Urteil des VG Potsdam vom 15.03.2017

VG Potsdam: satzung, beamtenverhältnis, rechtsanwaltschaft, öffentlich, form, untätigkeitsklage, probe, entlassung, sozialversicherungsrecht, mitgliedschaft

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Gericht:
VG Potsdam 3.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 K 2699/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 10 RAVersorgG BB, § 26 SGB
4, § 172 SGB 6, § 23
RAVersorgSa BB
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Erstattung von Arbeitgeberanteilen, für die bei
ihm in den Jahren 2001 bis 2004 angestellte Rechtsanwältin ... .
Frau ... wurde im Jahr 1993 zur Beamtin auf Probe berufen. Mit Bescheid des
Finanzministeriums des Landes Brandenburg aus dem Jahr 1998 wurde sie aus dem
Beamtenverhältnis entlassen. Nach erfolglosem Widerspruch erhob sie hiergegen Klage
(2 K 1390/99). Am 22.10.2003 hob das Finanzministerium des Landes Brandenburg den
Entlassungsbescheid auf. Die Zulassung von Frau ... zur Rechtsanwaltschaft wurde mit
Wirkung zum 07.02.2004 widerrufen.
Der Kläger beschäftigte Frau ... als angestellte Rechtsanwältin vom 11.01.2001 bis zum
30.01.2004 und entrichtete für diesen Zeitraum Arbeitgeberanteile in Höhe von
10.787,05 Euro an den Beklagten.
Der Beklagte erstattete Frau ... auf deren Antrag mit Bescheid vom 24.05.2004 die von
ihr geleisteten Beiträge zu 60 %; die übrigen 40 % erstattete ihr das Land Brandenburg.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 23.02.2004 die Erstattung seiner
Arbeitgeberanteile unter Berufung darauf, dass Frau ... von der Verpflichtung zur
Zahlung von Beiträgen durch die rückwirkende Aufhebung der Entlassungsverfügung
befreit sei. Der Beklagte wies dies mit Schreiben vom 27.02.2004 zurück unter Hinweis
darauf, dass Frau ... im Zeitraum 2001 bis 2004 als Rechtsanwältin beschäftigt und
damit beitragspflichtig gewesen sei. Der Kläger widersprach dem unter dem 10.06.2004
unter Hinweis darauf, dass das Beamtenverhältnis von Frau ... einer Zulassung zur
Rechtsanwaltschaft zwingend entgegengestanden habe. Am 18.04.2005 teilte der
Beklagte mit, es verbleibe beim Bescheid vom 27.02.2004. Frau ... sei Pflichtmitglied
gewesen. Zudem beruhten alle Zahlungen auf bestandskräftigen Beitragsbescheiden.
Der Kläger widersprach dem am 24.05.2005 erneut unter Berufung auf § 23 Abs. 1 Satz
1 der Satzung des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte in Brandenburg (vom
07.11.2003, ABl. für Brandenburg, 2004, S. 838) und § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB IV.
Der Kläger hat am 20.11.2005 Klage erhoben, mit der er sein Begehren weiter verfolgt.
Er ist der Auffassung, ihm stünde aus § 23 der Satzung, hilfsweise aus § 26 Abs. 2 SGB
IV ein Anspruch auf Erstattung der von ihm gezahlten Arbeitgeberanteile zu.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, ihm gemäß Antrag vom 23.02.2004 eine
Erstattung von Arbeitgeberbeiträgen in Höhe von 10.787,05 Euro nebst Zinsen in Höhe
von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 11. Juli 2004 zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, § 23 Abs. 1 der Satzung schließe die Erstattung der
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Er ist der Auffassung, § 23 Abs. 1 der Satzung schließe die Erstattung der
Arbeitgeberbeiträge gerade aus, um eine Besserstellung derjenigen zu vermeiden, die
Beiträge für ihre angestellten Rechtsanwälte an die gesetzliche Rentenversicherung
zahlten. Nach § 26 Abs. 2 SGB IV würden von dieser nur zu Unrecht gezahlte Beiträge
entrichtet. Die Beiträge seien hier nicht zu Unrecht geleistet worden. Rechtsgrund sei die
Vereinbarung des Klägers mit Frau ... über die anteilige Tragung der Beiträge, zu deren
Zahlung diese gegenüber dem Beklagten verpflichtet gewesen sei. Frau ... sei von 2001
bis Februar 2004 als Rechtsanwältin zugelassen gewesen ohne Rücksicht darauf, dass
der Entlassungsbescheid aus dem Beamtenverhältnis letztlich aufgehoben worden sei.
Aus diesem Grunde scheide auch ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch aus.
Mit Schreiben vom 24.03.2006 wies der Beklagte den Anspruch des Klägers erneut
zurück. Zur Begründung heißt es, die Rücknahme der Zulassung von Frau ... sei nur für
die Zukunft erfolgt und nicht rückwirkend. § 26 Abs. 3 SGB IV sei nicht entsprechend
anwendbar, nach der Satzung seien nur Mitglieder zahlungs- und damit
rückforderungsberechtigt, letzteres indes nur für eigene Beiträge.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO in der Form der
Untätigkeitsklage (§ 75 VwGO) statthaft. Zwar begehrt der Kläger in erster Linie Zahlung
und damit eine tatsächliche Leistung, so dass eine allgemeine Leistungsklage in
Betracht käme (vgl. Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
Verwaltungsgerichtsordnung, 19. Ergänzungslieferung 2009, § 42 Abs. 1 VwGO Rdnr.
157). Allerdings werden hier nach § 10 Abs. 4 BbgRAVG die Leistungen des Beklagten
durch Bescheid festgesetzt, wozu gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 BbgRAVG auch die Erstattung
von Beiträgen gehört. Die Vorschrift bezieht sich zwar direkt nur auf das Verhältnis
zwischen dem Beklagten und seinen Mitgliedern. Bei sachgerechter Auslegung erfasst
die Norm indes auch Leistungen gegenüber Dritten. Das vermeidet nicht zuletzt
Abgrenzungsschwierigkeiten und führt zu einer einheitlichen Handhabung.
Die Verpflichtungsklage ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 68 VwGO)
zulässig. Die Voraussetzungen der Untätigkeitsklage gemäß § 75 Satz 1 VwGO liegen
vor. Der Beklagte hat ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht
über den Antrag des Klägers vom 23.02.2004 entschieden. Die angeführten Schreiben
des Beklagten, in denen dieser den Anspruch des Klägers verneint, stellen nach dem
maßgeblichen objektiven Erklärungswert, das heißt nach dem objektiven
Empfängerhorizont (vgl. nur Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 11. Aufl.
2010, § 35 VwVfG Rdnr. 51 und 54) keine Verwaltungsakte im Sinne des § 35 VwVfGBbg
dar. Sie ermangeln bereits der äußeren Form eines Verwaltungsakts, enthalten weder
die Bezeichnung als Bescheid noch einen Tenor oder eine Rechtsbehelfsbelehrung. Sie
legen die Rechtsansicht des Beklagten dar, ohne dass sie bereits eine Regelung in
Bezug auf den Anspruch treffen. Dass der Beklagte die Schreiben im Nachhinein als
Bescheid bezeichnete, ändert an ihrer objektiv zu bestimmenden Qualität nichts.
Die Klage ist indes unbegründet.
Das Unterlassen des begehrten Erstattungsbescheides ist nicht rechtswidrig und verletzt
den Kläger deshalb auch nicht in seinen Rechten im Sinne des § 113 Abs. 5 VwGO. Ein
Anspruch des Klägers auf Erstattung der Arbeitgeberbeiträge besteht nicht.
Der klägerische Anspruch kann sich nicht auf § 23 Abs. 1 Satz 1 der Satzung des
Versorgungswerkes der Rechtsanwälte in Brandenburg vom 07.11.2003 (ABl. für
Brandenburg Nr. 44/2004 vom 10.11.2004, S. 838 – Satzung 2003) stützen. Danach
sind, wenn die Mitgliedschaft endet, dem bisherigen Mitglied grundsätzlich auf Antrag 60
vom Hundert seiner bisher geleisteten Beiträge zu erstatten, mit Ausnahme (u. a.) von
Arbeitgeberanteilen. Die Satzung schließt den geltend gemachten Anspruch damit
gerade aus.
Die Satzungsbestimmung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
Sie verstößt nicht gegen § 10 Abs. 1 des Gesetzes über das Versorgungswerk der
Rechtsanwälte im Land Brandenburg (Brandenburgisches
Rechtsanwaltsversorgungsgesetz – BbgRAVG) vom 04. Dezember 1995 (GVBl. I/95, [Nr.
21], S. 266), geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. Dezember 2002 (GVBl. I/02,
[Nr. 12], S. 189/190). Danach erbringt das Versorgungswerk seinen Mitgliedern und
deren Hinterbliebenen nach Maßgabe dieses Gesetzes und der Satzung als Leistung
unter anderem die Erstattung von Beiträgen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4); auf diese
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unter anderem die Erstattung von Beiträgen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4); auf diese
Leistung besteht ein Rechtsanspruch (§ 10 Abs. 1 Satz 2). Nähere Bestimmungen trifft
das Gesetz nicht. Die Vorschrift regelt vielmehr nur den generellen Erstattungsanspruch
und überlässt es dem Satzungsgeber, die Einzelheiten näher zu regeln, insbesondere
die Voraussetzungen und Höhe einer Beitragserstattung (vgl. die Gesetzesbegründung
zu § 10 BbgRAVG, LT-Drs. 2/1234, 28).
Die Vorschrift verstößt auch nicht gegen § 26 Abs. 2 SGB IV. Danach werden zu Unrecht
entrichtete Pflichtbeiträge in der Rentenversicherung erstattet, wenn nicht der
Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund
dieser Beiträge oder für den entsprechenden Zeitraum Leistungen erbracht oder zu
erbringen hat. Die Vorschrift aus dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung
erfasst nicht den Beklagten als Träger eines berufsständischen Versorgungswerks.
Die Vorschrift verstößt schließlich nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes. Es liegt keine Ungleichbehandlung in diesem Sinne vor. Wie dargestellt,
erfordert § 26 Abs. 2 SGB IV als spezieller Fall des allgemeinen öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruchs, dass die Leistungen an den Rentenversicherungsträger zu
Unrecht erbracht wurden. Maßgeblich ist hierbei die Rechtmäßigkeit der Beitragszahlung
im Moment der Entrichtung (vgl. nur Seewald, in: Kasseler Kommentar,
Sozialversicherungsrecht, 66. Ergänzungslieferung 2010, § 26 SGB IV Rdnr. 8a).
Zu diesem Zeitpunkt war die Zahlung aber rechtmäßig auch im Sinne des § 26 Abs. 2
SGB IV. Zu den jeweiligen Daten der Beitragszahlung des Klägers an den Beklagten war
die bei ihm angestellte Frau ... im Land Brandenburg zugelassene Rechtsanwältin und
als solche ebenfalls Mitglied des beklagten Versorgungswerks und diesem zur Zahlung
verpflichtet, §§ 3 Abs. 1 und 9 Abs. 1 BbgRAVG. Im gleichen Maße war der Kläger zur
Zahlung der Arbeitgeberbeiträge in Höhe der Hälfte des Beitrags an das beklagte
Versorgungswerk verpflichtet, § 172 Abs. 2 SGB VI. Es kann dahinstehen, ob diese
Vorschrift eine Verpflichtung des Klägers direkt gegenüber dem beklagten
Versorgungswerk begründet (in diesem Sinne OVG Koblenz, Urt. v. 15.01.2008 – 6 A
10975/07, BeckRS 2008, 33263) oder nur das Verhältnis des Klägers als Arbeitgeber zu
Frau ... als Arbeitnehmerin ausgestalten soll (so Wehrhahn, in: Kasseler Kommentar zum
Sozialversicherungsrecht, 66. Ergänzungslieferung 2010, § 172 SGB VI Rdnr. 10). In
jedem Fall war entweder der Kläger oder Frau ... zur Zahlung verpflichtet.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass Frau ... s Entlassung aus dem
Beamtenverhältnis im Nachhinein aufgehoben wurde, und welche zeitliche Wirksamkeit
dem Aufhebungsbescheid zukommt. Unerheblich ist auch, inwieweit Frau ... auch
während des laufenden Rechtsstreits um ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis
weiterhin als Beamtin auf Probe anzusehen war. Ob die Zulassung Frau ... s zur
Rechtsanwaltschaft etwa im Hinblick auf § 7 Nr. 10 BRAO zu Recht erfolgte, berührt die
Wirksamkeit der Zulassung ebenso wenig wie die Wirksamkeit ihrer Mitgliedschaft im
beklagten Versorgungswerk, und damit ihre Beitragsverpflichtung wie die des Klägers.
§ 23 Abs. 1 Satz 1 der Satzung 2003 ist auch nicht entsprechend auf die Erstattung von
Arbeitgeberanteilen anzuwenden. Der Satzungsgeber hat diese Beiträge bewusst von
der Erstattungsfähigkeit ausgeschlossen. Anderenfalls wären die Arbeitgeber von
Beschäftigten, die von der Beitragspflicht zur Deutschen Rentenversicherung befreit
sind, besser gestellt als die Arbeitgeber, deren Beschäftigte pflichtversichert sind. Denn
diesen Arbeitgebern werden – zu Recht – gezahlte Arbeitgeberbeiträge nicht erstattet.
Aus den vorgenannten Gründen besteht auch kein öffentlich-rechtlicher
Erstattungsanspruch des Klägers.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
Beschluss:
Der Streitwert wird festgesetzt auf 10.787,05 €.
Gründe:
Die Festsetzung entspricht dem streitgegenständlichen Betrag ohne Rücksicht auf die
ebenfalls begehrten Zinsen, §§ 43 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG.
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