Urteil des VG Saarlouis vom 24.11.2009

VG Saarlouis: von Versorgungsbezügen bei Überzahlung, treu und glauben, rückforderung, anhörung, behörde, vollstreckung, rückabwicklung, besoldung, herausgabe, vollstreckbarkeit

VG Saarlouis Urteil vom 24.11.2009, 3 K 489/09
Rückforderung von Versorgungsbezügen bei Überzahlung
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar; der Kläger darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der am … 1957 geborene Kläger ist Ruhestandsbeamter der Beklagten und wendet sich
mit seiner Klage gegen die von der Beklagten verfügte Kürzung und Rückforderung von
Versorgungsbezügen.
Bescheid
Versorgungsservice Nürnberg) vom 04.02.2009 in Gestalt der Anrechnung (auf der
Grundlage von § 55 BeamtVG) einer dem Kläger von der Unfallkasse Post und Telekom
gewährten Unfallrente in Höhe eines Betrages von 164,51 pro Monat und Rückforderung
eines Betrages von (1.151,57 Euro abzüglich anteiliger Sonderzuwendung =)
1.143,55 Euro. Der Überzahlungsbetrag werde in fünf Raten ab April 2009 von den
Versorgungsbezügen einbehalten.
Widerspruch
vom 25.02.2009), mit dem er in der Folge „zunächst“ geltend machte, der Bescheid sei
nicht nachvollziehbar begründet worden; dies gelte insbesondere für die Höhe des
Anrechnungs- und Rückforderungsbetrages. Außerdem fehle es an einem
ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahren einschließlich der danach vorgesehenen
Anhörung.
Widerspruchsbescheid
Freiburg) vom 05.05.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte dazu aus:
Die gerügte fehlende Anhörung gelte durch die Äußerung des Klägers als nachgeholt. Die
rechnerische Richtigkeit der Ruhensregelung nach § 55 BeamtVG und des
Rückforderungsbetrages ergeben sich nachvollziehbar aus der dem angefochtenen
Bescheid beigefügten Anlage und der Tatsache, dass der Kläger 7 Monate (01.08.2008 bis
28.02.2009) eine ungekürzte Versorgung erhalten habe. Die Versorgungsbezüge des
Beamten stünden unter dem Vorbehalt einer rückwirkenden Änderung und Rückforderung
(sog. gesetzesimmanenter Rückforderungsvorbehalt). Damit könne der Betreffende sich
nicht auf Vertrauensschutz und Entreicherung berufen. Im Rahmen der
Billigkeitsentscheidung sei nach Lage der Dinge die Einräumung von Raten ausreichend
gewesen.
Klage
Fehlen und die Nichtnachholbarkeit einer Anhörung und die Nichtnachvollziehbarkeit der
Berechnung. Des Weiteren entbehrten die Bescheide jeglicher Überprüfung des
(eingetretenen) Wegfalls der Bereicherung und von Billigkeitsgründen.
Der Kläger beantragt (schriftlich),
den Bescheid (der Beklagten) vom 04.02.2009 und den
Widerspruchsbescheid vom 05.05.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt (ebenfalls schriftlich),
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die Ausführungen im angefochtenen
Widerspruchsbescheid und verweist im Übrigen auf die Nachholung der Anhörung „durch
das Widerspruchsverfahren“.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den zum Gegenstand der
Entscheidungsfindung gemachten Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen
Verwaltungsunterlagen des Beklagten (1 Hefter „Widerspruchsakte“) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Über die Klage konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
II.
Die zulässige (Anfechtungs-)Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom
04.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.05.2009 erweist sich als
rechtmäßig, weshalb eine für die Aufhebung nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderliche
Verletzung der Rechte des Klägers nicht vorliegt.
Zur Begründung wird zunächst gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die sachlich überzeugenden
und nach Auffassung des Gerichts zutreffenden Ausführungen der Beklagten im
angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 05.05.2009, ergänzt durch ihr Vorbringen im
Klageverfahren, Bezug genommen. Lediglich zusammenfassend, ergänzend und vertiefend
ist auf folgendes hinzuweisen:
Anhörung
(vgl. §§ 28 Abs. 1, 45 Abs. 2 VwVfG).
Anrechnung
Kürzung
zum Erreichen der in Absatz 2 bezeichneten Höchstgrenzen gezahlt“, § 55 Abs. 1 Satz 1
BeamtVG)
zur Anrechnung privaten Erwerbseinkommens vgl. zuletzt Urteil der
Kammer vom 25.08.2009 - 3 K 1119/08 -; in besonderen
Konstellationen (vorzeitiger Ruhestand, besondere Altersgrenze,
Ablauf einer Übergangsfrist) vgl. u.a. BVerwG, Urteile vom
18.09.1997 - 2 C 35.96 -, ZBR 1998, 207, und vom 17.12.2008 - 2
C 26.07 -, IÖD 2009, 163, sowie OVG Hamburg, Beschluss vom
31.03.2009 - 1 Bf 314/08.Z -, IÖD 2009, 188
sind weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.
Der Kläger hat hiergegen zwar Einwendungen erhoben, die auch berechtigt erschienen, da
detaillierte Ausführungen der Beklagten im Widerspruchs- und Klageverfahren fehlten. Das
hat die Beklagte jedoch auf einen entsprechenden gerichtlichen Hinweis (Verfügung vom
22.09.2009) hin nachgeholt und ihr „Rechenwerk“ mit Schriftsatz vom 15.10.2009
erläutert. Dem ist der Kläger nicht mehr entgegen getreten.
Brutto
vgl. dazu zuletzt Urteile der Kammer vom 17.03.2009 - 3 K 729/08
– und vom 25.08.2009, aaO
findet ihre Rechtsgrundlage in § 52 Abs. 2 BeamtVG, wonach sich die Rückforderung
überzahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über
die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, also nach den §§ 812 ff. BGB,
richtet. Die Voraussetzungen sind hier erfüllt:
a. Bei der Beantwortung der Frage, ob der Kläger als Versorgungsempfänger eine
Gesetzesvorbehalt
BeamtVG auszugehen: Danach wird (wie die Besoldung, vgl. § 2 Abs. 1 BBesG) die
Versorgung der Beamten und ihrer Hinterbliebenen (allein) durch Gesetz geregelt, hier also
durch § 55 BeamtVG (s.o.).
b. Nach zutreffender und seitens des Klägers auch nicht bestrittener Auffassung des
Beklagten kann er sich nicht mit Erfolg nach § 818 Abs. 3 BGB auf einen Wegfall der
Vorbehalt
Billigkeitsentscheidung
Abs. 2 Satz 3 BeamtVG nicht zu beanstanden.
Die lediglich in den Grenzen des § 114 VwGO gerichtlich überprüfbare
Billigkeitsentscheidung soll eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die
Behörde zumutbare und für den Bereicherten tragbare Lösung ermöglichen, bei der Alter,
Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine
maßgebende Rolle spielen. Sie soll der besonderen Lage des Einzelfalles Rechnung tragen,
die formale Strenge des Besoldungs- und Versorgungsrechts auflockern und Ausdruck des
auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sein. Dabei ist
jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch
erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern
auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der
Rückabwicklung und ihrer Auswirkungen auf die Lebensumstände des
Bereicherungsschuldners abzustellen. Insoweit kommt es nicht entscheidend auf die Lage
des Beamten in dem Zeitraum, für den die Überzahlung geleistet worden ist, sondern auf
dessen Lage im Zeitpunkt der Rückabwicklung an.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.01.1994 – 2 C 19.92 –, E 95, 94 = ZBR
1994, 247 m.w.N.; Urteil der Kammer vom 13.05.2003 – 3 K 92/02
Im Rahmen der von der Behörde anzustellenden Erwägungen kann (Ermessen) die
Behörde ein Eigenverschulden durch ein (teilweises) Absehen von einer Rückforderung
berücksichtigen, sie muss dies aber nicht in dieser Weise tun.
Siehe Urteil der Kammer vom 06.02.2007 – 3 K 366/06 –
Entscheidend ist vielmehr, dass die Beklagte den nach der vorstehend zitierten
Rechtsprechung zu beachtenden Billigkeitskriterien im Ergebnis ausreichend Rechnung
getragen hat, indem sie dem Kläger die Möglichkeit von Ratenzahlungen eingeräumt hat.
Der Kläger hat bislang keine Anhaltspunkte vorgetragen, welche gleichwohl die Annahme
rechtfertigen könnten, die Rückforderung führe für ihn zu einer unzumutbaren Härte. Das
Anbieten derartiger Ratenzahlungen genügt nach ständiger Rechtsprechung der Kammer
regelmäßig den an eine Billigkeitsentscheidung der vorliegenden Art zu stellenden
Anforderungen
Nach allem war die Klage abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Für eine Zulassung der Berufung besteht kein Anlass (vgl. § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §
124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO).
Beschluss
Der Streitwert wird, wie bereits vorläufig im Beschluss vom 02.06.2009, gemäß § 52 Abs.
1.143,55
Euro