Urteil des VG Saarlouis vom 19.12.2008

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VG Saarlouis Beschluß vom 19.12.2008, 10 L 1800/08
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen die Aberkennung
des Gebrauchsrechts einer EU-Fahrerlaubnis im Inland
Leitsätze
1. Ist der Erwerb einer Fahrerlaubnis durch einen deutschen Staatsangehörigen in einem
anderen EU-Land ordnungsgemäß im Sinne des Urteils des EUGH vom 26.06.2008 in den
verbundenen Rechtssachen C - 329/06 und C - 343/06 erfolgt, kommt es für die
Beurteilung der Frage, ob eine demnach erfolgte Aberkennung des, Gebrauchsrechts einer
EU-Fahrerlaubnis im Inland gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, maßgeblich darauf an, ob
dem Fahrerlaubnisinhaber deshalb das Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik
Deutschland untersagt werden durfte, weil er aufgrund rechtsmissbräuchlicher Umgehung
der inländischen Vorschriften eine tschechische Fahrerlaubnis erworben hat, die er in der
Bundesrepublik Deutschland ohne vorherige Klärung vorhandener Eignungszweifel nicht
hätte erlangen können.
2. Vor dem Hintergrund, dass die damit zusammenhängende europarechtliche Problematik
als nicht restlos geklärt bzw. offen anzusehen ist, beurteilt die Kammer die beantragte
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs auf der Grundlage einer
hauptsacheoffenen Interessenabwägung.
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Streitwert beträgt 2.500.- Euro.
Gründe
Der Antragsteller wendet sich mit seinem Antrag im Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 07.11.2008, mit der ihm
mit sofortiger Wirkung das Recht aberkannt wurde, von seiner in der tschechischen
Republik erworbenen Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen, und ihm weiter
aufgegeben wurde, den ausländischen Führerschein zur Eintragung des
Aberkennungsvermerks beim Antragsgegner vorzulegen.
Der diesbezüglich gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des
Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners wiederherzustellen, ist gemäß § 80
Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen
zulässig.
In der Sache hat der Antrag jedoch keinen Erfolg.
Zunächst hat der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung in einer den
Formerfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise im Wesentlichen
damit begründet, dass das herausragende Vollzugsinteresse der Allgemeinheit,
ungeeignete Kraftfahrer vom Straßenverkehr fernzuhalten, Vorrang vor dem
Aussetzungsinteresse des Betroffenen habe, bis zur Bestandskraft der
Entziehungsverfügung von Vollstreckungsmaßnahmen verschont zu bleiben. Diese auf die
typische Interessenlage abstellende Begründung genügt den Anforderungen, weil es bei
vorerst -vorbehaltlich der materiellen Nachprüfung- unterstellter Richtigkeit der Beurteilung
der Sach- und Rechtslage durch den Antragsgegner um die Abwehr von Gefahren für
typische Gemeinschaftsgüter, nämlich die Ordnung und Sicherheit des öffentlichen
Straßenverkehrs, geht und daher das besondere öffentliche Vollzugsinteresse im Regelfall -
wie auch hier- mit dem Interesse am Erlass des Verwaltungsaktes zusammenfällt.
So auch OVG des Saarlandes, Beschluss vom
07.05.2008, 2 B 187/08; ferner etwa Beschlüsse der
Kammer vom 14.12.2007, 10 L 1701/07, vom
03.04.2008, 10 L 53/08, sowie vom 17.09.2008, 10 L
699/08, oder vom 02.10.2008, 10 L 744/08
Soweit der Antragsteller der Annahme des besonderen öffentlichen Interesses an der
sofortigen Vollziehung entgegenhält, er habe bis zum heutigen Tage ohne Beanstandungen
Fahrzeuge auch in Deutschland geführt und sich somit bewährt, zudem habe der
Antragsgegner bereits im Februar 2008 die damals beabsichtigte Aberkennung des
Gebrauchsrechts nicht weiter verfolgt und das Verfahren eingestellt, vermag er nicht
durchzudringen, denn es ist dem Antragsgegner unbenommen, auf der Grundlage neuer
tatsächlicher Erkenntnisse oder anderer rechtlicher Bewertungen eine Aberkennung des
Gebrauchsrechts unter Anordnung der sofortigen Vollziehung für erforderlich zu erachten.
Die somit vom Gericht in der Sache zu treffenden Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO
richtet sich danach, ob das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der
angegriffenen behördlichen Verfügung gegenüber dem Interesse des Antragstellers an der
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des von ihm eingelegten Rechtsbehelfs
schwerer wiegt. Im Rahmen dieser vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung
sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Die Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ist in der Regel abzulehnen, wenn der
Rechtsbehelf nach dem zum Entscheidungszeitpunkt gegebenen Erkenntnisstand aller
Voraussicht nach erfolglos bleiben wird; bei offensichtlichen Erfolgsaussichten des
Rechtsbehelfs überwiegt demgegenüber regelmäßig das Aussetzungsinteresse des
Antragstellers.
Hiervon ausgehend kann der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung seines Widerspruchs nicht beanspruchen, da die Rechtmäßigkeit der Verfügung im
Rahmen der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der
Sach- und Rechtslage im Ergebnis keinen durchgreifenden Zweifeln unterliegt.
Rechtsgrundlage für die angefochtene Verfügung, mit welcher dem Antragsteller das Recht
aberkannt wird, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch
machen zu dürfen, ist § 3 Abs. 1 Satz 2 StVG, weil die Voraussetzungen für eine
Entziehung der Fahrerlaubnis im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 und § 46 Abs. 1 i.V.m. § 47
Abs. 1 FEV vorliegen. Danach ist die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber
als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt insbesondere, wenn
Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder erheblich
oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde
und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
Vorliegend hat der Antragsgegner zu Recht Bedenken an der Kraftfahreignung des
Antragstellers, die auch durch die Erteilung der tschechischen Fahrerlaubnis nicht
ausgeräumt sind. Denn der Antragsteller gilt, nachdem ihm durch Strafbefehl des
Amtsgerichts St. Ingbert vom 19.10.2004, 63 Js 1975/05, wegen einer am 18.07.2004
begangenen Trunkenheitsfahrt mit einem Blutalkoholgehalt von 2,06 Promille die
Fahrerlaubnis unter Anordnung einer Sperrfrist von 12 Monaten entzogen wurde, so lange
als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen im öffentlichen Straßenverkehr, bis er
entsprechend der im angefochtenen Bescheid des Antragsgegners auf § 13 Nr. 2 c FEV
gestützten Bedingung zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis (für das Inland) ein
medizinisch-psychologisches Gutachten beibringt, welches seine Kraftfahreignung bejaht
(vgl. dazu § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4 StVG i.V.m. § 20 Abs. 1 FEV). Soweit der
Antragsgegner die angefochtene Verfügung – und – auf Bestimmungen der InfKfzV
gestützt hat, ist dies zwar fehlerhaft, weil der Antragsteller seinen Wohnsitz in Deutschland
hat; in der Sache wirkt sich dies aber nicht aus, da die zwingenden Voraussetzungen der
oben dargestellten Ermächtigungsgrundlage gegeben sind.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Entscheidung des Antragsgegners mit
der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29.07.1991 in der Fassung der Richtlinie
97/26/EWG des Rates vom 02.06.1997 und mit der Richtlinie des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über den Führerschein vereinbar.
Insbesondere ist kein eindeutiger Verstoß gegen die Rechtssprechung des Europäischen
Gerichtshofs erkennbar, wonach Art. 1 Abs. 2 RiL 91/439/EWG die gegenseitige
Anerkennung der von den Mitgliedsstaaten ausgestellten Fahrerlaubnisse ohne jede
Formalität vorsieht und der Besitz eines solchen EU-Führerscheins zugleich der Nachweis
dafür ist, dass sein Inhaber die in dieser Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen für seine
Erteilung erfüllt.
Vgl. dazu EUGH, Urteil vom 29.04.2004, C-476/01
(Kapper), zitiert nach Juris, sowie Beschlüsse vom
06.04.2006, C-227/05 (Halbritter), NJW 2006, 2173 und
vom 28.09.2006, C-340/05 (Kremer), DAR 2007, 77
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs in seinen Urteilen vom 26.06.2008
in den verbundenen Rechtssachen C-329/06 und C-
343/06 (Wiedemann/Funk), NJW 2008, 2403 sowie C-
334/06 und 336/06.
Danach ist nunmehr geklärt, dass die Art. 1 Abs. 2 und 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG
es einem Mietgliedsstaat nicht verwehren, die Anerkennung eines von einem anderen
Mitgliedstaat ausgestellten neuen Führerscheins zu versagen, wenn gegen die betreffende
Person zuvor in seinem Hoheitsgebiet eine Maßnahme des Entzugs der Fahrerlaubnis in
Verbindung mit einer Sperrfrist für die neue Erteilung der Fahrerlaubnis angewendet
worden ist und diese Sperrfrist bei Erteilung der neuen Fahrerlaubnis noch nicht abgelaufen
war. Des Weiteren ist ein Mitgliedstaat aufgrund der genannten Richtlinien nicht gehindert,
die Fahrberechtigung für sein Hoheitsgebiet abzuerkennen, wenn auf der Grundlage von
Angaben im Führerschein oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden
unbestreitbaren Informationen feststeht, dass der Inhaber des Führerscheins zum
Zeitpunkt der Ausstellung seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Hoheitsgebiet des
Ausstellermitgliedstaates hatte. Dies bedeutet gleichzeitig, dass andere Informationen,
insbesondere Mitteilungen deutscher Behörden (z.B. der Meldebehörden) nicht verwendet
werden dürfen, um die Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses bei der Ausstellung des
ausländischen Führerscheins zu überprüfen. Schließlich können die Mitgliedsstaaten ihre
Befugnisse nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG zu Einschränkung, Aussetzung
oder zum Entzug der Fahrerlaubnis im Hinblick auf ein Verhalten des Betroffenen nach
Erwerb der von einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellten Fahrerlaubnis ausüben.
Vgl. dazu Urteil des EUGH vom 26.06.2008 in den
verbundenen Rechtssachen C-329/06 und C-343/06
Alle diese als rechtlich geklärt geltenden Voraussetzungen zur Befugnis der deutschen
Verkehrsbehörden, das Recht zum Gebrauchmachen von einer EU-Fahrerlaubnis im Inland
ausnahmsweise aberkennen zu dürfen, sind im Falle des Antragstellers nicht erfüllt. Die
tschechische Fahrerlaubnis ist ihm am 08.08.2007, also nach Ablauf der Sperrfrist erteilt
worden. Ferner geht aus dem Führerschein als (angeblicher) Wohnort des Antragstellers
der Ort Kynsperk Nad Ohri im Bezirk Sokolov hervor. Gegenteilige Erkenntnisse des
Einwohnermeldeamtes der Gemeinde A-Stadt und der ARGE Saarpfalz, Geschäftsstelle
Blieskastel, sind hingegen nach den obigen Darlegungen nicht verwertbar.
Angesichts dessen kommt es für die Beurteilung der Frage, ob die angefochtene Verfügung
gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, maßgeblich darauf an, ob dem Antragsteller deshalb
das Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland untersagt werden
durfte, weil er aufgrund rechtsmissbräuchlicher Umgehung der inländischen Vorschriften
eine tschechische Fahrerlaubnis erworben hat, die er in der Bundesrepublik Deutschland
ohne vorherige Klärung vorhandener Eignungszweifel nicht hätte erlangen können.
Die Kammer bejaht diese Frage – auch in Ansehung des vom Antragsteller
angesprochenen Urteils des OVG Rheinland Pfalz vom 31.10.2008, 10 A 851.08.OVG, -
jedenfalls im Rahmen der summarischen Prüfung im Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes, weil eine deutsche Straßenverkehrsbehörde den Gebrauch einer EU-
Fahrerlaubnis im Inland unterbinden können muss, wenn deren Erwerb unter Umgehung
der einschlägigen europarechtlichen Vorschriften und daher bei nicht ausgeräumten
Bedenken an der Fahreignung bewirkt worden ist. Mit anderen Worten betrifft die
europarechtliche Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung von EU-Fahrerlaubnissen
ausschließlich die Fälle, in denen die ausländische Fahrerlaubnis nach entsprechender
Wohnsitznahme in dem EU-Ausland wiedererteilt worden und gegebenenfalls dem Erwerb
dieser Fahrerlaubnis ein auf den Ausschluss von Eignungszweifeln abzielendes Verfahren im
Sinne von Art. 8 RiL 91/439/EWG vorausgegangen ist. Dabei bleibt es indes dem die
ausländische Fahrerlaubnis ausstellenden EU-Land überlassen, wie es diese Prüfung
ausgestaltet. Die inländische Fahrerlaubnisbehörde ist also nicht berechtigt, den
erfolgreichen Abschluss des entsprechenden Prüfverfahrens im EU-Ausland in Zweifel zu
ziehen. Bestehen indes im Inland durchgreifende, nicht ausgeräumte Zweifel an der
Fahreignung und hat der Inhaber der ausländischen Fahrerlaubnis zum Zeitpunkt deren
Erwerbs rechtsmissbräuchlich gehandelt, ist die deutsche Fahrerlaubnisbehörde
europarechtlich nicht daran gehindert, dem in ihrem Zuständigkeitsbereich wohnenden
Fahrerlaubnisinhaber die ausländische Fahrerlaubnis für die Nutzung in der Bundesrepublik
Deutschland abzuerkennen, um damit den unter der Bezeichnung „Führerscheintourismus“
virulenten Missbrauch durch Umgehung der inländischen wie auch der im jeweiligen
Mitgliedstaaten zu erfüllenden Anforderungen an die Wiedererteilung einer im Hinblick auf
Eignungszweifel einmal entzogenen Fahrerlaubnis entgegen zu wirken.
So die ständige Rechtsprechung der Kammer gemäß ihren
Beschlüssen vom 09.05.2008, 10 L 270/08, vom
17.06.2008, 10 L 235/08, sowie vom 23.06.2008, 10 L
370/08, vom 02.10.2008, 10 L 744/08 und 05.11.2008,
10 L 1116/08
Vorliegend spricht - wie bereits ausgeführt - alles dafür, dass der Antragsteller die
tschechische Fahrerlaubnis deshalb erworben hat, weil er sich nicht der gebotenen
Überprüfung seiner Fahreignung, vor allem einer medizinisch-psychologischen
Untersuchung, stellen wollte. Insbesondere ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich,
dass er gegenüber den tschechischen Behörden seine strafgerichtliche Verurteilung
offenbart hätte und deshalb dort seine Fahreignung einer Untersuchung unterzogen
worden wäre. Es ist deshalb davon auszugehen, dass er sowohl die in der Bundesrepublik
Deutschland geltenden Vorschriften als auch die europarechtlichen Vorgaben für die
Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis rechtsmissbräuchlich umgangen hat.
Der Antragsteller kann sich im Ergebnis auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der
Europäische Gerichtshof in den erwähnten Urteilen vom 26.06.2008 hinter den
Vorschlägen des Generalanwalts in dessen Schlussanträgen zurückgeblieben ist.
Vgl. dazu Blutalkohol 2008, 127 f.
Dieser hatte die Auffassung vertreten, dass die Art. 1 Abs. 2 und 8 Abs. 2 sowie 4 der
Richtlinie 91/439/EWG es einem Mitgliedsstaat nicht verwehren, die Anerkennung der
Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellten Führerscheins zu
verweigern, wenn dem Führerscheininhaber im erstgenannten Mitgliedstaat die
Fahrerlaubnis mit der Begründung entzogen wurde, dass er unter Alkohol- oder
Drogeneinfluss ein Kraftfahrzeug geführt hat, die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis in
Anbetracht der von ihm ausgehenden Gefahr vom Bestehen eines medizinisch-
psychologischen Tests abhängig gemacht wurde und im Mitgliedstaat kein vergleichbarer
Test vorgenommen wurde. Insoweit teilt die Kammer die Auffassung des OVG des
Saarlandes,
vgl. dessen Beschluss vom 11.09.2008, 1 B 286/08,
wonach sich aus dem Umstand, dass der Europäische Gerichtshof in seiner jüngsten
Entscheidung die Argumentation des Generalanwalts nicht aufgegriffen hat und auf die
Problematik des Missbrauchs der Niederlassungsfreiheit zur Umgehung nationaler
Vorschriften nicht weiter eingegangen ist, nicht mit der erforderlichen Gewissheit schließen
lässt, der Europäische Gerichtshof halte die vorbehaltlose Anerkennung einer ausländischen
Fahrerlaubnis auch dann für zwingend, wenn deren Erwerb nicht im Zusammenhang mit
der Ausübung der europäischen Grundfreiheiten, sondern lediglich deshalb erfolgt ist, um
die nationalen Bestimmungen für die Wiedererteilung einer zuvor entzogenen Fahrerlaubnis
zu umgehen und der Antragsteller, wovon hier mangels entgegenstehender Erkenntnisse
auszugehen ist, den tschechischen Fahrerlaubnisbehörden diejenigen Umstände, die einer
Wiedererteilung der Fahrerlaubnis im Bundesgebiet entgegenstehen, verschwiegen hat.
Sieht man indes vor diesem Hintergrund die europarechtliche Problematik als nicht restlos
geklärt bzw. offen an,
so das OVG des Saarlandes in seinem Beschluss vom
11.09.2008, 1 B 286/08,
kann die vorliegend angefochtene Entscheidung des Antragsgegners weder als
offensichtlich rechtmäßig noch als offensichtlich rechtswidrig angesehen werden. Die dann
vorzunehmende, von den Erfolgsaussichten der Hauptsache unabhängige
Interessenabwägung
a.a.O.
fällt indes zugunsten des überragenden öffentlichen Interesses an der Sicherheit des
Straßenverkehrs und dem Schutz höchster Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit und
Vermögen anderer Verkehrsteilnehmer aus, die bei der Teilnahme einer zum Führen von
Kraftfahrzeugen ungeeigneten Person am öffentlichen Straßenverkehr bedroht sind. Das
Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs gebietet es, hohe Anforderungen an die
Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu stellen. Bestehen berechtigte Zweifel daran,
dass diese Eignung nicht oder nicht wieder besteht, verdient das öffentliche Interesse, den
Fahrerlaubnisinhaber am Gebrauch seiner Fahrerlaubnis zu hindern, den Vorrang. Nach
dem Ergebnis der summarischen Prüfung sind vorliegend die begründeten Zweifel an der
Kraftfahreignung des Antragstellers nicht beseitigt und kann daher eine von ihm
ausgehende Gefahr für die Verkehrssicherheit nicht mit hinreichender Sicherheit
ausgeschlossen werden. Da des Weiteren gewichtige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass
der Antragsteller seine tschechische Fahrerlaubnis durch missbräuchliche Umgehung
nationaler sowie europarechtlicher Vorschriften erworben hat, erscheint es gerechtfertigt,
dem aufgezeigten überragenden öffentlichen Interesse den Vorrang einzuräumen. Eine
andere Beurteilung der Interessenabwägung ist auch nicht deshalb geboten, weil der
Antragsgegner nach dem bereits im Februar 2008 durchgeführten Anhörungsverfahren zu
dem Ergebnis gekommen war, dass er das Verfahren auf Aberkennung des
Gebrauchsrechts der ausländischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland einstellt und die Angelegenheit als erledigt ansieht. Diese Verfahrensweise
verpflichtet den Antragsgegner nicht, auf der Grundlage neuer tatsächlicher Erkenntnisse
oder anderer rechtlicher Bewertungen nunmehr von einer Aberkennung des
Gebrauchsrechts Abstand zu nehmen.
Sonstige rechtliche Bedenken gegen die Entscheidung des Antragsgegners bestehen nicht.
Insbesondere beruht die Verpflichtung zur Vorlage der Fahrerlaubnis zwecks Eintragung des
Aberkennungsvermerks auf § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG.
Der somit erfolglose Antrag ist mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO
zurückzuweisen.
Der Streitwert wird in Anlehnung an die Rechtsprechung der Kammer in Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes auf die Hälfte des Hauptsachewertes und damit auf 2.500.-
Euro festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 46.1 und 46.3 des
Streitwertkataloges 2004 in der Fassung von 07./08.07.2004).