Urteil des VG Potsdam vom 01.01.2002

VG Potsdam: verjährungsfrist, zuwendung, verzinsung, widerruf, verwaltungsakt, verordnung, rechtsgrundlage, verwaltungsbehörde, fälligkeit, auflage

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Gericht:
VG Potsdam 3.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 K 1195/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 197 BGB vom 01.01.2002, §
195 BGB vom 01.01.2001, Art
229 § 6 Abs 1 S 1 BGBEG, § 49a
Abs 3 VwVfG BB
Zinsen nach Widerruf eines Zuwendungsbescheides
Leitsatz
Zinsansprüche nach § 49 a Abs. 3 VwVfGBbg unterlagen - anders als solche nach § 49 a Abs.
4 VwVfGBbg - der kurzen Verjährungsfrist nach § 197 a. F. BGB.
Tenor
Der Bescheid des Beklagten vom 28. Oktober 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 25. April 2005 (W/Z46/A-1196/97) wird insoweit aufgehoben,
als Zinsen für einen Zeitraum vor dem 28. Oktober 2000 festgesetzt worden sind.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu
vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Zinsen, die der Beklagte vom Kläger für einen Zeitraum
verlangt, während dessen er eine ihm ursprünglich gewährte und ausgezahlte
Zuwendung zur Verfügung hatte und die er - nach teilweisem Widerruf des der Zahlung
zugrundeliegenden Zuwendungsbescheids - an den Beklagten zurückgezahlt hat.
Mit Zuwendungsbescheid vom 6. Oktober 1997 gewährte der Beklagte dem Kläger
gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2078/92 des Rates vom 30. Juni 1992 für
umweltgerechte und den natürlichen Lebensraum schützende landwirtschaftliche
Produktionsverfahren eine Zuwendung in Höhe von 77.093,16 DM, die am 15. Oktober
1997 vollständig an den Kläger ausgezahlt wurde.
Durch mit „Teilrücknahme- und Erstattungsbescheid“ überschriebenem Bescheid vom
30. März 1999 (Az.: R43/A-1196, zugestellt am 1. April 1999) wurde die gewährte
Zuwendung gemäß § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfGBbg teilweise widerrufen und ein Betrag in
Höhe von 28.576,50 DM (14.610,93 Euro) zurückgefordert, da die
Zuwendungsvoraussetzungen für einen Teil der zur Förderung beantragten Flurstücke
nicht über einen Zeitraum von 5 Jahren eingehalten worden seien. Auf Seite 2 des
Bescheids wies der Beklagte unter der Überschrift „Zinsen“ darauf hin, dass der zu
erstattende Betrag vom Auszahlungstag (19.10.1997) an bis zum Zeitpunkt des
Einganges bei der Landeshauptkasse mit drei vom Hundert über dem jeweiligen
Basiszinssatz der Deutschen Bundesbank jährlich zu verzinsen sei. Weiter heißt es: „Der
Zinsbescheid geht Ihnen zu, sobald der Betrag auf dem o. g. Konto eingegangen ist.“
Den Bescheid vom 30. März 1999 hat der Kläger nicht angegriffen. Am 28. November
2003 zahlte der Kläger den geforderten Betrag an den Beklagten zurück.
Mit Bescheid vom 28. Oktober 2004 machte der Beklagte - nach entsprechender
Anhörung des Klägers - für die Zeit vom 18. Oktober 1997 bis 28. November 2003
gegenüber dem Kläger auf der Grundlage des § 49 a Abs. 3 VwVfGBbg eine
Zinsforderung in Höhe von 5.117,41 Euro geltend. Dagegen legte der Kläger am 23.
November 2004 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.
April 2005 zurückwies.
Mit seiner am 25. Mai 2005 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er
ist der Auffassung, die bis zum 28. Oktober 2000 festgesetzten Zinsen in Höhe von
2.476,78 Euro seien zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses bereits verjährt gewesen und
könnten deshalb nicht mehr geltend gemacht werden. Der „Teilrücknahme- und
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könnten deshalb nicht mehr geltend gemacht werden. Der „Teilrücknahme- und
Erstattungsbescheid“ vom 30. März 1999 habe den Lauf der Verjährungsfrist nicht
hemmen können, da er keine Regelung im Hinblick auf die Zinsen getroffen habe. Der
bloße Hinweis auf Seite 2 des Bescheids, dass der zu erstattende Betrag vom Zeitpunkt
der Auszahlung an mit drei vom Hundert über dem jeweiligen Basiszinssatz der
Deutschen Bundesbank jährlich zu verzinsen sei und der Zinsbescheid nach
Rückzahlung des Betrags ergehe, genüge hierfür nicht. Überdies folge die Verjährung
aus § 3 Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über
den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft. Außerdem sei
der Zinsbescheid unbestimmt, da unklar bleibe, auf welchen Bewilligungsbescheid er
sich beziehe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 28. Oktober 2004 in der Fassung des
Widerspruchsbescheids vom 25. April 2005 (W/Z46/A-1196/97) insoweit aufzuheben, als
Zinsen für einen Zeitraum vor dem 28. Oktober 2000 festgesetzt worden sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt er aus, bereits der Rückforderungsbescheid enthalte eine
Zinsregelung. Die Zinsforderung sei deshalb nicht verjährt. Überdies stelle er klar, dass
der Teilwiderrufsbescheid vom 30. März 1999 in der Betreffzeile und im ersten Satz nach
der Anrede hinsichtlich des Datums des Bewilligungsbescheides Schreibfehler aufweise.
Dort sei das Datum des Bewilligungsbescheides fehlerhaft mit dem 16. September 1997
und dem 16. Oktober 1997 angegeben worden. Richtig hätte es 6. Oktober 1997 lauten
müssen, wie sich aus der Begründung des Bescheids ergebe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und des Verwaltungsvorganges des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht hat ohne mündliche Verhandlung entschieden, da die Beteiligten ihr
Einverständnis hiermit erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist begründet.
Der angefochtene Zinsbescheid vom 28. Oktober 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 25. April 2005 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in
seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Dem Beklagten steht der geltend gemachte
Zinsanspruch nicht zu.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der angefochtene Zinsbescheid inhaltlich
hinreichend bestimmt (§ 37 Abs. 1 VwVfGBbg). Der Entscheidungssatz ist im
Zusammenhang mit den Gründen für den Adressaten des Verwaltungsakts vollständig,
klar und unzweideutig. Insbesondere lässt er hinreichend deutlich erkennen, dass Zinsen
auf die teilweise Erstattung der Zuwendung, die mit dem Bewilligungsbescheid vom 6.
Oktober 1997 gewährt worden war, gefordert werden.
Rechtsgrundlage für den vom Beklagten geltend gemachten Zinsanspruch ist § 49 a
Abs. 3 Satz 1 VwVfGBbg. Danach ist der zu erstattende Betrag vom Eintritt der
Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes an zu verzinsen. Gemäß § 49 a Abs. 1 Satz 2
VwVfGBbg ist die zu erstattende Leistung durch schriftlichen Verwaltungsakt
festzusetzen. Diese Voraussetzungen liegen nur zum Teil vor. Zwar hat der Beklagte
durch bestandskräftigen Teilwiderrufsbescheid vom 30. März 1999 den vom Kläger zu
erstattenden Betrag auf 28.576,50 DM (14.610,93 Euro) festgesetzt. Der
Widerrufsbescheid ist aber ausdrücklich auf § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfGBbg gestützt worden.
Diese Regelung lässt nur einen Widerruf mit Wirkung in die Zukunft zu, mit der Folge,
dass der Beklagte Zinsen für den Zeitraum 18. Oktober 1997 bis zum 31. März 1999
(1.167,45 Euro) - mangels rückwirkender Unwirksamkeit des Bewilligungsbescheides -
nicht geltend machen kann. Angesichts der vom Beklagten im Teilwiderrufsbescheid
ausdrücklich benannten Rechtsgrundlage kommt eine Auslegung dahingehend, dass ein
Teilwiderruf für die Vergangenheit gemeint war, nicht in Betracht.
Der Beklagte kann aber auch für den Zeitraum 1. April 1999 bis 28. November 2003
keine Zinsen gem. § 49 a Abs. 3 VwVfGBbg geltend machen, denn der Kläger kann sich
mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung berufen.
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Vermögensrechtliche Ansprüche öffentlich-rechtlicher Rechtsträger - auch
Zinsansprüche nach § 49 a Abs. 3 VwVfGBbg - unterliegen der Verjährung (vgl. BVerwG,
Urteil vom 17. August 1995 - 3 C 17.94 -, BVerwGE 99, 109, 111). Die Vorschriften des
Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sind im vorliegenden Fall - entgegen der Auffassung
des Klägers - entsprechend anwendbar (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs VwVfG, 5. Auflage, §
53 Rn. 5). Die von ihm zum Beleg seiner gegenteiligen Auffassung herangezogene
Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 19. Januar 2010, Az.: 10 LB
248/08, betraf eine erzeugnisbezogene Zuwendung, nicht jedoch – wie hier – eine
produktionsverfahrensbezogene Zuwendung und ist deshalb nicht einschlägig (vgl.
hierzu: BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - 3 C 22/02 -, NVwZ-RR 2004, 413 ff.).
Das Verjährungsrecht im BGB ist mit Wirkung zum 1. Januar 2002 durch das Gesetz zur
Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138)
grundlegend neu geregelt worden. In der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden
Fassung unterlagen Zinsansprüche nach § 49 a Abs. 3 VwVfGBbg der kurzen Verjährung
nach § 197 BGB von vier Jahren und seit dem 1. Januar 2002 der dreijährigen Verjährung
nach § 195 BGB n. F. (vgl. OVG Frankfurt/Oder, Urteil vom 11. Februar 2004 - 2 A 680/03
-, zitiert nach juris). Nach den Überleitungsvorschriften zum Verjährungsrecht Art. 229 §
6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB sind die Vorschriften des BGB über die Verjährung in der seit
dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung auf die an diesem Tag bestehenden und noch
nicht verjährten Ansprüche anzuwenden. Ist die Verjährungsfrist nach dem BGB in der
seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung kürzer als nach dem BGB in der bis zu
diesem Tag geltenden Fassung - wie hier der Fall -, so wird nach Art. 229 Abs. 4 Satz 1
EGBGB die kürzere Frist von dem 1. Januar 2002 an berechnet. Läuft jedoch die längere
Verjährungsfrist nach altem Recht früher ab - wie hier der Fall - als die nunmehr geltende
kürzere Verjährungsfrist, so ist die Verjährung mit dem Ablauf der im Bürgerlichen
Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung bestimmten Frist vollendet (Art.
229 § 6 Abs. 4 Satz 2 EGBGB). Diese Vorschrift bestimmt: Läuft jedoch die im
Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag (1.01.2002) geltenden Fassung
bestimmte längere (Verjährungs-)Frist früher ab, so ist die Verjährung mit dem Ablauf
der im Bürgerlichen Gesetzbuch in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung
bestimmten Frist vollendet.
Unter Anwendung dieser Vorschriften ist der vom Beklagten geltend gemachte
Zinsanspruch ab dem 1. Januar 2004 verjährt. Der Zinsbescheid vom 28. Oktober 2004
erging erst nach dem Ablauf der Verjährungsfrist.
Die regelmäßige Verjährungsfrist begann sowohl nach altem Recht (§ 201 BGB a. F. i. V.
m. § 198 BGB a. F.) als auch nach neuem Recht (§ 199 BGB n. F.) mit dem Schluss des
Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB n. F.).
Entstanden ist der Verzinsungsanspruch, wenn er klageweise (hier per Verwaltungsakt)
geltend gemacht werden kann. Dies setzt die Fälligkeit des Zinsanspruches voraus, die
eintritt, wenn die Verwaltungsbehörde den Bewilligungsbescheid aufhebt und die
Leistung zurückfordert (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. August 1995 - 3 C 17/94 -, a. a. O.).
Das ist hier mit Bekanntgabe des Teilwiderrufsbescheids am 1. April 1999 geschehen.
Damit begann die Verjährungsfrist mit dem 31.12.1999 zu laufen und wäre - unter
Zugrundelegung der vierjährigen Verjährungsfrist gem. § 197 BGB a. F. - am 31.12.2003
abgelaufen. Folglich war der Zinsanspruch zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des
Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 noch nicht
verjährt, so dass nach Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB die verkürzte neue
Verjährungsfrist ab dem Stichtag (1.01.2002) anzuwenden wäre. Dies hätte jedoch zur
Folge, dass die Verjährungsfrist am 31.12.2004 - also zu einem späteren Zeitpunkt als
nach altem Recht - ablaufen würde, so dass hier im Ergebnis die o. g.
Übergangsregelung nach Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 2 EGBGB greift.
Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt mit Blick auf den bestandskräftigen
Teilwiderrufsbescheid vom 30. März 1999 nicht die dreißigjährige Verjährung gemäß § 53
Abs. 2 VwVfGBbg zum tragen, denn dieser Bescheid trifft hinsichtlich der Zinsforderung
keine Regelung i. S. v. § 35 VwVfGBbg. Es fehlt bereits an einer verbindlichen Regelung
der Verzinsungspflicht. Dem Hinweis auf Seite 2 des Teilwiderrufsbescheids unter der
Überschrift „Zinsen“ kann ein konkreter Regelungs- und Bindungswille der Behörde nicht
entnommen werden. Vielmehr wird dort informatorisch auf die Pflicht zur Verzinsung
hingewiesen. Dies verdeutlicht der Zusatz: „Der Zinsbescheid geht Ihnen zu, sobald der
Betrag auf dem o. g. Konto eingegangen ist.“ Der Beklagte hat sich damit die Regelung
der Verzinsung des Erstattungsbetrags durch gesonderten Verwaltungsakt ausdrücklich
vorbehalten und durch Bescheid vom 28. Oktober 2004 erstmals über die Verzinsung
des Erstattungsbetrages entschieden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.
V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf … Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes in der ab
dem 30. Juni 2004 geltenden Fassung und entspricht dem streitbefangenen Geldbetrag.
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