Urteil des VG Saarlouis vom 13.06.2008

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VG Saarlouis Beschluß vom 13.6.2008, 11 L 418/08
Standsicherheitsprüfung eines Grabmals durch Druckprobe per Hand
Leitsätze
1. Ist der Friedhofsträger zum einen bereits unter Gesichtspunkten der
Verkehrssicherungspflicht rechtlich gehalten, die Standfestigkeit von Grabmälern
regelmäßig zu prüfen, und ist dieser zum anderen nach der Friedhofssatzung unter den
entsprechenden Voraussetzungen befugt, ein nicht standsicheres Grabmal umzulegen und
sogar zu entfernen (also eine deutlich einschneidendere Maßnahme durchzuführen), so
folgt daraus auch die Befugnis, eine Standsicherheitsprüfung – in den Grenzen der
Verhältnismäßigkeit – durchzuführen.
2. Diese Befugnis erstreckt sich nicht auch auf die Durchführung einer sog. Rüttelprobe, da
nach den von der Friedhofssatzung in Bezug genommenen allgemein anerkannten Regeln
des Handwerkes davon auszugehen ist, dass eine Druckprobe ausreicht, um die
Standsicherheit zu beurteilen.
3. Die Druckprobe muss nicht mit einem Prüfgerät, sondern darf auch per Hand erfolgen.
4. Der Friedhofsträger hat zu gewährleisten, dass auch bei einer Druckprobe per Hand die
allgemein anerkannten Anforderungen, z.B. an Druckstärke und Druckdauer, eingehalten
werden und eine Beschädigung der Grabmale durch die Prüfung selbst ausgeschlossen
wird, d.h. insbesondere keine sog. Rüttelprobe erfolgt.
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Der Antrag der Antragstellerin, der Antragsgegnerin durch einstweilige Anordnung zu
untersagen,
„die Standsicherheitsprüfung der Grabmäler auf den
gemeindeeigenen Friedhöfen, insbesondere am Grabdenkmal meiner
Familie auf dem Friedhof in …, durch eine Druckprobe per Hand
durchzuführen“,
bleibt ohne Erfolg.
I. Der nach § 123 Abs. 1 VwGO statthafte Antrag ist bereits unzulässig, soweit die
Antragstellerin, jedenfalls nach dem Wortlaut ihres Antrags, nicht nur die Untersagung einer
Standsicherheitsprüfung per Handdruckprobe am Grabmal ihrer Familie, sondern an
sämtlichen Grabmälern aller gemeindeeigenen Friedhöfe der Antragsgegnerin begehrt.
Denn insofern fehlt es der Antragstellerin mangels einer denkbaren Verletzung in eigenen,
subjektiven Rechten bereits an der erforderlichen Antragsbefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO
analog). Soweit die Antragstellerin hingegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung
betreffend das Grabmal ihrer Familie auf dem Friedhof in … beantragt, bestehen gegen
ihre Antragsbefugnis und auch hinsichtlich der Zulässigkeit ihres Antrags im Übrigen keine
Bedenken.
II. Auch soweit der Antrag zulässig ist, ist er allerdings unbegründet. Es fehlt jedenfalls an
dem erforderlichen Anordnungsanspruch. Die Antragstellerin kann nicht verlangen, dass es
der Antragsgegnerin einstweilen untersagt wird, die Standsicherheitsprüfung am Grabmal
ihrer Familie auf dem Friedhof durch eine Druckprobe per Hand durchzuführen.
Rechtliche Grundlage der in Rede stehenden Standsicherheitsprüfung sind §§ 25 f. der
Friedhofssatzung der Gemeinde A-Stadt vom 25.04.2007 (im Folgenden: Satzung) i.V.m.
der gemeindlichen Verkehrssicherungspflicht. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 Satzung sind u.a.
Grabmale nach den allgemein anerkannten Regeln des Handwerks so zu fundamentieren
und zu befestigen, dass sie dauernd standsicher sind und auch bei dem Öffnen des Grabes
bzw. der Nachbargräber nicht umstürzen oder sich senken können. Diese sind zudem
gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 Satzung in (würdigem und) verkehrssicherem Zustand zu
halten. Nach § 26 Abs. 2 Satzung sind die für die Unterhaltung Verantwortlichen (d.h. der
Erwerber/Nutzungsberechtigte bzw. deren Rechtsnachfolger, § 26 Abs. 1 Satz 2 Satzung)
verpflichtet, unverzüglich Abhilfe zu schaffen, wenn die Standsicherheit des Grabmales
gefährdet ist; bei Gefahr im Verzuge kann die Friedhofsverwaltung auf Kosten der
Verantwortlichen Sicherungsmaßnahmen (z.B. durch Umlegen des Grabmales) treffen;
erfolgt nach einer Markierung innerhalb von vier Wochen keine Instandsetzung, so ist die
Friedhofsverwaltung berechtigt, das Grabmal auf Kosten der Verantwortlichen zu
entfernen.
Weiterhin muss gesehen werden, dass zur öffentlichen Sicherheit (§ 8 Abs. 1 SPolG) auch
Gesichtspunkte der gemeindlichen Verkehrssicherheitspflicht gehören, die sich auch auf die
Standsicherheit von Grabmalen erstreckt (vgl. König, Recht der Grabmalgestaltung, 2. Aufl.
1990, S. 44 f., m.w.N.). Hat der Träger eines Friedhofs – wie hier die Antragsgegnerin (§ 5
Satzung) - durch Eröffnung oder Zulassung des öffentlichen Verkehrs auf dem
Friedhofsgrundstück sowie dadurch, dass er die Aufstellung von Grabmalen gestattet,
einen Zustand geschaffen, aus dem Gefahren erwachsen können, so hat er nämlich die
erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um Schädigungen Dritter zu vermeiden (siehe auch
§ 9 Abs. 3 BestattG). Das gilt gerade auch für Gefahren, die von schadhaften oder
unsicher stehenden Grabmalen ausgehen (vgl. ausführlich Gaedke, Handbuch des
Friedhofs- und Bestattungsrechts, 9. Aufl. 2004, S. 73, 76, m.w.N.). Der Friedhofsträger
ist daher verpflichtet , die aufgestellten Grabmale regelmäßig auf ihre Standfestigkeit zu
überprüfen. Die Grabsteine und Grabmale müssen daher, wenn nicht ihre Beschaffenheit
von vornherein eine Gefahr ausschließt, durch eine Druckprobe überprüft werden, inwieweit
der betreffende Grabstein dem Prüfdruck standhält (vgl. Gaedke, a.a.O., S. 77 f.; vgl. auch
VG Koblenz, Urteil vom 14.12.1995 –2 K 2112/95-, juris; LG Freiburg, Urteil vom
12.10.1994 –8 O 229/94-, juris; siehe auch § 9 Nr. 2 der Unfallverhütungsvorschrift der
Gartenbau-Berufsgenossenschaft – Friedhöfe und Krematorien -, VSG 4.7, vom
01.01.2000).
Ist die Antragsgegnerin aber zum einen bereits unter Gesichtspunkten der
Verkehrssicherungspflicht rechtlich gehalten, die Standfestigkeit von Grabmalen regelmäßig
zu prüfen, und ist sie zum anderen nach der Satzung unter den entsprechenden
Voraussetzungen befugt, ein nicht standsicheres Grabmal umzulegen und sogar zu
entfernen (also eine deutlich einschneidendere Maßnahme durchzuführen), so folgt daraus
auch die Befugnis, eine Standsicherheitsprüfung – in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit -
durchzuführen.
Diese Befugnis erstreckt sich allerdings nicht auch auf die Durchführung einer sog.
Rüttelprobe, da nach den von § 25 Satzung in Bezug genommenen allgemein anerkannten
Regeln des Handwerkes davon auszugehen ist, dass eine Druckprobe (d.h. nur in eine
Richtung und mit definiertem Prüfdruck und definierter Druckdauer) ausreicht, um die
Standsicherheit zu beurteilen (s. dazu Ziff. 11.1 der Richtlinie für die Erstellung und Prüfung
von Grabmalanlagen, herausgegeben vom Bundesinnungsverband des Deutschen
Steinmetz-, Stein- und Holzbildhauerhandwerks, 5. Aufl. 2007, - im Folgenden: Richtlinie –
bzw. Ziff. 5.1 der Technischen Anleitung zur Standsicherheit von Grabmalen,
herausgegeben von der Deutschen Natursteinakademie e.V., August 2006, - im
Folgenden: TA Grabmal -; vgl. auch Gaedke, a.a.O., S. 78, Fn. 51 a).
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin gibt dabei aber weder die genannte Richtlinie
noch die TA Grabmal vor, ob die dargestellte Druckprobe (nicht: Rüttelprobe) mit einem
Prüfgerät oder von Hand zu erfolgen hat. Die Richtlinie selbst äußert sich hierzu nämlich
nicht. Die TA Grabmal lässt ausdrücklich auch eine Handprüfung (mit der vorgegebenen
Prüflast) zu. Lediglich nach den von der Antragstellerin in Bezug genommenen
„Erläuterungen“ zur genannten Richtlinie (von Herrn Dr. R. Stein, Stand: Juni 2007, dort S.
6) wird eine Prüfung mit einem Prüfgerät gefordert und eine Prüfung per Hand als nicht
geeignet angesehen. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass diese Auffassung bereits
Bestandteil der – hier insoweit allein maßgeblichen – allgemein anerkannten Regeln des
Handwerks geworden ist. Zwar mag es durchaus zutreffen, dass eine Prüfung mittels
eines Prüfgerätes vorzugswürdig erscheint. Dass diese allein zulässig und eine Druckprobe
per Hand unzulässig ist, kann jedoch jedenfalls im Rahmen der im vorliegenden
Eilrechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht angenommen
werden. Die Antragsgegnerin hat lediglich zu gewährleisten, dass auch bei einer
Druckprobe per Hand die allgemein anerkannten Anforderungen z.B. an Druckstärke und
Druckdauer eingehalten werden und eine Beschädigung der Grabmale durch die Prüfung
selbst ausgeschlossen wird, d.h. insbesondere keine sog. Rüttelprobe erfolgt. Unter diesen
Umständen ist auch nicht ersichtlich, dass die Durchführung einer Standsicherheitsprüfung
mittels einer Druckprobe per Hand unverhältnismäßig oder ermessensfehlerhaft sein
könnte.
Soweit die Antragstellerin behauptet, die Antragsgegnerin führe tatsächlich eine
Rüttelprobe durch, kommt es darauf schon deshalb nicht an, weil die Antragstellerin
jedenfalls nach dem Wortlaut ihres Antrags nicht die Untersagung einer Rüttelprobe,
sondern einer – technisch hiervon zu unterscheidenden – Druckprobe per Hand begehrt.
Aber selbst wenn man hierunter auch eine Rüttelprobe verstehen wollte, so muss gesehen
werden, dass die Antragstellerin ihre – von der Antragsgegnerin ausdrücklich bestrittene –
Behauptung bisher in keiner Weise glaubhaft gemacht hat, was jedoch nach § 123 Abs. 3
VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO erforderlich wäre. Sie hat sich zwar auf eine Zeugin
berufen, diese aber nicht namentlich benannt, geschweige denn eine eidesstattliche
Versicherung vorgelegt. Nichts anderes ergibt sich aus den von der Antragstellerin
vorgelegten Bildern des Grabmalsockels; schon mangels sachverständiger Begutachtung
kann die Kammer jedenfalls im Rahmen der hier allein möglichen summarischen Prüfung
nicht davon ausgehen, dass das von der Antragstellerin geltend gemachte Schadensbild
Ergebnis einer sog. Rüttelprobe ist, und erst recht nicht davon, dass die Antragsgegnerin
zukünftig mit der sog. Rüttelprobe arbeiten wird. Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin
der Antragstellerin bzw. deren Ehemann ausdrücklich angeboten hat, einen Termin für die
anstehende Standsicherheitsprüfung zu vereinbaren, so dass deren ordnungsgemäße
Durchführung kontrolliert werden kann; die Kammer geht davon aus, dass die
Antragsgegnerin dieses Angebot aufrecht erhält. Vor diesem Hintergrund kann aber
jedenfalls im Rahmen des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht
angenommen werden, dass die Antragsgegnerin am Familiengrab der Antragstellerin statt
einer – zulässigen – Druckprobe per Hand tatsächlich eine – unzulässige – Rüttelprobe
durchführen lässt.
Nach allem kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass die von der
Antragsgegnerin beabsichtigte Standsicherheitsprüfung in Form einer Druckprobe per Hand
rechtswidrig ist und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt, so dass der Antrag auf
deren Untersagung, auch soweit er zulässig ist, bereits mangels Anordnungsanspruchs und
mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen ist.
Beschluss
Der Streitwert wird – gemäß §§ 52, 63 GKG, wobei gemäß § 52 Abs. 2 GKG von einem
Regelstreitwert von 5.000,00 EUR auszugehen ist, der im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren, das hier die Hauptsache auch nicht vorwegnimmt, halbiert wird
(Nr. 1.5 Streitwertkatalog 2004) – auf 2.500,00 EUR festgesetzt.