Urteil des VG Saarlouis vom 22.02.2011

VG Saarlouis: wichtiger grund, psychische störung, reaktive depression, treu und glauben, rücktritt, unverzüglich, leistungsfähigkeit, wochenende, schriftliche prüfung, chancengleichheit

VG Saarlouis Urteil vom 22.2.2011, 1 K 1927/09
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines
Betrages in Höhe der aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld
abwenden, falls der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe
leistet.
Der Streitwert wird auf 7.500 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger erstrebt bezüglich der Prüfung zum Ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung im
Frühjahr 2009 die Anerkennung seiner Säumnis des mündlich-praktischen Teils
(20.03.2009) aus wichtigem Grund.
Mit Schreiben vom 23.03.2009, einem Montag, dem ein amtsärztliches Attest vom
20.03.2009 beigefügt war, eingegangen beim Beklagten am 25.03.2009, beantragte der
Kläger seinen Rücktritt vom mündlich-praktischen Teil des Ersten Abschnitts der ärztlichen
Prüfung im Frühjahr 2009 (20.03.2009), der ersten Wiederholungsprüfung, zu
genehmigen. Zur Begründung ist ausgeführt, aus gesundheitlichen Gründen sei er nicht in
der Verfassung gewesen, sich adäquat auf die Prüfung abschließend vorzubereiten und an
der Prüfung teilzunehmen. Wie bereits zu seinem Rücktritt vom schriftlichen Teil am
10./11.03.2009 dargelegt, habe wahrscheinlich eine Magen-Darm-Grippe bestanden. Die
Beschwerden hätten bis zum vergangenen Samstag angedauert. In dem amtsärztlichen
Attest vom 20.03.2009 heißt es: „Herr K stellte sich am 20.03.2009 erneut auf Ihre
Veranlassung in unserer amtsärztlichen Sprechstunde vor. Seit dem Wochenende besteht
die Symptomatik einer akuten Gastroenteritis weiter. Herr K ist deshalb aktuell nicht
prüfungsfähig. Ein Attest des behandelnden Hausarztes vom 20.03.2009 wurde vorgelegt.
Die Beschwerden wurden glaubhaft geschildert. Es besteht kein Anlass von Seiten des
Gesundheitsamtes, das vorgelegte Attest anzuzweifeln. Mit Wiederherstellung der
Prüfungsfähigkeit ist ab der nächsten Kalenderwoche zu rechnen.“
Mit dem streitigen Bescheid vom 20.05.2009 wurde die Genehmigung des Rücktritts
versagt. Zur Begründung ist ausgeführt, der Rücktritt von der Prüfung sei nicht
unverzüglich erklärt worden. Die den Kläger in diesem Zusammenhang treffende
Obliegenheit setze bei der bescheinigten krankheitsbedingten Beeinträchtigung der
Prüfungsfähigkeit in dem Moment ein, wo er sich der Beeinträchtigung seiner
Leistungsfähigkeit bewusst gewesen sei. Dem amtsärztlichen Attest sei zu entnehmen,
dass die Symptomatik einer akuten Gastroenteritis seit dem Wochenende (Samstag
14./Sonntag 15.02.2009) bestanden habe. Den Amtsarzt habe er jedoch erst am
Prüfungstag aufgesucht. Somit habe er spätestens am Prüfungstag Kenntnis von der
Beeinträchtigung gehabt. Dennoch habe er eine Mitteilung an den Beklagten unterlassen.
Da es danach an der unverzüglichen Mitteilung des wichtigen Grundes fehle, komme es auf
die Frage, ob die krankheitsbedingte Prüfungsunfähigkeit glaubhaft gemacht worden sei,
nicht mehr an.
Gegen diesen am 22.05.2009 zur Post gegebenen Bescheid erhob der Kläger am
22.06.2009 Widerspruch, den er damit begründete, nach seiner Prüfungsunfähigkeit
wegen Gastroenteritis beim schriftlichen Teil der Prüfung am 10./11.03.2009 sei er noch
am 19.03.2009 davon ausgegangen, dass er zumindest an der mündlichen Prüfung am
20.03.2009 teilnehmen könne. Jedoch seien die Symptome seiner Krankheit am Freitag,
dem 20.03.2009, also am Prüfungstag, immer noch so stark vorhanden gewesen, dass er
prüfungsunfähig gewesen sei. Noch am Donnerstag sei er davon ausgegangen, dass er die
Prüfung am folgenden Tag antreten könne. Die Beschwerden hätten zwar auch einen Tag
vor der Prüfung vorgelegen, jedoch habe er gehofft und sei davon ausgegangen, dass die
Symptome bis zum nächsten Tag abklingen würden, da er zu diesem Zeitpunkt bereits seit
längerem an dieser Krankheit gelitten habe. Am Morgen des 20.03.2009 habe er sich zu
seinem Hausarzt und später zum Amtsarzt begeben. Als die Untersuchungen
abgeschlossen gewesen seien, sei es schon Freitagmittag, -nachmittag gewesen. Da er
nur über die Nummer des Büros des Beklagten in B-Stadt verfügt habe, dieses Büro aber
nicht besetzt gewesen sei, und er um diese Zeit nicht gewusst habe, an wen er sich noch
wenden könne, und danach das Wochenende gefolgt sei, habe er mit seinem Schreiben
vom Montag, dem 23.03.2009, die Gründe des Fehlens mit dem amtsärztlichen Attest
mitgeteilt.
Durch Widerspruchsbescheid des zuständigen Ministeriums vom 02.10.2009 wurde der
Widerspruch zurückgewiesen. Darin heißt es, es mangele an der notwendigen
unverzüglichen Mitteilung der Gründe der Säumnis an den Beklagten. Aus dem
amtsärztlichen Attest vom 20.03.2009 ergebe sich, dass bei dem Kläger bereits am
Wochenende vor der Prüfung (Samstag/Sonntag - 14./15.03.2009) Symptome einer
akuten Gastroenteritis bestanden hätten. Bei Zweifeln über seine Prüfungsfähigkeit habe
sich der Prüfling rechtzeitig mit dem Prüfungsamt in Verbindung zu setzen und
gegebenenfalls eine amtsärztliche Untersuchung durchzuführen. Dies wäre dem Kläger
ohne Weiteres vor der mündlich-praktischen Prüfung möglich gewesen. Erst am
20.03.2009, also am Tag der mündlich-praktischen Prüfung, habe sich der Kläger seine
Prüfungsunfähigkeit attestieren lassen. Die Obliegenheit des Prüflings, im
Prüfungsverfahren im Rahmen des Zumutbaren mitzuwirken, setze bei der geltend
gemachten krankheitsbedingten Beeinträchtigung in dem Moment ein, wo er sich der
Beeinträchtigung seiner Prüfungsfähigkeit bewusst gewesen sei. Dies sei bereits am
Wochenende vor dem Tag der mündlich-praktischen Prüfung gewesen. Hinsichtlich des
Einwandes, Prüfungsamt wäre zum Zeitpunkt der Prüfung telefonisch nicht erreichbar
gewesen, habe der Beklagte glaubhaft und für die Widerspruchsbehörde nachvollziehbar
dargelegt, dass das sein Büro auch am Freitagnachmittag, dem 20.03.2009, besetzt
gewesen sei und daher eine telefonische Kontaktaufnahme hätte erfolgen können. Neben
der Unverzüglichkeit der Mitteilung des wichtigen Grundes sei der klägerische Rücktritt von
der Prüfung auch deshalb ausgeschlossen, weil es an der Glaubhaftmachung einer
krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit mangele. Es sei davon auszugehen, dass die
Voraussetzungen eines Dauerleidens vorlägen.
Auf den am 13.10.2009 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am
10.11.2009 Klage.
Unter Vertiefung seines Vortrags aus dem Widerspruchsverfahren trägt er vor, er sei
bereits am Wochenende von der 10. zur 11. Kalenderwoche des Jahres 2009 (dem
entspricht Samstag 07.03. bzw. Sonntag 08.03.2009) an Gastroenteritis erkrankt
gewesen. Er habe deshalb nicht an dem schriftlichen Teil der Prüfung am 10./11.03.2009
teilnehmen können. Er habe auf die ärztlichen Prognosen vertraut, dass er vor dem
20.03.2009 wieder genesen werde. So sei er noch am Donnerstag, dem 19.03.2009,
davon ausgegangen, dass die Krankheit nunmehr endgültig abklinge und er die Prüfung am
Folgetag antreten könne. Am Morgen des 20.03.2009 habe er jedoch immer noch an
Durchfall und Übelkeit sowie etwas Fieber gelitten und die Prüfung nicht antreten können.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids vom 20.05.2009 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.10.2009 den
Beklagten zu verpflichten, die Säumnis des mündlich-
praktischen Teils des Ersten Abschnitts der Ärztlichen
Prüfung im Frühjahr 2009 zu genehmigen,
die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren für
notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, da die Beschwerden entgegen der amtärztlichen Prognose nicht abgeklungen
seien, sei es dem Kläger möglich gewesen, seine Prüfungsunfähigkeit vor Beginn der
Prüfung geltend zu machen. Die klägerische Schilderung des konkreten Krankheitsverlaufs
leide unter einem besonderen Glaubwürdigkeitsdefizit. Eine Gesamtbetrachtung der
„Krankengeschichte“ des Klägers rechtfertige die Feststellung, dass gewichtige Aspekte für
eine Dauererkrankung zum Prüfungszeitpunkt vorlägen. Selbst wenn zwischenzeitlich eine
Besserung eingetreten sein sollte, würde das Vorliegen eines in seiner Persönlichkeit
wurzelnden Dauerleidens zum Prüfungszeitpunkt dadurch nicht zwangsläufig widerlegt.
Der Kläger, der sein Studium im Wintersemester 2001/2002 aufgenommen hat, trat von
der ärztlichen Vorprüfung im Frühjahr 2005 nach Vorlage eines amtsärztlichen Attestes
wegen „fieberhaften Infekts“ zurück. Im Frühjahr 2006 nahm er an der ärztlichen
Vorprüfung nach der bis 30.09.2003 gültigen Ärztlichen Approbationsordnung ohne Erfolg
teil. Von den Prüfungen im Herbst 2007 erklärte er seinen Rücktritt wegen „akuter
gastrointestinaler Symptomatik, verbunden mit starken Kopfschmerzen“, so das
amtsärztliche Attest vom 22.08.2007 bzw. nach dem amtsärztliche Attest vom
14.09.2007: „Zusammenfassend lässt sich demnach folgendes feststellen: „Herr K gibt
an, seit dem 10.09.2007 erneut unter Durchfällen zu leiden, dabei auch Übelkeit und
Kopfschmerzen, kein Fieber. Heute auch Schwindelgefühl und Brechreiz.
Darmbeschwerden mit Durchfällen werden seit 2005 angegeben in einer Frequenz von ca.
1 x pro Monat. 2005 erfolgte eine Darmspiegelung. Vor zwei Jahren sei eine einmalige
Stuhluntersuchung erfolgt. Jetzt wurde vom behandelnden Arzt eine akute Gastroenteritis
diagnostiziert und medikamentös behandelt. Aus hiesiger Sicht ist Herr K heute und
voraussichtlich eine weitere Woche krankheitsbedingt nicht prüfungsfähig. Da diese
Symptomatik schon seit mehreren Jahren rezidivierend auftritt, wurde ihm dringend zur
Abklärung der Beschwerden geraten. Sollten organische Ursachen ausgeschlossen werden,
sind Maßnahmen zur Hilfe bei Stressbewältigung nötig.“
Zur Prüfung Frühjahr 2008 lautet das amtsärztliche Attest vom 12.03.2008 auf
Gastroenteritis. Für die Prüfungen im Herbst 2008 ist in dem amtsärztlichen Attest vom
21.08.2008 eine reaktive Depression in Folge familiärer Belastungssituation beschrieben
und das amtsärztlichen Attest vom 16.09.2008 bescheinigt, dass die reaktive Depression
nach wie vor bestehe, wobei die eingeleitete medikamentöse Therapie bisher nicht den
gewünschten Erfolg habe erzielen können. Mit Wiederherstellung der Prüfungsfähigkeit sei
in zwei bis drei Monaten zu rechnen.
Zu der klägerischen Säumnis des schriftlichen Teils des Ersten Abschnitts der ärztlichen
Prüfung im Frühjahr 2009 (10./11.03.2009) wegen Erkrankung an „Magen-Darm-Grippe“
ist der Verwaltungsrechtstreit 1 K 1908/09 anhängig.
Seine Säumnis des mündlich-praktischen Teils des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung
im Herbst 2009 (31.08.2009) wegen psycho-vegetativen Erschöpfungszustandes ist
Gegenstand des Verfahrens 1 K 352/10. In diesem Verfahren hat das Gericht durch
medizinisches Sachverständigengutachten Beweis darüber erhoben, ob eine
gesundheitliche Beeinträchtigung des Klägers zu einer „dauerhaften“ Prüfungsunfähigkeit
im Studium der Humanmedizin führt, insbesondere ob eine psychische Störung besteht, sie
„Krankheitswert“ erreicht, die an die spezifische Prüfungssituation gebunden ist, es sich
um eine aktuelle und zeitweise Beeinträchtigung des Leistungsvermögens handelt oder die
Leistungsminderung auf einer in seiner Person liegenden generellen Einschränkung der
Leistungsfähigkeit beruht, ob deren Behebung in absehbarer Zeit erwartet werden kann
oder allenfalls mittelfristig bzw. langfristig die Möglichkeit einer Reintegration in das
Studienleben besteht. Zum Sachverständigen wurde Dr. R., B-Stadt, bestellt. In seinem
sozial-medizinischen Gutachten, Schwerpunktmäßig aus neurologisch-psychiatrischer Sicht,
vom 27.11.2010 (Abschlussdatum) kommt der Gutachter zu dem Ergebnis, beim Kläger
werde nicht über körperliche Beschwerden geklagt noch könnten entsprechende
psychische Störungen oder geistige Behinderungen festgestellt werden, die die Feststellung
trügen, eine gesundheitliche Beeinträchtigung liege vor, die zu einer „dauerhaften“
Prüfungsunfähigkeit im Studium der Humanmedizin führten. Es bestehe keine psychische
Störung von Krankheitswert. Eine sogenannte Prüfungsangst liege lediglich im Bereich des
zu Vermutenden. Sie sei auf Nachfrage vom Kläger ausgeschlossen worden. Er habe
immer wieder betont, dass er auf Grund des Zerwürfnisses mit seinem Vater und den
familiären Schwierigkeiten nervlich angegriffen gewesen sei und deshalb sich nicht
prüfungsfähig gefühlt habe. Eine derartige nervliche Belastung habe sicherlich vorgelegen,
aber zu einer psychiatrischen Erkrankung habe dies jedoch nicht geführt. Auf Grund seiner
körperlichen, psychischen und geistigen Situation, wie sie zum Zeitpunkt der
Gutachtenerstellung festgestellt werde, sei der Kläger durchaus in der Lage, die ärztliche
Prüfung sofort anzutreten.
Zum Gutachten führt der Beklagte aus, dieses sei dadurch geprägt, dass der Gutachter im
Wesentlichen darauf beschränkt sei, den gesundheitlichen Zustand des Klägers zum
Zeitpunkt der Begutachtung zu beurteilen und retrospektive Betrachtungen dem „Bereich
des zu Vermutenden“ zuordnen müsse, also nur Vermutungen anstellen könne. Der
Gutachter deute jedoch die Magen-Darm-Beschwerden, Durchfälle und Erbrechen
retrospektiv als funktionelle Störung möglicherweise im Rahmen einer Prüfungsangst, die
jedoch negiert werde. Des Weiteren werde das Vorliegen einer Leistungsminderung bejaht,
die auf eine in der Person des Klägers liegenden generellen Einschränkung der
Leistungsfähigkeit beruhe. Auf Grund seiner Persönlichkeit mit fehlender Beharrlichkeit, mit
fehlender Zielstrebigkeit und mangelnden Durchsetzungsvermögen sei es wiederholt zu
dem geschilderten Verhalten gekommen, was persönlichkeitsgebunden sei. Diese
Ausführungen bestätigten die Einschätzung des Beklagten, dass keine Prüfungsunfähigkeit
im Rechtssinne vorliege und damit die ergangenen Entscheidungen rechtmäßig gewesen
seien. Die Schlussfolgerung des Gutachters, der Kläger sei durchaus in der Lage, den
Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung sofort anzutreten, beschränke sich in ihrem
Aussagewert auf die Feststellung, dass zum jetzigen Zeitpunkt keine Prüfungsunfähigkeit
gegeben sei. Auf Grund des beschriebenen situationsbezogenen klägerischen Verhaltens,
das nach Auffassung des Gutachters persönlichkeitsgebunden sei, bestehe jedoch die
konkrete Gefahr, dass es auch bei weiteren Prüfungsversuchen zu dem beschriebenen
Verhalten komme, zumal der Kläger seine Beschwerden auch dem Gutachter gegenüber
beharrlich mit familiären Problemen begründen wolle und jeden Situationsbezug zu den
Prüfungen, der augenscheinlich vorliege, verneine.
Der Kläger bewertet das Gutachten dahingehend, es stütze seinen Vortrag, dass es sich
bei seinen Erkrankungen um kurzfristige Krankheitsbilder gehandelt habe.
Dem Kläger wurde Prozesskostenhilfe bewilligt.
Der Verwaltungsrechtsstreit wurde zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die
Verfahrensakten 1 K 1908/09 und 1 K 352/10 und die beigezogenen
Verwaltungsunterlagen des Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen
Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg, da die Säumnis des mündlich-praktischen Teils am
20.03.2009 des Ersten Abschnitts der ärztlichen Prüfung im Frühjahr 2009 nicht aus
wichtigem Grund nach §§ 19, 18 ÄAppO anzuerkennen ist.
Zwar hat der Kläger unter Mitteilung der Gründe die Säumnis geltend und die Gründe
durch Vorlage einer amtsärztlichen Bescheinigung glaubhaft gemacht; diese rechtfertigten
auch als wichtiger Grund die Feststellung, dass der Prüfungsteil als nicht unternommen gilt.
Doch mangelt es an der notwendigen Unverzüglichkeit der Mitteilung der Säumnisgründe.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 23.03.2009 dem Beklagten die Gründe für seine
Säumnis konkret mitgeteilt, indem er das Bestehen einer akuten Gastroenteritis verwies.
Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerden kein Ausmaß erreicht hatten, die
ein vollständiges Absehen von der Prüfung nahegelegt hätten, bestehen nicht.
Damit hat der Kläger „konkrete erhebliche, gesundheitliche, leistungsmindernde
Beeinträchtigungen und Beschwerden im Sinne von Befundtatsachen angegeben“.
zu diesem Erfordernis vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom
07.05.1991 - 9 S 42/90 -, juris
Es ist nicht nachvollziehbar, welchen konkreten Vortrag der Beklagte vor Augen hat, den
der Kläger darüber hinaus zur näheren Konkretisierung des wichtigen Grundes,
so BVerwG, Beschluss vom 27.01.1994 - 6 B 12/93 -, Buchholz
421.0 Prüfungswesen Nr. 328,
hätte leisten müssen, um nach seinem Dafürhalten die Gründe für den Rücktritt
ausreichend zu beschreiben. Nach Niehues,
Schul- und Prüfungsrecht, Bd. 2 Prüfungsrecht, 4. Aufl. 2004, Rz.
131,
muss der Prüfling die „maßgeblichen Gründe angeben, d.h. seine körperlichen oder
geistigen Beschwerden nennen, so wie er sie zu erkennen vermag (z.B. Kopfschmerzen,
Erbrechen, Fieber).“ Das hat der Kläger durch die Bezugnahme auf die vorgehende
Säumnis wegen Magen-Darm-Beschwerden getan.
Auf Grund der amtsärztlichen Stellungnahme,
vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 09.07.2002 - 14 A
1630/02 - und15.09.2005 - 14 E 1130/05 -, beide juris,
lag auch zur Überzeugung des Gerichts,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.06.1993 - 6 B 9/93 -, Buchholz
421.0 Prüfungswesen Nr. 316,
mit der akuten Gastroenteritis, die die Konzentration beeinträchtigte, ein wichtiger Grund in
der Person des Klägers für seine Säumnis von diesem Prüfungsteil vor.
Diese gesundheitliche Beeinträchtigung ist nicht als ein die Leistungsfähigkeit des Klägers
prägendes „Dauerleiden“ unbeachtlich.
Weil Krankheit, die eine erhebliche Verminderung der Leistungsfähigkeit während der
Prüfung bewirkt, zu einem Prüfungsergebnis führen würde, das nicht die durch die Prüfung
festzustellende wirkliche Befähigung des Kandidaten wiedergäbe, und um die hierin
liegende Beeinträchtigung der Chancengleichheit des Prüflings zu verhindern, ist anerkannt,
dass ein durch Erkrankung prüfungsunfähiger Kandidat die Möglichkeit besitzt, von der
Prüfung zurückzutreten bzw. seine Säumnis zu entschuldigen und diese ohne Anrechnung
auf bestehende Wiederholungsmöglichkeiten neu zu beginnen. Anknüpfungspunkt der
Anerkennung entsprechender Beeinträchtigungen ist dabei, dass die im Zustand der
Erkrankung erbrachte Prüfung nicht die „normale“ Leistung des Prüflings widerspiegelt und
seine Erfolgschancen so in unzumutbarer Weise geschmälert wären. Keine
Prüfungsunfähigkeit in diesem Sinn kann deshalb angenommen werden, wenn die
Beeinträchtigung auf einer in der Person des Prüflings liegenden generellen Einschränkung
seiner Leistungsfähigkeit beruht. Derartige „Dauerleiden“ prägen als
persönlichkeitsbedingte Eigenschaften vielmehr das normale Leistungsbild des Prüflings und
können auch bei Berücksichtigung des in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten prüfungsrechtlichen
Grundsatzes der Chancengleichheit nicht berücksichtigt werden Die Frage, ob eine
gesundheitliche Beeinträchtigung zu einer Prüfungsunfähigkeit im Rechtssinne führt, macht
daher die Unterscheidung erforderlich, ob es sich um eine aktuelle und zeitweise
Beeinträchtigung des Leistungsvermögens handelt oder ob die Leistungsminderung auf ein
„Dauerleiden“ zurückgeht, dessen Behebung nicht in absehbarer Zeit erwartet werden
kann und das deshalb auch bei der Feststellung der Leistungsfähigkeit des Prüflings
berücksichtigt werden muss. Nicht als Prüfungsunfähigkeit im Rechtssinne anzuerkennen
sind Leistungsminderungen durch Prüfungsstress oder Examensangst, weil derartige
Belastungen zum typischen, grundsätzlich jeden Kandidaten treffenden Prüfungsgeschehen
gehören. Anderes ist es, wenn die psychische Beeinträchtigung „über allgemeine
Examenspsychosen hinausgeht“ und „Krankheitswert“ erreicht, wobei es einer generellen
Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Prüflings im Sinne eines „Dauerleidens“
entsprechen kann, wenn die Angststörung an die spezifische Prüfungssituation gebunden
ist.
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 02.04.2009 - 9 S 502/09
-, VGH Bayern, Beschluss vom 04.10.2007 - 7 ZB 07.2097 -, beide
juris
Der bisherige Prüfungsverlauf des Klägers gibt ohne Zweifel Anlass, der Frage des
Bestehens eines „Dauerleidens“ nachzugehen. Die mangels eigener Sachkunde des
Gerichts durchgeführte Beweiserhebung im Verfahren 1 K 352/10 konnte mit dem
Gutachten im November 2010 jedoch die gerichtliche Überzeugung des Vorliegens einer
andauernden generellen Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers nicht begründen.
Rückschauend auf die Prüfungssituation im Jahr 2009 lässt sich zwar feststellen, dass eine
gewisse Disposition des Klägers Voraussetzung seiner Erkrankung war. Tatsächliche
Anhaltspunkte dafür, dass die für das Entstehen einer Beeinträchtigung des
Gesundheitszustandes daneben erforderliche und dazugekommene familiäre
Belastungssituation jedoch mehr als nur eine zeitweise Beeinträchtigung des
Leistungsvermögens war, sind nicht gegeben.
Allerdings ist die Säumnis nicht aus wichtigem Grund nach §§ 19, 18 ÄAppO anzuerkennen,
weil es an der Unverzüglichkeit der Mitteilung der wichtigen Gründe mangelt. Fehlt es an
dieser Mitwirkungshandlung und muss sich der Prüfling die verspätete Mitteilung der
Gründe vorwerfen lassen, ist eine Anerkennung des wichtigen Grundes bzw. die
Genehmigung des Rücktritts nicht möglich.
so VGH Hessen, Urteil vom 10.01.1991- 6 UE 1426/90 -, juris
Der Kläger hätte im konkreten Fall bereits vor dem Prüfungsbeginn am Freitag dem
20.03.2009 den Rücktritt erklären müssen. Sein Aufsuchen des Haus- und Amtsarztes am
Prüfungstag entschuldigt dies nicht.
Zu den Anforderungen an die Unverzüglichkeit der Mitteilung hat das
Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 13.05.1998 - 6 C 12/98 -,
BVerwGE 106, 369,
ausgeführt:
Eine Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung hat
regelmäßig zur Folge, dass es für den Prüfungsabschnitt oder
Prüfungsteil auch dann bei der Note „ungenügend“ bleibt, wenn
objektiv ein wichtiger Grund für die Säumnis vorgelegen hat.
Allerdings gilt es hier in besonderer Weise zu beachten, dass die
Sanktion des ggf. endgültigen Verlustes der Prüfungschance nicht
außer Verhältnis zu dem mit der Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung
verfolgten legitimen Ziel der Wahrung der Chancengleichheit steht.
Ob eine Mitteilung im Rechtssinne unverzüglich ist, ist stets auch im
Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG zu beurteilen. Hieraus ergeben sich
insbesondere im Falle des endgültigen Nichtbestehens einer Prüfung
durch Verletzung der prüfungsverfahrensrechtlichen Nebenpflicht zur
unverzüglichen Mitteilung eines Säumnisgrundes Schranken. Hat die
Verletzung einer solchen Pflicht nämlich zur Folge, dass die Prüfung
als nicht bestanden gilt, so wird sie letztlich ebenfalls zu einer die
Freiheit der Berufswahl begrenzenden „Prüfungsschranke“. Insoweit
gelten vergleichbar die Grundsätze, die das
Bundesverfassungsgericht für das materielle Prüfungsverfahren
entwickelt hat. Vorschriften, die für die Aufnahme des Berufs eine
bestimmte Vor- und Ausbildung sowie den Nachweis erworbener
Fähigkeiten in Form einer Prüfung verlangen, greifen in die Freiheit
der Berufswahl ein. Sie müssen deshalb den Anforderungen des Art.
12 Abs. 1 GG genügen (vgl. BVerfGE 84, 34 <45 f.>; 84, 59 <72
f.>). Die Leistungen, die in einer solchen Prüfung gefordert werden,
und die Maßstäbe, nach denen die erbrachten Leistungen zu
bewerten sind, bedürfen somit einer gesetzlichen Grundlage; die
Prüfungsschranke darf zudem nach Art und Höhe nicht ungeeignet,
unnötig oder unzumutbar sein (vgl. BVerfGE 80, 1 <24>). Darüber
hinaus beansprucht das Grundrecht der Berufsfreiheit auch Geltung
für die Durchführung des Prüfungsverfahrens (vgl. BVerfGE 52, 380
<389 f.>). Grundrechtsschutz ist auch durch die Gestaltung von
Verfahren zu bewirken (vgl. BVerfGE 53, 30 <65>).
Diese Grundsätze sind auf die Anforderungen an die Unverzüglichkeit
der Mitteilung von Gründen im Sinne des § 18 Abs. 1 Satz 1 ÄAppO
übertragbar. Die Mitwirkungspflicht des Prüflings dient dem Schutz
der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren. Allein dieser, das
gesamte Prüfungsrecht beherrschende Grundsatz rechtfertigt die
einschneidende Folge der verspäteten Mitteilung, nämlich den ggf.
endgültigen Verlust einer Prüfungschance und damit der Möglichkeit,
überhaupt in dem gewählten Beruf tätig zu sein. Deshalb muss die
Beurteilung, wie und wann ein Prüfling seine Mitwirkungsobliegenheit
zumutbarerweise zu erfüllen hat, mit einbeziehen, wenn im Einzelfall
der Zeitpunkt der Benachrichtigung des Prüfungsamtes sich auf die
Chancengleichheit der übrigen Prüflinge nicht auswirken kann. Eine
Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit des Prüflings zur
unverzüglichen Mitteilung liegt in diesen Fällen nur dann vor, wenn sie
im Sinne eines „Verschuldens gegen sich selbst“ - vorwerfbar ist (s.
Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 7. Oktober 1988 - BVerwG 7
C 8.88 - BVerwGE 80, 282, 286 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen
Nr. 259; vgl.a. Urteile vom 22. Oktober 1982 - BVerwG 7 C 119.81 -
BVerwGE 66, 213, 215 = Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 167;
vom 17. Februar 1984 - BVerwG 7 C 67.82 - BVerwGE 69, 46, 50
= Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 195; vom 6. September 1995
- BVerwG 6 C 16.93 - BVerwGE 99, 172, 176 = Buchholz 421.0
Prüfungswesen Nr. 355).
„Unverzüglich“ in diesem Sinne bedeutet - wie sonst auch (vgl. § 121
BGB) - „ohne schuldhaftes Zögern“. Da die Mitwirkungslast an der
Grenze der Zumutbarkeit endet, ist eine Erklärung von
Säumnisgründen hiernach dann nicht unverzüglich, wenn sie nicht zu
dem frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgt, zu dem sie vom Prüfling
zumutbarerweise hätte erwartet werden können. Dies bedeutet:
Kann die Mitteilung von Säumnisgründen nach den gesamten
Umständen, insbesondere wegen der Evidenz der Verhinderung, aus
Sicht eines „vernünftig handelnden Prüflings“ die Chancengleichheit
der Mitprüflinge nicht mehr beeinflussen, und kann sich eine zeitnahe
Überprüfung durch das Prüfungsamt auf die Beweislage nicht mehr
wesentlich auswirken, können - je nach Lage der Dinge - auch andere
gewichtige Umstände an Bedeutung gewinnen. Daher muss etwa
eine Mitteilung eines noch an Unfallfolgen leidenden Prüflings
zumutbarerweise von ihm nicht bereits mit den ersten ihm möglichen
zielgerichteten Handlungen erwartet werden. Informiert ein solcher
Prüfling das Prüfungsamt innerhalb eines Zeitraums von wenigen
Tagen nach Entlassung aus dem Krankenhaus, und ist er in diesen
Tagen zudem noch tätig geworden, um ein ärztliches oder gar
amtsärztliches Attest zu besorgen, das er zur zusätzlichen
Beweissicherung ergänzend zum Krankenhausbericht für erforderlich
halten durfte, so ist es nicht mehr entscheidend, ob er die schriftliche
Mitteilung seiner Säumnisgründe einen oder zwei Tage später zur
Post bringt, als ihm dies objektiv möglich gewesen wäre. In einem
solchen Fall genügt es, wenn der Prüfling noch in engem zeitlichen
Zusammenhang zur versäumten Prüfung handelt.
Wie stets, ist auch im konkreten Fall die Frage der Zumutbarkeit der Erklärung des
Rücktritts vor der Prüfung eine Frage des Einzelfalls.
vgl. etwa: OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03.11.2005 - 14 A
3101/03 -, juris
Allgemein ist zu fordern:
Der Prüfling muss, nachdem er seine zur Prüfungsunfähigkeit
führende gesundheitliche Belastung erkannt hat, alsbald ohne weitere
Verzögerung zum frühestmöglichen, ihm zumutbaren Zeitpunkt
seinen Rücktritt erklären und dabei auch unverzüglich die Gründe
hierfür mitteilen. Diese Obliegenheit ist Teil der auf dem
Prüfungsrechtsverhältnis beruhenden Pflicht des Prüflings, im
Prüfungsverfahren mitzuwirken, die ihren Rechtsgrund in dem auch
im Prüfungsrechtsverhältnis geltenden Grundsatz von Treu und
Glauben hat. Daher ist es auch Sache des Prüflings, sich rechtzeitig
vor der Prüfung, aber auch insbesondere während der Prüfung
Klarheit über seine Prüfungsfähigkeit zu verschaffen und ggf.
unverzüglich die in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgesehenen
Konsequenzen zu ziehen und Prüfungsunfähigkeit spätestens dann,
wenn er sich ihrer bewusst geworden ist, geltend zu machen. Zur
Mitwirkungspflicht des Prüflings gehört auch, dass er sich bei
Auftreten gesundheitlicher Beeinträchtigungen selbst um die Frage
seiner Prüfungsfähigkeit und eines evtl. erforderlichen Rücktritts
kümmert und dass diese Frage bei auftauchenden Zweifeln sofort
geklärt wird. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Prüfling die
genaue krankheitsbedingte Ursache seiner Prüfungsunfähigkeit kennt
und dass er die Krankheitssymptome richtig deuten und alle
Auswirkungen der Krankheit zutreffend einschätzen kann. Vielmehr
muss er sich bereits bei subjektivem Krankheitsverdacht, also wenn
ihm erhebliche Beeinträchtigungen seines Leistungsvermögens im
Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre nicht verborgen
geblieben sind, unverzüglich selbst um eine Aufklärung seines
Gesundheitszustandes bemühen.
so VGH Bayern, Urteil vom 23.09.2004 - 7 B 03.1192 -, juris
Unterlässt der Prüfling dies, obwohl es ihm zuzumuten ist, ist es ihm verwehrt, sich
nachträglich auf eine Erkrankung am Prüfungstag zu berufen.
Dazu hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, er sei bis zum
Prüfungstag davon ausgegangen, an der Prüfung teilnehmen zu können. Er halte es für
ausreichend, wie schon zuvor, am Prüfungstag den Amtsarzt aufzusuchen und dem
Beklagten daraufhin die Gründe der Säumnis mitzuteilen.
Die die klägerische Säumnis begründende gesundheitliche Beeinträchtigung war kein
plötzlich auftretendes Ereignis. Nach dem amtsärztlichen Attest vom 11.03.2009, einem
Mittwoch, zum vorgehenden schriftlichen Teil der Prüfung, an dem der Kläger ebenfalls
wegen akuter Gastroenteritis nicht teilnahm, bestand die Erkrankung seit dem
vorgehenden Wochenende, dem 07./08.03.2009. Mit Wiederherstellung der
Prüfungsfähigkeit sei ab der nächsten Kalenderwoche, dem entspricht Montag der
16.03.2009, zu rechnen. Nach dem zur streitigen Prüfung am 20.03.2009 vorgelegten
amtsärztlichen Attest setzte sich die Erkrankung jedoch über das Wochenende vom
14./15.03.2009 fort. Dies entspricht den Angaben des Klägers in seiner Erklärung vom
23.03.2009 wonach die Beschwerden „bis zum vergangenen Samstag“, dem 21.03.2009
andauerten. Auch wenn dem Prüfling im Falle einer solchen Erkrankung „ein Mindestmaß
an Überlegungszeit“,
so VGH München, Urteil vom 01.04.1992 - 7 B 91.3037 -, BayVBl
1993, 149,
zusteht, ist hier die Besonderheit gegeben, dass sich die ärztliche Prognose der
rechtzeitigen Wiederherstellung der Prüfungsfähigkeit bereits vier Tage vor der streitigen
Prüfung als falsch erwies und der Kläger bei den Prüfungen im Herbst 2007 und Frühjahr
2008 ebenfalls den schriftlichen wie den mündlich-praktischen Prüfungsteil wegen
andauernder Gastroenteritis versäumte.
Bei dieser Sachlage hätte der Kläger nicht blind darauf vertrauen dürfen, bis zum
Prüfungstag beschwerdefrei zu sein. Er hätte sich vorher um eine ärztliche Abklärung
bemühen und seinen Rücktritt von der mündlich-praktischen Prüfung vor dem Prüfungstag
erklären müssen. Auf der Grundlage der klägerischen Erklärung vom 23.03.2009, in der
eine über die schriftliche Prüfung hinaus andauernde gesundheitliche Beeinträchtigung
geschildert wird, und den entsprechenden Angaben des Klägers gegenüber dem Amtsarzt
erachtet das Gericht den gesteigerten Vortrag im Widerspruchsverfahren,
vgl. zur „Frage, ob die Rücktrittserklärung u n v e r z ü g l i c h erfolgt
ist“: BVerwG, Urteil vom 22.10.1982 - 7 C 119/81 -, BVerwGE 66,
213,
noch am Donnerstag sei er davon ausgegangen, dass er die Prüfung am folgenden Tag
antreten könne, als unglaubhaft und allein mit dem Ziel getätigt, den versäumten
unverzüglichen Rücktritt zu entschuldigen.
Das Gericht ist danach davon überzeugt, dass der Kläger sehr wohl seine
Prüfungsunfähigkeit erkannte, aber davor zurückschreckte, wie geboten und ihm bekannt,
unverzüglich, d. h. vor dem Prüfungstag, den Amtsarzt aufzusuchen und den Rücktritt von
der Prüfung zu erklären. Stattdessen ließ er den Prüfungstag anbrechen und begab sich
zum Hausarzt und zum Amtsarzt. Bei diesem Geschehensablauf ist dem Kläger
entgegenzuhalten, dass er die Augen vor dem Verschloss, was jedem hätte einleuchten
müssen: dass es ihm zumutbar war, bereits vor dem Prüfungstag seine Prüfungsfähigkeit
ärztlich und amtsärztlich abzuklären und den Rücktritt vor der Prüfung zu erklären.
Dies entspricht einer vorwerfbaren Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit des Prüflings zur
unverzüglichen Mitteilung im Sinne eines „Verschuldens gegen sich selbst“. Anhaltspunkte
dafür, dass das vom Kläger entwickelte doch planvolle Vorgehen im Zustand einer die
Willensbildung völlig ausschließenden Beeinträchtigung erfolgte, bestehen nicht. Daher
bedurfte es keiner Beweiserhebung zur Frage der Steuerungsfähigkeit des Klägers bis zur
Erklärung des Rücktritts.
vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 23.06.1998 - 8 R 40/95 -
Dieser Bewertung als „Verschulden gegen sich selbst“ steht nicht entgegen, dass der
Beklagte entsprechende vorgehende Versäumnisse, etwa in den Jahren 2008 und 2007,
aus wichtigem Grund und als unverzüglich mitgeteilt genehmigte. Mit den die jeweiligen
vergleichbaren Rücktritte von den Prüfungen im Frühjahr und Herbst 2008 genehmigenden
Bescheiden vom 10.08.2008 und 28.01.2009 wurde der Kläger in einer beigefügten
„Information“ abschließend darüber belehrt, dass aus den bereits erteilten Genehmigungen
bei gleichem Sachverhalt kein Rechtsanspruch hergeleitet werden könne, die
Entscheidungen ergingen im Einzelfall. Mit der Ladung zur streitigen Prüfung hat der
Beklagte ausdrücklich auf das Erfordernis der Unverzüglichkeit der Mitteilung des wichtigen
Grundes und des Rücktritts vor der Prüfung hingewiesen. Dem Kläger kommt danach kein
schutzwürdiges Vertrauen dahingehend zu, blind darauf zu vertrauen, dass eine
Entschuldigung am Prüfungstag ausreichend sei.
Die Versäumnis des mündlich-praktischen Teils der Prüfung zum Ersten Abschnitt der
ärztlichen Prüfung im Frühjahr 2009 (20.03.2009) ist daher nicht unverzüglich erfolgt und
damit nicht aus wichtigem Grund anzuerkennen. Damit ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 167 VwGO, 708 Nr.
11, 711 ZPO.
Die Berufung ist nicht gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, da die Voraussetzungen
des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG und orien-tiert sich
an der Empfehlung in Ziffer 36.1 des Streitwertkatalogs für die Verwal-tungsgerichtsbarkeit
in der Fassung vom Juli 2004, NVwZ 2004, 1327, wonach für die ärztliche Prüfung ein
Streitwert in Höhe von 7.500 EUR vorgesehen ist.
vgl. OVG Niedersachsen Beschluss vom 03.03.2010 - 2 ME 343/09 -
, juris