Urteil des VG Saarlouis vom 03.12.2008

VG Saarlouis: halle, nicht störender gewerbebetrieb, nutzungsänderung, grundstück, lärm, geschäftsbetrieb, gemeinde, stadt, reparatur, auflage

VG Saarlouis Urteil vom 3.12.2008, 5 K 877/08
Teilweise erfolgreicher Nachbarschutz gegen 3 Baugenehmigungen, mit denen
Folgenutzungen auf dem Betriebsgelände eines früheren Omnibusunternehmens
zugelassen wurden
Leitsätze
1. Ein aufgegebenes Busunternehmen prägt die nähere Umgebung auch noch 9 Jahre nach
dessen Aufgabe, wenn dort stets Nutzungen und ständig Versuche stattfanden,
Folgenutzungen zu legalisieren.
2. Die Zulassung eines Kraftfahrzeugreparaturbetriebes an der Stelle eines früheren
Busunternehmens kann im Einzelfall das Gebot der Rücksichtnahme verletzen.
3. Ein Kraftfahrzeuggebrauchthandel mit Pkw hat für die Nachbarschaft im Regelfall kein
größeres Störpotential als ein Busunternehmen.
4. Die Zulassung von Teilen einer ehemaligen Buswartungshalle als Ausstellungsfläche und
zur Innenreinigung von gebrauchten Pkw führt regelmäßig nicht zu einer Erhöhung des
Störpotentials für die Nachbarschaft.
Tenor
Der Bauschein Nr. 63-1065/07 vom 21.11.2007 und der Widerspruchsbescheid vom
09.07.2008 (Az: KRA 2/08) werden aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen
tragen die Kläger zu je 4/6, der Beklagte und der Beigeladene zu je 1/6.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss
ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der
Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 45.000,-- Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Privatbeteiligten sind Nachbarn.
Die Kläger bewohnen das in der S. Straße in A-Stadt gelegene Anwesen Nr. (Gemarkung A-
Stadt, Flur, Parzelle); es ist mit einem Wohnhaus bebaut. Linksseitig grenzt das streitige
Nachbargrundstück S. Straße Nr. (Gemarkung A-Stadt, Flur, Parzellen) an. Auf dem 17,15
Ar großen Grundstück steht straßennah ein älteres zweigeschossiges Wohn- und
Geschäftshaus sowie ein eine Grundfläche von 5 x 8 m aufweisender genehmigter
Imbissstand. In der hinteren südwestlichen Grundstücksecke steht in Traufenstellung zur
Straße eine eingeschossige Halle, die eine Grundfläche von 21 x 17,50 m aufweist, mit
einem Satteldach versehen ist und deren östlicher Giebel über vier Tore verfügt, die in
Richtung auf die zum Anwesen der Kläger hin vorgelagerte Hoffläche geöffnet werden
können. Im Inneren der Halle befinden sich eine Montagegrube und eine Hebebühne für
Pkw. Dieses Gebäude wurde von den Rechtsvorgängern des Beigeladenen, den
Busunternehmen U. und O., bis 1998 zusammen mit dem vorgelagerten Wohnhaus als
Sitz für ein Omnibus- bzw. Reiseunternehmen genutzt. Nach Auskunft des Beklagten
wurde die Halle mit Bauschein 1970 als Unterstellhalle für Omnibusse genehmigt.
In der Zeit von Oktober 1998 bis Oktober 2003 fand auf dem Grundstück S. keine
genehmigte gewerbliche Nutzung statt. In dieser Zeit wurden jedoch immer wieder
verschiedene Bauanträge zur Legalisierung neuer Nutzungen gestellt, so zum Neubau einer
Araltankstelle, die Gegenstand des Verfahrens 5 F 69/99 war, sowie Voranfragen vom
14.08.2000 und 20.12.2000 zur Nutzungsänderung der Halle zu Wartungsarbeiten bzw.
Nutzungsänderung zum An- und Verkauf von Automobilen, Durchführung von kleinen
Reparaturarbeiten sowie Einbau einer Lackierkabine, die allesamt nach negativer
Bescheidung des Beklagten oder als Reaktion auf Widersprüche der Kläger nicht mehr
weiter verfolgt wurden.
Unter dem 17.01.2003 erteilte der Beklagte dem Rechtsvorgänger O. des Beigeladenen
einen positiven Vorbescheid zur Nutzungsänderung des Omnibusbetriebes in einen An- und
Verkauf von Pkw .
Unter dem 21.11.2007 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen sodann folgende
Baugenehmigungen, die Gegenstand der vorliegenden Nachbarklage sind:
Bauschein 63-1065/07
Nutzungsänderung der bestehenden Halle des ehemaligen Omnibusbetriebes zur Wartung
und Reparatur von Bussen und Pkw sowie Umnutzung einer Teilfläche der Parzellen Nrn.
zur Herstellung von drei Stellplätzen für Busse, vier Stellplätzen für nicht betriebsbereite
Pkw sowie drei Pkw-Stellplätzen.
Nach den zum Gegenstand des Bauscheins gemachten Auflagen des Landesamtes für
Umwelt und Arbeitsschutz vom 12.01.2007 werden Auflagen zur Lagerung Wasser
gefährdender Stoffe, von Altbatterien, zur Kennzeichnung von Räumen und Maschinen, zur
Reinigung des Werkstattbodens, zum Abstellen nicht betriebsbereiter Fahrzeuge gemacht.
Bezüglich des Lärms gelten folgende Auflagen:
„Nr. 7. Im Einwirkungsbereich des beantragten Vorhabens darf der Beurteilungspegel der
von allen Anlagen auf dem Betriebsgelände ausgehenden Geräusche folgenden, aufgrund
der Vorbelastung verminderten Lärm-Immissionsrichtwert nicht überschreiten: Gemessen
0,5 m vor dem nächstgelegenen, dem Vorhaben zugewandten Wohnraumfenster der
Wohnhäuser Nr. in der S. Straße jeweils tagsüber (06:00 Uhr bis 22:00 Uhr) 54 dB(A).
Nr. 8. Während der Nachtzeit (22:00 Uhr bis 06:00 Uhr) darf in der Unterstell- und
Reparaturhalle kein Geschäftsbetrieb vorherrschen.“
Gleichzeitig wurde das verweigerte Einvernehmen der Gemeinde nach § 36 Abs. 2 Satz 3
BauGB i.V.m. § 72 LBO ersetzt, da die von der Gemeinde vorgenommene Einstufung der
Eigenart der näheren Umgebung als „Allgemeines Wohngebiet“ nicht zutreffe, sondern ein
Mischgebiet nach § 6 BauNVO gegeben sei.
Bauschein 63-1066/07
Nutzungsänderung des auf einer Teilfläche der Parzellen Nr. gelegenen 190 m² großen
Hoffläche als Ausstellungsfläche zum An- und Verkauf gebrauchter Pkw sowie die Anlage
dreier Pkw-Stellplätze in der vorderen nordöstlichen Grundstücksecke im unmittelbaren
Anschluss an die S. Straße und die Grundstücksgrenze der Kläger.
Der Bauschein ist mit folgenden Auflagen versehen:
„Nr. 1. Im Einwirkungsbereich der beantragten Ausstellungsfläche für gebrauchte Pkw darf
der Beurteilungspegel, der vor allen Anlagen auf dem Betriebsgelände einschließlich der
vom Fahrverkehr und Ladebetrieb ausgehenden Geräusche folgenden, aufgrund der
Vorbelastung verminderten Lärm-Immissionsrichtwert nicht überschreiten:
gemessen 0,5 m vor der nächstgelegenen, der Ausstellungsfläche zugewandten
Wohnraumfenster der Wohnhäuser entlang der S. Straße
tagsüber 54 dB(A).
Nr. 2. Während der Nachtzeit (22:00 Uhr bis 06:00 Uhr) darf kein Geschäftsbetrieb
vorherrschen.“
Zu dieser Nutzungsänderung hatte die Gemeinde das Einvernehmen gemäß § 36 BauGB
hergestellt.
Bauschein 63-1067/07
Nutzungsänderung der hinteren Hälfte der ehemaligen Omnibushalle mit 176,40 m² als
Unterstellhalle für Gebrauchtwagen, Innenreinigung von Pkw sowie zum An- und Verkauf
gebrauchter Pkw sowie Nutzung eines ca. 12 m breiten, entlang der gemeinsamen
Grundstücksgrenze der Privatbeteiligten verlaufenden Streifens der Hoffläche sowie der der
hinteren Hallenhälfte vorgelagerten Freifläche als Zufahrt und Ausstellungsfläche für den
An- und Verkauf gebrauchter Pkw sowie schließlich das Anlegen von fünf straßennahen
Stellplätzen in der nordöstlichen Grundstücksecke im Anschluss an die Grenze der Kläger.
Diesem Bauschein sind die folgenden Auflagen des Landesamtes für Umwelt- und
Arbeitsschutz vom 03.01.2007 beigefügt:
„Nr. 1. Im Einwirkungsbereich des beantragten Vorhabens darf der Beurteilungspegel der
von allen Anlagen auf dem Betriebsgelände, einschließlich der vom Fahrverkehr und
Ladebetrieb, ausgehenden Geräusche folgenden, aufgrund der Vorbelastung verminderten
Lärm-Immissionsrichtwert nicht überschreiten:
gemessen 0,5 m vor dem nächstgelegenen dem Vorhaben zugewandten
Wohnraumfenster der Wohnhäuser Nr. in der S. Straße jeweils tagsüber (06:00 – 22:00
Uhr) 54 dB(A).
Nr. 2. Während der Nachtzeit, im Zeitraum von 22:00 bis 06:00 Uhr, darf kein
Geschäftsbetrieb vorherrschen.“
Das hierzu verweigerte Einvernehmen der Gemeinde wurde auch in diesem Bauschein
nach § 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB i.V.m. § 72 LBO ersetzt, da im Rahmen der
planungsrechtlichen Beurteilung nicht von einem Allgemeinen Wohngebiet, sondern von
einem Mischgebiet auszugehen sei.
Die gegen diese Baugenehmigungen erhobenen Widersprüche der Kläger, in denen diese
den von der Beklagten angenommenen Gebietscharakter eines Mischgebietes angriffen,
und die Unzumutbarkeit des genehmigten Gebrauchtwagenhandels und
Reparaturbetriebes mit der von ihnen ausgeübten Wohnnutzung geltend machten, wies
der Kreisrechtsausschuss mit auf die mündliche Verhandlung ergangenen Bescheiden vom
20.06.2008 zurück.
In den Gründen der Bescheide wird ausgeführt, die erteilten Genehmigungen verletzten die
Kläger nicht in ihren öffentlich-rechtlich geschützten Nachbarrechten. Planungsrechtlich
beurteile sich die Zulässigkeit der Vorhaben des Beigeladenen aufgrund der
Grundstückslage im unbeplanten Innenbereich der Gemeinde A-Stadt nach § 34 BauGB.
Die nähere Umgebung des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks sei angesichts der
heterogenen baulichen Nutzung mit Wohnhäusern und verschiedenen Gewerbebetrieben
nicht als gebietsrein im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB anzusehen. Daher seien die
Vorhaben an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen. Bei den dem Beigeladenen genehmigten
Gewerbebetrieb handele es sich nach dem Umfang des Betriebes und nach dem Ausmaß
der von dem Betrieb hervorgerufenen Störungen nicht um einen wesentlich störenden
Gewerbebetrieb. Das Ausstellen von Gebrauchtwagen und deren Verkauf stelle sich für die
Umgebung nicht als wesentlich störend dar. Nach der der Baugenehmigung zugrunde
liegenden Betriebsbeschreibung sollten maximal 13 Gebrauchtfahrzeuge ausgestellt
werden. Es handele sich damit nicht um einen Großbetrieb, bei dem Störungen nahelägen.
Auch das Gebot der Rücksichtnahme werde nicht durch das Bauvorhaben des
Beigeladenen verletzt. Die an den Kriterien der Zumutbarkeit vorzunehmende Abwägung
müsse zugunsten des Beigeladenen ausgehen. Insoweit sei maßgeblich, dass auf dem
Grundstück des Beigeladenen ein rechtmäßig genehmigter Gewerbebetrieb unterhalten
worden sei und derzeit auch unterhalten werde. Diese immerhin schon seit 50 Jahren auf
dem Grundstück betriebene Nutzung sei mit den Interessen etwaiger Nachbarn
abzuwägen. Sie führe zu einer Situationsvorbelastung des Grundstücks, deshalb müssten
die Kläger ihre durchaus berechtigten Interessen zurückstellen. Dies vor allem auch
deshalb, weil die geplante Nutzungsänderung des früher im Rahmen eines
Omnibusbetriebes genutzten Bereiches keine erhebliche Beeinträchtigung mit sich bringe,
die in dem Gebiet nicht zulässig wäre. In bauordnungsrechtlicher Hinsicht sei ein Konflikt
mit nachbarschützenden Vorschriften der Landesbauordnung nicht in Sicht.
Die Bescheide gingen den Klägern am 14.08.2008 zu.
Mit ihrer am 10.09.2008 bei Gericht eingegangenen Klage greifen die Kläger die dem
Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen weiter an.
Unter Wiederaufnahme ihres Vorbringens aus dem Verwaltungsverfahren bestreiten sie die
von der Bauaufsichtsbehörde vorgenommene Einstufung der näheren Umgebung als
Mischgebiet. Nach der von der Kammer im Verfahren 5 F 69/99 vertretenen Auffassung
sei eher von einem Allgemeinen Wohngebiet auszugehen, da der altbestehende
Omnibusbetrieb dort als sonstiger, nicht störender Gewerbebetrieb im Verständnis des § 4
Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zu bewerten gewesen sei. An dieser Situation habe sich seither
nichts Wesentliches geändert. Aufgrund der langen Zeitspanne zwischen der Aufgabe des
Omnibusbetriebes im Jahre 1998 und der Antragstellung für die hier im Streit stehenden
Genehmigungen habe sich eine Wiederaufnahme einer gleichartigen Nutzung nicht mehr
aufgedrängt und mit Derartigem habe auch nicht mehr gerechnet werden können. Deshalb
könnten der Omnibusbetrieb und seine Auswirkungen bei der jetzigen Beurteilung der
Zulässigkeit des Vorhabens außer Betracht bleiben, da er aufgrund der jahrelangen
Stilllegung und einer – allerdings nicht ausgenutzten - Abbruchgenehmigung nur noch als
Fremdkörper bewertet werden könne, da er völlig aus dem Rahmen falle. Er präge das
Baugebiet daher nicht mehr mit. In jedem Falle müsse die im Rahmen des
Rücksichtnahmegebotes vorzunehmende Zumutbarkeitsbetrachtung zu Gunsten der
Kläger ausgehen. Der zugelassene Gebrauchtwagenhandel mit Reparaturbetrieb führe für
die Nachbarschaft zu unzuträglichen Lärmimmissionen. Aufgrund der baulichen
Gegebenheiten könne die dem Bauschein beigegebene Auflage eines Beurteilungspegels
von 54 dB(A) tagsüber 0,5 m vor dem nächstgelegenen, der Ausstellungsfläche
zugewandten Wohnraumfenster nicht eingehalten werden und nach den Erfahrungen der
Kläger erfolge die Anlieferung und Abfuhr von Gebrauchtfahrzeugen verzögerungsbedingt
oftmals erst nach 22.00 Uhr. Bereits jetzt seien direkt am Fenster des Wohnhauses des
Klägers Werte von teilweise über 100 dB(A) beim laufenden Betrieb des Beigeladenen
ermittelt worden. Wie ein Sachverständigengutachten ergeben werde, sei auch die
vorhandene Halle nicht geeignet, selbst bei geschlossenen Toren eine Überschreitung der
vorgegebenen Beurteilungspegel zu verhindern. Vielmehr sei es so, dass das zugelassene
Gewerbe bei Einhaltung der vorgegebenen Grenzwerte der Sache nach nicht betrieben
werden könne.
Der Kläger beantragt,
die Bauscheine vom 21.11.2007 (Az.: 63-1065/07, 63-1066/07 und 63-
1067/07) in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 09.07.2008
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht sich die Gründe der Widerspruchsbescheide zu eigen.
Der Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Er bestreitet das Bestehen von Abwehrrechten der Kläger. Ihnen stehe der
Gebietsgewährleistungsanspruch nicht zur Seite, denn die nähere Umgebung lasse sich
keinem der Gebiete der Baunutzungsverordnung zuordnen. Es liege vielmehr ein Gebiet
eigener Prägung vor. Planungsrechtlich sei somit § 34 Abs. 1 BauGB einschlägig. Deshalb
könnten sich die Kläger nur auf das Rücksichtnahmegebot berufen. Unzumutbare
Beeinträchtigungen zögen die erteilten Bauscheine jedoch nicht nach sich, zumal die
Vorbelastung durch den ehemaligen Omnibusbetrieb mit zu berücksichtigen sei.
Das Gericht hat am 05.11.2008 eine Ortsbesichtigung vorgenommen. Hinsichtlich ihres
Ergebnisses wird auf die den Beteiligten übersandte Niederschrift verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und
der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten Bezug genommen. Er war
Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
Von den angegriffenen, dem Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen zur Umnutzung
des Anwesens S. Straße Nr. in A-Stadt verletzt die Kläger nur die Baugenehmigung zur
Nutzungsänderung der Halle zur Wartung und Reparatur von Bussen und Pkw sowie
Umnutzung der Hoffläche zur Herstellung von Stellplätzen (Bauschein Nr. 63-1065/07) in
ihren Rechten.
Bezüglich der weiter im Streit stehenden Baugenehmigungen – Nutzungsänderung einer
Teilfläche als Ausstellungsfläche zum An- und Verkauf gebrauchter Pkw sowie der Anlage
von Pkw-Stellplätzen (Bauschein Nr. 63-1066/07) sowie Nutzungsänderung der hinteren
Hälfte der ehemaligen Omnibushalle als Unterstellhalle für Gebrauchtwagen, Innenreinigung
von Pkw sowie An- und Verkauf gebrauchter Pkw, Nutzung der Hoffläche als
Ausstellungsfläche sowie die Anlegung von Stellplätzen (Bauschein Nr. 63-1067/07) -
werden wehrfähige Rechte der Kläger nicht berührt.
Eine schutzwürdige Abwehrposition erlangt der Nachbar nicht allein dadurch, dass die auf
seinem Grundstück verwirklichte Nutzung baurechtlich zulässig ist, hingegen das auf dem
Nachbargrundstück genehmigte Vorhaben dagegen wegen einer Beeinträchtigung
öffentlicher Belange, die nicht dem Schutz privater Dritter zu dienen bestimmt sind,
unzulässig ist. Vielmehr kann sich der jeweils betroffene Nachbar nur auf solche Interessen
berufen, die das Gesetz im Verhältnis der Grundstücksnachbarn untereinander als
schutzwürdig ansieht.
BVerwG, Urteil vom 28.10.1993 – 4 C 5.93 -, BRS 45, Nr. 168.
Das nach Art und Größe gemäß § 64 Abs. 1 LBO 2004 dem vereinfachten
Genehmigungsverfahren zugewiesene Vorhaben der Beigeladenen vermag nur im Rahmen
der nach § 64 Abs. 2 LBO zu prüfenden baurechtlichen Vorschriften eine Rechtsverletzung
der Kläger zu verursachen.
Denn im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren wird nach § 64 Abs. 2 LBO 2004 u.a.
nur die Zulässigkeit des Vorhabens nach den Vorschriften des Baugesetzbuches und den
sonstigen öffentlichen Vorschriften außerhalb des Bauordnungsrechts geprüft. Damit
scheidet eine Rechtsverletzung der Kläger auf der Grundlage des Bauordnungsrechts, etwa
wegen nicht eingehaltener Abstände oder der Lage von Stellplätzen (§ 47 Abs. 5 LBO
2004), als Grundlage für eine Rechtsverletzung des Nachbarn aus, denn die
Bauaufsichtsbehörde hat im Rahmen der Erteilung der Baugenehmigung insoweit keine
Prüfung vorzunehmen.
Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob der Beklagte berechtigt war, das
fehlende Einvernehmen der Gemeinde (§ 36 BauGB) nach Maßgabe des § 72 LBO zu
ersetzen.
Bauplanungsrechtlich beurteilt sich die Zulässigkeit der vom Beklagten zugelassenen
Nutzungsänderungen nach § 34 BauGB, da sich das Baugrundstück nicht im
Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplanes, sondern im nicht beplanten
Innenbereich von A-Stadt befindet.
Nach Abs. 1 der genannten Vorschrift ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und
Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut
werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert
ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben;
das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der aufgrund
des § 9 a BauGB erlassenen Verordnung (Baunutzungsverordnung) bezeichnet sind, so
beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 34 Abs. 2 BauGB nach der Art seiner
baulichen Nutzung allein danach, ob es nach dieser Verordnung in dem Baugebiet allgemein
zulässig wäre. Liegen die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 BauGB vor, gewährt die Art
der baulichen Nutzung dem Nachbarn innerhalb desselben Gebietes ein subjektives
Abwehrrecht gegenüber nicht gebietsverträglichen Nutzungen.
Auf dieser Grundlage ist ein nachbarlicher Abwehranspruch der Kläger nicht in Sicht. Die
Eigenart der näheren Umgebung lässt sich nämlich keinem der in der
Baunutzungsverordnung beschriebenen Gebietstypen zuordnen.
Die nähere Umgebung des Baugrundstücks ist vielmehr als atypisches „Gebiet eigener
Prägung“ zu bewerten. Dies steht zur Überzeugung der Kammer auf der Grundlage der
durchgeführten eingehenden Ortsbesichtigung fest:
Im Rahmen des Augenscheins war zunächst einmal eine Abgrenzung der „näheren
Umgebung“ des Baugrundstücks vorzunehmen. Hierbei war alles in den Blick zu nehmen,
was in der näheren Umgebung tatsächlich vorhanden ist. Dazu zählt auch die auf dem
jeweiligen Baugrundstück vorhandene Bebauung unabhängig davon, ob sie in
Übereinstimmung mit den baurechtlichen Vorschriften errichtet wurde. Genießt sie
Bestandsschutz, ist sie in jedem Fall zu berücksichtigen. Für die Beurteilung der Frage, ob
nicht genehmigte oder nicht genehmigungsfähige bauliche Anlagen zu berücksichtigen sind,
ist wesentlich, ob sie von der zuständigen Behörde in einer Weise geduldet werden, die
keinen Zweifel daran lässt, dass sie sich mit dem Vorhandensein der Gebäude abgefunden
haben. Auszuscheiden sind demnach lediglich nicht genehmigte und nicht
genehmigungsfähige Gebäude, deren Beseitigung nach Lage der Dinge zu erwarten ist.
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand März 2006, §
34 Rdz. 34, 35, unter Hinweis auf BVerwG, Urteile vom 22.09.1967
– IV C 109.65 -, BRS 18 Nr. 24, und vom 06.11.1968 – 4 C 31.66 -,
E 31, 22; Beschluss vom 24.05.1988 – 4 CB 12.88 -, BRS 48 Nr.
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Der für die Bestimmung des Gebietscharakters relevante räumliche Bereich, die nähere
Umgebung, bemisst sich zum einen danach, wie weit sich die Ausführung des Vorhabens
auf die Umgebung auswirken kann, und zum anderen inwieweit die Bebauung ihrerseits
das Baugebiet prägt. Es kommt daher nicht nur auf die Bebauung in der unmittelbaren
Nachbarschaft des Baugrundstücks an, sondern auch auf die Bebauung der weiteren
Umgebung des Grundstücks, soweit diese sich noch prägend auf das Baugrundstück
auswirken kann.
BVerwG, Urteil vom 13.06.1999 – 4 C 81.68 -, BRS 22 Nr. 186
Allerdings bestimmt nicht jede hier in der näheren Umgebung vorhandene Bebauung deren
Charakter. Vielmehr muss die Betrachtung auf das Wesentliche zurückgeführt werden. Es
muss alles außer Acht gelassen werden, was die vorhandene Bebauung nicht prägt oder in
ihr gar als Fremdkörper erscheint.
Davon ausgehend ist als „nähere Umgebung“ des Baugrundstücks ein Bereich in den Blick
zu nehmen, der die bandartige Straßenrandbebauung der S. Straße zwischen dem nördlich
gelegenen Einmündungsbereich der B.straße (unter Einschluss der ortseinwärts gelegenen
Eckgrundstücke) einerseits und dem westlich gelegenen Ortsende mit dem dort auf der
östlichen Straßenseite gelegenen ehemaligen Tankstellengelände andererseits umfasst.
Innerhalb des so abgegrenzten Bereichs dominiert eindeutig, insbesondere auf der
Straßenostseite, die Wohnbebauung, an der auch das Wohnhaus der Kläger teilnimmt.
Darin eingestreut liegen folgende gewerbliche Nutzungen: Ortseinwärts, noch in Sichtweite
des Kreuzungspunktes B.straße/S. Straße/B. Straße das Betriebsgebäude der Firma S. und
M., ein Kälte-Klima-Fachbetrieb mit Ersatzteilverkauf. Auf den Kreuzungspunkt zu, in
Richtung auf das Baugrundstück, wird das nordwestliche Eckgrundstück der genannten
Kreuzung gewerblich durch einen Lebensmittelmarkt genutzt. Zu diesem gehört ein
Getränkemarkt, der sich unmittelbar an den Kreuzungspunkt anlagert. Beiden Gebäuden
großräumig zugeordnet ist ein an die B.straße und die S. Straße unmittelbar angrenzender
Parkplatz. Nach ca. 70 m in Richtung Süden (B-Stadt) folgt das Baugrundstück mit
aufstehendem Wohn- und Geschäftshaus und ehemaliger Busdepothalle. In südöstlicher
Richtung schräg gegenüber steht das Gebäude S. Straße Nr. . Es weist das äußere
Gepräge eines Wohnhauses auf und ist der Betriebssitz einer Firma F., die mit Fenstern
und Türen handelt. Büro- und Ausstellungsräume sind jedoch an anderer Stelle
untergebracht. Auf der gleichen Straßenseite wird auf dem Gelände einer ehemaligen
Tankstelle nebst Wartungs- und Pflegehalle ein Gebrauchtwagenhandel betrieben. An
diesen unmittelbar angeschlossen steht ein Imbisstand. Auf der Westseite der S. Straße
wird auf dem zwischen dem Anwesen Nr. und Nr. gelegenen Grundstück eine
Dachdeckerei betrieben. Auf dem Gelände steht im rückwärtigen Bereich eine
eingeschossige Halle mit Satteldach, die augenscheinlich zum Lagern und Herrichten von
Baumaterial genutzt wird. Die zur Straße hin vorgelagerten Freiflächen dienen dem Lagern
von Dachdeckermaterial. Das Vorhandensein von Sägespänen auf der befestigten
Hoffläche legt es nahe, dass hier auch gelegentlich im Freien Balken oder andere Holzteile
abgelängt werden.
Angesichts dieser Durchmischung von Wohnen einerseits und störendem Gewerbe
andererseits (Getränkemarkt, Dachdeckerei, Kfz-Reparaturwerkstatt) besteht kein Anlass,
den vormals auf dem Baugrundstück vorhandenen Omnibusbetrieb als Fremdkörper in
dieser Umgebung zu bewerten und damit seinen prägenden Charakter für das Baugebiet in
Abrede zu stellen. Von einem Fremdkörper ist nämlich nur dann auszugehen, wenn es sich
um eine singuläre Anlage handelt, die in einem auffälligen Kontrast zur
Umgebungsbebauung steht.
BVerwG, Urteil vom 15.02.1990 – 4 C 23.86 -, BRS 50 Nr. 75
Die Vorprägung des Baugrundstücks durch den vormals vorhandenen Betrieb O. ist auch
nicht deshalb zu verneinen, weil diese Nutzung bereits 1998 aufgegeben wurde.
Aufgegebene Nutzungen prägen, wie beseitigte Gebäude, die nähere Umgebung so lange
weiter, wie nach der Verkehrsauffassung mit einer alsbaldigen Wiederaufnahme noch zu
rechnen ist. Innerhalb welcher zeitlicher Grenzen mit der Verkehrsauffassung eine solche
nachprägende Wirkung anzunehmen ist, hängt maßgeblich von den konkreten Umständen
des Einzelfalles ab. Die Anwendung starrer Fristen kommt angesichts der Vielgestaltigkeit
der Fälle und der Bedeutung für das grundrechtlich geschützte Eigentum nicht in Betracht.
Je nach dem, ob es um die Wiederbebauung nach Abriss oder – wie hier – um die
Wiederaufnahme einer Nutzung in einem vorhandenen und legal errichteten
Gebäudebestand geht, kann die Verkehrsauffassung zu unterschiedlichen Einschätzungen
im Hinblick auf die nachprägende Wirkung eines Gebäudes oder einer Nutzung kommen.
OVG Münster, Urteil vom 21.11.2005 – 10 A 1166/04 -, BRS 2006,
7 (9); BVerwG, Urteile vom 12.09.1980 – 4 C 75.77 -, BRS 36 Nr.
122; vom 15.01.1982 – 4 C 58.79 -, Buchholz, § 6 BauNVO, Nr. 5;
vom 03.02.1984 – 4 C 25.82 -, E 68, 360; und vom 19.09.1986 –
4 C 15.84 -, BRS 46 Nr. 62
Wie bereits - in dem im vorangegangenen Eilrechtsschutzverfahren betreffend die
Errichtung einer Aral-Tankstelle auf dem betreffenden Grundstück niedergelegten Beschluss
vom 29.11.1999 (5 F 69/99) – ausgeführt wurde, ist die Kammer nun auch im
vorliegenden Hauptsacheverfahren davon überzeugt, dass gerade die Verkehrsauffassung
eine Fortsetzung der ehemals vorhandenen gewerblichen Nutzung auf dem Baugrundstück
erwartet hat. Das erschließt sich zum einen aus dem Fortbestand seiner ins Auge
springenden gewerblichen Prägung mit straßennahem Wohn- und Geschäftshaus einerseits
und massiver Unterstellhalle im rückwärtigen Gelände andererseits. Zum anderen haben
die beigezogenen Bauakten des Beklagten ergeben, dass der Beigeladene, wie schon seine
Rechtsvorgänger, immer wieder Versuche unternommen hat, an diese Nutzung
anzuknüpfen und dort eine neue gewerbliche Nutzung zu installieren. Neben dem bereits
angesprochenen gerichtsbekannten Neubauprojekt einer Aral-Tankstelle nebst Waschhalle
waren dies verschiedene Nutzungen als Standort für einen Omnibusbetrieb sowie Pkw- und
Gebrauchtwagenhandel. All diese Nutzungskonzepte sind entweder bereits im
Baugenehmigungsverfahren am fehlenden Einvernehmen der Gemeinde (§ 36 BauGB)
oder spätestens aufgrund der Widersprüche der Kläger gescheitert oder sind sonst nicht
mehr weiter verfolgt worden. Lediglich die Zulassung eines Imbisstandes im vorderen
Bereich des Grundstücks führte letztlich zu einer bestandskräftigen Baugenehmigung.
Gerade diese Vielzahl von Versuchen, auf dem Baugrundstück eine gewerbliche Nutzung
wieder anzusiedeln, zeigt, dass sich eine neue gewerbliche Nutzung des an einer
Verkehrsachse (B 269) und einem Autobahnzubringer liegenden Baugrundstücks nach der
Verkehrsauffassung geradezu aufdrängt. Auf die subjektiven Vorstellungen der Kläger, dass
nach so einem langen Stillstand auf ihrem Nachbargrundstück keine gewerbliche Nutzung
mehr zum Leben erwacht, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
Deshalb prägt die ehemalige Nutzung des Baugrundstücks als Standort eines Bus- und
Reiseunternehmens die Umgebung weiterhin mit.
Entgegen der im Verfahren 5 F 69/99 – ohne Ortsbesichtigung und bloß aufgrund
summarischer Überprüfung – vorgenommenen Einschätzung, ist die Kammer nach dem an
Ort und Stelle gewonnenen Eindruck davon überzeugt, dass die nähere Umgebung nicht
mehr als „Allgemeines Wohngebiet“ (§ 4 BauNVO) bewertet werden kann. Nach dem
Ergebnis der Ortsbesichtigung können die in das Wohnen eingestreuten gewerblichen
Nutzungen nicht mehr als innerhalb der Nutzungsbreite eines Wohngebietes im Verständnis
des § 4 BauNVO liegend eingestuft werden. Sowohl der Getränkemarkt als auch der
Dachdeckerbetrieb und die Kfz-Reparaturwerkstatt verfügen über ein hohes Störpotential.
Sie sind nicht mehr als „nicht störendes Gewerbe“ im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO
zu klassifizieren. Zugleich ist auch keine gleichwertige Durchmischung von
Gewerbebetrieben, die das Wohnen „nicht wesentlich stören“ und Wohngebäuden
vorhanden, so dass eine Klassifizierung als „Mischgebiet“ (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BauNVO)
ausscheidet.
Demnach ist die nähere Umgebung des Baugrundstücks als Gebiet eigener Prägung im
Verständnis des § 34 Abs. 1 BauGB zu bewerten.
Liegen die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 BauGB (Gebietsgewährleistungsanspruch)
nicht vor, kommen im Bereich des Bauplanungsrechts nachbarliche Abwehrrechte im
unbeplanten Innenbereich nur noch auf der Grundlage des sogenannten Gebotes der
Rücksichtnahme in Betracht.
OVG des Saarlandes, Beschluss vom 18.10.2002 – 2 Q 3/02 –
Das Rücksichtnahmegebot ist keine allgemeine Härteklausel, die über den speziellen
Vorschriften des Städtebaurechts oder des gesamten öffentlichen Baurechts steht. Im
Geltungsbereich von Bebauungsplänen ist es Ausfluss von § 15 BauNVO, im unbeplanten
Innenbereich ist es im Bereich des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung
enthalten. Es soll einen angemessenen Interessenausgleich gewähren. Die dabei
vorzunehmende Abwägung hat sich daran zu orientieren, was dem
Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage
der Dinge zuzumuten ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des
Rücksichtnahmebegünstigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je
verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, um so
weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen.
Berechtigte Belange muss er nicht zurückstellen, um gleichwertige fremde Belange zu
schonen. Der begünstigte Dritte muss es hinnehmen, dass Beeinträchtigungen, die von
einem legal genutzten vorhandenen Bestand ausgehen, bei der Interessenabwägung als
Vorbelastung berücksichtigt werden, die seine Schutzwürdigkeit mindern kann.
BVerwG, Urteil vom 14.01.1993 – 4 C 19.90 -, BRS 55 Nr. 175,
m.w.N.
Der objektiv-rechtlichen Zulässigkeit des genehmigten Vorhabens kommt in diesem
Zusammenhang keine Bedeutung zu. Aufgrund des von der Kammer festgestellten
besonderen Gebietscharakters ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die Kläger keinen
Anspruch darauf haben, dass auf dem Grundstück nur solche Nutzungen stattfinden, die
auch in einem Allgemeinen Wohngebiet zulässig wären. Gerade die auf dem
Nachbargrundstück vorhandene vormalige gewerbliche Nutzung führt auch bei ihnen zu
einer Vorbelastung, die ihre Schutzwürdigkeit mindert.
Im Rahmen der nach diesen Grundsätzen vorzunehmenden Zumutbarkeitsbetrachtung ist
lediglich die mit dem Bauschein Nr. 63-1065/07 zugelassene Nutzungsänderung der
bestehenden Halle zur Wartung und Reparatur von Bussen und Pkw sowie zur Nutzung
eines Teils der Hoffläche zur Herstellung von Stellplätzen für Busse, nicht betriebsbereite
Pkw und sonstige Kraftfahrzeuge rechtlich zu beanstanden:
Nach Auffassung der Kammer wird insbesondere die Zulassung von Reparaturarbeiten
sowohl an Bussen als auch an Pkw in der bestehenden Halle zu Lärmimmissionen führen,
die den Klägern nach Lage der Dinge nicht zuzumuten sind. Immerhin weist die bestehende
ehemalige Busunterstellhalle eine Grundfläche von 21 x 17,50 m auf. Sie besteht, wie die
vor Ort gewonnenen Erkenntnisse belegen, aus einer Stahl-Glas-Konstruktion, die mit
einem einfachen, nicht gedämmten Eternitdach eingedeckt ist. Zum Grundstück der Kläger
hin kann nahezu die gesamte Giebelfront mit Hilfe der dort vorhandenen geschosshohen
Falttüren geöffnet werden. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, dass bei der
Durchführung von Reparaturarbeiten sämtliche Fenster und alle diese Türen geschlossen
bleiben, ist der Dämmwert der Umfassungswände des Hallenbauwerkes derart gering,
dass mit einer nahezu ungehemmten Schallausbreitung der im Inneren des Gebäudes
stattfindenden Arbeitsvorgänge gerechnet werden muss. Im übrigen wäre es lebensfremd,
anzunehmen, dass bei der Durchführung von Schweiß-, Trenn-, Ausbeul- und
Lackierarbeiten im Halleninnern sämtliche Tore stets geschlossen blieben.
Nach der dem Bauschein zugrunde liegenden Betriebsbeschreibung (Blatt 56 der Bauakte
1065/07) soll diese Nutzung zwar nur auf den „Eigenbedarf“ des Eigentümers beschränkt
bleiben. Damit wird jedoch keine zuverlässige Eingrenzung der Umschlags- und
Besuchsfrequenz und damit der Häufigkeit von Reparaturvorgängen und Karosseriearbeiten
in der Werkstatt erreicht. Auch soweit in der eigentlichen Betriebsbeschreibung auf die
Anlage zur Betriebsbeschreibung verwiesen wird, erlaubt der angegebene und genehmigte
Nutzungszweck „Wartungshalle für Busse und Reparaturhalle für Pkw – Eigenbedarf –“ eine
nahezu unbegrenzte Nutzung der Halle zu diesen Zwecken.
Zum einen wird in der Betriebsbeschreibung selbst darauf abgehoben, dass die bestehende
Halle bislang als Unterstell- bzw. Wartungshalle für die Innenreinigung und Reparatur von
Bussen eingesetzt worden ist. Zum anderen heißt es aber, diese Nutzung werde jetzt
durch den Eigentümer „erweitert auf Pkw-Reparaturen“, die jedoch nur auf den
Eigenbedarf beschränkt seien. Es werde keine öffentliche Werkstatt betrieben. Selbst unter
dieser Prämisse ist eine mengenmäßige Eingrenzung der zu erwartenden Kfz-Reparaturen
von Gewicht in dieser Betriebsbeschreibung nicht verbindlich festgeschrieben. Eine
derartige Nutzungsform schließt auch ein, dass an jedem Pkw, der im Eigentum des
Betriebsinhabers steht, Reparaturen – soweit erforderlich – vorgenommen werden können.
Das bedeutet in der Praxis, dass z.B. auch dann, wenn von dem Beigeladenen nicht
lediglich eine Reparatur der von ihm im Rallyebetrieb eingesetzten wenigen Fahrzeuge
beabsichtigt ist, auch solche Reparaturen durchgeführt werden können, die z.B. den
Weiterverkauf eines von ihm erworbenen Gebrauchtfahrzeuges, sei es zu Rallye- oder sei
es zu sonstigen Zwecken, zulässig ist. Desgleichen schließt der Nutzungszweck „Reparatur
durch den Eigentümer“ es auch ein, dass dritte Personen dort an ihren eigenen
Fahrzeugen, sei es gegen Entgelt oder sei es aus Gefälligkeit, Reparaturen an ihren Pkw
vornehmen können. Hierzu bietet die in der Halle vorhandene Montagegrube sowie die
Hebebühne ideale Voraussetzungen.
Damit wird die Umgebung zwangsläufig besonders lästigen Schall- und Geruchsereignissen
ausgesetzt. Es ist zu erwarten, dass in der Halle auch größere Karosseriearbeiten,
Reifenmontagen, der Wechsel von Auspuffanlagen und ähnliche, für eine Kfz-
Reparaturwerkstatt übliche Arbeiten ausgeführt werden. Bei derartigen Vorgängen kommt
es wegen der Bearbeitung von Metall durch den Einsatz von Ausbeul- und
Schlosserhämmern, Trennscheiben, Schlagschraubern u.ä. zu hoch impulshaltigen
Geräuschen, die wegen ihres besonderen Störpotentials von herausgehobener Lästigkeit
sind. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der in der Auflage Nr. 7 des Landesamtes für
Umwelt- und Arbeitsschutz vom 12.01.2007, die zum Gegenstand des Bauscheins
gemacht worden ist, festgeschriebene maximale Beurteilungspegel von tagsüber 54 dB(A)
überschritten wird oder nicht. Beurteilungspegeln nach der TA-Lärm kommen wegen ihrer
Mittelwertbildung bei der Beurteilung von Lärmimmissionen im Rahmen der
bauplanungsrechtlichen Zumutbarkeitsbetrachtung lediglich indizielle Wirkung zu. Das wird
gerade im vorliegenden Fall deutlich: Die Lästigkeit des bei der Bearbeitung von Metallteilen
entstehenden Schlaggeräusches wird gerade durch die Erfassung des dadurch ausgelösten
Schalldruckpegels und seiner Relativierung durch die gleichzeitig erfasste Dauer der
Schalleinwirkung im Verhältnis zur absoluten Betriebszeit unter dem Blickwinkel der
Störung der Wohnruhe in der Nachbarschaft gerade nicht ausreichend erfasst.
Zudem ist damit zu rechnen, dass diese impulshaltigen Geräusche immer wieder und ohne
festen Rhythmus, verteilt über den ganzen Tag, auftreten. Hierdurch wird auf dem
Grundstück des Beigeladenen ein gewerblicher Lärm zugelassen, der erheblich über dem
liegt, was angesichts der Vorbelastung durch eine Wartungshalle für ein Omnibus- und
Reiseunternehmen an Lärm in der Umgebungsbebauung üblich war. Bei der in diesem
Zusammenhang gebotenen typisierenden Betrachtungsweise ist nämlich zu sehen, dass
sich die Wartung von Reisebussen und Fahrzeugen für den öffentlichen
Personennahverkehr schwerpunktmäßig auf die Innenreinigung sowie Pflegemaßnahmen im
Motor- und Fahrwerksbereich erstreckt. Karosseriearbeiten an Bussen werden in aller
Regel nur in den hierfür speziell ausgestatteten Fachwerkstätten ausgeführt und gehören
ohnehin nicht zum üblichen Standardprogramm im Rahmen der Fahrzeugunterhaltung
eines Busunternehmens. Diese Sichtweise wird auch durch die Betriebsbeschreibung des
Bauscheins 63-1065/07 bestätigt, in der die anfallenden Arbeiten an den Bussen mit: „in
erster Linie die Innenreinigung und kleinere Reparaturen“ beschrieben wird.
Des Weiteren ist zu sehen, dass es bei Arbeiten an der Auspuffanlage sowie bei
Einstellarbeiten am Motor zu besonders lärmintensiven Geräuschen kommen wird. Nur am
Rande sei angemerkt: Folgt man der Einlassung des Beigeladenen in der mündlichen
Verhandlung so will er selbst dort schwerpunktmäßig Rallyefahrzeuge warten. Das lässt
kaum erwarten, dass die Auswirkungen derartiger Maßnahmen weniger störend ausfallen
werden als bei Standard-Pkws.
Muss nach alledem bereits aus diesen Gründen der durch die Baugenehmigung Nr. 63-
1067/07 zugelassene Gewerbelärm im Verhältnis zu den Klägern als unzumutbar bewertet
werden, so bedurfte es keiner Auseinandersetzung mehr mit der Frage, ob die zum
Gegenstand des Bauscheins gemachte Auflage Nr. 8 des Landesamtes für Umwelt- und
Arbeitsschutz hinreichend bestimmt oder gar verschärfend ist. Dort heißt es: „Während der
Nachtzeit (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr) darf in der Unterstell- und Reparaturhalle kein
Geschäftsbetrieb vorherrschen“ . Nach dem üblichen Sprachgebrauch ist diese Auflage
dahingehend zu verstehen, dass auch während der Nachtzeit ein Geschäftsbetrieb in der
Unterstell- und Reparaturhalle zumindest gelegentlich stattfinden, er jedoch nicht den
überwiegenden Zeitraum während der Nacht in Anspruch nehmen darf. Angesichts dieser
unbestimmten Formulierung wäre auch an eine Auslegung zu denken, die sich im
Verhältnis zur betroffenen Nachbarschaft als besonders ungünstig darstellt. Hierauf kommt
es jedoch im vorliegenden Fall angesichts der obigen Darlegungen nicht mehr an.
Nach alledem ist der Bauschein Nr. 63-01065/07 rechtswidrig und deshalb auf die
Anfechtung der Kläger hin aufzuheben.
Diese Feststellung lässt sich jedoch nicht auf die weiteren beiden im Streit stehenden
Baugenehmigungen Nr. 63-01066/07 und 63-01067/07 erstrecken.
Mit der Baugenehmigung 63-1066/07 wurde die Nutzung eines rund 12 m breiten, sich
nahezu an der gesamten Länge der gemeinsamen Grundstücksgrenze der Privatbeteiligten
ziehenden Streifens der Freifläche des Baugrundstücks als „Ausstellungsfläche zum An-
und Verkauf von gebrauchten Pkw sowie zur Herstellung von drei Pkw-Stellplätzen für
Kunden und Personal“ im unmittelbaren Anschlussbereich an die S. Straße zugelassen. Es
ist nicht zu erwarten, dass das Aufstellen gebrauchter Pkw und ihr Bereithalten zum
Verkauf sowie die zu erwartenden Verkaufsverhandlungen auf dieser Ausstellungsfläche
selbst bei ihrer Lage im unmittelbaren Anschlussbereich an das Grundstück der Kläger zu
Lärmbelastungen führen, die für die Kläger als Nachbarn im Rahmen ihrer Wohnnutzung
unzumutbar sind. An Lärm ist hier lediglich das Rangieren und Einparken der Fahrzeuge zu
erwarten. Verglichen mit dem ehemals vorhandenen Rangier- und Abstellbetrieb mit
Bussen liegen die durch die Fahrzeugbewegungen zu erwartenden Motorgeräusche von
Pkw deutlich unter denjenigen von Omnibussen. Neben dem Geräusch der
Fahrbewegungen sind allenfalls noch Schließgeräusche von Türen, Kofferraum- und
Motorhauben im Rahmen der Fahrzeugbesichtigung bei Verkaufsverhandlungen zu
erwarten. Da nicht damit zu rechnen ist, dass derartige Vorgänge nahezu ständig und
pausenlos auf dem Betriebsgrundstück stattfinden, kann aus den letztgenannten
Vorgängen keine nennenswerte, in jedem Fall keine unzumutbare Lärmbelastung der
Kläger abgeleitet werden. Die im straßennahen Bereich vorgesehenen Stellplätze fallen
angesichts der starken Verkehrsbelastung der vorbeiführenden S. Straße, die als B und
Autobahnzubringer einen erheblichen Verkehr aufweist, nicht ins Gewicht.
Unbedenklich ist in diesem Falle die wörtlich in den Bauschein übernommene Auflage Nr. 2,
die die bereits angesprochene unbestimmte Formulierung des Landesamtes für Umwelt-
und Arbeitsschutz übernimmt, wonach auch hier während der Nachtzeit (22.00 Uhr bis
6.00 Uhr) „kein Geschäftsbetrieb vorherrschen“ darf. Es ist nicht zu erwarten, dass es
Pkw-An- und Verkäufer gibt, die nach 22.00 Uhr Fahrzeuge zum Verkauf vorführen oder
diese zu Kaufzwecken inspizieren wollen. Sollte dies jedoch ausnahmsweise einmal der Fall
sein, so liegt auch das im Rahmen der Vorbelastung, da bereits in der Vergangenheit mit
einer Rückkehr von Reisebussen nach 22.00 Uhr in das Busdepot gerechnet werden
musste und deshalb auch in der Vergangenheit der rückwärtige Grundstücksbereich der
Kläger in der Nachtzeit nicht völlig frei von Störungen durch Fahrzeugbewegungen gewesen
ist.
Was schließlich den Bauschein Nr. 63-01067/07 angeht, so lässt dieser die Nutzung eines
12 m breiten sich entlang der gesamten Grundstücksgrenze der Privatbeteiligten
hinziehenden Streifens der Freifläche des Baugrundstücks einschließlich des dem nördlichen
Giebel der Unterstellhalle vorgelagerten Hofbereiches als Ausstellungsfläche für den An- und
Verkauf im Rahmen eines Gebrauchtwagenhandels zu und erstreckt diese Nutzung auch
auf die hintere Hälfte der ehemaligen Buswartungshalle. Diese Hallenhälfte ist vom
Grundstück der Kläger räumlich am weitesten entfernt und soll nach der dem Bauschein
beigegebenen Betriebsbeschreibung (Bl. 7 und 6 der Bauakte 63-1067/07) dem An- und
Verkauf von gebrauchten Pkw dienen, wobei die Hoffläche nur als Ausstellungsfläche, die
hintere Hallenhälfte nur als Ausstellungsfläche und zur Innenreinigung von Pkw genutzt
werden soll. Abgesehen von der Innenreinigung sollen keine Arbeiten an Pkw vorgenommen
werden. Nach Auffassung der Kammer führt auch dieser Geschäftsbetrieb nicht zu
unzumutbaren Lärm- oder Geruchsbelastungen der Kläger. Gegenüber der vormaligen
Nutzung des Grundstücks als Busdepot ist zwar eine Zunahme der Fahrzeugbewegungen
zu erwarten, die Baugenehmigung erlaubt jedoch nur das Rangieren zu
Ausstellungszwecken, nicht jedoch die Durchführung von Probefahrten, Bremsprüfungen
und dergleichen. An Unterhaltungsarbeiten wird nur die Innenreinigung zugelassen, die
zudem in der hinteren Hallenhälfte durchgeführt werden sollen. Dabei fallen üblicherweise
keine lärmintensiven Arbeiten an. Da es im Rahmen der Anfechtungsklage gegen eine
Baugenehmigung nur auf deren Regelungsgehalt ankommt, ist die Kammer davon
überzeugt, dass die zu erwartende Nutzung, solange sie sich im Rahmen dieser
Baugenehmigung hält, nicht zu unzumutbaren Belastungen der angrenzenden
Wohnbebauung, namentlich der Kläger, führen wird. Die Klage konnte daher insoweit
keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr.
11, 711 ZPO.
Die Berufung ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4
VwGO nicht vorliegen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG. Nach der
neueren Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes ist das Interesse
eines privaten Wohnnachbarn, der sich gegen eine Baugenehmigung für durch Immissionen
in Erscheinung tretende gewerbliche Nutzung wendet, regelmäßig mit 15.000,00 Euro pro
Genehmigung zu bewerten
Beschluss vom 31.10.2008 – 5 L 533/08 -.
Beschluss
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war für die Kläger notwendig.
Gründe
Gemäß § 162 Abs. 2 VwGO war über die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im
Vorverfahren von Amts wegen zu entscheiden. Diese war für die Kläger notwendig, da sie
vom Standpunkt einer verständigen Partei aus die Beauftragung eines Rechtsanwaltes
angesichts der rechtlichen Schwierigkeiten des vorliegenden Falles für gerechtfertigt halten
durften. Demgegenüber war diese Feststellung nicht zugunsten des Beigeladenen zu
treffen. Er konnte davon ausgehen, dass die Verwaltungsbehörde ihre Entscheidung im
Widerspruchsverfahren verteidigen und damit seine Interessen wahrnehmen wird. Für ihn
war der Beistand eines Rechtsanwaltes daher nicht geboten.