Urteil des VG Potsdam vom 14.03.2017

VG Potsdam: breite, satzung, beitragspflicht, gehweg, umwandlung, auflage, aufwand, gemeinde, grundstück, erneuerung

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Gericht:
VG Potsdam 12.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 K 156/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 8 Abs 2 S 1 KAG BB
Straßenausbaubeitrag; Umwandlung eines Gehweges in einen
Geh- und Fahrradweg; Verbesserung; Kompensation
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Klägerin ist Eigentümerin des Flurstücks der Flur der Gemarkung ..., welches an die
Straße „... “ in …, Ortsteil ..., grenzt. Sie wendet sich gegen die Erhebung eines
Straßenbaubeitrags für den Umbau des vor ihrem Grundstück bislang verlaufenden
Gehweges in einen kombinierten Geh- und Radweg sowie für Maßnahmen an der
Straßenbeleuchtung.
In den Jahren 1997 bis 1999 wurde die Ortsdurchfahrt der Landesstraßen 40 und 77 in
der damals selbständigen Gemeinde ... ausgebaut. Die Gemeinde ... war Trägerin der
Straßenbaulast für den Ausbau der Gehwege, der kombinierten Geh-/Radwege und der
Beleuchtung. Die übrigen Ausbaukosten wurden vom Land Brandenburg getragen.
Entlang der Landesstraße (B… Straße) wurde teilweise ein Radweg ausgebaut. Im
Bereich des ... es ließ die örtliche Situation den Ausbau eines beidseitigen Gehweges
oder Radweges nicht zu. Die Ausbauplanung sah deswegen vor, den Radverkehr auf
einem an Stelle eines vorhandenen Gehweges zu errichtenden kombinierten Geh-
/Radweg entlang des westlichen Teiles der selbständigen Straße „….“, die in diesem
Zuge zur Sackgasse umgestaltet wurde, bis zu dem in südlicher Richtung
anschließenden Kreisverkehr zu leiten. Der Gehweg bestand vor der Ausbaumaßnahme
im Wesentlichen aus Betonplatten, die mit einer Breite von 80 – 120 cm in einer
Sandbettung verlegt waren. Der an seiner Stelle aus Betonsteinen auf einer
Schottertragschicht angelegte kombinierte Geh- und Radweg erhielt eine Breite von 2,50
m, am südlichen Ende der in die Abrechnung eingeflossenen Teilstrecke von 2,00 m.
Gleichzeitig wurde die Straßenbeleuchtung ausgebaut, wobei u. a. die Zahl der
Leuchtkörper erhöht wurde. Die Abnahme der Bauleistung erfolgte am 26. Juni 1998.
Mit Bescheid vom 6. August 2002 zog der Beklagte die Klägerin zu einem
Straßenbaubeitrag heran. Diesem Beitrag lagen die Kosten für die Gehwege, die
kombinierten Geh-/Radwege und die Straßenbeleuchtung an dem gesamten Straßenzug
der Landesstraße einschließlich des westlichen Teiles des ... es zu Grunde. Den dagegen
gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 17. November 2003
zurück.
Auf die dagegen gerichtete Klage hat die Kammer mit rechtskräftigem Urteil vom 7. Mai
2007 den Bescheid aufgehoben. In diesem Verfahren hatte der Beklagte eine
Neuberechnung des Beitragssatzes vorgenommen, die darauf beruhte, dass es sich
beim „... “ um eine selbständige Straße handelt und damit die Kosten des Ausbaus des
kombinierten Geh-/Radweges und der Straßenbeleuchtung von den übrigen Kosten
abzugrenzen sind. Daraus ergab sich dafür ein eigenständiger konkreter Beitragssatz
von 2,09701 €/m² der in der Straßenbaubeitragssatzung vom 1. November 2007
enthalten war. Diese ist inzwischen durch die im Wesentlichen inhaltsgleiche Satzung
vom 17. April 2008 ersetzt worden. Sie trat rückwirkend zum 25. Januar 1996 in Kraft.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2007 zog der Beklagte die Klägerin auf der Grundlage
der Satzung vom 1. November 2007 zu einem Straßenbaubeitrag für den Ausbau der
Nebenanlagen „kombinierter Rad- und Gehweg“ sowie „Beleuchtungsanlage“ der Straße
„... “ heran. Er ermittelte aus den Herstellungskosten abzüglich Grundstückszufahrten
einen umlagefähigen Aufwand i. H. v. 37.118,68 €. Dieser setzt sich wegen der
Einordnung als Hauptsammelstraße aus einem Anteil der Anlieger von 40 % für den
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Einordnung als Hauptsammelstraße aus einem Anteil der Anlieger von 40 % für den
kombinierten Rad- und Gehweg und von 55 % für die Beleuchtung zusammen. Den
dagegen gerichteten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2.
Januar 2008 zurück. Hiergegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Klage.
Diese wird damit begründet, dass die Maßnahme keine beitragspflichtige Erneuerung
darstelle. Der Klägerin werde durch den kombinierten Rad- und Gehweg kein Vorteil
geboten. Der Weg werde vor allem von Radfahrern im überörtlichen Verkehr genutzt,
was erhebliche Einschränkungen in der Benutzung für die Anlieger zur Folge habe. Sie
müssten beim Betreten des Weges ständig auf vorbeifahrende Radfahrer acht geben,
die zuweilen mit erheblichem Tempo den Radweg befahren würden. Dies gelte
insbesondere für Radsportler eines in der Umgebung ansässigen Fahrradclubs und des
Olympischen Leistungszentrums in … . In Gruppen benutzten diese aber noch nicht
einmal den Geh-/Radweg, sondern die Fahrbahn. Im Einmündungsbereich des Kreisels
weise der Geh- und Radweg nur eine Breite von 1,45 m auf. Deswegen sei die
Umwandlung des früheren Gehweges in einen Geh- und Radweg nicht als Verbesserung,
sondern als Verschlechterung zu werten und unterliege damit nicht der Beitragspflicht.
Die Erneuerung der Straßenbeleuchtung sei nicht beitragspflichtig, weil diese erst 1987
hergestellt worden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 3. September 2007 (richtig: 3. Dezember
2007) in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Januar 2008 aufzuheben
sowie
die Zuziehung ihrer Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu
erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass durch die Trennung von Kraftfahrzeug- und Fahrradverkehr
eine erhebliche Verbesserung der Verkehrssituation eingetreten sei und der Ausbau des
Geh-/Radweges damit der Beitragspflicht als Verbesserung unterliege. Zu
berücksichtigen sei auch, dass der Weg erstmals einen frostsicheren Unterbau habe und
erheblich breiter geworden sei. Die Strecke, auf der der Geh- und Radweg eine Breite
unter 2,00 m aufweise, sei auf Kosten der Gemeinde provisorisch ausgebaut worden,
weil hier die Grundstücksgrenze noch geklärt werden müsse und sei nicht in den
Aufwand eingeflossen. Erkenntnisse, dass es auf dem Geh- und Radweg zu Unfällen oder
sonstigen Problemen bei der gemeinsamen Nutzung gekommen sei, lägen nicht vor. Die
Straßenverkehrsbehörde habe unter Berücksichtigung der regelmäßig durchgeführten
Verkehrsschauen auch keinen Anlass gesehen, an dieser Stelle eine andere
Beschilderung zu verfügen. Schließlich sei die Straßenbeleuchtung verbessert worden,
da sich die Zahl der Leuchten und die Ausleuchtung erhöht habe.
Die Kammer hat einen gegen den angefochtenen Bescheid gerichteten Antrag nach §
80 Abs. 5 VwGO mit Beschluss vom 12. August 2008 zurückgewiesen. Die dagegen
gerichtete Beschwerde war erfolglos.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der
Gerichtsakte und auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (1 Ordner, 1 Hefter) Bezug
genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig (§
113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)).
Der angefochtene Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in §§ 8, 2
Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg (KAG) i. V. m. der
Straßenbaubeitragssatzung der Gemeinde Stahnsdorf vom 17. April 2008, die die
weitgehend inhaltsgleiche Satzung vom 1. November 2007 ersetzt. Die Satzung trat
rückwirkend zum 25. Januar 1996 in Kraft und enthält in § 4 a für den Ortsteil ... unter
Ziffer 9 einen Beitragssatz für die streitgegenständliche Maßnahme von 2,09701 €/m².
Dieser Beitragssatz ist nicht zu beanstanden. Er berücksichtigt einen zutreffend
ermittelten beitragsfähigen Aufwand gemäß § 2 der Satzung, der nach Abzug des
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ermittelten beitragsfähigen Aufwand gemäß § 2 der Satzung, der nach Abzug des
Gemeindeanteils auf die Grundstücke eines beanstandungsfrei gebildeten
Abrechnungsgebietes (§ 3 Abs. 1 der Satzung) unter Berücksichtigung zutreffender
Faktoren für Art und Maß der Nutzung verteilt worden ist. Die Ermittlung des
Beitragssatzes berücksichtigt das hinsichtlich der Beteiligten ergangene Urteil der
Kammer vom 7. Mai 2007. So ist der Verteilung des umlagefähigen Aufwandes gemäß §
12 Abs. 2 der Satzung der Vollgeschossbegriff nach § 2 Brandenburgische Bauordnung
vom 1. Juni 1994 zu Grunde gelegt worden. Soweit der Beklagte unter Rückgriff auf die
Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 2.3 und 3.3 der Satzung nunmehr wegen der
angenommenen besonderen Situation, dass der Geh- und Radweg in erheblichem Maße
vom überörtlichen Radverkehr in Anspruch genommen wird, einen für
Hauptsammelstraßen vorgesehenen Gemeindeanteil angenommen hat (§ 8 Abs. 4 Satz
7 KAG), ist die Höhe des Beitragssatzes nicht zu beanstanden. Diese Aufteilung der
Kosten wird dem besonderen Verhältnis zwischen dem Vorteil der Anlieger und dem
Vorteil der Allgemeinheit einzelfallbezogen gerecht.
Der Beitragsanspruch ist nicht durch Eintritt der Festsetzungsverjährung erloschen (§ 47
Abgabenordnung - AO -). Gemäß § 171 Abs. 3 a AO i. V. m. § 12 Abs. 4 b KAG läuft die
Festsetzungsfrist nicht ab, wenn ein Abgabenbescheid mit einem Einspruch oder einer
Klage angefochten wird, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist.
Gemäß § 171 Abs. 3 a Satz 3 AO ist in den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2,
Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung über den Rechtsbehelf erst dann
unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschrift erlassener
Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist. Dieser Satz ist nach § 12 Nr. 4 b KAG durch
die Wörter „§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 der
Verwaltungsgerichtsordnung“ zu ersetzen.
Eine unanfechtbare Entscheidung, die zum Ablaufen der Festsetzungsfrist führen würde,
liegt danach erst dann vor, wenn in einem sich auf Grund des verwaltungsgerichtlichen
Urteils anschließenden Verwaltungsverfahren ein unter Beachtung des Urteils
ergangener neuer Abgabenbescheid unanfechtbar geworden ist. Unanfechtbar bedeutet
in diesem Zusammenhang, dass die Entscheidung nicht mehr mit dem Widerspruch
oder den Rechtsmitteln des Verwaltungsstreitverfahrens angefochten werden kann
(Lauenroth/Sauthoff in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 12 Rdnr. 35; Driehaus,
Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Auflage, § 19 Rdnr. 41 m. w. N.). Zwar ist nur ein
wirksamer Abgabenbescheid in der Lage, den Ablauf der Festsetzungsverjährungsfrist zu
hemmen (vgl. dazu Driehaus, a. a. O. Rdnr. 42; Klein, AO 8. Auflage § 171 Rdnr. 27). Der
angegriffene Bescheid vom 3. Dezember 2007 ist aber - wie im Übrigen auch der
vorangegangene Bescheid vom 6. August 2002 - wirksam, d. h. insbesondere wirksam
bekannt gegeben worden. Die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 6. August 2002
berührt seine „Wirksamkeit“ nicht. Die Wirkung des § 171 Abs. 3 a AO tritt nur dann nicht
ein, wenn eine Behörde von sich heraus einen Bescheid aufhebt, hier ist die Aufhebung
aber durch Urteil des Verwaltungsgerichts erfolgt.
Die Umwandlung des bisherigen Gehweges in einen kombinierten Geh- und Radweg und
der Umbau der Straßenbeleuchtung sind als Verbesserung i. S. v. § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG
beitragspflichtig.
Von einer Verbesserung einer Straße ist auszugehen, wenn die Ausstattung der Anlage
entsprechend ihrer bisherigen verkehrstechnischen Konzeption hinsichtlich der
räumlichen Ausdehnung, der funktionalen Aufteilung der Gesamtfläche oder hinsichtlich
der Art der Befestigung vorteilhaft verändert wird. Die Vorteilhaftigkeit der Veränderung
ist unter verkehrstechnischen Gesichtspunkten zu beurteilen, wonach zu prüfen ist, ob
der Verkehr bei Zugrundelegung der bisherigen verkehrstechnischen Konzeption auf der
neugestalteten Anlage zügiger, geordneter, unbehinderter oder reibungsloser
abgewickelt werden kann als vorher (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom
31.08.2007 - OVG 9 N 148.05 -).
Hier ist der zuvor vorhandene, in unterschiedlicher Bauweise ausgebaute und deutlich
schmalere Gehweg durch einen im Wesentlichen 2,50 m breiten Geh-/Radweg ersetzt
worden.
Die Umwandlung eines Gehweges in einen kombinierten Geh- und Radweg stellt
grundsätzlich eine Verbesserung dar, weil, ausgehend von der erforderlichen
Betrachtung der Straße in ihrer Gesamtheit, durch die Trennung von Radfahr- und
Fahrzeugverkehr die Verkehrssicherheit erhöht wird und durch die einheitliche
Befestigung des Rad- und Gehweges in der Regel ein gegenüber dem früheren Zustand
besseres und gefahrloseres Begehen und Befahren ermöglicht wird (Driehaus
Erschließungs- und Ausbaubeiträge 8. Auflage, § 32 Rdnr. 65 m; BayVGH, Beschluss
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Erschließungs- und Ausbaubeiträge 8. Auflage, § 32 Rdnr. 65 m; BayVGH, Beschluss
vom 13. Oktober 2004 - 6 ZB 01.2120 -, zit. nach juris).
Allerdings kann eine Straßenbaumaßnahme nach den in der Rechtsprechung
entwickelten Grundsätzen zu einer beitragsrelevanten Kompensation trotz der
Verbesserung eine Verschlechterung zur Folge haben, die die Verbesserung
kompensiert, so dass im Ergebnis überhaupt keine, die Beitragspflicht auslösende
Verbesserung angenommen werden kann. Voraussetzung für eine solche Kompensation
ist allerdings ein räumlicher und funktionaler Zusammenhang zwischen der
Verbesserung und der Verschlechterung. Daher kann die Verbesserung einer Straße nur
durch eine Verschlechterung kompensiert werden, die die Straße als Ganzes betrifft. Das
ist der Fall, wenn in Folge der Schaffung einer neuen Teilanlage eine vorhandene
Teilanlage wegfällt oder funktionsunfähig wird (vgl. zur Kompensation: Driehaus, a. a. O.,
8. Auflage, § 32 Rdnr. 51 ff.). Dabei kommt es nicht auf die jeweilige bauliche Substanz
an, sondern auf die den Teilanlagen jeweils zugewiesene Funktion (vgl. OVG Münster,
Beschluss vom 23. Juli 2010 - 15 A 1189/10 -, zit. nach juris).
Eine solche, die Beitragspflicht ausschließende Kompensation ist hier hinsichtlich des
neu angelegten gemeinsamen Geh- und Radweges nicht anzunehmen. Die bisherige
Funktion bleibt trotz der Umwandlung erhalten, denn die neue Teilanlage dient weiterhin,
wenn auch zusammen mit einer anderen Verkehrsart, dem Fußgängerverkehr. Der
gemeinsame Geh- und Radweg ist auch geeignet, den Fußgängerverkehr aufzunehmen.
Selbst wenn es zu Schwierigkeiten bei der Benutzung durch Fußgänger im Hinblick auf
den Radverkehr kommen sollte, wäre er damit für den Fußgängerverkehr dennoch
benutzbar, also nicht gänzlich untauglich, diese Funktion zu erfüllen.
Dem steht nicht entgegen, dass sich nunmehr Fußgänger- und Radverkehr miteinander
mischen. Damit verbundene Gefahren sind typischerweise mit der Fortbewegung auf
gemeinsamen Geh- und Radwegen verbunden, entstehen regelmäßig aber erst dann,
wenn sich Verkehrsteilnehmer nicht hinreichend vorsichtig oder gar verkehrswidrig
verhalten. Das potentielle Fehlverhalten Einzelner mag Anlass zu
straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen und Kontrollen geben. Die Beitragsfähigkeit
der Ausbaumaßnahme wird dadurch nicht grundsätzlich ausgeschlossen, weil ein Geh-
und Radweg von der Ausgestaltung und der Konzeption her geeignet ist, die ihm
zugewiesene Funktion im Regelfall sachgemäß zu bewältigen. Die Möglichkeit, dass sich
einzelne Verkehrsteilnehmer fehlerhaft verhalten, ließe die Beitragsfähigkeit zwar
entfallen, wenn die Verkehrsanlage so beschaffen wäre, dass sie zu Fehlverhalten von
Verkehrsteilnehmern geradezu einladen würde und deshalb die Sicherheit der
Verkehrsteilnehmer nicht gewährleistet wäre (OVG Lüneburg, Urteil vom 7. September
1999 - 9 L 393/99 -, zitiert nach juris). Das kann im vorliegenden Fall unter
Berücksichtigung der eingereichten Pläne und Lichtbilder aber nicht festgestellt werden.
Nach den Empfehlungen für die Anlage von Erschließungsstraßen, EAE 85/95, S. 45,
sollen gemeinsame Geh- und Radwege eine Breite von 2,50 m, mindestens aber 2,00 m
haben. Diese technischen Empfehlungen erfassen den hier maßgeblichen Zeitpunkt des
Entstehens der sachlichen Beitragspflicht im Jahre 1999 und können daher für die
Beurteilung der Frage, ob die Anlage zur Erfüllung ihrer vorgesehenen Funktion geeignet
ist, herangezogen werden. Eine Breite von 2,50 m, mindestens aber 2,00 m an der
schmalsten Stelle, ist hier gewährleistet. Der Umstand, dass der gemeinsame Geh- und
Radweg im weiteren Verlauf an der Einmündung in die Kreisverkehrsanlage eine
geringere Breite (1,45 m) aufweist, muss unberücksichtigt bleiben. Dabei handelt es
sich, wie der Beklagte nachvollziehbar dargelegt hat, um ein aus der damaligen
Grundstückssituation herrührendes Provisorium, welches nach der endgültigen
Vermessung des Anliegergrundstücks beseitigt werden soll. Dieses Teilstück ist nicht
Bestandteil der beitragspflichtigen Anlage.
Die ab Mai 2007 gültigen Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 06), die
andere, weitergehende Anforderungen an die Anlegung von gemeinsamen Geh- und
Radwegen stellen, müssen wegen des insoweit maßgeblichen Zeitpunkts des Entstehens
der Beitragspflicht im Jahr 1998 keine Berücksichtigung finden.
Im Übrigen ist zwischen der straßenverkehrsrechtlichen Anordnung eines gemeinsamen
Geh- und Radweges mit dem Zeichen 240 StVO, wie hier, und seiner Herstellung im
Sinne des Straßenbaubeitragsrechts zu unterscheiden. Die Beitragspflichtigkeit der
Maßnahme ist durch eine falsche oder ungeeignete Ausschilderung nicht betroffen,
soweit die gemeinsame Nutzung durch beide Verkehrsarten nicht gänzlich
ausgeschlossen ist. Um einen Konflikt zwischen Fußgängern und Fahrradfahrern bei der
gemeinsamen Benutzung zu vermeiden, könnte beispielsweise eine Beschilderung mit
dem Zeichen 239 StVO (Fußgänger) i. V. m. dem Zusatzzeichen 1020-10 StVO
(Radfahrer frei) erfolgen (vgl. RASt 06, S. 82). Eine solche Beschilderung würde den
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(Radfahrer frei) erfolgen (vgl. RASt 06, S. 82). Eine solche Beschilderung würde den
(schnellen) Radverkehr von der Benutzungspflicht für den gemeinsamen Geh- und
Radweg befreien. Ob diese Beschilderung oder eine Beschilderung mit dem Zeichen 240
StVO angeordnet wird, unterliegt aber der Entscheidung der zuständigen
Straßenverkehrsbehörde. Nach Darstellung des Beklagten hat diese zudem unter
Berücksichtigung der regelmäßigen Verkehrsschauen an der bisherigen Beschilderung
festgehalten.
Auch aus den Verwaltungsvorschriften zu Zeichen 240 StVO lässt sich nicht herleiten,
dass die beitragspflichtige Anlage ungeeignet, insbesondere für die Benutzung von
Fußgängern unzumutbar wäre. Nach den - an die Straßenverkehrsbehörde gerichteten -
Verwaltungsvorschriften zu § 41 Abs. 2 Nr. 5 StVO, II 2 kann ein gemeinsamer Fuß- und
Radweg wegen der mit der Kennzeichnung verbundenen Radwegbenutzungspflicht nur in
Betracht kommen, wenn die Interessen des Radverkehrs das notwendig machen und
wenn es nach den örtlichen Gegebenheiten und unter Berücksichtigung der Belange der
Fußgänger, insbesondere der älteren Verkehrsteilnehmer und der Kinder, im Hinblick auf
die Verkehrssicherheit vertretbar erscheint. Aus den vorliegenden Unterlagen ist nichts
dafür erkennbar, dass der gemeinsame Geh- und Radweg auf der Westseite des ... es in
besonderem Maße von Kindern und älteren Menschen frequentiert wird. Der Beklagte
hat zudem unwidersprochen vorgetragen, dass es in dem maßgeblichen Teilstück weder
zu Unfällen noch zu sonstigen Problemen bei der gemeinsamen Nutzung gekommen ist.
Die für die Sicherheit des Straßenverkehrs zuständige Straßenverkehrsbehörde hat
bislang keinen Anlass gesehen, die Beschilderung des gemeinsamen Geh- und
Radweges an dieser Stelle zu ändern.
Schließlich ist unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung auch zu berücksichtigen, dass
der neu entstandene, gemeinsam von Fußgängern und Radfahrern in Anspruch zu
nehmende Weg eine Breite von 2,50 m, mindestens aber 2,00 m, aufweist.
Demgegenüber hatte der früher an dieser Stelle verlaufende Gehweg eine Breite von im
Wesentlichen 80 cm bis 1,20 m. Die beiden Verkehrsarten verteilen sich damit auf einer
erheblich breiteren Fläche, die eine gewisse Entflechtung ermöglicht. Außerdem ist diese
neue Wegefläche einheitlich mit Betonsteinen gepflastert und hat damit eine glatte
Oberfläche und durch die eingebaute Schottertragschicht erstmals einen frostsicheren
Unterbau erhalten, was gleichfalls als Verbesserung zu werten ist.
Auch die Straßenbeleuchtung wurde i. S. d. § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG verbessert. Dazu
wurde sowohl die Zahl der Leuchten durch eine Verringerung ihres Abstandes erhöht, als
auch die Beleuchtungsstärke ausgeweitet. Angesichts der Verbesserung dieser
Teileinrichtung kommt es nicht darauf an, welches Alter die dadurch ersetzte
Beleuchtungseinrichtung hatte und ob diese tatsächlich verschlissen war. Diese
Gesichtspunkte wären nur zu berücksichtigen, wenn eine Ersetzung der alten
Teileinrichtung im Wesentlichen im bisherigen Zustand, also eine Erneuerung in Rede
stünde (vgl. Driehaus, a. a. O., § 32 Rdnr. 50).
Die Höhe des in die Abrechnung eingestellten beitragsfähigen Aufwandes ist nicht zu
beanstanden. Der Beklagte hat nunmehr die Kosten für die Zufahrt zum Grundstück ... 5
unberücksichtigt gelassen. Kosten für die Entwässerung des Geh- und Radwegs sind in
dem beitragsfähigen Aufwand nicht enthalten. Fördermittel, die zugunsten der Anlieger
hätten berücksichtigt werden können, sind nicht geflossen.
Schließlich ist die Verteilung des umlagefähigen Aufwandes auf die durch die Anlage
bevorteilten Grundstücke zutreffend erfolgt. Insbesondere hat der Beklagte das Flurstück
59/5 zu Recht mit dem Faktor 1,0 als mit einem Vollgeschoss bebaubar berücksichtigt,
denn es ist davon auszugehen, dass es, wie die Grundstücke der Umgebung, mit einem
Vollgeschoss bebaubar ist. Der Vortrag der Klägerin, das Grundstück sei nicht bebaubar,
ist nicht belegt. Soweit auf einen Ablehnungsbescheid für eine Grundstücksteilung vom
7. Februar 1994 hingewiesen wird, führt dies nicht weiter. Damit ist lediglich eine Teilung
dieses Grundstücks abgelehnt worden, weil sich die mit der Teilung bezweckte Nutzung
nicht in die Eigenart der näheren Umgebung i. S. d. § 34 BauGB einfüge. Daraus lässt
sich kein Schluss auf die Bebaubarkeit des ungeteilten Grundstücks ziehen.
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Für die
begehrte Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO besteht damit kein Raum.
Beschluss :
Der Streitwert wird auf 633,30 € festgesetzt.
Gründe:
38 Der Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz.
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