Urteil des VG Saarlouis vom 12.05.2010

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VG Saarlouis Urteil vom 12.5.2010, 5 K 1876/09
Nachbaranfechtung einer im vereinfachen Verfahren erteilten Baugenehmigung für 4
Carports an einen Bauherrn, der sich in seiner Freizeit dem Motorsport widmet.
Leitsätze
1. Gegenstand der Nachbaranfechtung einer Baugenehmigung ist allein der in den
Bauvorlagen dargestellte Regelungsgehalt der Genehmigung.
2. Eine Stellplatzanlage für 4 Pkw auf einem unbebauten Grundstück in einem Wohngebiet
für einen Hobbymotorsportler ist mit § 12 BauNVO vereinbar.
3. Vier Carports im rückwärtigen Bereich verletzen im Regelfall nicht das Gebot der
Rücksichtnahme.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen
trägt der Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der Beklagte
vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die dem Beigeladenen im vereinfachten Verfahren (§ 64 LBO
2004) erteilte Baugenehmigung zum Neubau einer Carportanlage mit vier Einstellplätzen in
O.
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks an der Straße
... in O. An dieses Grundstück grenzt nach Südwesten das bestehende
Vorhabengrundstück des Beigeladenen an, auf dem ein altbestehendes zweigeschossiges
Scheunengebäude auf der Grenze zum Grundstück des Klägers aufsteht. Die Grundstücke
liegen nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes.
Mit der in Streit stehenden, im vereinfachten Verfahren (§ 64 LBO 2004) erteilten
Baugenehmigung vom 12.03.2009 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen die
Genehmigung zum Neubau einer Carportanlage mit vier Einstellplätzen auf dem
Vorhabengrundstück. Die vier zusammenhängenden Carports mit einer Breite von jeweils 3
m und einer Tiefe von jeweils 5 m sind im genehmigten Plan im Anschluss an ein
vorhandenes grenzständiges Scheunengebäude auf einer Länge von insgesamt 12 m auf
der Grenze zum Grundstück des Klägers dargestellt.
Gegen die dem Kläger nicht förmlich zugestellte Baugenehmigung vom 12.03. 2009 erhob
er am 30.04.2009 Widerspruch: Die Ausführung des Bauvorhabens entspreche nicht den
genehmigten Plänen. Anstelle von 4 Carports mit den Maßen 5 x 3 m seien 2 Doppel-
Carports mit den Maßen 8 x 6 m errichtet worden. Auch die Höhe dürfte den gesetzlichen
Bestimmungen nicht entsprechen. Zusammen mit dem bereits bestehenden Gebäude mit
einer Grundfläche von 8 x 8 m und ohne funktionsfähige Regenwasserentsorgung stellten
die Carports eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung seines Grundstücks dar, dessen
Grenze vom Grundstück des Beigeladenen nunmehr auf einer Länge von 20 m bebaut sei.
Angesichts einer Grundstücksbreite von 15 m sei dem Beigeladenen die Einhaltung eines
Grenzabstandes von 3 m zumutbar. Erschwerend komme hinzu, dass die Carports bereits
außerhalb der allgemeinen Baulinien lägen und der Beigeladene sowohl die Scheune als
auch die Carports als Kfz.-Werkstatt nutze. Das sei in einem reinen Wohngebiet nicht
zulässig.
Mit Widerspruchsbescheid aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.09.2009 wies
der Kreisrechtsausschuss den Widerspruch zurück: Die Baugenehmigung verletze keine
den Kläger schützenden Rechte. Die Carportanlage überschreite die nach § 8 Abs. 2 Nr. 7
LBO zulässige Gesamtgrenzbebauung von 12 m nicht, sei nicht höher als drei Meter und
hart auf der Grenze errichtet. Wenn der Beigeladene von der Genehmigung abweichend
gebaut haben sollte, könne das bei einem Widerspruch gegen die Baugenehmigung nicht
berücksichtigt werden.
Gegen die Baugenehmigung und den am 09.10.2009 an die Bevollmächtigten des Klägers
mit eingeschriebenem Brief zu Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am
04.11.2009 Klage erhoben. Zur Begründung macht er geltend, das zugelassene Vorhaben
halte die nach § 7 LBO 2004 erforderliche Abstandsfläche nicht ein. Insbesondere werde
die nach § 8 Abs. 2 Nr. 7 LBO maximal zulässige Gesamtgrenzbebauung überschritten,
weil das Scheunengebäude mit einzurechnen sei. Denn dieses werde auch zum Lagern von
Reifen und Felgen und damit als Garage genutzt. Sowohl die Carports als auch die Scheune
würden zudem zum Betrieb einer Kfz.-Werkstatt genutzt. Die Carports seien auch nicht
exakt auf der Grenze errichtet und deren Entwässerung sei nicht gewährleistet. Der
Beklagte habe auch nicht die Genehmigungsakten für die Scheune vorgelegt und in den
Verwaltungsakten fänden sich keine Unterlagen über die Einmessung der Stellplätze.
Das Gericht hat den Kläger mit Verfügung vom 21.01.2010 darauf hingewiesen, dass er
eine Baugenehmigung angreife, die im vereinfachten Verfahren (§ 64 LBO) erteilt worden
sei, in dem Bauordnungsrecht nicht geprüft werde. Gegen-stand des Verfahrens sei allein,
was auf dem Papier zugelassen worden sei, nicht was in der Örtlichkeit errichtet worden
sei. Bauplanungsrechtlich seien Stellplätze und Garagen nach § 12 Abs. 1 BauNVO in allen
Baugebieten zulässig; sie könnten nach § 23 Abs. 5 BauNVO auch außerhalb der
überbaubaren Grundstücksfläche zugelassen werden. Dass vier der Wohnnutzung
dienende Carports an der Grundstücksgrenze im Verständnis des Gebotes der
Rücksichtnahme schlechthin rücksichtslos seien, erscheine eher fernliegend.
Daraufhin hat der Kläger geltend gemacht, die Nutzung des Carports in der Scheune als
Kfz.-Werkstatt sei mit einer erheblichen Lärmentfaltung verbunden und damit rücksichtslos.
Rücksichtslos sei ferner, dass die Carports die Abstandsfläche nicht einhielten. Die
Landesbauordnung sei insoweit verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass ein
Verstoß gegen die Einhaltung der Abstandsflächen gegen das Gebot der Rücksichtnahme
verstoße. Anderenfalls entfalle bei der Drittanfechtung von Baugenehmigungen im
vereinfachten Verfahren die drittschützende Wirkung der Abstandsflächen.
Rücksichtslos sei ferner die faktische Nutzung der Carports als Reparaturwerkstatt eines
Kfz.-Betriebes. Zwar sei bei der Anfechtung einer Baugenehmigung regelmäßig nur der
Regelungsgehalt der Genehmigung maßgeblich. Das gelte jedoch dann nicht, wenn von
vornherein feststehe, dass die beantragte Nutzung nicht gewollt war (sog.
Etikettenschwindel). Vorliegend nutze der Beigeladene sowohl Scheune als auch Carports
auch als Werkstatt, was sich schon daran zeige, dass er so viele überdachte Stellplätze
benötige. Die Baugenehmigung sei zudem widersprüchlich, weil sie die als Garage genutzte
Scheune nicht berücksichtige.
Der Kläger beantragt,
die Baugenehmigung vom 12.03.2009 und den
Widerspruchsbescheid aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 24.09.2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beigeladene verteidigt die Baugenehmigung, ohne einen förmlichen Antrag zu stellen.
Er trägt vor, er unterhalte keinen Kfz.-Betrieb. Die Scheune stehe seit mehr als 20 Jahren
auf dem Grundstück und werde von seiner Familie als Unterstellplatz für Gartengeräte,
Kleintraktoren, Anhänger und Lagerplatz für Kaminholz genutzt. Ein Nachbar habe sie auch
schon als Garage für seinen Pkw benutzt. Er selbst sei Versicherungsagent und widme sich
in seiner Freizeit dem Motorsport. Deshalb besitze er mehrere Fahrzeuge, derzeit 3 Opel
Ascona B, 1 Opel Kadett C Coupé, 1 Honda XL 500 S, 1 Suzuki Jeep SJ 413, 1 BMW X5, 1
kleinen Anhänger und 1 Autotransportanhänger. Alle Fahrzeuge seien zum Straßenverkehr
zugelassen und seien früher auf unterschiedliche, zum Teil angemietete Garagen verteilt
gewesen. Er sei froh, dass davon nun mehrere auf dem Grundstück seines Vaters stehen
könnten. Dort führe er auch Wartungsarbeiten durch, unterhalte allerdings keinen Kfz.-
Betrieb.
Das Gericht hat die Örtlichkeit am 24.03.2010 in Augenschein genommen; wegen der
Einzelheiten wird auf das Protokoll der Ortsbesichtigung Bezug genommen.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich der
beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung
war.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet
Die angegriffene, dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zum "Neubau einer
Carportanlage mit 4 Einstellplätzen“ verletzt den Kläger in der Gestalt, die sie durch den
Widerspruchsbescheid gefunden hat (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), nicht in seinen Rechten.
Eine schutzwürdige Abwehrposition erlangt der Nachbar nicht allein dadurch, dass die auf
seinem Grundstück verwirklichte Nutzung baurechtlich zulässig, das auf dem anderen
öffentlicher
Belange, die nicht dem Schutz privater Dritter zu dienen bestimmt sind, unzulässig ist.
Vielmehr kann sich der jeweils betroffene Nachbar nur auf solche Interessen berufen, die
das Gesetz im Verhältnis der Grundstücksnachbarn untereinander als schutzwürdig
ansieht. (BVerwG, Urteil vom 28.10.1993 - 4 C 5.93 -, BRS 55 Nr. 168)
Für die Beurteilung der Verletzung von öffentlich-rechtlich geschützten Nachbarrechten
durch eine Baugenehmigung ist allein der in den genehmigten Bauvorlagen dargestellte
Regelungsinhalt der Genehmigungsentscheidung und nicht die davon ggf. abweichende
Bauausführung maßgeblich, weil der Regelungsinhalt einer Baugenehmigung immer von
einer technisch einwandfreien Ausführung des genehmigten Vorhabens ausgeht. (OVG des
Saarlandes, Beschluss vom 23.11.1999 - 2 Q 33/99 -)
Das gilt selbst dann, wenn die Baugenehmigungsbehörde und der Bauherr bewusst
einverständlich eine von dem wahren Bau- und Nutzungsabsichten abweichende
Bezeichnung und Darstellung des Vorhabens oder seiner Nutzung in Bauvorlagen und
Bauschein aufnehmen. (Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Aufl. 2005,
XI. Rdnr. 34)
Ist eine Baugenehmigung wegen unterschiedlicher oder widersprüchlicher Darstellungen in
den genehmigten Plänen in sich widersprüchlich, so ist sie auf die Nachbarklage hin
aufzuheben, wenn auch nur eine der zugelassenen - und damit prinzipiell möglichen -
Bauausführungen gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt. (OVG des Saarlandes,
Urteil vom 03.05.1994 - 2 R 13/92 -, BRS 56 Nr. 104)
Das nach Art und Größe gemäß § 64 Abs. 1 Nr. 1 LBO 2004 dem vereinfachten
Genehmigungsverfahren zugewiesene Vorhaben des Beigeladenen verletzt keine nach
Maßgabe des § 64 Abs. 2 LBO 2004 in diesem Rahmen zu prüfenden baurechtlichen
Vorschriften, die dem Schutz des Klägers zu dienen bestimmt sind.
Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren wird nach § 64 Abs. 2 LBO 2004 außer
Abweichungen (Nr. 2 i.V.m. § 68 LBO 2004) nur die Zulässigkeit des Vorhabens nach den
Vorschriften des Baugesetzbuchs und den sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften
außerhalb des Bauordnungsrechts
Arbeitsstättenverordnung und die Anforderungen nach der Energiesparverordnung. Damit
fällt die Prüfung der Abstandsflächen gemäß den §§ 7 und 8 LBO als Bestandteil des
von Gesetz wegen
der Erteilung der angegriffenen Baugenehmigung. Hat von Gesetz wegen keine Prüfung
durch die Bauaufsichtsbehörde stattzufinden, kann eine auf dieser Grundlage erteilte
Genehmigung insoweit keine Nachbarrechte verletzen. (BVerwG, Beschluss vom
16.01.1997 – 4 B 244.96 -, NVwZ 1998, 58)
Dementsprechend enthält die angegriffene Baugenehmigung auch keine Regelung
bauordnungsrechtlicher Fragen. Die – zutreffenden - Ausführungen zur Einhaltung der
Abstandsfläche im Widerspruchsbescheid stellen sich dementsprechend als bloße rechtliche
Hinweise dar. Soweit der Kläger insoweit meint, das altbestehende Scheunengebäude sei
bei der Berechnung der nach § 8 Abs. 2 Nr. 7 LBO maximal zulässigen Grenzbebauung von
12 m je Grundstücksgrenze zu berücksichtigen, trifft das nicht zu. Denn die Scheune ist
wegen ihrer mittleren Wandhöhe von mehr als 3 m (§ 8 Abs. 2 Satz 4 LBO) keine nach § 8
LBO in der Abstandsfläche privilegiert zulässige Anlage, sondern ein sonstiges
grenzständiges Bauwerk. Insoweit bestimmt auch § 8 Abs. 2 Satz 4 LBO, dass die Länge
der die Abstandsfläche nach § 7 nicht einhaltenden Bebauung nach Satz 1 Nr. 7 und 9 auf
einem Grundstück insgesamt 15 m nicht überschreiten darf. Die Scheune fällt aber nicht
unter § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und/oder 9 LBO. Sie wird auch ansonsten nicht vom
Regelungsgehalt der angegriffenen Baugenehmigung erfasst.
Bauplanungsrechtlich beurteilt sich die Zulässigkeit eines Vorhabens und damit auch die
Abwehrmöglichkeit des Nachbarn nicht nach den für das Nachbargrundstück, sondern –
wie sonst auch – nach den für das Vorhabengrundstück geltenden Rechtsnormen.
(BVerwG, Urteil vom 28.10. 1993 - 4 C 5.93 -, BRS 55 Nr. 168 = NVwZ 1994, 686)
Beide Grundstücke befinden sich nicht im Geltungsbereich eines qualifizierten
Bebauungsplanes, sondern im nicht beplanten Innenbereich der Gemeinde O. Folglich
bemisst sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des genehmigten Vorhabens nach § 34
BauGB.
Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der
baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in
die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund
des § 9a BauGB erlassenen Verordnung bezeichnet sind, so beurteilt sich die Zulässigkeit
des Vorhabens gemäß § 34 Abs. 2 BauGB nach der Art seiner baulichen Nutzung allein
danach, ob es nach der BauNVO in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre. Liegen die
Art
Nachbarn innerhalb desselben Gebietes ein subjektives Abwehrrecht gegenüber nicht
gebietsverträglichen Nutzungen. (BVerwG, Urteil vom 16.9.1993 -4 C 28.91-, BVerwGE
94, 151 = BRS 55 Nr. 110; daran anschließend: OVG des Saarlandes, Urteil vom
30.08.1994 - 2 R 8/94 -, BRS 56 Nr. 121, und Beschluss vom 12.04.1999 -2 W 1/99-.)
Dieser über das Rücksichtnahmegebot hinausgehende Gebietsgewährleistungsanspruch ist
darauf gerichtet, Nutzungen abwehren zu können, die mit der Eigenart dieses Baugebiets
nicht verträglich sind.
Der Gebietserhaltungsanspruch hilft dem Kläger indes nicht, denn dem Beigeladenen
wurde mit der angegriffenen Baugenehmigung eine Carportanlage mit vier Einstellplätzen
genehmigt. Hierbei handelt es sich in Bezug auf die zugelassene Art der baulichen Nutzung
um einen Annex zu der die Eigenart der näheren Umgebung prägenden Wohnnutzung.
Nach § 12 Abs. 1 BauNVO sind Stellplätze und Garagen in allen Baugebieten zulässig,
soweit sich aus den Absätzen 2 bis 6 nichts anderes ergibt. Insoweit bestimmt Absatz 2,
dass u.a. in Wohngebieten Stellplätze und Garagen nur für den durch die zugelassene
Nutzung verursachten Bedarf zulässig sind. Das trifft auf die zugelassene Carportanlage zu.
Diese dient, weil dem Beigeladenen mit dem Bauschein keine gewerbliche Nutzung des
Vorhabengrundstücks genehmigt wurde, ausschließlich der Wohnnutzung, die hier
zugelassen ist. Dass der Beigeladene auf dem Grundstück selbst nicht wohnt, spielt dabei
keine Rolle.
Keinen Erfolg hat der Hinweis des Klägers unter Bezugnahme auf das Urteil der Kammer
vom 26.03.2008 – 5 K 92/06 –, vorliegend sei eine von dem Grundsatz der Maßgeblichkeit
des Regelungsgehaltes der Baugenehmigung abweichende Beurteilung geboten, weil das in
den Bauvorlagen des Beigeladenen dargestellte Vorhaben zwar rechtmäßig sei, in
Wirklichkeit aber von vornherein festgestanden habe, dass dieses nicht gewollt und/oder
gar nicht möglich sei. (vgl. zum sog. „Etikettenschwindel“: OVG Nordrhein-Westfalen,
Beschluss vom 20.09.2007 – 10 A 4372/05 -, Öffentliches Baurecht 2008, 17 ff.; OVG
Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 04.05.2006 – 2 M 132/06 -, BauR 2006, 2107; OVG
Niedersachsen, Urteil vom 26.04.1993 – 6 L 169/90 -, OVGE MüLü 33, 430) Das
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat im Beschluss vom 04.12.2008 – 2 A 228/08 -
, mit dem der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil vom 26.03.2008
zurückgewiesen wurde, die ständige Rechtsprechung bekräftigt, dass alleiniger Gegenstand
der Anfechtung einer Baugenehmigung das in den Bauvorlagen dargestellte Vorhaben ist
und nur dann, wenn die Genehmigungsentscheidung (zu) unbestimmt ist, bei
Nachbaranfechtungen vom schlimmsten Fall („worst case“) auszugehen ist. Der im Urteil
vom 26.03.2008 verwendete Begriff des „Etikettenschwindels“ bezieht sich deshalb allein
auf solche Fälle, in denen ein nicht genehmigungsfähiger Gewerbebetrieb durch das
Weglassen notwendiger Betriebsvorgänge oder erhebliche Auflagen, die weitgehend vom
„Wohlverhalten“ des Anlagenbetreibers oder gar Dritter abhängen, „zulässig gemacht“
werden soll.
Ein solcher Fall liegt hier offenkundig nicht vor. Dem Beigeladenen wurden als Annex zur
Wohnnutzung vier Carports in einem von Wohnnutzung geprägten Gebiet zugelassen. Eine
bessere Gebietsverträglichkeit als die von Nutzungen derselben Art gibt es nicht. (BVerwG,
Urteil vom 18.09.2003 - 4 CN 3.02 -, BRS 66 Nr. 21)
Liegen die Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 BauBG nicht vor, kommen im Bereich des
Bauplanungsrechts nachbarliche Abwehransprüche im unbeplanten Innenbereich (§ 34 Abs.
1 BauGB) nur noch auf der Grundlage des sogenannten Gebotes der Rücksichtnahme in
Betracht. (Vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 18.10.2002 – 2 Q 3/02 -, S. 7)
Dessen Voraussetzungen liegen indes nicht vor.
Das Gebot der Rücksichtnahme soll einen angemessenen Interessenausgleich gewähren.
Die dabei vorzunehmende Abwägung hat sich daran zu orientieren, was dem
Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage
der Dinge zuzumuten ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des
Rücksichtnahmebegünstigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je
verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso
weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen.
Berechtigte Belange muss er nicht zurückstellen, um gleichwertige fremde Belange zu
schonen. Der begünstigte Dritte muss es hinnehmen, dass Beeinträchtigungen, die von
einem legal genutzten vorhandenen Bestand ausgehen, bei der Interessenabwägung als
Vorbelastung berücksichtigt werden, die seine Schutzwürdigkeit mindern kann. (BVerwG,
Urteil vom 14.01.1993 -4 C 19.90-, BRS 55 Nr. 175 m.w.N.)
Ein Vorhaben, das mit den städtebaulichen Vorgaben übereinstimmt, kann nur in
besonderen Fällen („ausnahmsweise“) am Rücksichtnahmegebot scheitern.
(Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht Saarland, 2. Aufl. 2005, XI. Rdnr. 186 unter
Hinweis auf den Beschluss des OVG des Saarlandes vom 23.07.2003 – 1 W 51/03 -, SKZ
2004, 83 Leitsatz 31)
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das zugelassene Vorhaben mit den
planungsrechtlichen Regelungen über die Bauweise (§ 22 BauNVO) und die zu
überbauenden Grundstücksflächen (§ 23 BauNVO) vereinbar ist. § 22 Abs. 2 BauNVO
fordert einen seitlichen Grenzabstand in der offenen Bauweise für Einzelhäuser,
Doppelhäuser oder Hausgruppen und damit nicht für andere Gebäude und bauliche
Anlagen. Nach § 23 Abs. 5 BauNVO können auf den nicht überbaubaren
Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne von § 14 BauNVO und andere bauliche
Anlagen zugelassen werden, die – wie Garagen und Carports - nach Landesrecht in der
Abstandsfläche zulässig sind oder zugelassen werden können.
Immissionen, die das nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zulässige Maß nicht überschreiten,
begründen auch unter dem Gesichtspunkt des baurechtlichen Rücksichtnahmegebots keine
Abwehr- oder Schutzansprüche. (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.09.1983 - 4 C 74.78 -,
BVerwGE 68, 58 = BRS 40 Nr. 206)
Die sich aus der Verwirklichung einer bestimmten Baumasse ergebende räumliche Wirkung
eines Baukörpers auf die Nachbargrundstücke schließt im Falle der Einhaltung der
landesrechtlichen Abstandsflächen einen nachbarrechtlichen Abwehranspruch zwar nicht
schlechthin aus. Allerdings ist das Rücksichtnahmegebot im Regelfall aus tatsächlichen
Gründen nicht verletzt, wenn die Abstandsvorschriften – wie vorliegend - eingehalten sind.
(BVerwG, Beschluss vom 11.1.1999 - 4 B 128.98 -, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr.
159 = NVwZ 1999, 879 = DVBl 1999, 786 = DÖV 1999, 558 = BauR 1999, 615 mit
weiteren Nachweise; vgl. zum Verhältnis des Rücksichtnahmegebotes zu den
bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften auch: Mampel, Drittschutz durch das
bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme - Aus dem Irrgarten in den Ziergarten -,
DVBl 2000, 1830)
Keinen Hinweis auf die Rücksichtslosigkeit des zugelassenen Vorhabens geben die Anzahl
und Anordnung der (vier) Carports auf dem Grundstück.
Nach der ständigen Rechtsprechung des OVG des Saarlandes ist davon auszugehen, dass
Garagen- oder Stellplatzemissionen heutzutage selbst in Wohnbereichen ähnlich wie das
Lärmen spielender Kinder oder die Geräusche von Rasenmähern gewissermaßen zu den
Alltagserscheinungen gehören und dort grundsätzlich hinzunehmen sind, soweit sie durch
die in dem Gebiet zur Deckung des Stellplatzbedarfs notwendigen Anlagen verursacht
werden. Deshalb sind die Auswirkungen einer Stellplatz- bzw. Garagenanlage, die aufgrund
der Stellplatzpflicht (§ 47 Abs. 1 und 2 LBO) als notwendiges „Zubehör“ zu einer auf dem
Grundstück statthaften (Haupt-) Bebauung errichtet wird, prinzipiell zu dulden. Je nach
Lage, Umfang und Situation kann allerdings ein Vorhaben, das den Rahmen des an sich
Erforderlichen nicht überschreitet, unzumutbare Nachbarbeeinträchtigungen hervorrufen;
umgekehrt besteht gleichermaßen die Möglichkeit, dass nach dem Ergebnis der - stets
gebotenen - Einzelfallbeurteilung eine dem Umfang nach über die notwendige Stellplatzzahl
hinausgehende Anlage keine erheblichen Auswirkungen auf das Nachbargrundstück hat.
(OVG des Saarlandes, Urteil vom 27.09.1988 - 2 R 136/86 -, S. 9)
Auch rückwärtige Freiflächen von Wohngrundstücken sind nicht von vornherein wegen einer
ihnen zukommenden Funktion als Ruhe- und Erholungszonen jeglicher Verwendung zur
Schaffung von notwendigen Fahrzeugabstellmöglichkeiten einer Wohnnutzung entzogen.
Erst eine Massierung von - in einem Falle 15 - Stellplätzen in dieser Ruhezone legt eine
hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Verstoß gegen § 47 Abs. 5 Satz 1 LBO 2004
(„Stellplätze und Garagen müssen so angeordnet und ausgeführt werden, dass ihre
Benutzung die Gesundheit nicht schädigt sowie das Arbeiten und Wohnen, die Ruhe und die
Erholung in der Umgebung nicht über das zumutbare Maß hinaus stört.“) nahe. (OVG des
Saarlandes, Beschlüsse vom 22.03.1995 - 2 W 4/95 -, vom 08.03.1995 - 2 W 2/95- und
vom 13.02.1996 - 2 W 57/95 -)
Nachbarrechtliche Abwehrrechte gegen Immissionen von Stellplätzen und Garagen, die der
Deckung eines entsprechenden Bedarfs einer zugelassenen Wohnnutzung dienen, kommen
nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände - insbesondere die Anordnung der
Anlagen - hinzutreten, die dazu führen, dass Nachbarn einem das Maß des regelmäßig
hinzunehmenden wesentlich übersteigenden "Mehr" an Belästigungen ausgesetzt sind.
(Vgl. etwa OVG des Saarlandes, Beschluss vom 19.01.1998 - 2 V 13/97 -)
Aus einer Überschreitung der Zahl der notwendigen Stellplätze im Einzelfall lässt sich für
sich genommen noch kein nachbarlicher Abwehranspruch herleiten. Die Zahl der
notwendigen Stellplätze im Sinne des § 47 Abs. 1 LBO bezeichnet nur einen Mindestbedarf;
sie beinhaltet indessen keine Festlegung von Obergrenzen dessen, was vom Nachbarn
unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten hinzunehmen ist. (Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr,
Baurecht Saarland, 2. Aufl. 2005, XI. Rdnr. 109 unter Hinweis auf den Beschluss des OVG
des Saarlandes vom 19.01.1998 – 2 V 13/97 -, SKZ 1998, 248 Leitsatz 1)
Da das Bauplanungsrecht vom Begriff der Typisierung geprägt ist, demzufolge es nicht auf
das konkrete, sondern auf das typische Störpotential ankommt, ist in diesem
Zusammenhang die jeweilige Nutzungsintensität ohne Bedeutung. Deshalb kommt es für
die Frage des Nachbarschutzes nicht darauf an, ob in der Garage im Einzelfall ein Fahrzeug
mit besonders lästigen Auspuffgeräuschen eingestellt ist oder ob die Nutzer ein besonders
rücksichtsloses Verhalten an den Tag legen. (Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr, Baurecht
Saarland, XI. Rdnr. 112 unter Hinweis auf das Urteil des OVG des Saarlandes vom
30.08.1994 – 2 R 8/94 -, BRS 56 Nr. 121)
Wenn der Nachbar auf seinem Grundstück bisher von Stellplatzimmissionen verschont
geblieben ist, hatte er damit allenfalls einen (momentanen) Situationsvorteil, auf dessen
Fortbestand er allerdings keinen Rechtsanspruch hat. (Bitz/Schwarz/Seiler-Dürr/Dürr,
Baurecht Saarland, XI. Rdnr. 113 unter Hinweis auf den Beschluss des OVG des Saarlandes
vom 19.08.1996 – 2 W 24/96 -, nicht veröffentlicht)
Vorliegend ist ein solches, das Maß des regelmäßig hinzunehmenden wesentlich
übersteigenden "Mehr" an Belästigungen durch das mit der angegriffenen Baugenehmigung
zugelassene Vorhaben nicht erkennbar. Aus dem Umstand, dass eine Wohnnutzung auf
dem Vorhabengrundstück derzeit nicht stattfindet, ergibt sich zugleich, dass der ansonsten
übliche Fahrverkehr morgens und abends nicht stattfindet. Zu betonen ist in diesem
Zusammenhang, dass die Baugenehmigung auf typisierende Weise das zulässt, was der
Wohn- und damit auch der Hobbynutzung von überdachten Stellplätzen üblicherweise
entspricht. Dazu gehören nicht Karosseriearbeiten, wohl aber zusätzlich zum Abstellen von
Kraftfahrzeugen das Reinigen der Fenster und des Fahrzeuginnenraumes, das Wechseln
und Lagern von Reifen u.s.w.. Der Umstand, dass sich der Beigeladene in seiner Freizeit
dem Motorsport widmet und er dementsprechend eine größere Anzahl von (zum
öffentlichen Straßenverkehr zugelassenen) Kraftfahrzeugen besitzt, ist für eine Einstufung
der Stellplatznutzung als rücksichtslos ungeeignet. Öffentliches Baurecht ist nicht personen-
, sondern nur grundstücksbezogen. Daraus folgt zugleich, dass die Aufhebung einer
Baugenehmigung wegen in der Person des Genehmigungsinhabers liegender Gründe
grundsätzlich nicht in Betracht kommt.
Sollte das Grundstück des Klägers durch die Errichtung der Carports an Wert verlieren, ist
das vorliegend nicht zu berücksichtigen. Einen allgemeinen Schutz dagegen, dass durch
Vorgänge, die auf einem anderen Grundstück stattfinden, der Wert des eigenen
Grundstücks sinkt, kennt die Rechtsordnung nicht. (BVerfG, Beschluss vom 24.01.2007 –
1 BvR 382/05 -, BRS 71 Nr. 74; vom 26.06.2002 – 1 BvR 558/91 -, BVerfGE 105, 252
(277); BVerwG, Beschl. vom 17.02.1981 - 4 B 13.81 -, BRS 38 Nr. 183)
Damit ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO insgesamt abzuweisen.
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind dem Kläger nicht aus
Billigkeitsgründen gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen, weil dieser keinen förmlichen
Antrag gestellt hat und dementsprechend nicht das Risiko eingegangen ist, im Falle des
Unterliegens auf der Grundlage von § 154 Abs. 3 VwGO an den Kosten des Verfahrens
beteiligt zu werden.
Die Berufung wird nicht gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO zugelassen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung
mit den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 52 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 2 GKG.