Urteil des VG Saarlouis vom 29.01.2009

VG Saarlouis: aufschiebende wirkung, rückforderung, 1849, devisenkurs, härte, ausgabe, ausstellung, kopie, vollzug, insolvenz

VG Saarlouis Beschluß vom 29.1.2009, 2 L 1849/08
Fristbeginn bei der Rückforderung von Lastenausgleichszahlungen
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Gründe
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, den das Gericht bei sachgerechter
Auslegung als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des gegen den
Rückforderungs- und Leistungsbescheid der Antragsgegnerin eingelegten Rechtsbehelfs –
nämlich der Beschwerde nach § 336 Abs. 1 LAG - versteht, ist zwar zulässig, aber
unbegründet.
Entfällt wie hier aufgrund bundesgesetzlicher Regelung - § 340 Abs. 2 LAG – die
aufschiebende Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs, kann das Verwaltungsgericht die
aufschiebende Wirkung dieses Rechtsbehelfs anordnen (§ 333 LAG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz
1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Entsprechend § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO i.V.m. § 340 Abs.
3 LAG setzt dies voraus, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen
Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Kostenpflichtigen eine unbillige,
nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Rückforderungs- und Leistungsbescheids der
Antragsgegnerin vom 01.10.2008 bestehen allerdings nicht.
Dem angefochtenen Bescheid, mit dem von dem Antragsteller ein Betrag von 729,41 Euro
Hauptentschädigung zurückgefordert wird, ist folgende Begründung beigefügt:
„Begründung zu Nr. 7:
Das Ausgleichsamt der Landeshauptstadt Saarbrücken ist
gemäß § 326 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) in
Verbindung mit den derzeit gültigen Weisungen des
Präsidenten des Bundesausgleichsamtes für die Erteilung
des Rückforderungs- und Leistungsbescheides zuständig.
Die Rückforderungsfrist nach § 349 Abs. 5 Satz 3 LAG ist
eingehalten.
Mit dem Zusammenbruch der ehemaligen
Ostblockstaaten wurde – und wird noch – im
Lastenausgleich entschädigtes Vermögen in großem
Umfang zurückgegeben oder nach den jeweiligen
Landesvorschriften entschädigt. Diese
Vermögensrückgaben und Entschädigungen sind gemäß §
342 Abs. 7 LAG Leistungen, die den nach den Vorschriften
des FG/LAG festgestellten und entschädigten Schaden
nachträglich ganz oder teilweise ausgleichen. Nach § 342
Abs. 3 LAG sind Schadensausgleichsleistungen durch
Rückforderung der gewährten
Lastenausgleichsentschädigungen nach Maßgabe des §
349 LAG zu berücksichtigen. Gemäß § 349 Abs. 1 Satz 1
LAG sind in den Schadensausgleichsfällen des § 342 Abs.
3 LAG die zuviel gewährten Ausgleichsleistungen nach
Maßgabe der Absätze 2 bis 5 zurückzufordern. Diese
Vorschrift ist zwingend. Die Gewährung von
Vertrauensschutz bezüglich der gewährten
Lastenausgleichsleistungen oder die Ausübung eines
Ermessens hinsichtlich der Rückforderung sind somit
ausgeschlossen. Die Erteilung von Entschädigungsscheinen
aufgrund der ungarischen Entschädigungsgesetze stellt
einen Schadensausgleich – Surrogat für das geschädigte
Vermögen – dar.
Bei den Entschädigungsscheinen handelt es sich um eine
sonstige Schadensausgleichsleistung in Geld oder
geldeswert im Sinne von § 349 Abs. 3 Satz 5 LAG. Der
Schadensausgleich erfolgt in diesen Fällen grundsätzlich
mit der Ausgabe des Entschädigungsscheines. Dabei ist
der im Entschädigungszertifikat festgesetzte Forint-Betrag
mit dem Devisenkurs im Zeitpunkt der Zertifikatsausgabe
in Euro umzurechnen und schadensmindern auf das
einzelne Schadensobjekt bezogen vom ebenfalls in EUR
umgerechneten Schadensbetrag abzuziehen.
Berechnung des Schadensausgleichs:
Der Entschädigungsschein wurde am 17.01.1994
ausgestellt und ausgehändigt. Zu diesem Zeitpunkt ist der
Schadensausgleich eingetreten. Der Devisenkurs betrug
zu diesem Zeitpunkt 1 DM = 58,18 Forint. 83000 Forint
= 1.426,61 DM = 729,41 EUR Schadensausgleich.
Die Rückforderung richtet sich gemäß § 349 Abs. 5 LAG
gegen den Empfänger von Ausgleichsleistungen, deren
Erben oder weitere Erben, soweit diese oder deren
Rechtsnachfolger die Schadensausgleichsleistungen
erlangt haben.
Zur Ermittlung des Rückforderungsbetrages ist gemäß §
349 Abs. 2 LAG der Endgrundbetrag der
Hauptentschädigung zu berechnen, der sich ohne
Berücksichtigung des Schadens, soweit er ausgeglichen
ist, ergeben würde.
Übersteigt der tatsächlich zuerkannte und erfüllte
Endgrundbetrag der Hauptentschädigung den neu gemäß
§ 349 Abs. 2 LAG berechneten Endgrundbetrag, ist nach §
349 Abs. 4 S. 1 LAG der übersteigende Grundbetrag
zuzüglich des nach Satz 3 berechneten Zinszuschlages
zurückzufordern. Danach ist für die Berechnung des
zurückzufordernden Zinszuschlages der für die erstmalige
Erfüllung von Hauptentschädigung für das betroffene
Wirtschaftsgut angewandte Vomhundertsatz maßgebend,
der dem Zinszuschlag im Sinne des § 250 Abs. 3 LAG
zugrunde gelegt wurde. Der Mehrgrundbetrag (§ 250 Abs.
6 LAG) bleibt bei der Berechnung des zurückzufordernden
Zinszuschlages unberücksichtigt.
Gemäß § 349 Abs. 4 Satz 4 LAG darf der
Rückforderungsbetrag den Wert der erlangten
Schadensausgleichsleistung nicht übersteigen. Dies ist
nicht der Fall.“
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorstehenden Ausführungen sind aus Sicht
des Gerichts nicht veranlasst. Soweit der Antragsteller auf die seit der Ausstellung des
Entschädigungsscheines verstrichene Zeit – 15 Jahre – hinweist und meint, der Zeitablauf
steht einer Rückforderung entgegen, greift dies nicht durch.
Nach § 349 Abs. 5 LAG i. V. m. dem in der Antragserwiderung bezeichneten
Rückforderungsrundschreiben des Präsidenten des Bundesausgleichsamtes ist die
Rückforderung nach Ablauf von vier bzw. zehn Jahren nach dem Kalenderjahr
ausgeschlossen, in dem die Ausgleichsbehörde von dem Schadensausgleich und von der
Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt hat. Kenntnis i. d. S. hat die Antragsgegnerin
erst im Jahr 2008 erlangt, nachdem ihr eine Kopie des dem Antragsteller durch die
ungarische Entschädigungsbehörde ausgestellten Entschädigungsscheines übersandt
worden war. Die Rückforderung ist damit nicht durch Zeitablauf ausgeschlossen.
Da der Schadensausgleich bereits mit der Ausgabe des Entschädigungsscheines erfolgt ist
– 17.01.1994 -, kommt es bei der rechtlichen Betrachtung nicht darauf an, dass der
Antragsteller den Entschädigungsbetrag von 83.000 Forint (729,41 Euro) angeblich nicht
erhalten hat, sondern von einem Verwandten bei einer (ihm unbekannten) Bank in
Budapest einzahlen ließ.
Auch eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interesse gebotene Härte liegt
ersichtlich nicht vor. Davon ist insbesondere in Fällen auszugehen, in denen der Vollzug des
Rückforderungsbescheides zu nicht wieder gutzumachenden Schäden, etwa zur Insolvenz
oder Existenzvernichtung führen würde. Hiervon kann schon angesichts der Höhe des
zurückgeforderten Betrages ersichtlich nicht ausgegangen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten
der Länder gemäß § 334 Abs. 3 Satz 1 LAG Gebühren in Höhe des Mindestsatzes erhoben
werden.