Urteil des VG Saarlouis vom 20.05.2010

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VG Saarlouis Urteil vom 20.5.2010, 3 K 2105/09
Keine Beihilfe für eine Aqua-Therapie-Hose bei Inkontinenz
Leitsätze
1. Die Aufwendungen für die Beschaffung einer ärztlich verordneten Aqua-Therapie-Hose
bei Inkontinenz sind in der Regel nicht beihilfefähig.
2. Zum möglichen Vorliegen eines Ausnahmefalles.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar; die Klägerin darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist als ehemalige Beamtin in Diensten des der Beihilfe-Umlage-Gemeinschaft
der Beigeladenen angehörenden Landkreises S. für sich und ihren am 25.03.1992
geborenen behinderten Sohn C. – für diesen mit einem Bemessungssatz von 80 vom
Hundert – beihilfeberechtigt.
Mit Datum vom 28.06.2009 bat die Klägerin unter Verwendung des üblichen Formblatts
für Beihilfeanträge bei der Beigeladenen um Kostenzusage für den Kauf einer nach Maß
anzufertigenden Aqua-Therapie-Hose, deren Kosten sie auf 290,62 Euro bezifferte. Zur
Begründung gab sie an, ihr Sohn, der wegen seiner Behinderung (Autismus und Blindheit)
die L.-B.-Schule – Staatliche Schule für Blinde und Sehbehinderte – in L. besucht, benötige
die Hose aufgrund seiner Inkontinenz, um am Schwimmunterricht teilnehmen zu können.
Die Hose wurde von dem Kinderarzt Dr. B. wegen Inkontinenz und spastischer Tetraplegie
am 03.06.2009 verordnet.
Mit formlosem Antwortschreiben vom 14.07.2009 teilte die Beigeladene der Klägerin mit,
gemäß Nr. 5 der Anlage 4 zu § 5 Abs. 1 Nr. 9 BhVO gehörten Gegenstände, deren
Anschaffungskosten den Aufwendungen der allgemeinen Lebenshaltung als
Gebrauchsgüter des täglichen Lebens unterlägen, nicht zu den beihilfefähigen Hilfsmitteln.
Die Aqua-Theapie-Hose werde in der genannten Vorschrift ausdrücklich als ein derartiger
Gegenstand von der Beihilfegewährung ausgenommen.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
Mit Datum vom 17.07.2009 beantragte die Klägerin bei der Beigeladenen die Gewährung
von Beihilfe zu den Aufwendungen für die Beschaffung einer Aqua-Theapie-Hose. Ihrem
Antrag fügte die Klägerin einen entsprechenden Rechnungsbeleg vom 14.07.2009 über
einen Betrag von 290,62 Euro bei.
Mit Beihilfebescheid vom 23.07.2009 lehnte die Beigeladene die beantragte
Beihilfegewährung aus den im Schreiben vom 14.07.2009 dargelegten Gründen ab.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin ebenfalls Widerspruch.
Zur Begründung trug die Klägerin vor, ihr Sohn benötige die Aqua-Therapie-Hose, weil er
wegen seiner vollständigen Inkontinenz sonst am Schwimmen in seiner Schule und in dem
dazu gehörenden Internat nicht teilnehmen dürfe. Ohne die Hose würde er vom Schulsport
ausgeschlossen und an der Integration im Internat gehindert. Ihrem Widerspruch fügte die
Klägerin das Jahreszeugnis der L.-B.-Schule für das Schuljahr 2006/2007 bei, in dem unter
anderem ausgeführt ist, das Element Wasser sei für C. ein wichtiger Bestandteil, und die
Unterrichtseinheit „das Element Wasser kennen lernen“, sei für ihn der wöchentliche
Höhepunkt im Schulalltag.
Mit Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18.11.2009 wurde der Widerspruch der
Klägerin im Wesentlichen aus den Gründen des angefochtenen Bescheides vom
14.07.2009 zurückgewiesen. Ergänzend ist ausgeführt, für die Einordnung eines
Gegenstandes als Hilfsmittel im Beihilferecht komme es allein auf die objektive Eigenart und
Beschaffenheit des betreffenden Gegenstandes an, nicht dagegen darauf, ob im Einzelfall
der Gegenstand auch ohne Erkrankung überhaupt bzw. zu den gleichen Kosten beschafft
worden wäre. Eine derartige Unterscheidung wäre in der Praxis kaum nachprüfbar
durchzuführen. Der allgemeinen Lebenshaltung dienten diejenigen Gegenstände, die
üblicherweise beschafft würden, um den Unbequemlichkeiten des Lebens zu begegnen,
und die aufgrund der objektiven Eigenart und Beschaffenheit des Gegenstandes keinen
unmittelbaren Bezug zu dem festgestellten Krankheitsbild hätten. Nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne der Dienstherr Aufwendungen in
Krankheitsfällen, derentwegen der Beamte einer ergänzenden Hilfeleistung durch Beihilfe
bedürfe, von den Kosten abgrenzen, die auch sonst bei einer der Gesundheit förderlichen
Lebensweise im Rahmen des Üblichen anfallen könnten. Solche Kosten, die – wie im
vorliegenden Fall die Aqua-Therapie-Hose – der allgemeinen Lebensführung zuzuordnen
seien, könne der Dienstherr ohne Verletzung seiner Fürsorgepflicht von der Beihilfe
ausnehmen und den Beamten darauf verweisen, hierfür mit seinen Bezügen
aufzukommen.
Mit am 14.12.2009 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin zunächst als
gesetzliche Vertreterin im Namen ihres Sohnes C. Klage erhoben. Mit am 17.12.2009 bei
Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin auf entsprechenden Hinweis des
Gerichts erklärt, dass sie die Klage nunmehr im eigenen Namen fortführe.
Die Klägerin hält an ihrem Beihilfebegehren fest. Ihr Widerspruchsvorbringen ergänzend
trägt sie zur weiteren Begründung vor, nach Nr. 2.1 der Anlage 4 zu § 5 Abs. 1 Nr. 9 BhVO
seien auch Gummihosen bei Blasen- und/oder Darminkontinenz als beihilfefähige Hilfsmittel
anerkannt. Nach Sinn und Zweck der Norm müsse dies auch für die Aqua-Therapie-Hose
gelten, wenn diese – wie hier – wegen Inkontinenz ärztlich verordnet worden sei, um dem
Patienten die Teilnahme am Schwimmunterricht zu ermöglichen. Eine herkömmliche
Gummihose sei bereits mehrfach ohne Erfolg ausprobiert worden. Ihr Sohn, der infolge
seiner Behinderung nicht einsehen könne, dass er die Hose einschließlich der darin
befindlichen Windel im Wasser anbehalten müsse, habe die Gummihose mehrfach im
Wasser ausgezogen, so dass diese ihren Zweck nicht habe erfüllen können. Die Aqua-
Therapie-Hose sei demgegenüber aus Neopren, einem extrem festen Material, und zudem
mit einem Gürtel ausgestattet, der ein Abstreifen durch ihren Sohn verhindere. Das
Schwimmen werde bei ihrem Sohn als Therapie gegen seine Verhaltensauffälligkeiten
eingesetzt. Im Laufe der Jahre habe sich gezeigt, dass er nach dem Schwimmen
wesentlich ausgeglichener, zufriedener und weniger autoaggressiv sei. Aus diesem Grunde
gehe er nicht nur während des Schulunterrichts (ein Mal wöchentlich), sondern auch in der
Freizeit im Internat der L.-B.-Schule (ein bis zwei Mal wöchentlich) sowie mit ihr, der
Klägerin, so oft wie möglich (fast jedes Wochenende) zum Schwimmen. Das Schwimmen
als Schulsport stehe also nicht im Vordergrund. An der Unterrichtseinheit „das Element
Wasser“, die nicht von allen behinderten Schülern in Anspruch genommen werde, nehme
ihr Sohn überwiegend aus therapeutischen Gründen teil. Die Klägerin hat des Weiteren ein
fachärztliches Attest des Dr. B. „zur Vorlage bei der Krankenkasse“ vom 05.02.2010
vorgelegt, das wie folgt lautet:
Die Klägerin beantragt schriftlich,
die Beklagte „unter Aufhebung des Bescheides vom 14.07.2009“
und des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2009 zu verpflichten,
Beihilfe zu den Aufwendungen „für eine Aqua-Therapie-Hose in Höhe
von 290,62 EUR zu bewilligen“.
Die Beklagte beantragt schriftlich,
die Klage abzuweisen.
Zum Verfahren stellt sie klar, dass ein förmlicher Beihilfebescheid erst mit Datum vom
23.07.2009 auf den Beihilfeantrag der Klägerin vom 17.07.2009 ergangen sei. In der
Sache hält die Beklagte an ihrer Auffassung aus den Gründen des angefochtenen
Widerspruchsbescheides fest.
Die Beigeladene, die keinen eigenen Antrag stellt, schließt sich der im angefochtenen
Widerspruchsbescheid vertretenen Auffassung der Beklagten an. Ergänzend nimmt sie
Bezug auf eine von ihr eingeholte Stellungnahme des Ministeriums für Inneres und
Europaangelegenheiten (Referat für Beihilfe und Reisekostenrecht) vom 06.01.2010 zu der
Frage der beihilferechtlichen Differenzierung zwischen dem Hilfsmittel „Gummihose bei
Blasen- oder/und Darminkontinenz“. Die per E-Mail abgegebene Stellungnahme wird von
der Beigeladenen wie folgt zitiert:
… … …
Ausgehend von dieser Stellungnahme weist die Beigeladene darauf hin, dass die Klägerin
selbst als Zweck der Nutzung der Aqua-Therapie-Hose die Ermöglichung der Teilnahme am
Schulsport genannt habe. Diese Zweckbestimmung stehe der Beihilfefähigkeit der
Aufwendungen nach den zitierten Ausführungen entgegen. Da es vorliegend nicht um die
Ermöglichung einer Heilbehandlung gehe, lägen auch keine Einzelfallumstände vor, die
ausnahmsweise eine abweichende Entscheidung ermöglichten.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung
verzichtet.
Mit Beschluss vom 28.04.2010 hat die Kammer den Rechtsstreit nach Anhörung der
Beteiligten dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den zur Entscheidungsfindung
herangezogenen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen
des Beklagten (1 Hefter) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Über die Klage konnte im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne
mündliche Verhandlung entschieden werden.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch den Einzelrichter.
Die Klage, die sich in der Sache abweichend von der für das Gericht nach § 88 VwGO nicht
verbindlichen Formulierung des schriftlichen Klageantrags gegen den als Verwaltungsakt im
Sinne des § 35 SVwVfG anzusehenden ablehnenden Beihilfebescheid vom 23.07.2009 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2009 richtet, ist als Verpflichtungsklage
nach § 42 Abs. 1 Alternative 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die in Höhe von
290,62 Euro begehrte Beihilfe zu den Aufwendungen für den Kauf einer Aqua-Therapie-
Hose, so dass für die beantragte Verpflichtung der Beklagten nach § 113 Abs. 5 VwGO
mangels einer Verletzung der Rechte der Klägerin kein Raum ist.
Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung eines in Anwendung der Beihilfevorschriften
erlassenen Verwaltungsakts erstreckt sich allein darauf, ob dieser mit den Vorschriften
selbst in Einklang steht und ob sich die Beihilfevorschriften in ihrer Anwendung auf den
konkreten Einzelfall in den Grenzen des dem Dienstherrn eingeräumten
Konkretisierungsermessens halten, insbesondere ob eine Beschränkung der
Beihilfefähigkeit von Aufwendungen mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und dem
Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist
(vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20.08.1969 – VI C 130.67 –,
BVerwGE 32, 352).
Die angefochtenen Bescheide stehen mit den Beihilfevorschriften in Einklang.
Insoweit ist zunächst zu bemerken, dass selbst dann, wenn die Aufwendungen für eine
Aqua-Therapie-Hose im vorliegenden Fall beihilfefähig wären, entsprechend dem für den
Sohn der Klägerin anzuwendenden Beihilfebemessungssatz von 80 vom Hundert lediglich
eine Beihilfe in Höhe von 232,49 Euro (80 % von 290,62 Euro) zu gewähren wäre, nicht
aber die beantragte Beihilfe in der vollen Höhe des Kaufpreises.
Unabhängig hiervon scheidet eine Beihilfegewährung hier aber aus den von der Beklagten
und der Beigeladenen (unter Hinweis auf die Stellungnahme des Ministeriums für Inneres
und Europaangelegenheiten – Referat für Beihilfe und Reisekostenrecht – vom 06.01.2010)
dargelegten zutreffenden Gründen gänzlich aus, weil die geltend gemachten
Aufwendungen für eine Aqua-Therapie-Hose im vorliegenden Fall nicht beihilfefähig sind.
Abzustellen ist insoweit beihilferechtlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des
Entstehens der Aufwendungen, für die eine Beihilfe begehrt wird
(vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 – 2 C 35.04 –, ZBR 2006,
195; stdg. Rspr. der Kammer, s. z.B. Urteil der Kammer vom
10.06.2008 – 3 K 31/08),
im vorliegenden Fall also auf § 67 SBG (F. vom 11. März 2009) i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 9,
Abs. 2 Satz 1 Buchstabe b, Satz 2 BhVO (F. 2009). Nach § 67 Abs. 4 SBG regelt das
Ministerium für Inneres und Sport (jetzt: Inneres und Europaangelegenheiten) im
Einvernehmen mit dem Ministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung die näheren
Einzelheiten der Beihilfegewährung, insbesondere der Höchstbeträge, des völligen oder
teilweisen Ausschlusses von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln in Anlehnung an das Fünfte Buch
Sozialgesetzbuch – SGB V – und der Berücksichtigung von Kindern. Auf dieser
Ermächtigungsgrundlage bejaht § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 BhVO die Beihilfefähigkeit der aus
Anlass einer Krankheit notwendigen und angemessenen (§ 4 Abs. 1 BhVO) Aufwendungen
unter anderem für die Anschaffung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel,
Apparate und Geräte zur Selbstbehandlung oder zur Selbstkontrolle, Körperersatzstücke
sowie die Unterweisung im Gebrauch dieser Gegenstände. Nicht zu den Hilfsmitteln
gehören gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 BhVO Gegenstände, deren Anschaffungskosten
Aufwendungen der allgemeinen Lebenshaltung sind. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Buchstabe b
BhVO bestimmen sich Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit von
Aufwendungen für Hilfsmittel nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 BhVO nach der Anlage 4 zu dieser
Vorschrift. Nach Nr. 2.1 der Anlage 4 gehören zu den beihilfefähigen Hilfsmitteln die
„Gummihose bei Blasen- oder/und Darminkontinenz“, während die hier
streitgegenständliche „Aqua-Therapie-Hose“ unter Nr. 5 der Anlage 4 als Gegenstand,
dessen „Anschaffungskosten den Aufwendungen der allgemeinen Lebenshaltung als
Gebrauchsgüter des täglichen Lebens unterliegen“, explizit als nicht zu den Hilfsmitteln
zählend von einer Beihilfegewährung ausgeschlossen wird (s. hierzu auch Nr. 1 der AV zu §
5 Abs. 1 Nr. 9 BhVO).
Hiervon ausgehend schließen die beihilferechtlichen Vorschriften die Beihilfefähigkeit der
streitgegenständlichen Aufwendungen für die Anschaffung einer Aqua-Therapie-Hose
ausdrücklich aus, so dass die ergangenen Bescheide diesen Vorschriften zweifellos
entsprechen.
Die Anwendung der zitierten Beihilfevorschriften auf den konkreten Einzelfall hält sich auch
in den Grenzen des dem Dienstherrn eingeräumten Konkretisierungsermessens und ist
insbesondere mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und dem
Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
Insoweit ist mit der Beigeladenen allerdings davon auszugehen, dass die Aufwendungen zur
Anschaffung einer Aqua-Therapie-Hose – entgegen den zitierten beihilferechtlichen
Vorschriften – aus Gründen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ausnahmsweise dann als
beihilfefähig zu berücksichtigen sein dürften, wenn die Teilnahme an einer Heilbehandlung
im Wasser ärztlich verordnet ist und für den Patienten diese Heilbehandlung ohne die
gleichfalls verordnete Aqua-Therapie-Hose aus Krankheitsgründen nicht möglich ist. Ein
solcher Ausnahmefall ist hier indes nicht gegeben.
Zutreffend weisen Beklagte und Beigeladene nämlich darauf hin, dass die ärztlich
verordnete Aqua-Therapie-Hose nicht (unerlässlich) der Durchführung einer ärztlich
verordneten Heilbehandlung dient, der Sohn der Klägerin sie vielmehr benötigt, um am
Leben in der Gemeinschaft, insbesondere am Schwimmunterricht und dem Schwimmen in
der Freizeit, teilzunehmen. Die Klägerin selbst hat in ihrem Antrag auf Kostenzusage vom
28.06.2009 angegeben, Ihr Sohn benötige die Aqua-Therapie-Hose aufgrund seiner
Inkontinenz, um am Schwimmunterricht teilnehmen zu können. Ihren diesbezüglichen
Vortrag ergänzte die Klägerin im Widerspruchsverfahren dahin, dass ihr Sohn ohne die
Möglichkeit einer Teilnahme am Schwimmen an der Integration im Internat seiner Schule
gehindert werde. Der erst im Klageverfahren vorgetragene – für das erkennende Gericht
durchaus nachvollziehbare – Gesichtspunkt, das Schwimmen bedeute für den Sohn der
Klägerin eine „Therapie“, vermag ebenfalls nichts daran zu ändern, dass es sich bei dem –
von ärztlicher Seite befürworteten und der Aufrechterhaltung einer adäquaten
Lebensqualität und der Teilhabe in Gesellschaft und Familie sowie einer Vermeidung von
weiteren Beeinträchtigungen sicherlich förderlichen – Schwimmen eben nicht um eine
ärztlich verordnete Heilbehandlung im beihilferechtlichen Sinne (siehe § 5 Abs. 1 Nr. 8
BhVO und die dort geregelten Voraussetzungen einer Beihilfegewährung) handelt. Im
Vordergrund steht demnach nicht der unmittelbare Ausgleich von Krankheitsfolgen,
sondern vielmehr die Teilhabe eines Behinderten am Leben in der Gemeinschaft, also ein
Ziel, dessen Verwirklichung ausdrücklich Anliegen eines anderen Regelungswerks als des
Beihilferechts, nämlich der §§ 1 ff. SGB IX ist.
Insoweit kann im Übrigen auf die ausführlichen und aus der Sicht des erkennenden Gerichts
überzeugenden Darlegungen in der von der Beigeladenen wiedergegebenen Stellungnahme
des Ministeriums für Inneres und Europaangelegenheiten (Referat für Beihilfe und
Reisekostenrecht) vom 06.01.2010, welche sich das erkennende Gericht insoweit zu Eigen
macht, Bezug genommen werden.
Die Klage war danach abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11,
711 ZPO.
Für eine Zulassung der Berufung besteht kein Anlass (vgl. § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §
124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO).
Beschluss
290,62 Euro