Urteil des VG Neustadt vom 09.02.2009

VG Neustadt: gesellschafter, vollstreckung, verantwortlichkeit, scheune, ersatzvornahme, verfügungsmacht, eigentum, erhaltung, miteigentümer, grundstück

VG
Neustadt/Wstr.
09.02.2009
4 K 1123/08.NW
Verwaltungsgericht Neustadt/Wstr.
Urteil vom 09.02.09 - 4 K 1123/08.NW
Denkmalrecht, Denkmalschutzrecht
Verkündet am: 09.02.2009
gez. …
Justizbeschäftigte als Urkunds-
beamtin der Geschäftsstelle
Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstrasse
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Verwaltungsrechtsstreit
des
Herrn …
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Fuhrmann, Wallenfels und Binder, An der Ringkirche 6-8,
65197 Wiesbaden,
gegen
den
Donnersbergkrei
, vertreten durch den Landra
, Uhlandstraße
,
6729
Kirchheimbolanden
,
- Beklagter -
wegen Denkmalschutzrechts (Instandsetzungsverfügung)
hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 9. Februar 2009, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Butzinger
Richter am Verwaltungsgericht Kintz
Richter am Verwaltungsgericht Bender
ehrenamtlicher Richter Industriemeister a.D. Hilzensauer
ehrenamtliche Richterin Angestellte Stuckenberg-Hammann
für Recht erkannt:
Der Bescheid vom 26. September 2005 und der Widerspruchsbescheid vom 21. August 2008 werden
aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Aufhebung einer ihm gegenüber erlassenen denkmalschutzrechtlichen
Instandsetzungsverfügung des Beklagten.
Der Kläger ist Mitgesellschafter der Grundstücksgesellschaft Gebrüder ... GbR. Die Gesellschafter dieser
GbR sind im Grundbuch von ...-... als Gesellschafter des bürgerlichen Rechts als Eigentümer zu ½ von
verschiedenen Grundstücken eingetragen, auf dem sich ein größeres Gehöft mit herrschaftlichem
Wohnhaus und ehemaligen Scheunen und Stallungen befindet, das unter dem Namen „…stift“ als
Denkmalzone förmlich unter Denkmalschutz steht. Weiterer Miteigentümer zu ½ ist Herr ...XY.
Das Anwesen wird seit Jahrzehnten nicht mehr bewohnt. Der Beklagte stellte als untere
Denkmalschutzbehörde bei verschiedenen Ortsbesichtigungen erhebliche Mängel an den Baulichkeiten
fest. Mit Instandsetzungsverfügung vom 26. September 2005 forderte er daher den Kläger – wie auch die
anderen Mitgesellschafter der Grundstücksgesellschaft Gebrüder ... GbR und den Miteigentümer ...XY –
auf, bauliche Mängel an der ehemaligen Scheune auf dem Grundstück Plan-Nr. .../2 zu beseitigen und im
Bereich des Herrenhauses die Terrasse abzudichten, da durch das Eindringen von Wasser der darunter
liegende Keller weiter geschädigt werde und in absehbarer Zeit einzustürzen drohe. Hierzu wurde dem
Kläger eine Frist von drei Monaten nach Zugang der Verfügung eingeräumt und für den Fall des
Nichtnachkommens die Ersatzvornahme angedroht, welche mit voraussichtlichen Kosten in Höhe von
38.305,00 € beziffert wurde. Außerdem ordnete der Beklagte den Sofortvollzug an.
Gegen diese Instandsetzungsverfügung legte der Kläger am 25. Oktober 2005 Widerspruch ein. Im
Verlauf des Widerspruchsverfahrens wurden die Instandsetzungsmaßnahmen an der ehemaligen
Scheune vom Beklagten im Wege der Ersatzvornahme durchgeführt. Mit Widerspruchsbescheid vom
21. August 2008 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch des Klägers zurück.
Daraufhin hat der Kläger am 30. September 2008 Klage erhoben, zu deren Begründung er im
Wesentlichen geltend macht, die vorgeschriebenen Erhaltungsmaßnahmen seien ihm wirtschaftlich
unzumutbar, da sich das Anwesen in einem ruinösen Zustand befinde und eine wirtschaftliche Nutzung
nicht möglich sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 26. September 2005 und den Widerspruchsbescheid vom 21. August
2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und erwidert:
Die Eigentümer hätten nicht hinreichend dargelegt, aus welchen Gründen die Gebäude nicht
erhaltensfähig sein sollten. Dies gelte auch hinsichtlich der Zumutbarkeit der Erhaltung des Denkmals. Zu
Recht sei auch der Kläger in Anspruch genommen worden. Zwar sei richtig, dass die GbR das Eigentum
an den fraglichen Grundstücken nebst Gebäuden innehabe und damit als Eigentümerin nach § 14 Abs. 2
DSchPflG zur Durchführung der erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen verpflichtet sei. Jedoch hafteten die
Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der GbR akzessorisch. Das bedeute, dass der
Gesellschaftsgläubiger für eine von der GbR geschuldete Leistung den Gesellschaftern persönlich (d.h.
mit seinem gesamten Vermögen), unbeschränkt, unmittelbar, primär und auf die gesamte Leistung in
Anspruch nehmen könne. Dies habe auch für die gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber staatlicher
Seite zu gelten. In seinem Urteil vom 29. Januar 2001 habe der BGH ausgeführt, dass es im
Passivprozess wegen der persönlichen Gesellschafterhaftung für den Kläger praktisch immer ratsam sei,
neben der Gesellschaft auch die Gesellschafter persönlich zu verklagen. Darüber hinaus sei es dem
Gesellschaftsgläubiger auch bei Anerkennung der Parteifähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts
unbenommen, ausschließlich die Gesellschafter persönlich in Anspruch zu nehmen. Somit könne auch
der Gesellschafter zur Erfüllung der Verpflichtung aus § 14 Abs. 2 DSchPflG herangezogen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die Schriftsätze der
Beteiligten und die Verwaltungsakten. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen
Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist auch begründet. Die Instandsetzungsverfügung des Beklagten vom 26. September
2005 und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheid vom 21. August 2008 sind gemäß § 113 Abs. 1
Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind und den Kläger in
seinen Rechten verletzen.
Entgegen der Auffassung des Beklagten findet der angefochtene Bescheid in § 14 Abs. 2 des
Landesgesetzes zum Schutz und zur Pflege der Kulturdenkmäler (Denkmalschutz- und -pflegegesetz -
DSchPflG - ) vom 23. März 1978 (GVBl. 1978, 159) in der hier noch anzuwenden Fassung der Änderung
vom 28. September 2005 (GVBl. S.387) keine hinreichende Grundlage.
Nach dieser Vorschrift haben Eigentümer und sonstige Verfügungsberechtigte, die die Erhaltung eines
geschützten Kulturdenkmals dadurch gefährden, dass sie im Rahmen des Zumutbaren vorhandene
Schäden oder Mängel nicht beseitigen oder keine Vorsorge zur Verhinderung von Schäden und Mängeln
treffen, nach Anordnung der Unteren Denkmalschutzbehörde die erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen
durchzuführen. Auf der Grundlage dieser Vorschrift kann der Kläger nicht zu entsprechenden
Erhaltungsmaßnahmen für das Denkmal „…stift“ verpflichtet werden, weil er weder Eigentümer noch ein
sonstiger Verfügungsberechtigter im Sinne dieser Vorschrift ist.
Der Kläger ist nicht Eigentümer des fraglichen Denkmals. Als (Mit-)Eigentümer dieses Anwesens ist
nämlich nicht der Kläger persönlich, sondern mit dem Zusatz „als Gesellschafter bürgerlichen Rechts“
eingetragen. Eigentümer der Liegenschaft ist daher nicht der Kläger als Gesellschafter der GbR. Vielmehr
steht materiell-rechtlich das Eigentum der Gesellschaft selbst zu (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 2006
- II ZR 218/05 -, Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 381/00 - und Beschluss vom 4. Dezember 2008 -
V ZB 74/08 -).
Der Kläger ist als Gesellschafter der GbR auch kein sonstiger Verfügungsberechtigter im Sinne von § 14
Abs. 2 DSchPflG. Als Verfügung werden alle Rechtsgeschäfte bezeichnet, die unmittelbar auf ein
bestehendes Recht einwirken, es verändern, aufheben oder übertragen (vgl. BGHZ 1, 304). Berechtigt, in
solcher Weise über ein Recht in eigenem Namen zu verfügen, ist regelmäßig der Inhaber dieses Rechts,
also z.B. der Eigentümer oder Erbbauberechtigte, sofern nicht ein Veräußerungsverbot besteht oder die
Verfügungsmacht beschränkt ist. Nur ausnahmsweise kann auch ein Anderer verfügungsbefugt sein;
Voraussetzung dafür ist, dass ihm die Verfügungsmacht durch Gesetz oder Rechtsgeschäft eingeräumt
worden ist (so z.B. dem Insolvenzverwalter gemäß § 80 Abs. 1 InsO oder dem Testamentsvollstrecker
nach § 2205 BGB). Dies ist bei den Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht der Fall.
Unabhängig von der zwischen den Gesellschaftern vereinbarten Befugnis zur Geschäftsführung und der
daraus gegebenenfalls nach § 714 BGB folgenden Vertretungsmacht nach Außen ist den Gesellschaftern
einer GbR nämlich nicht die Befugnis eingeräumt, über Gesellschaftsvermögen in eigenem Namen zu
verfügen.
Ein anderes Ergebnis rechtfertigt auch nicht der Umstand, dass die Gesellschafter einer GbR den
Gläubigern für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft entsprechend § 128 HGB als Gesamtschuldner
persönlich haften. Zwar sind unter „Verbindlichkeiten“ im Sinne von § 128 HGB auch Verpflichtungen zu
verstehen, die im öffentliche Recht wurzeln (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 15. Dezember 2004 -
7 LB 247/02 - ). Die Gesellschafter einer GbR haften daher z.B. akzessorisch für Beiträge, die die
Gesellschaft für ein ihr gehörendes Grundstück schuldet (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom
16. November 2007 – 9 S 23.07 -; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20. September 2006 – 2 S
1755/06 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. Mai 2002 – 15 A 5299/00 - ). Auch haften die
Gesellschafter für Kosten der Vollstreckung einer an die GbR gerichteten Ordnungsverfügung (vgl. OVG
Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18. November 2008 – 7 A 103/08). Dementsprechend können die
Gesellschafter einer GbR auch für die Kosten der Vollstreckung einer denkmalschutzrechtlichen
Verfügung entsprechend § 128 HGB persönlich als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden.
Davon zu unterscheiden ist jedoch die unmittelbare denkmalschutzrechtliche Verantwortlichkeit nach § 14
Abs. 2 DSchPflG. Diese Verantwortlichkeit ist Folge der Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1
Satz 2 GG und trifft daher unmittelbar nur den Eigentümer bzw. sonstigen Verfügungsberechtigten, nicht
jedoch Dritte, die auf Grund zivilrechtlicher Vorschriften für fremde Verbindlichkeiten – hier der GbR –
einstehen müssen (vgl. zur ordnungsrechtlichen bzw. bodenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit von
Gesellschaftern auch Niedersächsisches OVG, Urteil vom 15. Dezember 2004 - 7 LB 247/02 – und Bay.
VGH, Beschluss vom 29. November 2004 – 22 CS 04.2701 – sowie Hummel, Durchgriffsverantwortlichkeit
von Gesellschaftern nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz, Gewerbearchiv 2002, 52).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der
Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO.
Die Berufung war gemäß § 124 Buchst. a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Rechtsmittelbelehrung …
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 38.305,00 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der
Beschwerde
angefochten werden; hierbei bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten.
gez. Butzinger gez. Kintz gez. Bender
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