Urteil des VG Potsdam vom 14.03.2017

VG Potsdam: versetzung, gesetzliche vermutung, wiederherstellung, beamtenverhältnis, gespräch, fürsorgepflicht, beamter, ermessen, integration, schulgebäude

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Gericht:
VG Potsdam 2.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 K 973/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 111 Abs 1 BG BB, § 113 Abs 2
BG BB, § 113 Abs 3 BG BB, §
113 Abs 4 BG BB, § 113 Abs 6
BG BB
Vorzeitige Ruhestandsversetzung einer Lebenszeitbeamtin
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird
nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern der Beklagte nicht vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin, geboren 1967, wurde mit Wirkung vom 13. Dezember 2001 nach erfolgreich
absolvierter Probezeit unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit in
Teilzeitbeschäftigung zur Studienrätin ernannt. Sie arbeitete als Lehrerin in der
Sekundarstufe 2 am ... -Gymnasium in .... Seit dem 8. August 2005 war sie wegen
Verlegung des Unterrichts aufgrund von Umbaumaßnahmen an drei Wochentagen je
Unterrichtswoche im neu errichteten Schulgebäude des ... Gymnasiums in ... tätig.
Seit der Verlegung des Unterrichts in das Schulgebäude des ... Gymnasiums litt die
Klägerin an diversen Beschwerden, die zu einer Vielzahl von ärztlichen Untersuchungen
führten; seit dem 19. Mai 2006 war sie ununterbrochen dienstunfähig.
Mit Schriftsatz vom 29. September 2006 ordnete das Staatliche Schulamt Brandenburg
an der Havel (Schulamt) die amtsärztliche Untersuchung der Klägerin im Hinblick auf die
Feststellung an, ob die volle Dienstfähigkeit der Klägerin in den nächsten drei bis sechs
Monaten wiederhergestellt werden könne. Der Klägerin wurde zugleich die Einleitung des
Verfahrens nach § 111 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes Brandenburg (LBG) zur
Feststellung der Dienstfähigkeit mitgeteilt.
Im Rahmen der daraufhin am 24. Oktober 2006 durchgeführten Untersuchung
diagnostizierte der Amtsarzt Dr. ... inflammatorische Kardiomyopathie,
Adrenoleukodystrophie, degenerative HWS-Veränderungen/Radkulopathie C 6 sowie eine
psychosomatische Störung. In seinem amtsärztliche Gutachten vom 24. November
2006 führte er aus, es bestehe die Möglichkeit, dass die volle Dienstfähigkeit der
Klägerin binnen sechs Monaten bei einer Sanatoriumsbehandlung in einer geeigneten
Klinik und anschließender Wiederaufnahme der Tätigkeit im Rahmen des Hamburger
Modells erreicht werden könne. Andernfalls solle eine amtsärztliche Nachuntersuchung
erfolgen.
Trotz diverser medizinischer Untersuchungen und Behandlungen trat eine
Zustandsbesserung bei der Klägerin nicht ein.
Am 24. Mai 2007 führte das Schulamt mit der Klägerin ein Gespräch zur dienstlichen
Wiedereingliederung. Hierin führte die Klägerin ihre Erkrankung auf die
Schadstoffbelastungen in dem Schulgebäude in ... zurück. Nach der Prognose ihrer
Ärzte sei sie weiterhin dienstunfähig. Das Gespräch schloss mit der Vereinbarung, dass
zurzeit keine Maßnahmen zur Wiedereingliederung ergriffen würden und die Klägerin sich
bei Besserung ihres Gesundheitszustandes an das Schulamt wenden solle.
Im Ergebnis einer am 26. Juni 2007 durchgeführten weiteren amtsärztlichen
Untersuchung stellte der Amtsarzt Dr. ... mit Gutachten vom 28. Juni 2007 fest, dass
sich der Gesundheitszustand der Klägerin etwas stabilisiert habe. Sie könne jedoch
weder jetzt noch über einen Zeitraum von mindestens einem halben Jahr der Hälfte ihrer
Unterrichtsverpflichtung nachkommen. Für einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren sei
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Unterrichtsverpflichtung nachkommen. Für einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren sei
eine vollschichtige Unterrichtstätigkeit mit einer Unterrichtsverpflichtung von 26
Stunden, derzeit in Teilzeit 19 Stunden, nicht realisierbar; mittelfristig scheine
realisierbar, dass die Klägerin – freiwillig – halbschichtig unterrichten könne, wofür eine
Wiedereingliederung dennoch angezeigt sei. Eine Langzeitprognose sei schwierig zu
stellen; das Wiedererreichen der vollen Dienstfähigkeit im Zeitraum von Jahren erscheine
möglich, hierfür sei eine Integration am Arbeitsplatz zu begrüßen. Mittelfristig in einem
Zeitraum von Monaten bis zu zwei Jahren sei jedoch festzustellen, dass die Klägerin ihrer
vollen Dienstverpflichtung nicht werde nachkommen können.
Mit Schriftsatz vom 4. Juni 2007 teilte die Klägerin dem Schulamt mit, dass sie mit
Beginn des Schuljahres 2007/08 Maßnahmen zur beruflichen Wiedereingliederung in
Anspruch nehmen wolle, da sie davon ausgehe, dass ihr gesundheitlicher Zustand dann
einen langsamen Wiedereinstieg zulasse. Die Schulrätin schlug daraufhin unter dem 9.
Juli 2007 den Wiedereinstieg mit täglich einer Stunde Unterricht bis vorerst längstens
Ende Oktober 2007 vor.
Am 21. August 2007 hörte das Schulamt die Klägerin wegen der beabsichtigten
Versetzung in den Ruhestand an. Hierauf führte die Klägerin an, dass ihr gegenüber eine
besondere Fürsorgepflicht des Beklagten bestehe, da die Erkrankung aus den
Raumluftbedingungen des Schulgebäudes resultiere. Unter dem 27. August 2007 reichte
sie einen von ihrer behandelnden Ärztin ... erstellten Wiedereingliederungsplan ein, der
folgende Unterrichtsleistung vorsah:
Mit Schriftsatz vom 31. August 2007 teilte das Schulamt der Klägerin mit, dass es ihre
Versetzung in den Ruhestand nach § 111 Abs. 1 LBG beabsichtige und bot Gelegenheit
zur Stellungnahme innerhalb eines Monats. Mit weiterem Schriftsatz vom selben Tage
lehnte das Schulamt die Wiedereingliederung ab.
Unter dem 4. Oktober 2007 führte die Klägerin aus, dass es nicht akzeptabel sei, sie in
den Ruhestand zu versetzen. Ihr werde nicht einmal die Chance eingeräumt, im Rahmen
eines Wiedereingliederungsprogramms wieder als Lehrerin tätig zu sein. Die
Dienstunfähigkeit beruhe im Wesentlichen auch auf dem groben Verschulden des
Dienstherrn, der die Nutzung des Schulgebäudes zugelassen habe, obwohl dort
erhebliche Schadstoffkonzentrationen gemessen worden seien. Trotz massiver
gesundheitlicher Beschwerden von Lehrern und Schülern seien keine geeigneten
Maßnahmen unternommen worden, um Gesundheitsgefahren für die dort arbeitenden
und lernenden Personen auszuschließen. Aus den vorangegangenen massiven
Pflichtverletzungen sei der Dienstherr im Rahmen seiner Fürsorgepflicht unbedingt
gehalten, sie in jeder Hinsicht zu unterstützen.
Am 11. Oktober 2007 erteilte der Personalrat die Zustimmung zur Versetzung in den
Ruhestand.
Mit Schriftsatz vom 6. November 2007 teilte das Schulamt der Klägerin mit, dass nach
Prüfung der Einwände an der Entscheidung festgehalten und das Verfahren zur
Versetzung in den Ruhestand fortgesetzt werde. Mit Bescheid vom 19. November 2007
versetzte das Schulamt die Klägerin mit Ablauf des 31. Oktober 2007 wegen dauernder
Dienstunfähigkeit in den Ruhestand.
Dagegen erhob die Klägerin unter dem 6. Dezember 2007 Widerspruch, den sie unter
Bezugnahme auf ihren Schriftsatz vom 4. Oktober 2007 ergänzend damit begründete,
dass der Amtsarzt Dr. ... eine schrittweise Wiedereingliederung in den Raum gestellt
habe. Eine Wiedereingliederung sei im Rahmen einer Ermessensentscheidung möglich.
Auch sei der Personalrat nicht ordnungsgemäß angehört worden. Darüber hinaus sei die
Versetzung in den Ruhestand in dem angefochtenen Bescheid mit Ablauf des 31.
Oktober 2007 verfügt worden. In der Urkunde über die Versetzung sei jedoch der 30.
November 2007 angegeben.
Das Schulamt änderte daraufhin den angefochtenen Bescheid mit Bescheid vom 26.
März 2008 dahingehend ab, dass die Versetzung der Klägerin in den Ruhestand mit
Ablauf des 30. November 2007 erfolge.
Mit Widerspruchsbescheid des Schulamts vom 18. April 2008 wies der Beklagte den
Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ein Beamter auch dann als
dienstunfähig angesehen werden könne, wenn er infolge Erkrankung innerhalb von sechs
Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan habe und keine Aussicht bestehe,
dass er innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll dienstfähig werde. Im Rahmen der
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dass er innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll dienstfähig werde. Im Rahmen der
amtsärztlichen Untersuchung sei eine dauernde Dienstunfähigkeit festgestellt worden.
Die Wiedereingliederung sei abgelehnt worden, weil das Verfahren zur Versetzung in den
Ruhestand bereits eingeleitet gewesen sei und das amtsärztliche Gutachten eindeutig
besage, dass die Klägerin ihrer vollen Dienstverpflichtung auf nichtabsehbare Zeit nicht
nachkommen könne. Die Beteiligung des Personalrates sei ordnungsgemäß erfolgt.
Die Klägerin hat am 22. Mai 2008 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass der
Amtsarzt keine dauernde Dienstunfähigkeit festgestellt habe. In den Fällen des § 111
Abs. 1 Satz 2 LBG habe der Dienstherr eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen,
ob eine Dienstunfähigkeit anzunehmen sei. Der Amtsarzt habe in seinem Gutachten
vom 28. Juni 2007 ausgeführt, dass sie, die Klägerin, freiwillig vertraglich ihre
Unterrichtsverpflichtung reduzieren könne und für diesen Fall eine Wiedereingliederung
angezeigt wäre. Weiterhin habe der Amtsarzt angegeben, dass das Wiedererreichen der
vollen Dienstfähigkeit im Zeitraum von Jahren möglich erscheine und insofern eine
Integration am Arbeitsplatz zu begrüßen sei. Der Amtsarzt habe folglich selbst die
Empfehlung abgegeben, sie wieder langsam in das Berufsleben zu integrieren.
Schließlich habe auch das Schulamt durch das Gespräch am 24. Mai 2007 zur
Wiedereingliederung zunächst diesen Weg verfolgt. Sie habe mit Schreiben vom 4. Juli
2007 diese Möglichkeit auch wahrgenommen, darauf jedoch keine angemessene
Antwort mehr erhalten. Die in den angefochtenen Bescheiden ausgesprochene
zwangsweise Ruhestandsversetzung sei rechtswidrig, da sie die ursprüngliche
Ermessensentscheidung über die schrittweise Wiedereingliederung zunichte mache. Sie,
die Klägerin, habe darauf vertrauen dürfen, dass ihr die Möglichkeit gegeben werde,
langsam in das Berufsleben zurückzukehren. Auch für den Heilungsverlauf sei es
besonders wichtig, dass ihr eine berufliche Perspektive offen gehalten werde. Die
Möglichkeit nach § 114 LBG sei nicht ausreichend, da die Wiedereingliederung dann nicht
garantiert werden könne. Entgegenstehende zwingende dienstliche Gründe nach § 114
Abs. 2 LBG könnten schließlich auch aus der Haushaltslage eines Bundeslandes
herrühren. Darüber hinaus sei das Ermessen des Beklagten hinsichtlich ihrer
Wiedereingliederung auf Null reduziert. Dies folge aus der Fürsorgepflicht des
Dienstherrn insbesondere in solchen Fällen, in denen dieser eine maßgebliche
Mitverantwortung an der Erkrankung des Beamten trage. Hinsichtlich der Verursachung
der Erkrankung und die Verantwortlichkeit des Beklagten verweist sie auf das vor der
Kammer geführte Verfahren 2 K 828/08 betreffend Anerkennung ihrer Erkrankung als
Dienstunfall.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 19. November 2007 in der Gestalt des Änderungsbescheides
vom 26. März 2008 sowie des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, dass durch den Amtsarzt die dauernde Dienstunfähigkeit der Klägerin
festgestellt worden sei. Darüber hinaus bestehe für die Klägerin die Möglichkeit, gemäß §
114 LBG erneut in ein Beamtenverhältnis berufen zu werden. Auch verkenne die
Klägerin, dass es für die Frage der Dienstunfähigkeit zunächst grundsätzlich nicht darauf
ankomme, welche Ursachen zur Erkrankung und damit zur Dienstunfähigkeit geführt
hätten. Den Vorwurf, der Klägerin sei die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess
verwehrt worden, weist der Beklagte zurück. Der Wiedereingliederungsplan der Klägerin
habe das Schulamt erst am 29. August 2007 und damit drei Tage nach Beginn des
neuen Schuljahres erreicht. Der von der behandelnden Ärztin erstellte
Wiedereingliederungsplan trage den Vermerk, dass die Wiederherstellung der vollen
Arbeitsfähigkeit zurzeit nicht absehbar sei. In der Zusammenschau mit dem
amtsärztlichen Gutachten bedeute dies, dass bei der Klägerin mit dauernder
Dienstunfähigkeit über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren gerechnet werden müsse.
Auch habe der Wiedereingliederungsplan Maßnahmen über einen Zeitraum von 11
Monaten vorgesehen. Eine Wiedereingliederungsphase solle jedoch in der Regel einen
Zeitraum von sechs Monaten nicht überschreiten. Darüber hinaus sollte bei einem
derart großzügig angelegten Zeitraum erwartet werden können, dass die Maßnahme mit
der vollen Unterrichtsverpflichtung ende. In dem Wiedereingliederungsplan sei das Ziel,
täglich drei Unterrichtsstunden leisten zu können. Damit würde die Klägerin jedoch nur
etwa 50 % der vollen Dienstverpflichtung realisieren. Der Wiedereingliederungsplan
deute jedenfalls darauf hin, dass nicht damit zu rechnen sei, dass die Klägerin in einem
vertretbaren Zeitraum ihre volle Dienstfähigkeit wiedererlange. Vor diesem Hintergrund
habe der Wiedereingliederungsplan nur abgelehnt werden können. Im Übrigen habe die
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habe der Wiedereingliederungsplan nur abgelehnt werden können. Im Übrigen habe die
Klägerin den Beginn der Wiedereingliederung der Tätigkeit im ... -Gymnasium ihrerseits
aus gesundheitlichen Gründen abgesagt. Hieraus könne nur geschlossen werden, dass
sei selbst die zunächst vorgesehene Arbeitsverpflichtung von einer Stunde täglich
gesundheitlich überforderte. Auch unter diesem Gesichtspunkt sei die Entscheidung des
Dienstherrn nicht zu beanstanden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des übrigen Vortrags
der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Streitakte zum Verfahren 2 K
828/08 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Staatlichen Schulamtes Brandenburg an der Havel vom 19. November
2007 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 26. März 2008 sowie des
Widerspruchsbescheides vom 18. April 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin
nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Beklagte hat die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand zu Recht auf § 111 Abs. 1
in Verbindung mit § 113 Abs. 6 des Beamtengesetzes für das Land Brandenburg (LBG)
in der Fassung vom 18. Dezember 2007 (GVBl. I 2007, S. 286) gestützt.
Die Zurruhesetzungsverfügung ist formell rechtmäßig zu Stande gekommen;
namentlich liegt kein Verstoß gegen Verfahrensvorschriften vor.
Zwar ist gemäß § 113 Abs. 2 - 4 LBG bei Erhebung von Einwendungen seitens des
Beamten innerhalb eines Monats nach der Benachrichtigung gegen die beabsichtigte
Zurruhesetzung ein förmliches Verfahren durchzuführen, in dem die Behörde zunächst
zu entscheiden hat, ob das Verfahren eingestellt oder fortgeführt wird. Bei Fortführung
des Verfahrens sollen die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Ermittlungen
nach den Bestimmungen des Landesdisziplinargesetzes durchgeführt werden. Jedoch
führt nicht jedwede Einlassung zur Durchführung eines Ermittlungsverfahrens. Insoweit
sind nur solche Einwendungen beachtlich, die gegen die mitgeteilte Annahme der
Dienstunfähigkeit gerichtet sind, d.h. gegen die tatsächliche Würdigung des
Gesundheitszustandes des Beamten dahingehend, dass er nach dem gesetzlichen
Prüfungsmaßstab des § 42 Abs. 1 BBG a. F. (hier wortgleich § 111 Abs. 1 LBG) auf Dauer
unfähig sei, amtsgemäße Aufgaben innerhalb seiner Behörde zu erfüllen.
Vgl. zur entsprechenden Vorschrift des Bundesbeamtengesetzes Plog/ Wiedow,
BBG (alt), § 44 Rn. 7.
In Anwendung dessen hat der Beklage zu Recht von der Einleitung eines förmlichen
Verfahrens abgesehen, da mit der - fristgemäßen - Stellungnahme des
Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 4. Oktober 2007, beachtliche, d.h. zur
Einleitung eines förmliches Ermittlungsverfahrens zwingende Einwendungen durch die
Klägerin nicht erhoben wurden. In dem Schriftsatz werden von dem
Prozessbevollmächtigten (nur) die seiner Ansicht nach massiven Pflichtverletzungen des
Dienstherrn angeführt, ohne die Dienstunfähigkeit der Klägerin in Frage zu stellen. Die
dauernde Dienstunfähigkeit wird erstmals in der Klageschrift bestritten. Somit war die
Durchführung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens entbehrlich. Des Weiteren hat die
Kammer auch keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Beteiligung des Personalsrats,
der auf die entsprechende, inhaltlich zureichende Vorlage der Dienststelle zur Mitwirkung
gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 6 des Personalvertretungsgesetzes unter dem 11. Oktober 2007
seine Zustimmung erteilt hat.
Die angefochtene Verfügung ist auch materiell rechtmäßig.
Gemäß § 111 Abs. 1 LBG ist ein Beamter auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen,
wenn er wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur
Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Als dienstunfähig
kann nach Satz 2 der Vorschrift ein Beamter auch dann angesehen werden, wenn er
infolge Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst
getan hat und keine Aussicht besteht, dass er innerhalb weiterer sechs Monate wieder
voll dienstfähig wird.
§ 111 Abs. 1 Satz 2 LBG normiert eine gesetzliche Vermutung und damit eine
erleichterte Feststellung aufgrund bestimmter Tatsachen in einem bestimmten
zeitlichen Rahmen, die es dem Dienstherrn ermöglicht, ohne weitergehende
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zeitlichen Rahmen, die es dem Dienstherrn ermöglicht, ohne weitergehende
Ermittlungen die Dienstunfähigkeit eines Beamten festzustellen. Die Prognose, dass
innerhalb weiterer sechs Monate keine Aussicht auf Wiederherstellung der vollen
Dienstfähigkeit, bedarf in der Regel ärztlicher Begutachtung.
Vgl. Plog/Wiedow, BBG (alt), § 42 Rn. 4c; Fürst, GKÖD § 42 Rn. 17.
Hiervon ausgehend hat der Beklagte die Klägerin zu Recht als dienstunfähig im Sinne
von § 111 Abs. 1 LBG angesehen. Die Klägerin war ab dem 19. Mai 2006 dienstunfähig
erkrankt und hatte seit dem keinen Dienst mehr verrichtet. Damit hatte sie in dem für
die Beurteilung der Dienstunfähigkeit maßgeblichen Zeitpunkt der
Widerspruchsentscheidung innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten mehr als drei
Monate keinen Dienst getan. Darüber hinaus bestand auch keine Aussicht, dass die
Klägerin innerhalb weiterer sechs Monate wieder (vollständig) dienstfähig wird.
Das vorliegende amtsärztliche Gutachten vom 28. Juli 2007 rechtfertigt die
entsprechende Annahme des Beklagten. In der gutachtlichen Stellungnahme des
Amtsarztes Dr. ... heißt es, dass die Klägerin weder jetzt noch über einen Zeitraum von
mindestens einem halben Jahr der Hälfte ihrer Unterrichtsverpflichtung nachkommen
kann. Zur Frage der vollen Dienstfähigkeit in einem Zeitraum von Monaten bis zwei
Jahren lautete die amtsärztliche Beurteilung, dass die Klägerin auf nichtabsehbare Zeit
ihrer vollen Dienstverpflichtung gesundheitlich nicht nachkommen kann.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen durfte der Beklagte zu Recht vom Vorliegen der
Voraussetzungen des § 111 Abs. 1 Satz 2 LBG ausgehen. Dr. ... hat die ihm obliegende
prognostische Aussage hinsichtlich der voraussichtlichen weiteren Entwicklung des
Gesundheitszustandes der Klägerin getroffen, auf deren Basis der Beklagte eine eigene
Entscheidung über die Dienstfähigkeit gefällt hat.
Die Argumentation der Klägerin, der Amtsarzt Dr. ... habe gerade keine
Dienstunfähigkeit festgestellt, geht fehl. Zwar hat Dr. ... ausgeführt, dass das
Wiedererreichen der vollen Dienstfähigkeit im Zeitraum von Jahren möglich erscheine
und insofern eine Integration am Arbeitsplatz zu begrüßen sei. Auch hat er die
Möglichkeit in den Raum gestellt, dass die Klägerin freiwillig vertraglich ihre
Unterrichtsverpflichtung reduzieren könnte und für diesen Fall eine Wiedereingliederung
angezeigt wäre. Für den allein maßgeblichen Zeitraum des § 111 Abs. 1 Satz 2 LBG hat
der Amtsarzt jedoch eine dauernde Dienstunfähigkeit festgestellt. Eine freiwillige
vertragliche Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung unter Minderung der Bezüge hat
die Klägerin darüber hinaus zu keinem Zeitpunkt angeboten.
Die Entscheidung über die Zurruhesetzung ist auch nicht ermessensfehlerhaft. Die
Ermessensentscheidung geht im Rahmen des § 111 Abs. 1 Satz 2 LBG dahin, dass der
Dienstherr nach pflichtgemäßen Ermessen entscheiden muss, ob es die ärztliche
Beurteilung erforderlich macht, das Beamtenverhältnis durch Zurruhesetzung oder
durch Entlassung zu beenden.
Vgl. Fürst, GKÖD, § 42 Rn. 17.
Dabei ist im Wesentlichen darauf abzustellen, ob im konkreten Einzelfall besondere
Umstände eine auf Dauer günstigere Prognose für die Wiederherstellung der vollen
Dienstfähigkeit rechtfertigen. Andere Gesichtspunkte als solche, die sich auf
Möglichkeiten der weiteren dienstlichen Verwendung beziehen, liegen nach dem
Zusammenhang der Vorschrift außerhalb des Zwecks des mit ihr eingeräumten
Ermessens. Sind solche Anhaltspunkte nicht erkennbar, handelt der Dienstherr in aller
Regel ermessensfehlerfrei, wenn er von der erleichterten Feststellungsmöglichkeit
Gebrauch macht.
Vgl. Plog/Wiedow, BBG (alt), § 42 Rn. 4d.
Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermessensentscheidung sind nicht ersichtlich. Eine
auf Dauer günstigere Prognose für die Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit
wurde weder vom Amtsarzt Dr. ... gestellt, der diesbezüglich ausgeführt hat, dass das
Wiedererreichen der vollen Dienstfähigkeit im Zeitraum von Jahren lediglich möglich
erscheine, noch ergeben sich Anhaltspunkte dafür aus den weiteren Umständen. Die
Klägerin hatte zwar unter dem 27. August 2007 einen Wiedereingliederungsplan
vorgelegt. Dieser Plan sah jedoch Maßnahmen über einen Zeitraum von 11 Monaten vor
für das Erreichen lediglich ca. der Hälfte der Unterrichtsverpflichtung und stützte mithin
gerade keine günstige Prognose. Zudem konnte die Klägerin die in dem
Wiedereingliederungsplan vorgesehene Maßnahme bereits aus gesundheitlichen
Gründen nicht antreten. Auch die Stellungnahme der Ärztin Dr. … , die den
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Gründen nicht antreten. Auch die Stellungnahme der Ärztin Dr. … , die den
Wiedereingliederungsplan erstellt hatte, ging dahin, dass die Wiederherstellung der
vollen Dienstfähigkeit zurzeit nicht absehbar sei.
Ebenso greift die Argumentation der Klägerin, der Beklagte habe die ursprüngliche
Ermessensentscheidung über die schrittweise Wiedereingliederung durch die Versetzung
in den Ruhestand zunichte gemacht, nicht durch. Die zunächst verfolgten Bemühungen
zur dienstlichen Wiedereingliederung beruhten auf der allgemeinen gesetzlichen
Verpflichtung des § 84 Abs. 2 SGB IX sowie auf der Dienstvereinbarung zum
betrieblichen Eingliederungsmanagement vom 23. März 2006. Danach sollen bei
längerer Dienstunfähigkeit zwischen Dienstherr und Beamten Möglichkeiten zur
Überwindung der Dienstunfähigkeit und Erhaltung des Arbeitsplatzes erörtert werden.
Der Beklagte ist mit der Durchführung des Gesprächs zur betrieblichen
Wiedereingliederung am 24. Mai 2007 dieser gesetzlichen Verpflichtung nachgekommen.
Die zunächst in Aussicht genommene Wiedereingliederung dürfte vorliegend vor allem
auf dem Ergebnis der am 24. Oktober 2006 durch den Amtsarzt Dr. ... durchgeführten
Untersuchung der Klägerin beruht haben, nach dem die Wiederherstellung der vollen
Dienstfähigkeit der Klägerin innerhalb von sechs Monaten als möglich erachtet wurde.
Nachdem der Amtsarzt Dr. ... im Rahmen der erneuten Untersuchung am 26. Juni 2007
diese Möglichkeit nunmehr ausgeschlossen hatte, oblag es dem Beklagten –
unabhängig von den zuvor im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements
vorgenommenen Maßnahmen – nach pflichtgemäßen Ermessen im Zusammenhang mit
der Versetzung in den Ruhestand eine Entscheidung darüber zu treffen, ob er von der
erleichterten Feststellungsmöglichkeit des § 111 Abs. 1 Satz 2 LBG Gebrauch macht.
Die Klägerin kann auch nicht geltend machen, sie darauf habe vertrauen dürfen, ihr
werde – anstelle der Versetzung in den Ruhestand – die Möglichkeit zur
Wiedereingliederung gegeben. Das in Umsetzung der gesetzlichen Verpflichtung
geführte Gespräch zur betrieblichen Eingliederung am 24. Mai 2007 schloss jedenfalls
ohne Vereinbarung konkreter Maßnahmen. Der Klägerin waren weiter sowohl das
amtsärztliche Gutachten vom 28. Juni 2007 als auch die Absicht des Beklagten, sie
wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen, bekannt. Bereits im
Rahmen der Aufforderungen zu den amtsärztlichen Untersuchungen am 24. Oktober
2006 und 26. Juni 2007 wurde die Klägerin auf die Möglichkeit der Versetzung in den
Ruhestand gemäß § 111 Abs. 1 LBG hingewiesen. Spätestens im Rahmen der am 21.
August 2007 erfolgten Anhörung – und damit vor Einreichen des
Wiedereingliederungsplanes – hätte die Absicht des Beklagten, sie in den Ruhestand zu
versetzen, auch der Klägerin offenbart werden müssen. Auch unter diesem
Gesichtspunkt ist die Entscheidung des Beklagten, die Klägerin wegen dauernder
Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen, nicht zu beanstanden.
Die von der Klägerin behauptete maßgebliche Mitverantwortung des Beklagten an ihrer
Erkrankung führt zu keinem anderen Ergebnis. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit
der Versetzung in den Ruhestand kommt es allein darauf an, ob eine dauernde
Dienstunfähigkeit besteht; rechtlich ist unerheblich, auf welchen Gründen diese
Erkrankung beruht.
Vgl. Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 10. Februar 2009 - 2 K
175/08 -, Rn. 40, Juris.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung i.
V. m. § 167 VwGO. Gründe zur Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.
V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 23.926,11 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 5 Satz 2 und Satz 1 Nr. 1
Gerichtskostengesetz und war mit dem 6,5fachen Betrag des Endgrundgehaltes in der
Besoldungsgruppe A 13 anzusetzen; vgl. OVG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 21.
Mai 2007 - 4 N 106.05 -. Der Umstand, dass die Klägerin seinerzeit in dem sogen.
Teilzeit-Beamtenverhältnis zu 2/3 im Dienste des beklagten Landes stand, bleibt hierbei
unberücksichtigt.
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