Urteil des VG Saarlouis vom 27.08.2008

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VG Saarlouis Urteil vom 27.8.2008, 5 K 77/08
Abgrenzung des Innen- und Außenbereich im Rahmen der Erteilung eines Bauvorbescheides
Leitsätze
1. Die Wirksamkeit einer Veränderungssperre kann dahinstehen, wenn das geplante
Vorhaben auch im Falle der Unwirksamkeit der Veränderungssperre bauplanungsrechtlich
unzulässig wäre.
2. Dem Regelfall entsprechender Einzelfall, in dem der Bebauungszusammenhang am
letzten Baukörper vor dem Beginn des Außenbereichs endet.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen
trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der Beklagte
oder die Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Der Streitwert wird auf 60.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt im Wege der Untätigkeitsklage die Erteilung eines Vorbescheides, mit
dem ihr die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 8
Wohneinheiten in Aussicht gestellt wird, hilfsweise die Feststellung, dass ihr Vorhaben bis
zum Erlass der Veränderungssperre durch die Beigeladene vom 03.01.2008
genehmigungsfähig war und sie einen Anspruch auf die Erteilung des beantragten
Vorbescheides hatte.
Mit dem Antrag auf Erteilung eines Vorbescheides vom 18.07.2007, der beim Beklagten
am 30.07.2007 einging, bat die Klägerin sinngemäß um Mitteilung, ob die von ihr
vorgesehene Bebauung, die Errichtung eines Mehrfamilienhauses auf dem Grundstück in
…, Auf H., Gemarkung …, Flur …, Flurstücke …, gemäß den beiliegenden Planunterlagen
bauplanungsrechtlich zulässig sei.
Das Grundstück befindet sich am südöstlichen Ortsrand von … an der Straße „Auf H. “ in
Richtung auf das deutsch-französische Naturschutzgebiet H.. Auf der Nordseite der Straße
befinden sich in diesem Bereich Gebäude im Geltungsbereich altbestehender
Bebauungspläne. Nach Süden zweigt von der Straße „Auf H. “ der T. Weg ab, für den
ebenfalls ein Bebauungsplan besteht. Für die weiteren Grundstücke auf der Südseite der
Straße „Auf H. “ in Richtung Osten hat der Beklagte mit den Baugenehmigungen vom
21.02.2007, 22.08.2007 und 28.08.2007 insgesamt fünf Doppelhäuser genehmigt.
Weiter nach Osten folgen sodann das aus den Flurstücken … bestehende
Vorhabengrundstück und anschließend das 43,02 Ar große Flurstück …, das im Eigentum
der Beigeladenen steht. Nördlich des zuletzt genannten Flurstücks knickt die Straße „Auf
H.“ um etwa 90° nach Norden ab. Dort befindet sich eine bandartige beidseitige
Straßenrandbebauung. Zwischen dem Flurstück … und dem ersten Haus auf der Ostseite
der sodann nach Norden verlaufenden Straße „Auf H.“ (mit dem Mehrfamilienhaus ) liegen
noch die Flurstücke und ; Letzteres ist in der Katasterkarte als (in den Wald führender)
„Weg“ bezeichnet, derzeit ausweislich des Luftbildes allerdings nur bis unmittelbar hinter
das Mehrfamilienwohnhaus ausgebaut ist.
Mit am 31.07.2007 abgesandten Schreiben vom selben Tage bat der Beklagte die
Beigeladene um die Herstellung des Einvernehmens und teilte der Klägerin mit, dass ihr
Antrag bearbeitungsfähig sei. Die Beigeladene teilte mit Schreiben vom 01.10.2007, beim
Beklagten am 04.10.2007 eingegangen, mit, dass das Einvernehmen nach § 36 Abs. 1
BauGB nicht hergestellt werde und beantragte zugleich die vorläufige Untersagung bzw. die
Zurückstellung des Baugesuchs gemäß § 15 Abs. 1 BauGB.
Der Gemeinderat der Beigeladenen hatte nämlich am 23.08.2007 die Aufstellung des
Bebauungsplans „Auf H.“ beschlossen. Das Plangebiet umfasst die Grundstücke, für die die
Baugenehmigungen für die fünf Doppelhäuser erteilt worden waren, ferner das
Vorhabengrundstück und den straßennahen Teil der Flurstücke … und ….
Mit am 09.10.2007 abgesandten Schreiben vom 05.10.2007 informierte der Beklagte die
Klägerin über das Schreiben der Beigeladenen vom 01.10.2007 und bat um Abklärung der
weiteren Vorgehensweise. Daraufhin bat die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom
16.10.2007 um die Übersendung der entsprechenden Unterlagen der Beigeladenen, die
der Beklagte am 18.10.2007 von der Beigeladenen telefonisch anforderte, nach mehreren
telefonischen Erinnerungen am 28.11.2007 erhielt und am 30.11.2007 an die Klägerin
absandte.
Am 20.12.2007 beschloss der Gemeinderat der Beigeladenen für den Geltungsbereich des
Planentwurfs eine Veränderungssperre, die am 03.01.2008 im Veröffentlichungsorgan der
Beigeladenen … veröffentlicht wurde und in Kraft trat.
Am 17.01.2008 hat die Klägerin (Untätigkeits-) Klage erhoben. Zu deren Begründung
macht sie geltend, die Veränderungssperre stehe ihrem Vorhaben nicht entgegen, weil
diese neben dem Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan und der Veröffentlichung
weiter erfordere, dass die Veränderungssperre zur Sicherung der Planung erforderlich sei.
Unzulässig sei eine Veränderungssperre, wenn zum Zeitpunkt ihres Erlasses der Inhalt der
beabsichtigten Planung noch in keiner Weise abzusehen sei. (BVerwG, Urteil vom
10.09.1976 – IV C 39.74 -, BVerwGE 51, 122 = NJW 1977, 400) Das bedeute, dass der
künftige Planinhalt bereits in einem Mindestmaß bestimmt und absehbar sein müsse.
Vorliegend seien aber keine planerischen Absichten der Beigeladenen erkennbar. Die
Veränderungssperre ziele ersichtlich allein auf eine rechtlich unzulässige Verhinderung
(BayVGH, Beschluss vom 22.06.2007 – 1 N 04.3145 -, bei juris; Battis/Krautzberger/Löhr,
BauGB, 10. Aufl. 2007, § 1 Rdnr. 26) des streitigen Vorhabens. Das zeige sich schon an
der Formulierung der Begründung für die Versagung des Einvernehmens, das Vorhaben
passe sich der näheren Umgebungsbebauung mit überwiegend eingeschossiger Bauweise
und überwiegend Einfamilienhäusern nicht an. Überwiegend bedeute, dass es dort auch
andere Bauformen gebe. Das zeige sich weiter am zeitlichen Ablauf: Vorbescheidsantrag
18.07.2007 - Aufstellungsbeschluss Bebauungsplan 23.08.2007. Folglich sei die Satzung
über den Erlass der Veränderungssperre unwirksam und das Einvernehmen zu Unrecht
versagt worden. Damit beurteile sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens
nach § 34 BauGB, dessen Voraussetzungen vorlägen. Das Vorhaben füge sich in die
tatsächlich aufeinanderfolgende, zusammenhängende Bebauung ein, die Ausdruck der
organischen Siedlungsstruktur sei. Das Plangebiet „Auf H.“ weise in alle Richtungen eine
vorhandene Bebauung und damit einen klar strukturierten Siedlungszusammenhang vor,
an den sich das Vorhaben anschließe. Wohnnutzung sei dort prägend. Die Anzahl der
Wohnungen stelle kein Kriterium beim „Einfügen“ gemäß § 34 Abs. 1 BauGB dar.
Selbst wenn das Gericht das Vorhabengrundstück dem Außenbereich zurechnen sollte,
wäre das Vorhaben zulässig, und zwar nicht auf der Grundlage von § 35 Abs. 1 BauGB,
sondern nach § 35 Abs. 2 BauGB. Denn seiner Zulassung stünden keine Belange im
Verständnis von § 35 Abs. 3 BauGB entgegen.
Sollte das Gericht zu der Überzeugung gelangen, die Veränderungssperre hindere die
Erteilung des Vorbescheides, sei jedenfalls festzustellen, dass das Vorhaben bis zum Erlass
der Veränderungssperre zulässig gewesen sei und deshalb ein Anspruch auf Erlass des
Vorbescheides bestanden habe. Das besondere Feststellungsinteresse begründe sich mit
entsprechenden Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüchen, die vom Gericht nicht
umfassend zu prüfen seien. Ein berechtigtes Feststellungsinteresse fehle nur, wenn eine
spätere Ersatzklage offensichtlich aussichtslos sei. Da sie einen Amtshaftungsanspruch
gegen den Beklagten und die Beigeladene anstrebe, müsse sie nach § 839 Abs. 3 BGB alle
erforderlichen Rechtsmittel ergreifen, um einen derartigen Prozess zu vermeiden. Ein
solcher sei auch nicht offensichtlich erfolglos, weil der Beklagte und die Beigeladene das
Antragsverfahren unnötig verzögert hätten. Denn erst ein halbes Jahr nach der Stellung des
Vorbescheidsantrags sei die Veränderungssperre erlassen worden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihr einen positiven
Vorbescheid zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit
8 Wohneinheiten gemäß ihrem Antrag vom 18.07.2007
zu erteilen,
hilfsweise, festzustellen, dass ihr Vorhaben bis zum Erlass
der Veränderungssperre durch die Beigeladene vom
03.01.2008 genehmigungsfähig war und sie einen
Anspruch auf die Erteilung des beantragten Vorbescheides
hatte.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verwahrt sich gegen den Vorwurf, im Verständnis von § 75 VwGO untätig gewesen zu
sein: Aufgrund des versagten Einvernehmens habe er den beantragten Vorbescheid nicht
erlassen dürfen und nach dem Erlass der Veränderungssperre dürfe er das auch nicht.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen, der Beschluss über die Aufstellung des
Bebauungsplans habe nur dem Zweck gedient, das Vorhaben der Klägerin zu verhindern.
Ziel der Planung sei eine homogene städtebauliche Entwicklung mit überwiegend
Wohnnutzungen. Das solle durch Festsetzungen über die Art und das zulässige Maß der
baulichen Nutzungen, insbesondere durch Festsetzung höchstzulässiger Zahl von
Wohnungen pro Wohngebäude erreicht werden. Beabsichtigt sei nicht die Verhinderung,
sondern die Steuerung des Bauens innerhalb der Gemeinde.
Das Gericht hat die Örtlichkeit am 14.05.2008 in Augenschein genommen; wegen der
Einzelheiten wird auf das Protokoll der Ortsbesichtigung Bezug genommen.
Die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts ergeben sich aus dem Inhalt der Gerichtsakte
und der beigezogenen Verwaltungsunterlagen, der Gegenstand der mündlichen
Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als Untätigkeitsklage zulässig (I.), aber unbegründet (II.).
I.
Nach § 75 Satz 1 VwGO ist die Klage abweichend von § 68 VwGO und damit ohne
vorherige Durchführung eines Widerspruchsverfahrens zulässig, wenn über einen Antrag
auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Zeit
sachlich nicht entschieden wurde. Die Klage kann nicht vor Ablauf von drei Monaten seit
dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts erhoben werden, außer wenn wegen
besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Diese Voraussetzungen
liegen vor.
Die Klägerin hat am 30.07.2007 (Eingang des Antrags vom 18.07.2007 beim Beklagten)
die Erteilung des Vorbescheides beantragt. In diesem Zusammenhang bedarf es keines
Eingehens darauf, ob die Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Klageerhebung am
17.01.2008 vorlagen, weil es sich bei der Regelung des § 75 VwGO um eine
Sachurteilsvoraussetzung handelt. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung
(27.08.2007) sind knapp 13 Monate seit der Antragstellung verstrichen, ohne dass
nunmehr ein zureichender Grund erkennbar ist, weshalb über den Antrag in der Sache
noch nicht entschieden wurde. Damit ist die Klage zulässig.
II.
Die Klage ist allerdings in der Sache sowohl als Verpflichtungsklage als auch (hilfsweise) als
Fortsetzungsfeststellungsklage unbegründet.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheides,
mit dem ihr die Erteilung einer Baugenehmigung zum Neubau eines
Mehrfamilienhauses mit 8 Wohneinheiten gemäß ihrem Antrag vom
18.07.2007 in Aussicht gestellt wird.
Rechtsgrundlage für die Erteilung eines Vorbescheides ist § 76 LBO. Nach
dessen Absatz 1 ist einem Bauherrn auf schriftlichen Antrag zu einzelnen Fragen
eines Bauvorhabens - auch ob ein Vorhaben nach städtebaulichem
Planungsrecht zulässig ist - ein schriftlicher, drei Jahre gültiger Bescheid zu
erteilen.
Die Klägerin hat mit der von ihr in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Frage, ob für ihr
Bauvorhaben eine Baugenehmigung in Aussicht gestellt werde, eine umfassende Prüfung
der Zulässigkeit ihres Vorhabens beantragt. Diese Prüfung geht zu Lasten der Klägerin aus.
In diesem kann mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen, ob die
Veränderungssperre der Beigeladenen wirksam ist, wofür allerdings einiges spricht.
Geht man von der Wirksamkeit der Veränderungssperre aus, so steht der
bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens Vorhaben § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB
entgegen. Nach dieser Vorschrift kann die Gemeinde nach der Fassung eines Beschlusses
über die Aufstellung eines Bebauungsplans zur Sicherung der Planung für den künftigen
Planbereich eine Veränderungssperre beschließen. Die Beigeladene hat am 20.12.2007
eine solche Veränderungssperre für den Geltungsbereich des Gebietes beschlossen und
am 03.01.2008 im Veröffentlichungsblatt … bekanntgemacht, für das der Gemeinderat
am 23.08.2007 die Aufstellung des Bebauungsplans „Auf H. “ beschlossen hatte.
Rechtliche Voraussetzung für den Erlass einer Veränderungssperre nach § 14 Abs. 1
BauGB ist, dass im Zeitpunkt der Beschlussfassung des gemeindlichen Beschlussorgans ein
Mindestmaß an Klarheit darüber besteht, welche positiven Ziele mit der Planung verfolgt
werden; die Veränderungssperre darf dann gezielt dazu eingesetzt werden, die rechtlichen
Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines nicht zielkonformen Vorhabens zu verändern.
(OVG des Saarlandes, Urteil vom 03. und 09.04.2008 – 2 C 309/07 -)
Vorliegend hat die Beigeladene den Vorbescheidsantrag der Klägerin zum Anlass
genommen, eine Bauleitplanung mit dem Ziel in die Wege zu leiten, Festsetzungen über
die Art und das zulässige Maß der baulichen Nutzungen, insbesondere durch Festsetzung
höchstzulässiger Zahl von Wohnungen pro Wohngebäude zu erreichen, um auf diese Weise
das Bauen innerhalb der Gemeinde zu steuern und nicht zu verhindern. Dagegen dürfte
von Rechts wegen kaum etwas zu erinnern sein. Bereits § 1 Abs 3 Satz 1 BauGB stellt
klar, dass es allein der Entscheidungskompetenz der Gemeinde obliegt, ob sie einen
Bebauungsplan aufstellen will oder nicht. Sie hat dies zu tun „sobald und soweit es für die
städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist“. Für das Vorliegen dieser
Voraussetzungen spricht nach Lage der Dinge einiges. Eine abschließende Entscheidung
dazu ist jedoch im vorliegenden Verfahren nicht erforderlich.
Denn die Veränderungssperre gleichwohl unwirksam sein, käme kein anderes Ergebnis
zustande. Auch dann wäre das Bauvorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig.
Denn das Vorhabengrundstück, auf dem das von der Klägerin dem Gericht zur Prüfung
gestellte Bauvorhaben, der Neubau eines Mehrfamilienhauses mit 8 Wohneinheiten
verwirklicht werden soll, liegt im Außenbereich und ist dort bauplanungsrechtlich nicht
zulässig.
§ 34 BauGB betrifft die Zulässigkeit von Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang
bebauten Ortsteile, § 35 BauGB die von Vorhaben im Außenbereich. Außenbereich ist in
Anlehnung an die Begriffsbestimmungen des früheren § 19 Abs. 1 Nr. 3 BauGB derjenige
Teil eines Gemeindegebietes, der nicht qualifiziert oder vorhabenbezogen beplant (§ 30
Abs. 1 und 2 BauGB) ist und auch keinen im Zusammenhang bebauten Ortsteil (§ 34
BauGB) bildet. Angesichts dieser Begriffsbestimmung verbietet sich, den Außenbereich
begrifflich mit Vorstellungen zu verbinden, die ihm - anknüpfend vor allem an den Wortteil
"Außen" - ganz bestimmte Vorstellungsbilder zuordnen, etwa das der "freien Natur", der
"Stadtferne", der "Einsamkeit" o.ä.m. Ob derartige Bilder als Indizien eine gewisse
Berechtigung haben können, mag dahinstehen. Mit dem vom BauGB geprägten Begriff des
Außenbereichs als solchem haben sie nichts zu tun. Dass diese Flächen in einem
naturalistisch-geographischen Sinne "außen" liegen, wird mit dem Rechtsbegriff des
Außenbereichs nicht festgelegt und ist daher allenfalls eine außerrechtliche
Erfahrungstatsache. (BVerwG, Urteil vom 1.12.1972 - IV C 6.71 -, BVerwGE 41, 227 =
Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 102 = BRS 25 Nr. 36 = NJW 1973, 1014)
Das Vorhabengrundstück wird von keinem wirksamen qualifizierten Bebauungsplan im
Sinne von § 30 BauGB erfasst. Entscheidend für die Frage, ob das Vorhabengrundstück in
der von der Klägerin beabsichtigten Weise bebaut werden kann, ist deshalb allein, ob es
sich innerhalb eines Bebauungszusammenhanges im Sinne von § 34 BauGB befindet und
deshalb dem Innenbereich zuzurechnen ist.
Nach der im Urteil vom 06.11.1968 (- IV C 2.66 -, BVerwGE 31, 20 = BRS 20 Nr. 35)
zusammengefassten Rechtsprechung des BVerwG ist ein Bebauungszusammenhang im
die aufeinanderfolgende Bebauung trotz
vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit vermittelt
Bestandteile eines derartigen Bebauungszusammenhanges sind erstens bebaute
Grundstücke, zweitens unbebaute, aber bebauungsfähige Grundstücke (Baulücken im
engeren Sinne) sowie drittens "freie Flächen, die wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit
(stehendes oder fließendes Gewässer) oder wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung
(Sportplätze, Erholungsflächen) einer Bebauung entzogen sind". Ein Grundstück liegt im
Rechtssinne nicht schon deshalb innerhalb eines Bebauungszusammenhanges, weil es von
das Grundstück selbst
einen Teil des Zusammenhangs bildet
Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit teilnimmt. Fehlt es daran, so liegt das
Grundstück zwar geographisch, nicht jedoch auch im Sinne des § 34 BauGB innerhalb eines
Bebauungszusammenhanges. Vielmehr handelt es sich dann zwar um ein von Bebauung
umgebenes, selbst aber in seiner Bebaubarkeit nach § 35 BauGB zu beurteilendes
Grundstück. Ob ein unbebautes Grundstück, das sich einem Bebauungszusammenhang
anschließt, diesen Zusammenhang fortsetzt oder ihn unterbricht, ist - weil jeweils vom
Eindruck der Geschlossenheit abhängig - letztlich stets eine Frage des Einzelfalles.
(BVerwG, Urteil vom 01.12.1972 - IV C 6.71 -, BVerwGE 41, 227 = Buchholz 406.11 § 35
BBauG Nr. 102 = BRS 25 Nr. 36 = NJW 1973, 1014)
Bebauung
bauliche Anlage. Im unbeplanten Innenbereich richtet sich die Zulässigkeit eines
Bauvorhabens gemäß § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB danach, ob es sich nach Art und Maß der
baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in
die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (und ob die Erschließung gesichert ist). Der
innere Grund für die Rechtsfolge des § 34 BauGB liegt darin, dass die nach der
Siedlungsstruktur angemessene Fortentwicklung der Bebauung eines Bereichs zugelassen
werden soll. Dies setzt eine Bebauung voraus, die maßstabsbildend ist. Unter den Begriff
der "Bebauung" im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB fallen deshalb nur bauliche Anlagen, die
optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, so dass sie geeignet sind, ein
Gebiet in einem Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen. Selbst im Sinne von §
29 Satz 1 BauGB unbebaute Flächen können einem Bebauungszusammenhang
zurechenbar sein, wenn sie den optischen Eindruck der Geschlossenheit nicht
unterbrechen. Dies ist sogar dann nicht ausgeschlossen, wenn es sich um eine
Regel
Bebauungszusammenhang am letzten Baukörper
ein oder mehrere unbebaute Grundstücke bis zu einer sich aus der örtlichen Situation
natürlichen Grenze
15.90 -, BRS 54 Nr. 65 = DVBl. 1993, 111, unter Hinweis auf das Urteil vom 12.12.1990
- 4 C 40.87 -, Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 138 = BRS 50 Nr. 72 = ZfBR 1991, 126;
OVG des Saarlandes, Urteile vom 25.05. 1999 - 2 R 10/98 - und vom 9.12.1988 - 2 R
370/86 -)
Geländehindernisse, Erhebungen oder
Einschnitte
eine Straße oder ein Weg kann je nach den Umständen des Einzelfalles einen
Bebauungszusammenhang herstellen oder trennende Funktion zwischen dem Innen- und
dem Außenbereich haben. (BVerwG, Urteil vom 12.12.1990 - 4 C 40.87 -, Buchholz
406.11 § 34 BauGB Nr. 138 = BRS 50 Nr. 72 = ZfBR 1991, 126, unter Hinweis auf das
Urteil vom 29.11.1974 - IV C 10.73 -, Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 46 = DVBl 1975,
509 = BRS 28 Nr. 28, und den Beschluss vom 16.02.1988 - 4 B 19.88 -, Buchholz
406.11 § 34 BBauG Nr. 123 = BRS 48 Nr. 44)
Unmaßgeblich für die Abgrenzung des Innenbereichs zum Außenbereich sind die
Darstellungen des Flächennutzungsplans, z.B. die dargestellten Grenzen von Bauflächen,
die Festsetzungen eines für einen Teil eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils
aufgestellten, einfachen Bebauungsplans sowie die Grenzen eines
Landschaftsschutzgebietes. (BVerwG, Urteil vom 23.5.1980 - 4 C 79.77 -, BRS 36 Nr. 64
= DVBl. 1981, 97 und Urteil vom 24.02.1978 - 4 C 12.76 -, BVerwGE 55, 272 = BRS 33
Nr. 57; OVG Bremen, Urteil vom 12.03.1985 - 1 BA 92/84 -, BauR 1985, 538 = BRS 44
Nr. 50)
Genehmigte, aber noch nicht errichtete Bauvorhaben sind für die Ausdehnung der
zusammenhängenden Bebauung ohne Bedeutung. (BVerwG, Urteile vom 12.06.1970 - IV
C 77.68 -, BVerwGE 35, 256 = BRS 23 Nr. 44; vom 29.11.1974 - IV C 10.73 -, BRS 28
Nr. 28; vom 06.11.1976 - IV C 69.74 -, NJW 1977, 1978 = BRS 30 Nr. 34)
Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist das Vorhabengrundstück derzeit und selbst dann noch
dem Außenbereich zuzuordnen, wenn man die Errichtung der bereits genehmigten
Doppelhäuser unterstellt, was – wie ausgeführt - § 34 Abs. 1 BauGB verbietet, weil diese
Norm an das „Vorhandene“ anknüpft.
Das Vorhabengrundstück grenzt (allein) nach Norden an die Straße „Auf H.“ an. In Richtung
Osten, Süden und Westen befindet sich derzeit jenseits der Grundstückstücksgrenze die
freie Feldmark. Deshalb nimmt es aktuell an keinem Bebauungszusammenhang teil. Die
Freifläche zwischen dem Gebäude „Auf H.“, das dieser Straße bereits nach seiner 90°-
Kurve nach Norden zugeordnet ist, und dem dritten bei der Ortsbesichtigung am
14.05.2008 im Rohbau vorhandenen Doppelhaus vermittelt insbesondere aufgrund der
Straßenkurve nicht den Eindruck einer Baulücke, sondern des Heranreichens des
Außenbereichs bis unmittelbar an die Straße. Denn der Außenbereich setzt sich hier in
Verlängerung der in West-Ost-Richtung verlaufenden Straße „Auf H.“ auf den H. Berg zu
unbegrenzt fort. Der nach Norden um 90° abknickende Teil der Straße „Auf H.“ begründet
einen eigenen Bebauungszusammenhang, der am Ende des Gebäudes Hausnummer …
endet.
Selbst mit der Verwirklichung des auf dem westlichen Nachbargrundstück genehmigten
Doppelhauses wird der Bebauungszusammenhang am Ende dieser Doppelhaushälfte
enden. Dieser Eindruck wird sich auch durch die fortschreitende Verwirklichung der
genehmigten Bauvorhaben nicht verändern.
Der Waldbeginn stellt insoweit keine sich aus der örtlichen Situation ergebende
natürliche
genannten Beispielsfälle für eine solche natürliche Grenze, Geländehindernisse,
Erhebungen oder Einschnitte (Dämme, Böschungen, Gräben, Flüsse u.dgl.),
Straßen oder Wege, sind Bäume grundsätzlich jederzeit pflanz- und fällbar.
Nach alledem liegt das Baugrundstück im Außenbereich; seine Bebaubarkeit
beurteilt sich somit nach § 35 BauGB.
Das ausgeführte Bauvorhaben der Klägerin erfüllt keinen der Privilegierungstatbestände des
§ 35 BauGB und ist damit auch nicht ausnahmsweise im Außenbereich planungsrechtlich
privilegiert zulässig.
Die Erteilung einer Baugenehmigung auf der Grundlage des § 35 Abs. 2 BauGB
("Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre
Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und ihre
Erschließung gesichert ist.") scheidet – entgegen der Einschätzung der Klägerin -
ebenfalls aus. Das Vorhaben der Klägerin beeinträchtigt als dem Außenbereich
wesensfremde Streubebauung die natürliche Eigenart der Landschaft in der
vorhandenen näheren Umgebung.
Der Begriff der natürlichen Eigenart der Landschaft bezieht sich nicht nur rein
optisch auf ein möglicherweise reizvolles Landschaftsbild, sondern ist auch
funktional zu verstehen, d.h. der Außenbereich soll mit seiner naturgegebenen
Bodennutzung und seinen Erholungsmöglichkeiten für die Allgemeinheit vor dem
Eindringen einer ihm wesensfremden Nutzung als Bauplatz für den einzelnen
Eigentümer bewahrt bleiben. Dies gilt uneingeschränkt für eine mehr oder
weniger unverletzte Landschaft. Unschädlich ist für diese Funktion auch, wen in
der Umgebung bereits einige bauliche Anlagen vorhanden sind. Allerdings bedarf
es dann für die Frage, ob die Eigenart der Landschaft trotz der bereits erfolgten
Eingriffe ihre Empfindlichkeit gegenüber dem streitigen Vorhaben bewahrt hat
oder ob diese Eingriffe ein Ausmaß und eine Qualität erreicht haben, dass die
Landschaft in ihrem mittlerweile erreichten Zustand für das streitige Vorhaben
aufnahmefähig sein müsste, einer Auseinandersetzung mit dem bereits
vorhandenen Baubestand. (BVerwG, Urteil vom 24.08.1979 - 4 C 8.78 -, BRS
35 Nr. 69 = Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 159 = BauR 1980, 49)
Da aus Anlass der Ortsbesichtigung in der näheren Umgebung keine baulichen
Anlagen in der Außenbereichslandschaft zu erkennen waren, erübrigen sich
Ausführungen zur Aufnahmefähigkeit für das Wohnhaus.
Es hat daher bei der Feststellung zu verbleiben, dass es sich bei dem Neubau
um eine unorganische Zersplitterung des Ortsrandes von O. handelt, der eine
Zersiedlungstendenz innewohnt und die damit öffentliche Belange i.S.d. § 35
Abs. 3 BauGB beeinträchtigt.
Somit hat die Klägerin unter keinen denkbaren Gesichtspunkt Anspruch auf
Erteilung des Vorbescheides.
Da das Vorhaben auch bis zum Erlass der Veränderungssperre als
Außenbereichsvorhaben nicht genehmigungsfähig war, ist der Hilfsantrag
ebenfalls unbegründet.
Damit ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO insgesamt
abzuweisen.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind der Klägerin aus
Billigkeitsgründen nach § 162 Abs. 3 VwGO aufzuerlegen, weil die Beigeladene
einen förmlichen Antrag gestellt hat und dementsprechend auch das Risiko
eingegangen ist, im Hinblick auf § 154 Abs. 3 VwGO selbst Kosten tragen zu
müssen.
Die Berufung wird nicht gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO zugelassen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung
mit den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG in
Verbindung mit den Tzn. 9.2 und 9.1.3 des Streitwertkatalogs für die
Verwaltungsgerichtsbarkeit.