Urteil des VG Saarlouis vom 19.08.2010
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VG Saarlouis Urteil vom 19.8.2010, 10 K 694/09
Zuständigkeit für Ausnahmegenehmigung für Organ- und Ärztetransportfahrten
Leitsätze
Für die Erteilung einer bundesweit geltenden Ausnahmegenehmigung von der Vorschrift
des § 35 Abs. 5 a StVO für Organ- und Ärzteteamtransportfahrten, die die Befreiung von
den Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung beinhaltet, sofern höchste Eile geboten ist,
um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, ist nach
§ 46 Abs. 2 Satz 3 StVO das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
zuständig.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines
Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen
Kostenschuld abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger, Inhaber eines im Saarland ansässigen Taxiunternehmens, begehrt von dem
beklagten Ministerium für Umwelt, Energie und Verkehr eine Ausnahmegenehmigung, die
für zwei seiner Fahrzeuge eine bundesweit geltende Befreiung von den Vorschriften der
Straßenverkehrs-Ordnung beinhaltet.
Der Kläger ist Vertragspartner der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), bei der
es sich um die nach § 11 Transplantationsgesetz beauftragte Koordinierungsstelle
Organspende handelt. Im Auftrag der Organisationszentrale Mitte der DSO, deren
Zuständigkeitsbereich die Bundesländer Saarland, Hessen und Rheinland-Pfalz umfasst,
führt der Kläger Bodentransporte für Ärzteteams im Zusammenhang mit
Organentnahmen sowie für Organe, Gewebe und Blutproben durch. Für die Abwicklung der
notwendig werdenden Bodentransporte hält der Kläger ganzjährig eine 24-Stunden-
Einsatzbereitschaft vor.
Mit Bescheid vom 28.06.2004 erteilte das damalige Ministerium für Wirtschaft dem Kläger
eine bis zum 31.07.2010 befristete und für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland
geltende Genehmigung, die Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen HOM – ... ... und
HOM – ... ... abweichend von den Vorschriften der §§ 52 Abs. 3 und 55 Abs. 3 StVZO mit
ein oder zwei Kennleuchten für blaues Blinklicht (Rundumleuchte) und Einsatzhorn zum
Zwecke des Transports von menschlichen Organen sowie von Ärzteteams zur
Organtransplantation auszurüsten, nachdem es zuvor durch Urteil der seinerzeit
zuständigen 3. Kammer des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 09.03.2004, 3 K
143/03, hierzu verpflichtet worden war.
Mit Schreiben vom 11.12.2008 beantragte der Kläger bei dem nunmehr zuständigen
Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft, ihm eine weitere Ausnahmegenehmigung
gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO in Verbindung mit § 35 Abs. 5 a StVO für die Fahrzeuge
mit den amtlichen Kennzeichen HOM – ... ... und HOM – ... ... zu erteilen. Zur Begründung
führte er an, das Verwaltungsgericht des Saarlandes habe in seinem Urteil vom
09.03.2004, 3 K 143/03, festgestellt, dass sein nicht ausschließlich privates Interesse,
seine Fahrzeuge mit Signaleinrichtungen auszurüsten und diese unter den
Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 StVO nutzen zu dürfen, von solchem Gewicht sei, dass
für eine Ablehnung der seinerzeit nach § 70 Abs. 1 Nr. 1 StVZO beantragten
Ausnahmegenehmigung hinsichtlich der Befreiung von den Vorschriften der §§ 52 Abs. 3,
55 Abs. 3 StVZO kein Raum sei. Begründet worden sei dies damit, dass der Einsatz der
Signaleinrichtungen dem Schutz der höchstrangigen Rechtsgüter von Leben und
Gesundheit diene. Nach Erteilung der Ausnahmegenehmigung vom 28.06.2004 habe sich
herausgestellt, dass alleine die Nutzung von Blinklicht und Martinshorn in der Praxis nicht
ausreichend sei, um in Fällen höchster Eile, um Menschenleben zu retten oder schwere
gesundheitliche Schäden abzuwenden, den ihm erteilten Auftrag zur Beförderung von
Ärzteteams zur Organtransplantation oder von menschlichen Organen in der in dieser
Situation gebotenen Weise zu erfüllen. Die ihm bisher erteilte Ausnahmegenehmigung
berechtige ihn nicht dazu, Lichtzeichen, Geschwindigkeitsbegrenzungen oder
Überholverbote zu missachten. In Notfallsituationen könne daher insbesondere im
innerstädtischen Verkehr nicht angemessen reagiert werden. Es sei sachlich konsequent,
die Ausnahmegenehmigung auch auf die Befreiung von den Ge- und Verboten der
Straßenverkehrs-Ordnung zu erstrecken. Dementsprechend habe das OVG Nordrhein-
Westfalen in einer vergleichbaren Fallkonstellation mit Urteil vom 12.05.2000, 8 A
2698/99, dem dortigen Kläger einen Anspruch darauf zugestanden, im Wege einer
Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO i. V. m. § 35 Abs. 5 a StVO ebenso
wie der Rettungsdienst von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung befreit zu
werden.
Unter dem 29.05.2009 teilte das frühere Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft dem
Kläger mit, eine Länderumfrage zum möglichen Geltungsbereich der von ihm beantragten
bundesweiten Ausnahmegenehmigung von den Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung
für seine Organtransportfahrzeuge habe ergeben, dass nur die Bundesländer Nordrhein-
Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Schleswig-Holstein und Hamburg der
Ausdehnung des Geltungsbereichs einer solchen Ausnahmegenehmigung auf ihr Land
zugestimmt hätten. Die übrigen Bundesländer hätten eine entsprechende Ausdehnung
ausdrücklich abgelehnt. Bayern und Berlin hätten die Erforderlichkeit einer bundesweiten
Ausnahmegenehmigung mit dem Hinweis darauf in Frage gestellt, dass entsprechende
Organtransporte in ihren Ländern bereits durch andere Firmen sichergestellt seien und sich
die Vereinbarung zwischen dem Kläger und der DSO nur auf den Standort der
Organisationszentrale Mitte beziehe. Beigefügt war der Mitteilung ein Entwurf der
beabsichtigten Ausnahmegenehmigung, der hinsichtlich des Geltungsbereichs der
Ausnahmegenehmigung nach der Straßenverkehrs-Ordnung eine Beschränkung auf die
Länder Saarland, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-
Holstein und Thüringen vorsah.
Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 23.06.2009 darauf hingewiesen hatte, dass er
seinen Antrag vom 11.12.2008 uneingeschränkt aufrecht erhalte, erteilte das damalige
Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft mit Bescheiden vom 09.07.2009 für die
Fahrzeuge des Klägers mit den amtlichen Kennzeichen HOM – ... ... und HOM – ... ...
jeweils bis zum 31.12.2014 gültige Ausnahmegenehmigungen nach der Straßenverkehrs-
Zulassungs-Ordnung (StVZO) und der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) für Organ- und
Ärztetransporte bei Transplantationen. Die auf den Geltungsbereich der Bundesrepublik
Deutschland bezogenen Ausnahmegenehmigungen nach § 70 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StVZO
beinhalten die widerrufliche Genehmigung, das Fahrzeug abweichend von den Vorschriften
der §§ 52 Abs. 3 und 55 Abs. 3 StVZO im öffentlichen Verkehrsraum in Betrieb zu nehmen
und dieses mit Einsatzhorn und Kennleuchten für blaues Blinklicht auszustatten. Die
zugleich ausgesprochenen und auf § 46 Abs. 2 StVO i. V. m. § 35 Abs. 5 a StVO
gestützten Ausnahmegenehmigungen beinhalten für die von dem Kläger als
Genehmigungsinhaber autorisierten Fahrer die widerrufliche Genehmigung, bei Fahrten im
öffentlichen Verkehrsraum mit dem Fahrzeug von den Vorschriften der Straßenverkehrs-
Ordnung abweichen zu dürfen, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu
retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, sowie die Verpflichtung, die
Sonderrechte nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und
Ordnung auszuüben. Der Geltungsbereich dieser Ausnahmegenehmigungen wurde auf das
Saarland beschränkt und dem Kläger als Genehmigungsinhaber dabei unter anderem zur
Auflage gemacht, blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn nur bei dringenden
Fahrten zur Beförderung von zur Transplantation vorgesehenen menschlichen Organen und
von bei der Transplantation eingesetzter Ärzten verwenden zu dürfen, die nach Weisung
des diensthabenden Koordinators für Organtransplantation der Deutschen Stiftung
Organtransplantation durchgeführt würden.
Am 10.08.2009 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sich gegen die Beschränkung des
Geltungsbereichs der ihm für die Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen HOM – ... ...
und HOM – ... ... erteilten Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO i. V. m.
§ 35 Abs. 5 a StVO auf das Saarland wendet.
Unter dem 20.08.2009 setzte das Bayerische Staatsministerium des Innern das
Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft davon in Kenntnis, dass der Kläger eine
Ausnahmegenehmigung für Organ- und Ärztetransporte bei Organtransplantationen gemäß
§ 46 Abs. 2 StVO beantragt habe. Im Hinblick auf eine Stellungnahme der
Koordinierungsstelle Organspende der DSO für die Region Bayern vom 03.08.2009,
wonach aufgrund der großen Entfernung zwischen dem Saarland und Bayern nur
zeitunkritische Organtransporte mit dem PKW erfolgen sollten, die keinen Blaulichteinsatz
erforderlich machten, sei dem Kläger empfohlen worden, seinen Antrag mangels
Vorliegens besonderer Umstände für eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 2 StVO
zurückzunehmen.
Mit weiteren Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 21.08.2009, des
Senators für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa der Freien Hansestadt Bremen vom
31.08.2009, des Ministeriums für Infrastruktur und Raumordnung Brandenburg vom
03.09.3009 sowie des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau
Rheinland-Pfalz vom 21.09.2009 wurde dem Ministerium für Wirtschaft und Wissenschaft
mitgeteilt, dass eine positive Entscheidung über den von dem Kläger jeweils gestellten
Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Inanspruchnahme von
Sonderrechten nach § 46 Abs. 2 StVO i. V. m. § 35 Abs. 5 a StVO nicht beabsichtigt sei,
und dieses zugleich gebeten, die jeweiligen Länder Baden-Württemberg, Bremen,
Brandenburg sowie Rheinland-Pfalz ausdrücklich aus dem Geltungsbereich der dem Kläger
nach § 70 StVZO erteilten Ausnahmegenehmigungen von § 52 Abs. 3 und § 55 Abs. 3
StVZO auszunehmen.
Zur Begründung seiner Klage beruft sich der Kläger darauf, dass er zwingend darauf
angewiesen sei, bundesweit geltende Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Abs. 2 Satz 1
StVO i. V. m. § 35 Abs. 5 a StVO zu erhalten. Die Notwendigkeit solchen
Ausnahmegenehmigungen, die normalerweise lediglich Fahrzeugen des Rettungsdienstes
erteilt werden könnten, wenn höchste Eile geboten sei, um Menschenleben zu retten oder
schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, ergebe sich aus dem System der
Organspende. Der DSO würden Organe aus ganz Deutschland angeboten.
Dementsprechend müssten auch Transportfahrten in andere Bundesländer durchgeführt
werden. Letztlich bestimme der Wohnort des Empfängers der Organspende, durch welche
Bundesländer der Organtransport aus dem Zuständigkeitsbereich der
Organisationszentrale Mitte der DSO, in deren Auftrag er tätig werde, durchzuführen sei.
Die Beschränkung der Ausnahmegenehmigungen auf das Saarland beruhe darauf, dass
eine bundesweit geltende Ausnahmegenehmigung bei den übrigen Bundesländern keine
einheitliche Zustimmung erfahren habe. Eine Beteiligung anderer Bundesländer sei im
Rahmen der Erteilung der von ihm beantragten Ausnahmegenehmigungen indes gesetzlich
nicht vorgeschrieben. Eine solche Beteiligung sei auch nicht aus Gründen des föderalen
Aufbaus der Bundesrepublik Deutschland geboten. Die jeweilige Auffassung der einzelnen
Bundesländer sei daher unerheblich. Zwar habe er die Erteilung entsprechender
Ausnahmegenehmigungen auch in allen übrigen Bundesländern beantragt. Die
Beantragung sei aber nur deshalb erfolgt, weil in den Bundesländern Uneinigkeit darüber
bestehe, wer für die Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung zuständig sei und auf
welchen Bereich sich diese erstrecken könne. Er selbst halte den Beklagten für die Erteilung
der von ihm begehrten Ausnahmegenehmigungen für zuständig, da dieser als zuständige
oberste Landesbehörde gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO von allen Vorschriften der
Straßenverkehrs-Ordnung Ausnahmen für bestimmte Einzelfälle oder allgemein für
bestimmte Antragsteller genehmigen könne. Eine Zuständigkeit des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sei mangels „Notwendigkeit“ einer einheitlichen
Entscheidung im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 3 StVO nicht gegeben. Die Regelung des § 46
Abs. 2 Satz 3 StVO sei auf wenige Ausnahmefälle beschränkt. Da es sich bei seinem
Antrag nicht um einen solchen Ausnahmefall handele, könne er auch nicht auf eine
Antragstellung beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung verwiesen
werden, zumal ihm der dort zuständige Sachbearbeiter auf telefonische Anfrage hin
mitgeteilt habe, dass das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für die
Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigungen nicht zuständig sei.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter entsprechender Aufhebung der
Bescheide vom 09.07.2009 zu verpflichten, ihm für die
Fahrzeuge mit den amtlichen Kennzeichen HOM – ... ...
und HOM – ... ... Ausnahmegenehmigungen nach § 46
Abs. 2 StVO i. V. m. § 35 Abs. 5 a StVO für Organ- und
Ärztetransporte bei Transplantationen mit dem
Geltungsbereich für die Bundesrepublik Deutschland zu
erteilen,
hilfsweise,
den Beklagten unter entsprechender Aufhebung der
Bescheide vom 09.07.2009 zu verpflichten, über seinen
Antrag auf Erteilung von bundesweit geltenden
Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Abs. 2 StVO i. V. m.
§ 35 Abs. 5 a StVO für die Fahrzeuge mit den amtlichen
Kennzeichen HOM – ... ... und HOM – ... ... unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu
entscheiden.
Der Beklagte, auf den infolge der Bekanntmachung der Geschäftsbereiche der obersten
Landesbehörden durch den Ministerpräsidenten des Saarlandes vom 10.11.2009
(Amtsblatt S. 1830) die Zuständigkeit für das Straßenverkehrsrecht übergegangen ist,
beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass er für die Erteilung einer bundesweit geltenden
Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 2 StVO i. V. m. § 35 Abs. 5 a StVO nicht zuständig
sei. Zwar sehe § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO vor, dass die zuständigen obersten
Landesbehörden oder die nach Landesrecht bestimmten Stellen von allen Vorschriften der
Straßenverkehrs-Ordnung Ausnahmen für bestimmte Einzelfälle oder allgemein für
bestimmte Antragsteller genehmigen können. Sofern sich die Auswirkungen der Ausnahme
über ein Land hinaus erstreckten und eine einheitliche Entscheidung notwendig sei, sei
allerdings nach § 46 Abs. 2 Satz 3 StVO das Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung zuständig. Dass die dem Kläger erteilten Ausnahmegenehmigungen ohne
eine Beschränkung ihrer Geltungsbereiche auf das Saarland auch Auswirkungen auf andere
Bundesländer hätten, sei unstrittig. Es sei aber auch die Notwendigkeit einer einheitlichen
Entscheidung nach § 46 Abs. 2 Satz 3 StVO gegeben. Eine einheitliche Entscheidung
erscheine nur dann nicht als notwendig, wenn sich die von den Auswirkungen der
begehrten Ausnahmegenehmigung betroffenen Länder über deren Erlass einig seien.
Dementsprechend sei die Erteilung einer bundesweit geltenden Ausnahmegenehmigung für
den Kläger im Bund-Länder-Fachausschuss Straßenverkehrs-Ordnung mit den
Ländervertretern und dem Bundesverkehrsministerium erörtert worden. Dabei sei es
vorrangig um die Frage der Erforderlichkeit einer bundesweit geltenden
Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO und der Zustimmung der
Bundesländer hierzu gegangen. Einer Ausdehnung des Geltungsbereichs der
Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO i. V. m. § 35 Abs. 5 a StVO auf
ihr Land hätten lediglich die Länder Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt,
Thüringen, Schleswig-Holstein, Hamburg und nunmehr auch Rheinland-Pfalz zugestimmt.
Die übrigen Bundesländer hätten dies ausdrücklich abgelehnt. Auch das hessische
Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung habe auf entsprechende
Anfrage am 02.02.2010 mitgeteilt, dass einer Ausdehnung des Geltungsbereichs der
StVO-Ausnahmegenehmigung für den Kläger auf das Gebiet des Landes Hessen nicht
zugestimmt werde, weil der Bedarf an Organtransporten in Hessen bereits anderweitig
gedeckt sei. Damit sei aber die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung für die vom Kläger begehrten Ausnahmegenehmigungen begründet.
Dem Kläger könnten auch ungeachtet der fehlenden Zuständigkeit des Beklagten keine
bundesweit geltenden Ausnahmegenehmigungen erteilt werden. Zwar sei die dem Kläger
mit Bescheid vom 28.06.2004 erteilte und bundesweit geltende Ausnahmegenehmigung
nach § 70 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StVZO i. V. m. §§ 52 Abs. 3 und 55 Abs. 3 StVZO mit den
Bescheiden vom 09.07.2009 auf der Grundlage der Entscheidung des OVG Nordrhein-
Westfalen vom 12.05.2000, 8 A 2698/99, um die Ausnahme nach § 35 Abs. 5 a StVO für
den Geltungsbereich des Saarlandes erweitert worden. Insoweit bestünden allerdings
erhebliche systematische Bedenken, da eine solche Ausnahme logisch nicht möglich sei.
Die Vorschrift des § 35 Abs. 5 a StVO stelle nämlich selbst eine Ausnahmevorschrift und
nicht etwa ein Ge- oder Verbot dar, von dem nach § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO für bestimmte
Einzelfälle eine Ausnahme genehmigt werden könnte. Die Vorschrift des § 46 StVO eröffne
nur die Möglichkeit, von Ge- oder Verboten der Straßenverkehrs-Ordnung Ausnahmen
zuzulassen, nicht aber, den Fahrzeugen des Klägers dieselben Rechte einzuräumen, wie
Fahrzeugen des Rettungsdienstes, die nach § 35 Abs. 5 a StVO von den Vorschriften der
Straßenverkehrs-Ordnung befreit seien, wenn höchste Eile geboten sei, um Menschenleben
zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden. Eine derart weitgehende
Einräumung von Sonderrechten werde von der Ermächtigungsnorm des § 46 StVO nicht
abgedeckt, auch wenn der Beklagte dem Kläger eine solche Genehmigung habe erteilen
wollen. Dies gelte umso mehr, als es sich bei der Vorschrift des § 35 Abs. 5 a StVO um
eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift handele. Überdies habe der Kläger das
Erfordernis einer bundesweiten Geltung der ihm erteilten Ausnahmegenehmigungen nicht
nachgewiesen. Nach einer Mitteilung der DSO vom 30.12.2009 würden Organtransporte
im Auftrag der DSO von dem Kläger schwerpunktmäßig lediglich in den Bundesländern
Saarland, Hessen und Rheinland-Pfalz durchgeführt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt
der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und der Verfahren 3 K 143/03, 3 F 4/03
und 1 W 10/03 sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten, deren
Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Vorab ist festzustellen, dass sich die Klage nicht mehr gegen das frühere Ministerium für
Wirtschaft und Wissenschaft, sondern gegen das Ministerium für Umwelt, Energie und
Verkehr richtet. Der Übergang der behördlichen Zuständigkeiten für das
Straßenverkehrsrecht auf das Ministerium für Umwelt, Energie und Verkehr nach Ziffer
6.22 der Bekanntmachung des Ministerpräsidenten des Saarlandes vom 10.11.2009
(Amtsblatt S. 1830) über die Geschäftsbereiche der obersten Landesbehörden hat zu
einem gesetzlichen Parteiwechsel gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit §§ 239 ff. ZPO
geführt.
Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 02.11.1973, IV C 55.70,
BVerwGE 44, 148
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten weder einen Anspruch auf Erteilung der von ihm
begehrten bundesweit geltenden Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO
i. V. m. § 35 Abs. 5 a StVO, noch kann er von ihm eine erneute rechtsfehlerfreie
Entscheidung über seinen Antrag verlangen, da der Beklagte zur Erteilung solcher
Ausnahmegenehmigungen sachlich nicht zuständig ist.
Nach der Vorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden in
bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen von den
dort im Einzelnen aufgeführten Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung genehmigen. Da
§ 35 Abs. 5 a StVO, hinsichtlich dem der Kläger die Erteilung von
Ausnahmegenehmigungen für zwei seiner Fahrzeuge begehrt, nicht in § 46 Abs. 1 Satz 1
StVO aufgeführt ist, ist die Vorschrift des § 46 Abs. 2 StVO hier einschlägig. Nach § 46
Abs. 2 Satz 1 StVO können die zuständigen obersten Landesbehörden oder die nach
Landesrecht bestimmten Stellen von allen Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung
Ausnahmen für bestimmte Einzelfälle oder allgemein für bestimmte Antragsteller
genehmigen. Als Auffangtatbestand ermöglicht die Vorschrift damit Ausnahmen auch von
solchen Bestimmungen der Straßenverkehrs-Ordnung, die nicht im Einzelnen in § 46 Abs. 1
Satz 1 StVO aufgeführt sind, also auch von § 35 Abs. 5 a StVO. Nach dieser Bestimmung
sind Fahrzeuge des Rettungsdienstes von den Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung
befreit, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere
gesundheitliche Schäden abzuwenden. Auch wenn § 35 Abs. 5 a StVO damit selbst eine
Ausnahmevorschrift darstellt, eröffnet die Bestimmung des § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO
entgegen der Auffassung des Beklagten gleichwohl die Möglichkeit, auch anderen
Fahrzeugen die Inanspruchnahme von Sonderrechten, wie sie den Fahrzeugen des
Rettungsdienstes mit der Regelung in § 35 Abs. 5 a StVO zugestanden werden, sofern
höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche
Schäden abzuwenden, ausnahmsweise zu gestatten. Zudem ist § 35 Abs. 5 a StVO über
seine Funktion als Ausnahmevorschrift hinaus als Verbot zu verstehen, mit anderen
Fahrzeugen als denjenigen des Rettungsdienstes von den Regeln der Straßenverkehrs-
Ordnung auch dann abzuweichen, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu
retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden. Von einem solchen Verbot
kann gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO aber ohne Weiteres eine Ausnahme erteilt werden.
Vgl. dazu OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom
12.05.2000, 8 A 2698/99, NZV 2000, 514; ferner
Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl.
2009, § 46 StVO Rdnr. 25
Allerdings bestimmt § 46 Abs. 2 Satz 3 StVO, dass mit Ausnahme des - hier nicht in
Betracht kommenden - Verbots von Rennveranstaltungen (§ 29 Abs. 1 StVO) nicht die
nach § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO zuständigen obersten Landesbehörden bzw. die nach
Landesrecht bestimmten Stellen für die Genehmigung einer Ausnahme von den
Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung zuständig sind, sondern ausschließlich das
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, sofern sich die Auswirkungen
der Ausnahme über ein Land hinaus erstrecken und eine einheitliche Entscheidung
notwendig ist. Diese Voraussetzungen liegen hier ersichtlich vor, weil der Kläger für seine
beiden Fahrzeuge eine bundesweit geltende Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 2
StVO i. V. m. § 35 Abs. 5 a StVO begehrt, was eine länderübergreifende einheitliche
Entscheidung verlangt.
Vgl. zur Auslegung der der Vorschrift des § 46 Abs. 2 Satz
3 StVO im Wesentlichen entsprechenden, bis zum
28.02.2007 geltenden Bestimmung des § 70 Abs. 1 Nr. 2
StVZO a. F. BVerwG, Urteil vom 14.04.2005, 3 C 3.04,
DAR 2005, 582; ferner OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil
vom 24.03.2010, 8 A 316/09, zitiert nach juris
Dass sich die von dem Kläger begehrten Ausnahmegenehmigungen in ihren Auswirkungen
nicht auf das Gebiet des Saarlandes beschränken, liegt angesichts dessen, dass die von
dem Kläger im Auftrag der Organisationszentrale Mitte der DSO und im Zusammenhang
mit Transplantationen durchgeführten Organ- und Ärztetransporte nicht lediglich im
Saarland, sondern auch in anderen Bundesländern, neben dem Saarland
schwerpunktmäßig in Hessen und in Rheinland-Pfalz erfolgen
vgl. dazu die Stellungnahme des Vorstandes der DSO vom
30.12.2009, Bl. 110 f der Gerichtsakte
auf der Hand. Darüber hinaus hat der Kläger selbst dargetan, dass die Frage, wer für die
Erteilung der von ihm begehrten Ausnahmegenehmigungen zuständig sei, ebenso wie die
Frage, auf welchen Geltungsbereich sich entsprechende Ausnahmegenehmigungen
erstrecken könnten, zwischen den einzelnen Bundesländern höchst umstritten sei. Nach
dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Beklagten haben zudem lediglich die
Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Schleswig-
Holstein, Hamburg sowie Rheinland-Pfalz einer Ausdehnung des Geltungsbereichs
entsprechender Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Abs. 2 StVO i. V. m. § 35 Abs. 5 a
StVO auf ihr Land zugestimmt; die übrigen Bundesländer haben dies ausdrücklich
abgelehnt. Insbesondere hat das Land Hessen als eines der Länder, in denen der Kläger
schwerpunktmäßig Organ- und Ärztetransporte für die DSO durchführt, die Zustimmung zu
einer Ausdehnung des Geltungsbereichs der in Rede stehenden Ausnahmegenehmigungen
für den Kläger auf sein Landesgebiet versagt.
Vgl. die E-Mail des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft,
Verkehr und Landesentwicklung vom 02.02.2010, Bl. 132
der Gerichtsakte
Dementsprechend ist auch den von dem Beklagten weiter vorgelegten Schreiben des
Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 06.08.2009, des Innenministeriums
Baden-Württemberg vom 21.08.2009, des Senators für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa
der Freien Hansestadt Bremen vom 31.08.2009 sowie des Ministeriums für Infrastruktur
und Raumordnung Brandenburg vom 03.09.2009 zu entnehmen, dass eine positive
Bescheidung der vom Kläger auch dort vorsorglich gestellten Anträge auf Erteilung einer
Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 2 StVO i. V. m. § 35 Abs. 5 a StVO nicht
beabsichtigt sei. Vor diesem Hintergrund erscheint aber eine länderübergreifende
einheitliche Entscheidung über den Geltungsbereich der von dem Kläger begehrten
Ausnahmegenehmigungen geradezu zwingend geboten. Dass das Bundesministerium für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sich nach dem Vorbringen des Klägers im vorliegenden
Fall angeblich selbst nicht für zuständig hält, ist dabei ohne rechtliche Relevanz.
Greift damit aber die Bestimmung über die Zuständigkeit des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung nach § 46 Abs. 2 Satz 3 StVO ein, darf der Beklagte
die vom Kläger begehrten Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Abs. 2 StVO i. V. m. § 35
Abs. 5 a StVO mangels eigener Zuständigkeit nicht erteilen. Die Klage ist daher
unbegründet.
Überdies wäre, selbst wenn man die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung nach § 46 Abs. 2 Satz 3 StVO vorliegend verneinte, damit nicht
die sachliche Zuständigkeit des Beklagten für die Erteilung streitigen
Ausnahmegenehmigungen begründet. Eine Zuständigkeit des Beklagten als zuständiger
oberster Landesbehörde nach § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO i. V. m. § 5
Straßenverkehrszuständigkeitsgesetz vom 13.06.2001 (Amtsbl. 2001, 1430; zuletzt
geändert durch Gesetz vom 06.05.2009, Amtsbl. S. 878) – StVZustG – wäre nur dann
gegeben, wenn die Befugnis zur Erteilung der vom Kläger begehrten
Ausnahmegenehmigungen nicht auf eine andere Stelle übertragen worden wäre. Eine
solche Übertragung ist hier indes aufgrund der Vorschrift des § 10 StVZustG erfolgt, die
bestimmt, dass der Landesbetrieb für Straßenbau zuständige Behörde für die
Genehmigung von Ausnahmen von allen Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung nach §
46 Abs. 2 StVO ist und lediglich Grundsatzentscheidungen der Zustimmung des Beklagten
als oberster Landesbehörde bedürfen. Damit ist die Zuständigkeit des Beklagten vorliegend
aber in keinem Fall begründet, ohne dass es rechtlich darauf ankäme, ob die von dem
Beklagten für die Genehmigungserteilung als erforderlich angesehene vorherige Herstellung
des Einvernehmens aller betroffenen Bundesländer von dem Landesbetrieb für Straßenbau
als zuständiger Behörde überhaupt geleistet werden kann.
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf
den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird in Anwendung von §§ 52 Abs. 2, 63 Abs. 2 GKG auf 5.000 EUR
festgesetzt.