Urteil des VG Saarlouis vom 28.02.2007

VG Saarlouis: grundstück, bebauungsplan, neubau, gebäude, wand, kellergeschoss, stadt, satzung, nichtigkeit, bauwerk

VG Saarlouis Urteil vom 28.2.2007, 5 K 42/06
Nachbaranfechtung einer Baugenehmigung zum Neubau eines Mehrfamilienhauses.
Leitsätze
1. Eine Baugenehmigung ist nicht nichtig, wenn sie nur in einem Punkt von allenfalls
zweitrangiger Bedeutung unbestimmt ist.
2. Ein Nachbar kann mit seiner Klage gegen eine unbestimmte Baugenehmigung nur dann
Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung eine Bauausführung zulässt, die gegen eine
seinem Schutz dienende Vorschrift verstößt.
3. Eine Dachgaube, deren Vorderfront sich als Fortsetzung der darunterliegenden
Außenwand darstellt, ist abstandsflächenrechtlich kein unbeachtlicher Dachaufbau,
vielmehr bei der Bestimmung der Wandhöhe und damit der Abstandsfläche zu
berücksichtigen.
4. Wird die natürliche Geländeoberfläche von einem öffentlich bestellten
Vermessungsingenieur aufgrund amtlicher Unterlagen und eigener örtlicher Aufnahmen
ermittelt und ist diese sowohl vom Längs- als auch vom Querprofil her stimmig, muss der
Nachbar gewichtige Gründe dartun, um diesen Ansatz in Frage zu stellen.
5. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes wegen des Maßes der baulichen Nutzung
liegt regelmäßig nicht vor, wenn das zugelassene Bauwerk den Vorgaben des
Bebauungsplanes entspricht und die Abstandsflächen einhält. Daran ändert sich im Regelfall
auch dann nichts, wenn ein seit mehr als 40 Jahren angewandter Bebauungsplan wegen
einer nicht mehr auffindbaren Veröffentlichung unwirksam ist.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen
tragen die Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem
Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Beklagte
oder die Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Der Streitwert wird auf 7.500,-- Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage gegen die der Beigeladenen im Juli 2000 erteilte
Baugenehmigung zum Neubau eines Mehrfamilienhauses in B-Stadt, Ortsteil B..
Die Kläger – der Kläger zu 2. ist Baudezernent der Beklagten und als solcher Leiter der
Unteren Bauaufsichtsbehörde - sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten
Grundstücks in B-Stadt, Ortsteil B., Hweg, Gemarkung B., Flur …, Flurstück …. An dieses
grenzt nach Norden hin das Vorhabengrundstück, Hweg 6, Flurstück … an. Beide
Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans … „S.“. Der Bebauungsplan
wurde den Bevollmächtigten der Kläger im Laufe des Widerspruchsverfahrens übersandt;
im weiteren Verlaufe des Verfahrens wurden keine Rügen gegen den Plan erhoben. Die
dem Gericht in der mündlichen Verhandlung als Fotographie vorgelegte Ausfertigung des
Planes enthielt keine Ausfertigungsvermerke.
Mit Bauschein vom 08.05.1998 genehmigte die Beklagte der Beigeladenen im
vereinfachten Verfahren (§ 67 LBO 1996) den Neubau eines Mehrfamilienhauses auf dem
Vorhabengrundstück. Ausweislich der genehmigten Pläne befinden sich im Kellergeschoss
des Hauses eine Tiefgarage für fünf Pkw, fünf Kellerräume, ein Heizungs- und ein Wasch-
und Trockenraum. Im Erd- wie im Obergeschoss gibt es jeweils zwei Wohnungen, die aus
einem Flur, Bad, WC, Küche, Wohn- Eltern- und Kinderzimmer bestehen. Im Dachgeschoss
ist eine Wohnung dargestellt, die ein zusätzliches Arbeitszimmer hat. Aufgrund der nach
Osten hin ansteigenden Hanglage liegt das Kellergeschoss zum Hangweg hin frei; dort
befindet sich dementsprechend die Zufahrt zur Tiefgarage. Auf der Ostseite des Gebäudes
ist das Kellergeschoss vollständig eingegraben. Die Dachgeschosswohnung hat in den
Plänen nur an den Giebelseiten des Hauses senkrechte Fenster, im übrigen
Dachflächenfenster.
Mit Bauschein vom 24.08.1999 – 97018736 - genehmigte die Beklagte der Beigeladenen
(erneut) den Neubau eines Mehrfamilienhauses auf dem Vorhabengrundstück. Im
Unterschied zu den Plänen der Genehmigung vom 08.05.1998 befinden sich nunmehr
anstelle der Dachflächenfenster Gauben als Aufbauten auf dem Dach. Weiterhin wurden
u.a. die vorgebauten Balkone verändert.
Nachdem die Beklagte eine abweichende Ausführung der Bauarbeiten von den zuletzt
genehmigten Plänen festgestellt hatte, stellte sie die Bauarbeiten mit Bescheid vom
20.06.2000 ein. Dabei ging es im Einzelnen um folgende Abweichungen:
A) Aufschüttungen entlang der Grundstücksgrenzen
B) Überschreitung der genehmigten Geschosshöhen
C) Überschreitung der lichten Höhe – max. 2,30 m – innerhalb der
Dachaufbauten (in den Plänen mit 2,245 m angegeben) dadurch zusätzliches
Vollgeschoss
D) Evtl. Unterschreitung der erforderlichen Abstandsflächen (§ 6 LBO)
E) Veränderung und Anbau eines Balkons (Vorderfront) mit statischer
Berechnung
In einem Schreiben an die Beklagte vom 04.07.2000 trugen die Bevollmächtigten der
Beigeladenen vor, für die Abweichungen A) bis C) und E) lägen genehmigungsfähige
Nachtragsbauanträge vor. Hinsichtlich der Dachgauben seien die Abstandsflächen
unzureichend, wenn die Gauben als aufsteigende Wandteile in die Berechnung der
Wandhöhe einbezogen würden (OVG des Saarlandes, Beschluss vom 23.02.1994 – 2 W
5/94 – und Urteil vom 03.05.1994 – 2 R 13/92 -). Indes gebe es einen Rücksprung der
Dachgauben hinter die Außenwand um etwa 20 cm. Damit setzten die Gauben die
Außenwand nicht fort.
Mit dem nunmehr in Streit stehenden Nachtrags-Bauschein vom 19.07.2000 genehmigte
der Beklagte der Beigeladenen die „Abweichung vom genehmigten Entwurf“ mit folgenden
Auflagen:
„1. Die Auflagen des Bauscheines vom 08.05.1998 gelten auch für diese
Genehmigung. Sie sind korrekt zu beachten und einzuhalten. Darüber hinaus
sind zusätzlich folgende Auflagen einzuhalten:
2. Die bestehenden Dachgauben sind derart zurückzusetzen, dass die
Vorderkante (Dachgaube) einen Abstand von mindestens 10 cm von der
Hinterkante der darunter liegenden Außenwand (Kniestock) einhält. (Die
Dachgauben haben somit keine eigenen Abstandsflächen).
3. Die seitlichen Brüstungsmauern der Terrasse im DG (Abstandsfläche A1 und
A3) sind gegenüber den Höhenangaben der Abstandsflächenberechnung um
mindestens 10 cm abzutragen. Der erforderliche aufgesetzte Handlauf ist an
der Innenseite des Brüstungsmauerwerkes hochzuführen und zu befestigen.
(Die resultierende Abstandsfläche berechnet sich somit auf 3,10 m)
4. Die lichten Höhen innerhalb der Dachgauben sind deutlich auf unter 2,30 m
zu verringern.
5. Die Aufschüttungen in den seitlichen Bauwichen sind deutlich auf unter 50 cm
zu beseitigen.“
Diese Auflagen sind durch Grüneintragungen in den Bauplänen visualisiert.
Gegen diesen, ihnen am 21.07.2000 förmlich zugestellten Bauschein vom 19.07.2000
erhoben die Kläger am 21.08.2000 – zunächst zur Fristwahrung – Widerspruch, der
zunächst nicht begründet und deshalb auch nicht an den Stadtrechtsausschuss
weitergeleitet wurde. Nachdem die Kläger dann mit Schreiben vom 01.07.2003 geltend
gemacht hatten, sie hätten den Verdacht, dass die Abstandsflächen in Bezug auf die
Dachgauben nicht eingehalten seien, wurde der Widerspruch dem Rechtsausschuss am
31.08.2004 vorgelegt.
Mit Widerspruchsbescheid aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2006 wies
der Stadtrechtsausschuss die Widersprüche der Kläger (und der Eigentümer des
Grundstücks Hweg 8) zurück: Bei den Dachgauben handele es sich um Dachaufbauten,
deren Höhe nicht in die Berechnung der Abstandsflächen einzubeziehen seien. Sie erfüllten
die vom OVG des Saarlandes (Beschluss vom 20.05.1996 – 2 U 1/96 -) beschriebenen
Anforderungen an Dachgauben. Die Baugenehmigung sei auch hinreichend bestimmt. Aus
den zeichnerischen und textlichen Vorgaben sei unmissverständlich ersichtlich, welcher
Mindestabstand zwischen der Rückseite der Gebäudewand und der Vorderseite der
Gaubenwand einzuhalten sei. Der Widerspruchsbescheid wurde den Klägern am
30.05.2006 zugestellt.
Am 27.06.2006 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Klage erhoben. In der Sache
wiederholen sie ihr bisheriges Vorbringen, allein aufgrund der trickreich manipulierten Pläne
sei die Abstandsfläche nunmehr scheinbar eingehalten. Ursprünglich habe die Beigeladene
die Gauben formell und materiell illegal hergestellt, so dass das Vorhaben die erforderliche
Abstandsfläche zum Grundstück der Kläger nicht eingehalten habe. Der Beklagte sei
zunächst dagegen eingeschritten, habe sodann aber zwei Nachträge zur Baugenehmigung
erlassen und anschließend behauptet, der Abstand zwischen der Vorderkante der
Dachgaube und der Hinterkante der darunter liegenden Außenwand betrage – wie im 2.
Nachtrag vom 19.07.2000 gefordert – mindestens 10 cm. Um festzustellen, ob das
tatsächlich der Fall sei, hätten die Kläger einen öffentlich bestellten Vermessungsingenieur
beauftragt, dem aber von der Beigeladenen das Betreten des Grundstücks verweigert
worden sei. Erst auf intensives Nachbohren in der Widerspruchsverhandlung seien ihnen
eine sog. Systemskizze als Anlage zum 2. Nachtrag und eine Aufmaßskizze vom
05.06.2002 vorgelegt worden. Dabei zeige die Systemskizze den Wandaufbau mit einem
unveränderten Kniestock und die nachträgliche Eintragung „mind. 10 cm“ unterhalb der
Dachfläche im Bereich des Zwischenraums unterhalb der Tragkonstruktion der Dachgaube.
Demgegenüber sehe die Aufmaßskizze anders aus: Dort sei die das Dach der Gaube
tragende, auf der eigentlichen Dachhaut ruhende Stützkonstruktion doppelschalig
gezeichnet; dazwischen befinde sich als Bemaßung „-40“. Die äußere Stütze sei dann bis
auf die tragende Außenwand des Kniestocks heruntergeführt; unter der inneren Stütze sei
eine bis auf die Bodenoberkante des Dachraums reichende weitere Stütze eingezeichnet.
Von außen, von der gemeinsamen Grundstücksgrenze und vom Grundstück der Kläger
sehe man die auf der Aufmaßskizze gezeichnete äußere Gestaltung. Weder der 2.
Nachtrag mit der Systemskizze noch die Aufmaßskizze bewirkten die Feststellung eines
dem öffentlichen Recht entsprechenden Vorhabens. Denn die Bestimmungen über die
Abstandsflächen hätten den Sinn, auf beiden Seiten einer Grundstücksgrenze ein
Mindestmaß an Zutritt von Licht und Luft zu gewährleisten. Dieses Ergebnis träte
vorliegend nicht ein. Ziffer 2 des Nachtrags stelle nicht im Verständnis von § 73 Abs. 1 S. 1
LBO fest, dass das Vorhaben den öffentlichen Vorschriften entspreche. Der in der
Nebenbestimmung enthaltene Befehl, dass die Dachgauben zurückzusetzen seien, genüge
nicht den Anforderungen an die Bestimmtheit.
Weiterhin sei in der Baugenehmigung an der Geländeoberfläche manipuliert worden, die
den Fußpunkt für die Berechnung der Wandhöhe und damit der Tiefe der Abstandsfläche
bestimme. Nach § 2 Abs. 7 LBO sei eine Festlegung der Geländeoberfläche von der
natürlichen Geländeoberfläche nur zulässig, um die Festsetzung der Höhenlage in einer
städtebaulichen Satzung umzusetzen oder um Unebenheiten der vorgefundenen
Geländeoberfläche auszugleichen. Um – wie vorliegend - die Einhaltung der Abstandsfläche
zu gewährleisten, dürfe die Geländeoberfläche nicht abweichend festgelegt werden. Auf
diese Rüge der Kläger seien weder die Beklagte noch der Rechtsausschuss eingegangen.
Die Kläger beantragen,
die Baugenehmigung vom 08.05.1998 in der Fassung des ersten Nachtrags
vom 24.08.1999 und des zweiten Nachtrags vom 19.07.2000 und den
Widerspruchsbescheid aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2006
aufzuheben
und die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und verwahrt sich gegen die
Behauptung, die Baukonstruktion im Innern der Dachgauben sei manipuliert worden.
Die Beigeladene beantragt (ebenfalls),
die Klage abzuweisen.
Ihrer Ansicht nach regelt der 2. Nachtrag die konstruktive Trennung zwischen Gaube und
Außenwand, damit die Dachgauben Dachaufbauten im Verständnis von § 7 Abs. 4 Satz 6
Nr. 2 LBO 2004 bzw. § 6 Abs. 4 Satz 6 Nr. 2 LBO 1996 sind. Soweit die Kläger die
Nachprüfung der Einhaltung dieser Regelung beansprucht hätten, beträfe das nicht die
Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung, die im Übrigen auch insoweit hinreichend bestimmt
sei. Auch in Bezug auf die Geländeoberfläche sei die Baugenehmigung rechtmäßig. Die
Beklagte habe keine von der natürlichen Geländeoberfläche abweichende
Geländeoberfläche festgelegt, sondern auf die Geländeoberfläche an der Grenze zum
Grundstück der Kläger abgestellt. Das wirke sich für diese vorteilhaft aus, weil der
natürliche Geländeverlauf an der Gebäudewand ca. 10 bis 15 cm höher als die
terrassierten und verformten Nachbargelände sei.
Das Gericht hat die Örtlichkeit am 07.02.2007 in Augenschein genommen; wegen der
Einzelheiten wird insoweit auf die Niederschrift über die Ortsbesichtigung Bezug
genommen.
Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten einschließlich der
beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen
Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die der Beigeladenen zuletzt erteilte Baugenehmigung vom 08.05.1998 verletzt die Kläger
in der Fassung des ersten Nachtrags vom 24.08.1999 und des zweiten Nachtrags vom
19.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 21.04.2006 nicht in ihren öffentlich-rechtlich geschützten Rechten.
Im Falle der Nachbaranfechtung einer Baugenehmigung ist diese allein daraufhin zu
untersuchen, ob sie mit wehrfähigen Rechten gerade der Kläger zu vereinbaren ist. Dabei
sind allein diejenigen Vorschriften des öffentlichen Rechts in den Blick zu nehmen, die durch
die angefochtene Baugenehmigung umgesetzt und gerade den Schutz der konkret um
Rechtsschutz nachsuchenden Nachbarn bezwecken sollen. Welchen Vorschriften des
Baurechts nachbarschützende Funktion zukommt, ist jeweils nach Inhalt, Zweck und
Wirkung der einzelnen Vorschrift darauf zu untersuchen, ob die spezielle Norm zumindest
auch den Schutz des Nachbarn bezweckt. Dabei ist Zurückhaltung geboten und
grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen, um einer Ausuferung in Richtung auf eine
verdeckte Popularklage zu begegnen sowie den verständlichen Bedürfnissen des Bauherrn
nach Rechtssicherheit gerecht zu werden. Eine besondere subjektive Rechtsstellung des
Nachbarn kann nur dann anerkannt werden, wenn der Kreis der geschützten Personen
durch die Norm hinreichend klar gestellt wurde, wobei zu fragen ist, ob die Vorschrift
gerade darauf abzielt, Baumaßnahmen oder Nutzungen zu verhindern, welche
typischerweise das Nachbargrundstück schädigen oder gefährden. Ob und gegebenenfalls
in welchem Umfang das streitige Vorhaben mit den sonstigen Rechtsvorschriften in
Einklang steht, ist für das Verfahren ohne Bedeutung.
Für die Beurteilung der Verletzung von öffentlich-rechtlich geschützten Nachbarrechten
durch eine Baugenehmigung ist allein der Regelungsinhalt der Genehmigungsentscheidung
und nicht die davon ggf. abweichende Bauausführung maßgeblich (OVG des Saarlandes,
Beschluss vom 23.11.1999 - 2 Q 33/99 -).
Bauordnungsrechtlich stützen sich die Kläger ohne Erfolg auf die nachbarschützenden
Bestimmungen über die Abstandsfläche.
Rechtsgrundlage für die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung und damit auch für die
Bestimmung der Abstandsfläche sind auch nach dem Inkrafttreten der LBO 2004 zum
01.06.2004 weiterhin die Regelungen der LBO 1996, weil nach § 88 Abs. 1 LBO 2004 (In
der Fassung von Art. 1 des Gesetzes Nr. 1544 zur Neuordnung des Saarländischen
Bauord-nungs- und Bauberufsrechts vom 18.02.2004, veröffentlicht im Amtsblatt des
Saarlandes vom 16.04.2004, S. 822 (860)) vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eingeleitete
Verfahren nach den bisherigen Verfahrensvorschriften weiterzuführen sind.
Das genehmigte Bauvorhaben verletzt nicht § 6 Abs. 1 Satz 1 LBO 1996:
Die erforderlichen Abstandsflächen müssen nach § 6 Abs. 2 LBO 1996 grundsätzlich auf
dem Grundstück selbst liegen. Die Tiefe der Abstandsflächen bemisst sich nach § 6 Abs. 4
LBO 1996 der Wandhöhe, die senkrecht zur Wand gemessen wird. Als Wandhöhe gilt das
Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis
zum oberen Abschluss der Wand. Bei geneigtem oberem Wandabschluss und bei geneigter
Geländeoberfläche ist die im Mittel gemessene Wandhöhe maßgebend. Bei Gebäuden mit
gestaffelten Wänden ist die Wandhöhe für den jeweiligen Wandabschnitt zu ermitteln. Zur
Wandhöhe werden u.a. die Höhe von Dächern mit Dachgauben oder anderen
Dachaufbauten zu einem Drittel hinzugerechnet, wenn diese zusammen mehr als halb so
breit wie die darunter liegende Gebäudewand sind. Das sich ergebende Maß ist H. Die Tiefe
der Abstandsfläche beträgt nach § 6 Abs. 5 Sätze 1, 3 und 4 LBO 1996 0,4 H, abgerundet
auf volle 10 cm, mindestens aber 3 m. In der Abstandsfläche sind nach § 7 Abs. 2 LBO
1996 offene erhöhte Terrassen zulässig, die an der Nachbargrenze bis zu 0,50 m erhöht
sein dürfen.
Die Grenzabstandsbestimmungen, die im Zuge der Änderungen der Landesbauordnung
von der Fassung 1974 zur Fassung 1988 die Regelungen über den sog. Bauwich (§ 7 LBO
1974) ersetzt haben, bezwecken insbesondere eine ausreichende Belichtung, Belüftung
und Besonnung der Gebäude; außerdem sollen der Wohnfrieden gefördert und der
Brandschutz gewährleistet werden. Sie dienen - wie die früheren Bauwichbestimmungen -
auch dem Nachbarschutz (OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 26.06.1985 - 2 W
1331/85 -, BRS 44 Nr. 162; vom 07.08.1991 - 2 W 10/91 -).
Die Anerkennung nachbarrechtlicher Abwehrrechte bei einer Verletzung der
"zentimeterscharf" konzipierten Grenzabstandsbestimmungen setzt nach der ständigen
Rechtsprechung des OVG des Saarlandes regelmäßig nicht voraus, dass die betreffende
Anlage im konkreten Einzelfall tatsächliche Beeinträchtigungen des Grenznachbarn
hervorruft (OVG des Saarlandes, Urteile vom 06.03.1987 - 2 R 180/84 -, BRS 47 Nr. 100;
vom 30.03.1993 - 2 R 17/92 -, BRS 55 Nr. 158; vom 14.12.1999 - 2 R 4/99-).
Eine Verletzung der Abstandsflächenbestimmungen zum Nachteil der Kläger lässt sich nicht
feststellen. In diesem Zusammenhang ist zunächst erneut darauf hinzuweisen, dass die
Kläger keinen Anspruch darauf haben, dass die Baugenehmigung in jeder Hinsicht objektiv
rechtmäßig ist.
Soweit die Kläger in Bezug auf die Dachgauben gelten machen, weder der 2. Nachtrag mit
Systemskizze noch die Aufmaßskizze bewirkten die Feststellung eines dem öffentlichen
Recht entsprechenden Vorhabens, wirkt sich dieses jedenfalls nicht auf die Rechtsposition
der Kläger aus.
Die Baugenehmigung ist zunächst nicht gemäß § 44 Abs. 1 SVwVfG nichtig. § 44 Abs. 1
SVwVfG stellt für die Abgrenzung der Nichtigkeit von der „einfachen“ Rechtswidrigkeit, die
nur die Aufhebbarkeit und unter Umständen Rücknehmbarkeit des Verwaltungsakts zur
Folge hat, auf die sogenannte Evidenztheorie ab (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, §
44 Rdnr. 7 mit umfangreichen Nachweisen), nach der es auf die Schwere und
Offenkundigkeit des Fehlers ankommt. Fehler in diesem Sinne sind solche, die in einem so
schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den ihr zugrunde
liegenden Wertvorstellungen der Gemeinschaft stehen, dass es unerträglich wäre, wenn
der Verwaltungsakt die mit ihm intendierten Rechtswirkungen hätte (Kopp/Ramsauer,
VwVfG, a.a.O., § 44 Rdnr. 8 mit Nachweisen). Ein solcher besonders schwerer Fehler ist
u.a. bei völliger inhaltlicher Unbestimmtheit des Verwaltungsakts anzunehmen
(Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 44 Rdnr. 110; Kopp/Ramsauer, VwVfG,
a.a.O., § 44 Rdnr. 10). Demgegenüber ist ein Verwaltungsakt, der „lediglich“ gegen das
Bestimmtheitsgebot verstößt, ohne in sich unverständlich zu sein, oder der eine Unklarheit
lediglich in einem Punkt von zweitrangiger Bedeutung enthält, nicht nichtig, sondern nur
anfechtbar. Keinesfalls genügt für die Annahme der Nichtigkeit eine Unbestimmtheit, die
durch Auslegung zu überwinden ist (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, a.a.O., § 44 Rdnr. 111
mit Nachweisen). Gemessen daran ist die angegriffene Baugenehmigung nicht nichtig.
Die Aufmaßskizze stammt vom 05.06.2002, knapp 2 Jahre nach dem Erlass der des 2.
Nachtrags vom 19.07.2000, und trägt – anders als die Systemskizze - keinen
Genehmigungsvermerk. Schon aus diesem Grunde ist die Aufmassskizze nicht Bestandteil
der Baugenehmigung. Zwar enthält die Systemskizze keine konkrete Bemaßung, sondern
nur die Angabe eines Mindestmaßes, nämlich „mindestens 10 cm“. Diese Angabe führt
indes nicht zur Nichtigkeit der Baugenehmigung, weil es sich dabei um eine Unklarheit in
einem Punkt von allenfalls zweitrangiger Bedeutung handelt. Denn aus der Sicht des
öffentlichen Baurechts ist es völlig unbedeutend, ob der Abstand zwischen der Vorderkante
der Dachgaube und der Hinterkante der darunter liegenden Außenwand 10, 20, 30 oder
100 cm beträgt. Entscheidend aus der Sicht des öffentlichen Baurechts ist allein, dass sich
Front der Dachgaube nicht als Fortsetzung der darunter liegenden Gebäudeaußenwand
darstellt.
Denn der rechtliche Hintergrund dieser Regelung in der Baugenehmigung besteht allein
darin, dass eine Dachgaube, deren Vorderfront sich als Fortsetzung der darunter liegenden
Außenwand darstellt, kein abstandsflächenrechtlich unbeachtlicher Dachaufbau, vielmehr
bei der Bestimmung der Wandhöhe und damit der Abstandsfläche mit zu berücksichtigen
ist (vgl. OVG des Saarlandes, Beschluss vom 20.05.1996 - 2 U 1/96 -, S. 5 ff.). Mit der
Bestimmung, dass der Abstand zwischen der Vorderkante der Dachgaube und der
Hinterkante der darunter liegenden Außenwand mindestens 10 cm betragen muss, wird
diesem Umstand Rechnung getragen. Damit ist die Baugenehmigung im Hinblick auf die
Erfordernisse des öffentlichen Baurechts hinreichend bestimmt. In keinem Falle handelt es
sich hier um einen Fehler, der in einem so schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden
Rechtsordnung und den ihr zugrunde liegenden Wertvorstellungen der Gemeinschaft steht,
dass es unerträglich wäre, wenn die Baugenehmigung die mit ihr beabsichtigten
Rechtswirkungen hätte.
Soweit die Kläger meinen, es handele sich dabei um einen Missbrauch rechtlicher
Gestaltungsmöglichkeiten, hat der Stadtrechtsausschuss im Widerspruchsbescheid in jeder
Hinsicht zutreffend ausgeführt, dass die Ausnutzung rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten
gerade kein Missbrauch und deshalb auch nicht verwerflich ist.
Die Baugenehmigung ist wegen der Bestimmung, dass der Abstand zwischen der
Vorderkante der Dachgaube und der Hinterkante der darunter liegenden Außenwand
mindestens 10 cm betragen muss, auch nicht rechtswidrig. Eine Baugenehmigung ist
wegen unterschiedlicher, unklarer oder widersprüchlicher Darstellungen in den
genehmigten Plänen rechtswidrig und auf eine Nachbarklage hin aufzuheben, wenn (auch
nur) eine der zugelassenen - und damit prinzipiell möglichen - Bauausführungen gegen
nachbarschützende Vorschriften verstößt (vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom
03.05.1994 - 2 R 13/92 -, BRS 56 Nr. 104).
Das ist vorliegend nicht der Fall.
Ausweislich der Genehmigungsunterlagen hat die Beklagte die – hier allein zu prüfende -
Abstandsflächen zum Grundstück der Kläger (A1 und A2) wie folgt berechnet:
A1: (8,07 + 7,76 m) : 2 x 0,4 = 3,17 m, abgerundet 3,10 m
A2: (8,19 + 7,40 m) : 2 x 0,4 = 3,115 m, abgerundet 3,10 m
Da der Abstand zwischen dem Gebäude und der Grenze zum Grundstück der Kläger im
Ergänzungslageplan einheitlich mit 3,20 m und im Plan Abstandsfläche auf der Westseite
des Gebäudes mit 3,17 m, die durchgestrichen und mit 3,10 m überschrieben sind, und
auf der Ostseite des Gebäudes mit 3,20 m angegeben ist, lässt diese Berechnung –
rechnerisch - keine Verletzung der Abstandsflächenbestimmungen zu. Auch die den
Berechnungen zugrunde liegenden Maße sind von den Klägern nicht mit Erfolg rechtlich zu
beanstanden.
Die Kläger beanstanden zu Unrecht die oberen und unteren Werte der Wandhöhe.
Der obere Wert war bei der Abstandsfläche A1 zunächst das obere Ende der
Brüstungsmauer der dem Dach nach Westen hin vorgelagerten Terrasse im
Dachgeschoss, deren Höhe in den genehmigten Plänen zunächst mit 251,62 m üNN
angegeben war. Dieses Höhenmaß wurde durch die Auflage Nr. 3 dahingehend
abgeändert, dass die Brüstungsmauer um mindestens 10 cm gegenüber der
Höhenangabe der Abstandsflächenberechnung abzutragen ist. Daraus resultiert ein oberer
Wert von (maximal) 251,52 m üNN. Für die Berechnung der Abstandsfläche A2 wurde als
oberer Punkt der Wand auf den Schnittpunkt der südlichen Außenwand mit der Dachhaut
abgestellt, der in den Plänen vermaßt mit + 252,05 m üNN angegeben ist. Dagegen ist
von Rechts wegen nichts zu erinnern. Ausgehend von der Bestimmung in der
Baugenehmigung, dass der Abstand zwischen der Vorderkante der Dachgaube und der
Hinterkante der darunter liegenden Außenwand mindestens 10 cm betragen muss, ist die
Außenwand der Gauben bei der Bestimmung der Wandhöhe außer Betracht zu lassen. Die
Baugenehmigung lässt folglich keine Bauausführung zu, die insoweit gegen
nachbarschützende Vorschriften des öffentlichen Baurechts verstößt.
Der untere Wert hat nach § 6 Abs. 4 Sätze 2und 4 LBO 1996 mit dem Höhenmaß der
Geländeoberfläche und bei geneigter Geländeoberfläche vom Mittel auszugehen.
Geländeoberfläche ist nach § 2 Abs. 5 LBO 1996 die sich aus den Festsetzungen einer
städtebaulichen Satzung ergebende oder von der Bauaufsichtsbehörde festgelegte, im
Übrigen die natürliche, an das Gebäude angrenzende Geländeoberfläche. Vorliegend geht
es alleine um die Bestimmung der natürlichen, an das Gebäude angrenzende
Geländeoberfläche. Dabei ist die Baugenehmigung in der Fassung vom 19.07.2000 von
folgenden Werten ausgegangen:
A1: westlicher Fußpunkt: 243,55 m üNN
östlicher Fußpunkt: 243,86 m üNN
A2: westlicher Fußpunkt: 243,86 m üNN
östlicher Fußpunkt: 244,65 m üNN
Die Werte beruhen auf dem Lageplan und den Profilen 1 – 2 (ursprüngliches Gelände) vom
26.06.2000, die der öffentlich bestellte Vermessungsingenieur Dipl.-Ing. E. ausweislich der
Legende „aufgrund amtlicher Unterlagen und eigener örtlicher Aufnahmen“ ermittelt hat.
Die Werte in den beiden Plänen sind in sich stimmig und geben insbesondere mit Blick auf
das Längs- und das Querprofil des Vorhabengrundstücks im Verhältnis zu den beiden
Nachbargrundstücken ein geschlossenes Bild ab. Danach steigt das so ermittelte natürliche
Gelände im Bereich der Nordgrenze des Grundstücks (= Profil 1) von 242,01 m üNN
(Hangweg) nach 4,10 m auf 243,25 m üNN, nach 12,00 m auf 243,70 m üNN, nach 18
m auf 244,63 m üNN und nach 26,10 m auf 244,69 m üNN. Im Bereich der Südgrenze
steigt das von Engler ermittelte natürliche Gelände (= Profil 2) von 242,63 m üNN
(Hangweg) nach 3,00 m auf 243,48 m üNN, nach 6,60 m auf 243,88 m üNN, nach 15,50
m auf 244,64 m üNN, nach 22,90 m auf 244,86 m üNN und nach 24,40 m auf 245,81 m
üNN.
Für die Südwestecke des Gebäudes hat Dipl.-Ing. E. eine Höhenlage von 243,57 m üNN
und für die Südostecke des von 244,56 m üNN am Gebäude ermittelt. Das passt vom
Querprofil her zusammen. In Höhe der der Straße zugewandten Westfront des Gebäudes
beträgt die Höhenlage in den Plänen von Dipl.-Ing. E. an der Grenze zum Grundstück der
Kläger 243,48 m üNN, an der vorderen rechten Hausecke 243,57 m üNN, an der vorderen
linken Hausecke 243,98 und an der Grenze zum Grundstück Ries etwa 243,50 m üNN. In
Höhe der Rückfront des Gebäudes beträgt die Höhenlage in den Plänen von Dipl.-Ing. E. an
der Grenze zum Grundstück der Kläger etwa 244,76 m üNN, an der hinteren Hausecke
zum Grundstück der Kläger 244,56 m üNN, an der hinteren Hausecke zum Grundstück R.
244,61 und an der Grenze zum Grundstück Ries etwa 244,68 m üNN. Das ist in sich
stimmig und bietet keinen Ansatz für Zweifel an diesen Feststellungen der natürlichen
Geländeoberfläche im Bereich der Hauswände.
Daraus resultieren die Wandhöhen für die Abstandflächen A1 (251,62 – 243,55 = 8,07 m;
251,62 – 243,86 = 7,69 m) und A2 (252,05 – 243,86 = 8,19 m; 252,05 – 244,65 =
7,4 m). Die mit der Baugenehmigung auf der Grundlage von § 7 Abs. 2 Nr. 2 LBO 1996
zugelassenen Aufschüttungen bis maximal 50 cm sind dabei auf die natürliche
Geländeoberfläche gerechnet und beeinflussen die Berechnung der Abstandsfläche folglich
nicht. Damit hält das zugelassene Bauvorhaben die Abstandsflächenbestimmungen ein.
Weitere bauordnungsrechtliche Gesichtpunkte, aus denen die Baugenehmigung die
öffentlich-rechtlich geschützten Nachbarrechte der Kläger verletzen könnten, sind weder
dargetan noch sonst ersichtlich.
Die angegriffene Baugenehmigung verletzt die Kläger auch in bauplanungsrechtlicher
Hinsicht nicht in ihren öffentlich-rechtlich geschützten Nachbarrechten.
Bauplanungsrechtlich beurteilt sich die Zulässigkeit eines Vorhabens und damit auch die
Abwehrmöglichkeit des Nachbarn - wie sonst auch - nach den für das Baugrundstück
geltenden Rechtsnormen (BVerwG, Urteil vom 28.10. 1993 - 4 C 5.93 -, BRS 55 Nr. 168
= NVwZ 1994, 686).
In diesem Zusammenhang kann letztlich dahinstehen, ob sich das Vorhabengrundstück
bauplanungsrechtlich im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplanes oder aber im
nicht beplanten Innenbereich der Landeshauptstadt Saarbrücken befindet und deshalb
entweder § 30 BauGB oder aber § 34 BauGB einschlägig sind.
Sollte der ausweislich der Legende vom Gemeinderat der Gemeinde B. am 07.12.1965
gemäß § 10 BBauG als Satzung beschlossene, am 12.04.1966 vom Minister für öffentliche
Arbeiten und Wohnungsbau genehmigte und am 13.05.1966 durch öffentliche Auslegung
gemäß § 12 BBauG ortsüblich bekannt gemachte Bebauungsplan wirksam sein,
entspräche das von der Beklagten zugelassene Vorhaben dessen Festsetzungen
hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung (Reines Wohngebiet), der Anzahl der
überbaubaren Grundstücksfläche, der Vollgeschosse, der Grundflächenzahl (0,4) und der
Geschossflächenzahl (0,7).
Art
Abwehrrecht gegenüber nicht gebietsverträglichen Nutzungen (BVerwG, Urteil vom
16.9.1993 -4 C 28.91-, BVerwGE 94, 151 = Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 118 =
DVBl. 1994, 284 = DÖV 1994, 263 = BauR 1994, 223 = NJW 1994, 1546 = BRS 55 Nr.
110; daran anschließend: OVG des Saarlandes, Urteil vom 30.08.1994 - 2 R 8/94 -, BRS
56 Nr. 121, und Beschluss vom 12.04.1999 -2 W 1/99-.). Dieser über das
Rücksichtnahmegebot hinausgehende Gebietsgewährleistungsanspruch ist darauf
gerichtet, Nutzungen abwehren zu können, die mit der Eigenart des Baugebiets nicht
verträglich sind. Demgegenüber haben Festsetzungen in Bebauungsplänen über das Maß
der baulichen Nutzung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion (Urteil vom 23.06.1995 -4 B 52.95- DVBl.
1995, 1025 = NJW 1996, 1075 = BRS 57 Nr. 209). Nachbarschutz vermitteln sie nur
dann, wenn sich aus dem Bebauungsplan selbst oder seiner Begründung ein
dahingehender Rechtssetzungswille der plangebenden Gemeinde im Einzelfall hinreichend
sicher erkennen lässt (OVG des Saarlandes, Beschluss vom 03.07.1995 -2 W 28/95- und
Urteil vom 29.03.1994 -2 R 24/93-). Lässt sich ein solcher Wille nicht feststellen, kann eine
Maßes
werden, wenn sich dieses dem Nachbarn gegenüber nach den Grundsätzen des
Rücksichtnahmegebotes als rücksichtslos und deshalb nicht mehr hinzunehmen darstellt.
Vorliegend gewährt die Art der baulichen Nutzung den Klägern kein subjektives
Abwehrrecht, weil der Beigeladenen eine Baugenehmigung für ein Wohnhaus erteilt wurde
und Wohnnutzung bauplanungsrechtlich kein Konfliktpotential gegenüber Wohnnutzung
enthält. Der Gebietsgewährleistungsanspruch ist allein darauf gerichtet, Nutzungen
abwehren zu können, die mit der Eigenart des Baugebiets nicht verträglich sind. Der Sinn
und Zweck der Zulassung unterschiedlicher Nutzungsarten in den verschiedenen
Baugebieten besteht nämlich darin, Konflikte widerstreitender Nutzungsarten durch eine
Verweisung in ein anderes Baugebiet zu lösen. Ein solcher Widerspruch besteht vorliegend
indes nicht, weil Wohnnutzung auf Wohnnutzung trifft. Eine bessere Verträglichkeit als von
gleichartigen Nutzungen gibt es nicht. Daher wird der Gebietserhaltungsanspruch durch die
erteilten Baugenehmigungen nicht verletzt.
Keine andere Beurteilung ergäbe sich, wenn es dem Bebauungsplan an Rechtswirksamkeit
fehlte. Dann wäre das Vorhaben innerhalb des Bebauungszusammenhangs von B-Stadt,
Ortsteil B., bauplanungsrechtlich nach § 34 BauGB zu beurteilen.
Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der
baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in
die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
Nach § 34 Abs. 2 BauGB beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens, wenn die Eigenart
der näheren Umgebung einem der Baugebiete entspricht, die in der auf Grund des § 9a
BauGB erlassenen Verordnung bezeichnet sind, nach Art seiner baulichen Nutzung allein
danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre. Da – wie
ausgeführt – Wohnnutzung auf Wohnnutzung trifft, ergibt sich auch im Falle der
Unwirksamkeit des Bebauungsplans kein nachbarlicher Abwehranspruch im Hinblick auf die
Art der baulichen Nutzung.
Weiterhin bietet das Maß der baulichen Nutzung keinen Ansatzpunkt für einen
Abwehranspruch der Kläger. Sollte der Bebauungsplan wirksam sei, scheiterte es an einem
nachbarlichen Abwehranspruch bereits daran, dass die Planvorgaben zum Maß der
baulichen Nutzung eingehalten sind. Nichts anderes ergäbe sich im Falle der Unwirksamkeit
des Bebauungsplans.
Maßes
nur dann vom Nachbarn abgewehrt werden, wenn sich dieses dem Nachbarn gegenüber
nach den Grundsätzen des Rücksichtnahmegebotes als rücksichtslos und deshalb nicht
mehr hinzunehmen darstellt. Wie oben ausgeführt haben Festsetzungen in
Bebauungsplänen über das Maß der baulichen Nutzung der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion (Urteil vom
23.06.1995 -4 B 52.95- DVBl. 1995, 1025 = NJW 1996, 1075 = BRS 57 Nr. 209).
Nachbarschutz vermitteln sie nur dann, wenn sich aus dem Bebauungsplan selbst oder
seiner Begründung ein dahingehender Rechtssetzungswille der plangebenden Gemeinde im
Einzelfall hinreichend sicher erkennen lässt (OVG des Saarlandes, Beschluss vom
03.07.1995 -2 W 28/95- und Urteil vom 29.03.1994 -2 R 24/93-). Hierzu sind
Anhaltspunkte weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Existiert indes kein
Bebauungsplan, bleibt es beim Grundsatz, dass ein Überschreiten des Maßes der baulichen
Nutzung nur im Falle der Rücksichtslosigkeit nachbarrechtliche Abwehrrechte auslöst.
Das Rücksichtnahmegebot ist keine allgemeine Härteklausel, die über den speziellen
Vorschriften des Städtebaurechts oder gar des gesamten öffentlichen Baurechts steht,
sondern Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts. Im
Bebauungsplangebiet ist das Rücksichtnahmegebot Ausfluss von § 15 BauNVO, im
unbeplanten Innenbereich ist es im Begriff des Einfügens in die Eigenart der näheren
Umgebung in § 34 Abs. 1 BauGB verankert. Nach Letzterem hat sich ein Vorhaben nach
Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut
werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einzufügen. Ein Vorhaben, das in
Übereinstimmung mit städtebaulichen Vorgaben steht, kann nur ganz ausnahmsweise an
den Anforderungen des Rücksichtnahmegebotes scheitern (vgl. etwa OVG des Saarlandes,
Beschluss vom 23.7.2003 – 1 Q 51/03 – m.w.N.; zum Rücksichtnahmegebot eingehend:
etwa BVerwG, Beschluss vom 14.2.1994 – 4 B 152/93 -, BRS 56, Nr. 165).
Das von der Beklagten mit der angegriffenen Baugenehmigung zugelassene Bauwerk ist
den Klägern gegenüber nicht rücksichtslos.
Das Gebot der Rücksichtnahme soll einen angemessenen Interessenausgleich gewähren.
Die dabei vorzunehmende Abwägung hat sich daran zu orientieren, was dem
Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage
der Dinge zuzumuten ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des
Rücksichtnahmebegünstigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je
verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso
weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen.
Berechtigte Belange muss er nicht zurückstellen, um gleichwertige fremde Belange zu
schonen. Der begünstigte Dritte muss es hinnehmen, dass Beeinträchtigungen, die von
einem legal genutzten vorhandenen Bestand ausgehen, bei der Interessenabwägung als
Vorbelastung berücksichtigt werden, die seine Schutzwürdigkeit mindern kann (BVerwG,
Urteil vom 14.01.1993 -4 C 19.90-, BRS 55 Nr. 175 m.w.N.).
Auf dieser Grundlage steht den Klägern ist im Hinblick auf das Maß der genehmigten
baulichen Nutzung kein Abwehranspruch zu. Geht man von der Wirksamkeit des
Bebauungsplanes aus, hält das genehmigte Gebäude – wie bereits ausgeführt - dessen
Vorgaben zum Maß der baulichen Nutzung ein. Das lässt eine Verletzung des Gebotes der
Rücksichtnahme in jeder Hinsicht fern liegend erscheinen.
Geht man von der Unwirksamkeit des Bebauungsplans aus, ergibt sich im Ergebnis keine
andere Beurteilung.
Was die sich aus der Verwirklichung einer bestimmten Baumasse ergebende räumliche
Wirkung eines Baukörpers auf die Nachbargrundstücke angeht, so ist insoweit
Nachbarschutz auf der Grundlage des in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltenen
Rücksichtnahmegebotes zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, wenn die
landesrechtlichen Abstandsflächen eingehalten sind. Allerdings dürfte die bisherige
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls im Ergebnis mit der Modifikation
grundsätzlich richtig bleiben, dass zumindest aus tatsächlichen Gründen das
Rücksichtnahmegebot im Regelfall nicht verletzt sein wird, wenn die Abstandsvorschriften
eingehalten sind (BVerwG, Beschluss vom 11.1.1999 - 4 B 128.98 –, Buchholz 406.19
Nachbarschutz Nr. 159 = NVwZ 1999, 879 = DVBl 1999, 786 = DÖV 1999, 558 = BauR
1999, 615 mit weiteren Nachweise; vgl. zum Verhältnis des Rücksichtnahmegebotes zu
den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften auch: Mampel, Drittschutz durch
das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme - Aus dem Irrgarten in den
Ziergarten -, DVBl 2000, 1830).
Dabei kann von einer erdrückenden Wirkung nicht schon dann ausgegangen werden, wenn
ein Neubau höher wird als ein benachbartes vorhandenes Bauwerk (BVerwG, Beschluss
vom 20.09.1984 - 4 B 181.84 -, DVBl 1985, 122: keine erdrückende Wirkung bei einem
Grenzabstand von 8 m und einem Höhenunterschied von 2,20 m; bejaht bei einem
12geschossigen Neubau 15 m von einem 2geschossigen Nachbarwohnhaus entfernt:
BVerwG, Urteil vom 13.03.1981- 4 C 1.78 -, BRS 38 Nr. 186).
Bei Anlegung dieser Maßstäbe und unter dem Eindruck der Ortsbesichtigung wirkt das
genehmigte Vorhaben auf das Grundstück der Kläger nicht in diesem Sinne erdrückend und
zwar weder mit Blick auf die Höhe noch die Breite des Wohnhauses.
Folglich ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kostenfolge ergibt sich aus den §§ 154 Abs. 1, 159 VwGO, 100 ZPO.
Bei dieser Kostengrundentscheidung bedarf es keines Ausspruches über Notwendigkeit der
Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Kläger im Vorverfahren (§ 162 Abs. 2 Satz 2
VwGO).
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind den Klägern gemäß § 162 Abs. 3
VwGO aufzuerlegen, weil die Beigeladene in der Sache einen förmlichen Antrag gestellt hat
und damit ihrerseits das Risiko eingegangen ist, auf der Grundlage von § 154 Abs. 3 VwGO
an den Kosten des Verfahrens beteiligt zu werden.
Die Berufung wird nicht gemäß § 124 a Abs. 1 VwGO zugelassen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung
mit den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 52 Abs. 2 i.V.m. § 63 Abs. 2 GKG.