Urteil des VG Saarlouis vom 16.10.2009

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VG Saarlouis Urteil vom 16.10.2009, 2 K 1862/08
Zur Kostenentscheidung bei Erledigung des Widerspruchs auf sonstige Weise (faktische
Gewährung der von einem Beamten begehrten stufenweisen Wiedereingliederung in den
Dienstbetrieb)
Tenor
Die Beklagte wird unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2008
verpflichtet, die Kosten des Widerspruchsverfahrens dem Widerspruchsgegner
aufzuerlegen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines
Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden
Kostenschuld abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger, Verwaltungsamtsrat in Diensten der Beklagten, begehrt die Abänderung eines
Widerspruchsbescheides.
Mit Schreiben vom 15.04.2008 bat die Beklagte das Landesamt für Jugend, Soziales und
Versorgung, Zentrale Gutachtenstelle für Landesbedienstete, den Kläger wegen Zweifel
über seine Dienstunfähigkeit amtsärztlich zu untersuchen. In dem Schreiben heißt es, der
Kläger sei im Jahr 2008 bereits an 68 Tagen arbeitsunfähig gewesen; in den Jahren 2005,
2006 und 2007 hätten sich die krankheitsbedingten Fehltage auf insgesamt 297 Tage
summiert. Es sei beabsichtigt, den Beamten in den Ruhestand zu versetzen, da er
aufgrund seiner körperlichen Gebrechen dauernd dienstunfähig sei.
Mit Schreiben vom 29.05.2008 teilte die Zentrale Gutachtenstelle für Landesbedienstete
der Beklagten mit, der Kläger sei am 19.05.2008 (erneut) amtsärztlich untersucht
worden. Der Kläger habe sich am 11.03.2005 einer Knie-Totalendoprothese-Implantation
rechts unterzogen. Dem habe sich ein komplizierter Krankheitsverlauf angeschlossen. Im
Februar 2008 habe in mehreren Schritten ein Wechsel der Knie-Totalendoprothese rechts
stattgefunden, wobei der letzte operative Eingriff am 19.02.2008 erfolgt sei. Aus einer
stationären Rehamaßnahme vom 03.03. bis 06.04.2008 sei der Kläger noch
arbeitsunfähig entlassen worden. Nach einer inzwischen durchgeführten ambulanten
Rehamaßnahme erfolge jetzt eine regelmäßige ambulante Physiotherapie. Derzeit sei der
Kläger noch nicht in der Lage, seinen Dienst zu verrichten; die Prognose sei ungewiss. Nach
Einschätzung des Chefarztes der C.-Klinik B. A-Stadt sei die Beurteilung der Dienstfähigkeit
erst nach Ablauf eines halben Jahres nach der letzten Maßnahme möglich. Diese
Einschätzung werde von amtsärztlicher Seite geteilt, so dass eine abschließende
Beurteilung erst nach dem 19.08.2008 möglich sei. Der Kläger habe geäußert, dass er in
sechs Wochen im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung seinen Dienst
aufnehmen wolle.
Mit Schreiben vom 30.05.2008 legte der Kläger der Beklagten eine
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung seines behandelnden Facharztes für Orthopädie vor,
wonach der Kläger voraussichtlich bis einschließlich 23.06.2008 arbeitsunfähig sei. Unter
Bezug hierauf erklärte der Kläger, er werde voraussichtlich seinen Dienst am 24.06.2008
wieder antreten können. Da er jedoch nach langem Krankenhausaufenthalt und vier
Vollnarkoseoperationen noch nicht wieder voll einsatzfähig sei, beantrage er im Rahmen
des betrieblichen Eingliederungsmanagements der Hochschule, dass seine Arbeitszeit
zunächst drei Stunden pro Tag betrage und Woche für Woche um eine halbe Stunde
erhöht werde. Hierzu legte er ein dahingehendes Attest seines Facharztes für Orthopädie
vor.
Mit Schreiben vom 12.06.2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie halte ihn unter
Berücksichtigung des Ergebnisses der amtsärztlichen Untersuchung weiterhin für
dienstunfähig und beabsichtige, ihn in der 34. Kalenderwoche erneut auf seine
Dienstfähigkeit hin untersuchen zu lassen. Einer stundenweisen Dienstaufnahme, wie
schon einmal praktiziert, stimme sie mangels beamtenrechtlicher Rechtsgrundlage und
fehlender Refinanzierungsmöglichkeiten seitens des Integrationsamtes nicht zu.
Mit Anwaltschreiben vom 18.06.2008 legte der Kläger gegen den Bescheid vom
12.06.2008 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, der Bescheid verkenne das
betriebliche Eingliederungsmanagement. Grundlage dieses Eingliederungsmanagements sei
der Grundsatz der Fürsorgepflicht. Der Kläger habe als schwerbehinderter Mensch einen
Grad der Behinderung von 60 %. Refinanzierungsmöglichkeiten seien für die Gewährung
einer Wiedereingliederung irrelevant.
Am 24.06.2008 legte der Kläger eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor,
wonach er voraussichtlich bis einschließlich 14.07.2008 arbeitsunfähig sei.
Mit Schreiben vom 30.06.2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Antrag auf
Eingliederung ab 24.06.2008 sei durch die neuerliche Krankmeldung überholt.
Unter dem 11.07.2008 teilte der Kläger mit, er sei von seinem behandelnden Arzt weiter
bis einschließlich 12.08.2008 krankgeschrieben worden.
Mit Anwaltschreiben vom 17.07.2008 wies der Kläger darauf hin, für eine vollzeitige
Beschäftigung sei er zwar derzeit noch nicht arbeitsfähig, teilweise könne er aber seine
Arbeit erbringen, weshalb der Antrag auf betriebliche Eingliederung gestellt sei. Möglich sei
eine Arbeitszeit von drei Stunden, die sich Woche für Woche um eine halbe Stunde erhöhe.
Die Eingliederung solle am 01.10.2008 nach dem Urlaub des Klägers beginnen.
Ein von dem Kläger gestellter Urlaubsantrag (Erholungsurlaub vom 13.08. bis einschließlich
30.09.2008) war Gegenstand des gerichtlichen Eilverfahrens 2 L 739/08 (Beschluss der
Kammer vom 12.08.2008 und Beschluss des OVG Saarlouis vom 16.09.2008 – 1 B
345/08 -).
Mit Schreiben vom 31.07.2008 gewährte die Beklagte dem Kläger in der Zeit vom 13.08.
bis 12.09.2008 Erholungsurlaub und teilte ihm mit, ob und in welcher Weise nach dem
Erholungsurlaub Maßnahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements eingeleitet
würden, hänge von dem weiteren amtsärztlichen Gutachten ab.
Unter dem 27.08.2008 teilte die Zentrale Gutachtenstelle für Landesbedienstete unter
Bezugnahme auf einen Behandlungsbericht des Chefarztes der C.-Klinik A-Stadt und auf ein
ärztliches Attest des behandelnden Facharztes für Orthopädie mit, am rechten Knie des
Klägers sei eine erhebliche Besserung eingetreten. Die von dem Chefarzt der C.-klinik und
dem Facharzt vorgeschlagene Wiedereingliederungsmaßnahme werde amtsärztlicherseits
unterstützt. Mit der Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit sei nach der
Wiedereingliederungsphase zu rechnen.
Aus einem Aktenvermerk vom 15.09.2008 – Bl. 50 der Verwaltungsakte – ergibt sich,
dass die Beklagte wegen des dringenden dienstlichen Bedürfnisses an einer Dienstleistung
durch den Kläger die rechtlichen Bedenken an der beantragten zeitlichen
Wiedereingliederung nicht vertiefen wolle und der Eingliederung ab dem 15.09.2008
zustimme.
Die Wiedereingliederung wurde in der Folge planmäßig durchgeführt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2008 stellte die Beklagte sodann das
Widerspruchsverfahren ein, legte dem Kläger die Kosten auf und erklärte die Hinzuziehung
eines Rechtsanwalts für notwendig. Zur Begründung heißt es, der Widerspruch habe sich
durch Dienstunfähigkeit des Widerspruchsführers zu dem beantragten Zeitpunkt in der
Hauptsache erledigt, so dass das Widerspruchsverfahren einzustellen sei. Eine
Wiedereingliederung durch zeitweise Verminderung der Arbeitszeit setze voraus, dass der
Beamte den Dienst tatsächlich antrete. Die Dienstfähigkeit zu dem beantragten Zeitpunkt
habe er durch Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung widerlegt. Der Widerspruch
wäre damit auch bei einer Entscheidung in der Hauptsache erfolglos geblieben. Deshalb
habe der Widerspruchsführer unter Berücksichtigung des bisherigen Sachstandes die
Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen.
Gegen den ihm am 17.11.2008 zugestellten Bescheid richtet sich die am 09.12.2008 bei
Gericht eingegangene Klage, mit der der Kläger zunächst geltend gemacht hat, eine
Erledigung sei nur deshalb eingetreten, weil antragsgemäß verfahren worden sei. Damit sei
das Verfahren nicht einzustellen gewesen, sondern der Antrag habe förmlich entsprechend
der tatsächlichen Verfahrensweise beschieden werden müssen. Soweit darauf abgestellt
werde, dass der Kläger zum beantragten Zeitpunkt nicht dienstfähig gewesen sei, werde
ignoriert, dass schon im Mai 2008 ein ärztliches Attest vorgelegt worden sei, das die
Eingliederung genauso vorgeschlagen habe, wie sie dann letztlich durchgeführt worden sei.
Das Attest habe die Aussage beinhaltet, dass für eine Beschäftigung im reduzierten
Umfang (schon) teilweise Dienstfähigkeit bestanden habe. Schon zum Zeitpunkt der
Antragstellung sei der Antrag auf Wiedereingliederung zulässig und begründet gewesen.
Die ursprüngliche Ablehnung habe auch nicht die fehlende Dienstfähigkeit zum Inhalt
gehabt, sondern andere, neben der Sache liegende Gründe. Über die Kosten des
Widerspruchsverfahrens habe zugunsten des Klägers als Widerspruchsführer entschieden
werden müssen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2008
zu verpflichten, die Kosten des Widerspruchsverfahrens dem
Widerspruchsgegner aufzuerlegen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, über die Kosten des Widerspruchsverfahrens unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie macht geltend, dem Eingliederungsbegehren des Klägers habe zu dem beantragten
Zeitpunkt (24.06.2008) nicht stattgegeben werden können, da zu diesem Zeitpunkt nicht
festgestanden habe, ob er dienstfähig sei. Der Frage der Eingliederung sei die Entscheidung
über eine bestehende oder nicht bestehende Dienstfähigkeit vorgelagert gewesen. Eine
endgültige Prognose sei erst nach dem 19.08.2008 möglich gewesen. Der ablehnenden
Entscheidung habe ferner der Gedanke zugrunde gelegen, dass eine Eingliederung mit
reduzierter Arbeitszeit nur dann Sinn mache, wenn ein zusammenhängender Zeitraum für
die stufenweise Erhöhung der Arbeitszeit zur Verfügung stehe. Angedacht sei auch
gewesen, dem Kläger Urlaub zum Zweck der Erholung zu gewähren. Bevor es zu einem
klärenden Gespräch habe kommen können, habe der Kläger Widerspruch eingelegt. Die bis
zum 12.08.2008 eingereichten erneuten Krankmeldungen hätten zur Folge gehabt, dass
der Eingliederungswunsch des Klägers sowie die angedachten Eingliederungspläne der
Beklagten gescheitert seien. Dem Antrag auf Reduzierung der Arbeitszeit ab dem
24.06.2008 sei durch die Krankmeldungen die Grundlage entzogen worden. Im Rahmen
des betrieblichen Eingliederungsmanagements könne die Arbeitszeit bei Beamten durch die
Gewährung von Dienstbefreiung nach einer individuellen Ermessensentscheidung nur
reduziert werden, wenn der Dienst angetreten werde. Weiterer Beleg für die Erledigung
des Widerspruchs vom 18.06.2008 sei, dass der Kläger nach wiedererlangter
Dienstfähigkeit mit der Vorlage eines neuen Attestes vom 21.08.2008 einen neuen
Lebenssachverhalt geschaffen habe.
Ergänzend hat die Beklagte geltend gemacht, der Kläger habe mit seinem Schreiben vom
30.05.2008 selbst eingestanden, noch nicht voll einsatzfähig zu sein. Diese Aussage habe
die Beklagte als Dienstunfähigkeit werten müssen. Damit sei richtigerweise der Antrag mit
Schreiben vom 12.06.2008 abgelehnt worden, wobei sich die Beklagte einer
Kommentierung zum Saarländischen Beamtengesetz angeschlossen habe. Bei einer
unmittelbaren Entscheidung im Juli 2008 hätte der Widerspruch zurückgewiesen werden
müssen und die Kostenentscheidung wäre so, wie letztlich erfolgt, ausgefallen. Daran sei
festzuhalten, auch wenn sich der Widerspruch nachträglich erledigt habe. Ein neuer
Lebenssachverhalt sei nach amtsärztlich festgestellter Dienstfähigkeit, erfolgtem
Erholungsurlaub und nachfolgendem Dienstantritt entstanden. Das zweite Attest des
behandelnden Facharztes vom 21.08.2008 sei nach wie vor von einer „eingeschränkten“
Arbeitsfähigkeit ausgegangen. Vor diesem Hintergrund wäre ab dem 15.09.2008 auch die
Annahme einer begrenzten Dienstfähigkeit im Sinne des § 52 a SBG – alt – in Frage
gekommen. Dies hätte für den Kläger eine zeitlich befristete Reduzierung seiner Bezüge
zur Folge gehabt, weshalb die Nichtanwendung dieser Regelung für den Kläger einen nicht
unerheblichen finanziellen Vorteil dargestellt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt
der Gerichtsakte, der Akte 2 L 739/08 und der Verwaltungsakte der Beklagten. Er war
Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage, die sich entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung gestellten
Klageantrag gegen die Kostenentscheidung in dem Widerspruchsbescheid der Beklagten
vom 14.11.2008 richtet und mit der der Kläger eine Kostenentscheidung zu seinen
Gunsten begehrt, hat Erfolg.
Die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheides, die die Kosten des
Widerspruchsverfahrens dem Widerspruchsführer (Kläger) auferlegt, ist rechtswidrig und
verletzt den Kläger deshalb in seinen Rechten; sie ist daher abzuändern (§ 113 Abs. 5 Satz
1 VwGO).
Zu Recht hat die Beklagte die Kostenentscheidung auf § 80 Abs. 1 Satz 5 SVwVfG
gestützt. Nach dieser Vorschrift wird in den Fällen, in denen sich der Widerspruch auf
andere Weise erledigt – also weder erfolgreich noch erfolglos ist – über die Kosten nach
billigem Ermessen entschieden, wobei der bisherige Sachstand zu berücksichtigen ist. Von
einer Erledigung des Widerspruchs auf andere Weise ist vorliegend auszugehen.
Zwar hat die Beklagte dem gegen ihren Ablehnungsbescheid vom 12.06.2008 eingelegten
Widerspruch nicht durch Erlass eines Abhilfebescheides im Sinne von § 72 VwGO
abgeholfen und hat die von dem Kläger begehrte stufenweise Wiedereingliederung auch
nicht zum Gegenstand eines Zweitbescheides gemacht
vgl. zur Erledigung des Widerspruchsverfahrens auf sonstige Weise durch Erlass
eines Zweitbescheides, Urteil der Kammer vom 03.12.2004 – 12 K 181/03 -.
Allerdings hat die Beklagte im Ergebnis die Wirkungen einer Abhilfe dadurch herbeigeführt,
dass sie dem Kläger die begehrte Wiedereingliederung faktisch in vollem Umfang gewährt
hat. Raum für eine streitige Widerspruchsentscheidung bestand von daher zum Zeitpunkt
der Entscheidung über den Widerspruch nicht mehr, zumal die stufenweise
Wiedereingliederung zu diesem Zeitpunkt bereits seit zwei Monaten lief und zeitlich nahezu
abgeschlossen war. Der Kläger ist der Annahme einer Erledigung des
Widerspruchsverfahrens in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr
entgegengetreten.
Billigem Ermessen im Sinne von § 80 Abs. 1 Satz 5 SVwVfG hätte es vorliegend allein
entsprochen, die Kosten des Widerspruchsverfahrens dem Widerspruchsgegner
aufzuerlegen.
Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements bei schwerbehinderten
Beamten,
vgl. dazu VG Frankfurt, Urteil vom 29.02.2008 – 9 E 941/07 -, IÖD 2008, 204:
Rechtsgrundlage: § 84 Abs. 2 SGB IX; VG Berlin, Urteil vom 26.02.2008 – 28 A
134/05 -, juris: Rechtsgrundlage: die allgemeine Fürsorgepflicht; offen gelassen
im Urteil der Kammer vom 12.05.2009 – 2 K 814/08 –
dessen Ziel es jedenfalls ist, durch geeignete Präventionsmaßnahmen das Arbeits- bzw.
Dienstverhältnis möglichst dauerhaft zu sichern, setzt grundsätzlich voraus, dass die
Wiederherstellung der Arbeits- bzw. Dienstfähigkeit nicht von vorneherein ausgeschlossen
erscheint
vgl. Urteil der Kammer vom 12.05.2009, a.a.O..
Eine vollständige Dienstfähigkeit für einen vollschichtigen Einsatz wird demgegenüber
bereits begrifflich nicht verlangt.
Vor diesem Hintergrund ist der Antrag des geraume Zeit dienstunfähig erkrankten Klägers
auf Gewährung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (stufenweise
Wiedereingliederung) vom 30.05.2008 zu sehen. Mit der Erklärung, er wolle seinen Dienst
zwar am 24.06.2008 (nach Ablauf der aktuellen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) wieder
antreten, sei aber noch nicht „voll einsatzfähig“, sondern wolle entsprechend dem von
seinem Facharzt attestierten Wiedereingliederungsplan zunächst mit drei Stunden täglich
beginnen, hat der Kläger deutlich gemacht, dass mit der Wiedereingliederung aus seiner
Sicht am 24.06.2008 begonnen werden sollte. Dies hat auch die Beklagte so gesehen.
Das der Beklagten dann am 04.06.2008 zugegangene Gutachten der Zentralen
Gutachtenstelle für Landesbedienstete stand der Gewährung eines
Eingliederungsmanagements nicht entgegen. Zwar heißt es dort, nach fachärztlicher
Einschätzung, der sich die Amtsärztin anschließe, sei eine Beurteilung der Dienstfähigkeit
erst nach Ablauf eines halben Jahres nach der letzten Maßnahme, d.h. erst nach dem
19.08.2008 möglich; gemeint ist damit aber, dass eine Aussage über die Dienstfähigkeit
des Klägers für einen vollschichtigen Einsatz noch nicht möglich sei. Dass die
Wiedererlangung der Dienstfähigkeit für einen vollschichtigen Einsatz von vorneherein
ausgeschlossen werden könne, besagt das amtsärztliche Gutachten gerade nicht.
Aufgrund der zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses -12.06.2008- vorliegenden
fachärztlichen und amtsärztlichen Einschätzungen ist deshalb der die stundenweise
Dienstaufnahme mit der Begründung ablehnende Bescheid, es mangele an einer
beamtenrechtlichen Rechtsgrundlage und an Refinanzierungsmöglichkeiten seitens des
Integrationsamtes, ungeachtet dieser Begründung nicht dadurch sachlich gerechtfertigt,
dass eine Wiederherstellung der Dienstfähigkeit aufgrund des Krankheitsbildes von
vorneherein ausgeschlossen war.
Die Gewährung einer Wiedereingliederung ab dem 24.06.2008 scheiterte damit allein
deshalb, weil die Beklagte eine solche Maßnahme aus grundsätzlichen Erwägungen heraus
abgelehnt hatte. Dass der Kläger nach dem 23.06. bis einschließlich 12.08.2008 zwei
weitere Folgebescheinigungen seines behandelnden Facharztes über seine
Arbeitsunfähigkeit vorgelegt hatte, führt zu keiner anderen Einschätzung. Entscheidend ist,
dass die weiteren Krankschreibungen des behandelnden Facharztes vor dem Hintergrund
gesehen werden müssen, dass aufgrund der grundsätzlichen Ablehnung einer
Wiedereingliederung wegen fehlender Rechtsgrundlage weder am 24.06.2008 noch zu den
späteren Zeitpunkten der Krankschreibung die rechtliche Möglichkeit bestand, eine
Wiedereingliederung – beginnend mit einem dreistündigen täglichen Einsatz –
durchzuführen. In Kenntnis der grundsätzlichen Ablehnung einer stufenweisen
Wiedereingliederung konnten vielmehr ab dem 24.06.2008 nur noch weitere, den
vollschichtigen Einsatz betreffende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt werden.
Entgegen der Auffassung der Beklagten war der Antrag auf Wiedereingliederung mithin
durch die ab dem 24.06.2008 erfolgte Krankschreibung nicht „überholt“; eine
stundenweise Wiedereingliederung konnte in der Zeit ab dem 24.06.2008 aufgrund der
fortbestehenden ablehnenden Haltung der Beklagten und ungeachtet des fortlaufenden
Genesungsprozesses bei dem Kläger nicht erprobt werden. Dieser Umstand geht bei der
nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung fraglos mit dem
Widerspruchsgegner heim.
Der Wiedereingliederungsantrag des Klägers ist auch weder durch den gewährten
Erholungsurlaub noch durch sonstige Umstände „überholt“ worden; der von der Beklagten
angesprochene neue „Lebenssachverhalt“ ist insoweit nicht ersichtlich. Zwar hat die
weitere amtsärztliche Untersuchung ausweislich des Gutachtens vom 27.08.2008 eine
erhebliche Besserung des erkrankten Knies ergeben. Damit stand aber nur fest, dass eine
dauernde Dienstunfähigkeit – wie von der Beklagten zunächst vermutet – nicht vorlag und
damit auch eine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand nicht in Betracht kam. Soweit in
dem amtsärztlichen Gutachten sowie in dem weiteren Attest des behandelnden
Facharztes vom 21.08.2008 eine stufenweise Wiedereingliederung befürwortet wird, hat
sich der Sachverhalt gegenüber der Situation Ende Mai/Anfang Juni 2008 nicht geändert.
Amtsärztin und Privatärzte gehen vielmehr auch Ende August übereinstimmend davon aus,
dass Dienstfähigkeit für einen vollschichtigen Einsatz noch nicht vorliegt, die
Dienstaufnahme vielmehr mit stufenweiser Steigerung erfolgen solle. Der empfohlene und
letztlich auch durchgeführte Wiedereingliederungsplan (Dienstbeginn mit 3 Stunden,
Steigerung um eine halbe Stunde wöchentlich, Laufzeit der Wiedereingliederung 10
Wochen) war von dem behandelnden Facharzt in gleicher Weise bereits in dem Attest vom
28.05.2008 aufgestellt worden.
Unabhängig von den ärztlichen Empfehlungen hätte nach allem eine Wiedereingliederung
auch nach dem 15.09.2008 nicht stattgefunden, wenn die Beklagte ihre in dem Schreiben
vom 12.06.2008 zum Ausdruck gebrachte, grundsätzlich ablehnende Haltung aufrecht
erhalten hätte.
Die Voraussetzungen für eine – dauerhafte – begrenzte Dienstfähigkeit des Klägers im
Sinne von § 52 a SBG a.F. lagen schon deshalb nicht vor, weil nach dem Gutachten der
Amtsärztin bei der Zentralen Gutachtenstelle für Landesbedienstete vom 27.08.2008
schon von einer dauerhaften Dienstunfähigkeit für einen vollschichtigen Einsatz nicht
auszugehen war, vielmehr mit der Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit nach der
Wiedereingliederungsphase gerechnet werden konnte.
Hat die beklagte Dienstbehörde den Kläger nach allem durch die Gewährung der von ihm
beantragten stufenweisen Wiedereingliederung letztlich „klaglos“ gestellt, entspricht es
billigem Ermessen im Sinne von § 80 Abs. 1 Satz 5 SVwVfG ihr die Kosten des erledigten
Widerspruchsverfahrens aufzuerlegen. Unter entsprechender Abänderung des
Widerspruchsbescheides (Ziff. 2 des Bescheidtenors) ist die Beklagte deshalb zu einer
entsprechenden Kostenentscheidung zu verpflichten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr.
11, 711 ZPO.
B e s c h l u s s
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG nach der sich aus dem Antrag des Klägers für
ihn ergebenden Bedeutung der Sache in Höhe der in dem Widerspruchsverfahren
entstandenen Rechtsanwaltskosten und damit auf 489,45 Euro festgesetzt.