeln, kommt es insoweit nur auf die unmittelbar von den Gabelstaplern
ausgehenden Beeinträchtigungen der Anlieger an. Durch den Betrieb der Gabelstapler wird
der Anliegergebrauch der Kläger als solcher, also der Zugang zu ihren Anwesen, weder
unterbunden noch nennenswert erschwert. Soweit sich die Kläger im Weiteren auf Abgas-
und Lärmimmissionen berufen, ist zu berücksichtigen, dass die beiden Gabelstapler durch
Gas bzw. Elektromotor angetrieben werden, so dass schon aus diesem Grund die bei
ihrem Fahrtbetrieb entstehenden Immissionen reduziert sind. Darüber hinaus sind nach den
Feststellungen der Kammer bei der Ortsbesichtigung im Bereich der M.- und L. Straße, wie
in der Sitzungsniederschrift im Einzelnen ausgeführt, eine Vielzahl von unterschiedlichen
Gewerbebetrieben ansässig, deren Geschäftsbetrieb durch Be- und Entladevorgänge sowie
Kfz-Verkehr vergleichbare Immissionen hervorrufen, so dass die allein von den
Gabelstaplern verursachten Lärm- und Abgasimmissionen über das in der M.- und L. Straße
Ortsübliche nicht hinausgehen. Von daher spricht alles dafür, dass der Beklagte bereits
durch die Einholung der straßenrechtlichen Stellungnahme der Stadt C-Stadt und die
Aufnahme der von dort vorgeschlagenen Auflagen in die streitgegenständlichen Bescheide
in hinreichendem Maße die Anliegerinteressen auch der Kläger berücksichtigt hat. Denn die
der Beigeladenen in den Bescheiden vom 08.02.2007 – mit dem Zusatz:
verkehrsberuhigter Bereich - gemachten Auflagen, dass die Gabelstapler nur werktags in
der Zeit von 06.00 Uhr bis 22.00 Uhr fahren dürfen und Schrittgeschwindigkeit einhalten
müssen, dienen auch und gerade dem Schutz der Anlieger. Letztlich kann daher nicht
festgestellt werden, dass der Beklagte die Anliegerinteressen der Kläger bei seiner
Entscheidung nicht hinreichend gewürdigt hat und daher die streitgegenständlichen
Bescheide rechtswidrig sind. Dann ist aber der Anwendungsbereich des § 48 SVwVfG nicht
eröffnet.
Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen für eine Aufhebung (Widerruf) der Bescheide
nach § 49 Abs. 2 Nr. 2 SVwVfG vor. Hierfür ist nach dem Wortlaut der Regelung zunächst
das Vorliegen eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes erforderlich. Allerdings wird die
entsprechende Anwendung der Regelungen der §§ 49 Abs. 2 und 3 SVwVfG auch auf den
rechtswidrigen Verwaltungsakt bejaht.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 14.12.1989, 3 C 30/87, NJW 1991, 766,
768 und vom 21.11.1986, 8 C 33/84, NVwZ 1987, 498, 499; OVG
Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 04.02.1992, 5 A 1320/88, NVwZ
1993, 76, 79; NWVBl 1991, 249; VGH Baden-Württemberg VBlBW
1992, 112, 113; Knack/Meyer, VwVfG, § 48 Rdnr. 33;
Kopp/Ramsauer, VwVfG, a.a.O., § 49 Rdnr. 5, 63
Diese Auffassung überzeugt. Denn zum einen kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt in
seinem Bestand nicht weitergehend geschützt sein als ein rechtmäßiger. Für die
Auffassung spricht zudem das praktische Bedürfnis, dass die Behörde keine mitunter
schwierigen Nachforschungen anstellen muss, wenn zweifelhaft ist, ob der Verwaltungsakt
rechtmäßig oder rechtswidrig, oder wenn die Behörde sich auf die Rechtswidrigkeit des
Verwaltungsaktes nicht berufen will, aber einer der Widerrufsgründe des § 49 Abs. 2 oder
Abs. 3 SVwVfG vorliegt. Die Frage der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen
Bescheide kann daher letztlich dahinstehen, da bei Rechtswidrigkeit die Regelung des § 49
Abs. 2 SVwVfG erst recht gilt.
Allerdings liegt fallbezogen der Widerrufsgrund des § 49 Abs. 2 Nr. 2 SVwVfG nicht vor.
Dies wäre nur dann der Fall, wenn mit den in Rede stehenden Verwaltungsakten eine
Auflage verbunden ist, und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm
gesetzten Frist erfüllt hat.
Soweit die Kläger rügen, die Gabelstaplerfahrten fänden unter Missachtung der Regelungen
für Einweiser und Warnbalken statt, verkennen sie, dass derartige Auflagen allein mit den
Bescheiden des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit vom 11.10.2005 und 08.01.2007
verbunden sind, nicht aber mit den streitgegenständlichen Bescheiden des Beklagten vom
08.02.2007. Ein etwaiger Verstoß gegen die ministeriellen Auflagen vermag aber den
Beklagten weder zu berechtigen noch zu verpflichten, die von ihm erlassenen Bescheide zu
widerrufen.
Soweit die Kläger geltend machen, dass die Gabelstapler auch an Sonn- und Feiertagen
sowie nachts im Einsatz seien und augenscheinlich erheblich schneller als 10 km/h führen,
sind zwar die Auflagen angesprochen, die mit den Bescheiden vom 08.02.2007 verbunden
sind. Ein Verstoß gegen diese Auflagen kann aber aktuell nicht festgestellt werden. Zwar
mag es sein, dass es in der Vergangenheit zu Verstößen gegen die Auflage, dass nur
werktags in der Zeit zwischen 06.00 und 22.00 Uhr gefahren werden darf, gekommen ist,
zumal die Beigeladene sich zu dem von den Klägern angeführten Fall vom 12.08.2007
nicht verbindlich äußern mochte. Gesehen werden muss aber, dass etwaige Missstände in
der Vergangenheit zwischenzeitlich offensichtlich nicht mehr stattfinden. So ergibt sich aus
den Verwaltungsunterlagen, dass die Beigeladene für Fahrten mit den Gabelstaplern am
Sonntag dem 02.09.2007 eine Ausnahmeregelung beantragt und auch vom Beklagten
durch Bescheid vom 29.08.07 erhalten hat. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beigeladene
in der Folgezeit nicht an diese Verfahrensweise gehalten hat und sich auch derzeit nicht
daran hält, sind – auch nach Auswertung der eingereichten handschriftlichen
Aufzeichnungen der Klägerin zu 2) - weder vorgetragen noch nach Aktenlage ersichtlich.
Die klägerseits auf 45 DIN-A4-Seiten handschriftlich in flüchtiger, aber dennoch
einigermaßen entzifferbarer Schrift festgehaltenen Liefervorgänge belegen eindrücklich,
dass von der Beigeladenen die auferlegte Ladezeit eingehalten wird. Hierin sind nämlich
alleine für den 09.07.2008 und 10.07.2008 zwei Abladevorgänge, die außerhalb der
auferlegten Zeitspanne erfolgt sind, vermerkt – und zwar für 05.54 Uhr bis 06.03 Uhr
bzw. 05.52 Uhr bis 05.57 Uhr, wobei jeweils weiter vermerkt ist, dass der Abladevorgang
durch den LKW-Fahrer selbst mit Hilfe einer „Eidechse“ bewirkt worden ist, ein
Gabelstaplerbetrieb der Beigeladenen also gerade nicht stattgefunden hat. Alle anderen
dort festgehaltenen Ladevorgänge sind innerhalb der festgelegten Zeit erfolgt und
betreffen zudem, wenn auch in einem geringeren Teil, die Anlieferung anderer dort
belegener Firmen. Von einem aktuellen Verstoß der Beigeladenen gegen die betreffende
Auflage kann daher nicht ausgegangen werden. Die weitere Behauptung der Kläger, dass
die Gabelstapler die durch Auflage vorgegebene Schrittgeschwindigkeit nicht einhielten,
vermag einen diesbezüglichen Auflagenverstoß nicht zu belegen.
Kann nach alledem von einem aktuellen Verstoß der Beigeladenen gegen die mit den
Bescheiden vom 08.02.2007 verbundenen Auflagen nicht ausgegangen werden, liegt ein
Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 2 Nr. 2 SVwVfG nicht vor. Da auch andere
Widerrufsgründe, etwa nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 SVwVfG, nicht gegeben sind, kommt eine
Aufhebung der Bescheide nach § 49 SVwVfG nicht in Betracht.
Da im Weiteren auch nicht das Ermessen zur Aufhebung nach den §§ 48, 49 SVwVfG
eröffnet ist, können die Kläger auch nicht im Ermessenswege eine Entscheidung in ihrem
Sinne verlangen.
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs.1 VwGO abzuweisen. Eine
Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen kommt nicht in Betracht, da
diese keinen Antrag gestellt hat und damit auch kein Kostenrisiko eingegangen ist (§§ 154
Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
Die sonstigen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711
ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird, nachdem die vier Kläger jeweils aus eigenem Recht die Aufhebung
zweier zu Gunsten der Beigeladenen ergangener Bescheide begehren und diese jeweils mit
dem Auffangwert von 5.000,-- Euro anzusetzen sind, gemäß den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2
GKG auf (4 x 2 x 5000.- Euro =) 40.000.- Euro festgesetzt.