Urteil des VG Münster vom 28.04.2010

VG Münster (kläger, beschränkung, asylbewerber, aufenthalt, verordnung, bezirk, asylverfahren, kreis, angabe, vorschrift)

Verwaltungsgericht Münster, 8 K 2134/08
Datum:
01.03.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
8. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
8 K 2134/08
Tenor:
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von
Rechtsanwalt S aus Essen wird abgelehnt.
G r ü n d e
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Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres
Prozessbevollmächtigten ist abzulehnen, weil die Klage keine hinreichende Aussicht
auf Erfolg hat (§§ 166 VwGO, 114 ZPO).
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I. Die mit der Ordnungsverfügung des Beklagten vom 8. September 2008 erfolgte
räumliche Beschränkung des Aufenthaltsbereichs der Kläger auf den Bezirk der
Ausländerbehörde ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
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Ob die Ermächtigung hierzu (allein) auf § 46 Abs. 1 AufenthG, (auch) auf § 61 Abs. 1
Satz 2 AufenthG beruht oder der Anwendungsbereich einer der beiden Vorschriften
nach den Grundsätzen der Spezialität oder Subsidiarität zurücktritt (vgl. dazu z. B.
Funke-Kaiser, in: Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, II-§ 61 Rn. 10 f.;
Hailbronner, Ausländerrecht, Band 2, § 46, Rn. 3 f. und § 61, Rn. 10 f.), kann offen
bleiben. Die angegriffene Entscheidung des Beklagten wird von beiden Vorschriften
getragen.
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1. Der Tatbestand des § 46 Abs. 1 AufenthG ist gegeben. Nach dieser Vorschrift kann
die Ausländerbehörde gegenüber einem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer
Maßnahmen zur Förderung der Ausreise treffen. Insbesondere kann sie den Ausländer
verpflichten, den Wohnsitz an einem von ihr bestimmten Ort zu nehmen. Die Kläger sind
vollziehbar ausreisepflichtig in diesem Sinne. Die räumliche Beschränkung ihres
Aufenthaltsbereichs auf das Gebiet des Kreises Steinfurt soll sie motivieren, bei der
Beschaffung eines Passes oder Passersatzpapiers ihres Herkunftslandes mitzuwirken,
um mit diesen Papieren ausreisen zu können. Folglich handelt es sich um eine
Maßnahme zur mittelbaren Förderung der Ausreise.
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Der Tatbestand des § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ist ebenfalls erfüllt. Für den Regelfall
ist der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers im Bundesgebiet auf
das Gebiet des Landes beschränkt, so dass sich die Kläger ohne eine abweichende
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ausländerbehördliche Erlaubnis nur in Nordrhein - Westfalen aufhalten durften (§ 61
Abs. 1 Satz 1 AufenthG; zur weiteren Begrenzung des Wohnsitzes der Kläger vgl. § 50
AsylVfG). Nach § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG können jedoch (für vollziehbar
ausreisepflichtige Ausländer wie die Kläger) weitere Bedingungen und Auflagen
angeordnet werden. Was durch die Bedingungen und Auflagen angeordnet werden
kann, ist zwar nicht ausdrücklich geregelt (vgl. zur Vorgängerregelung des § 56 Abs. 3
Satz 2 AuslG BVerfG, Beschluss vom 15. September 2005 - 2 BvL 2/05 -, NVwZ 2006,
447 = juris, Rn. 23; mögliche Auflagen anführend z. B. BGH, Beschluss vom 17. Februar
2009 - 1 StR 381/08 -, www.bundesgerichtshof.de, Rn. 16 = BGHSt 53, 181 = NJW
2009, 3254). Aus dem Verhältnis der Vorschrift zu § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG folgt
jedoch, dass sie eine räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde
erfasst (ebenso Nr. 61.1.1.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum AufenthG vom
26. Oktober 2009, GMBl. 2009. 1293 = www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de;
BGH, Beschluss vom 17. Februar 2009 - 1 StR 381/08 -, a. a. O.; zur
Aufenthaltsbeschränkung geduldeter Ausländer nach §§ 17 Abs. 1 Satz 2, 7 Abs. 1 Satz
2 AuslG a. F. BVerwG, Beschluss vom 28. Dezember 1990 - 1 B 14.90 -, Buchholz
402.24 § 17 AuslG Nr. 8). Die Erfüllung weiterer Tatbestandsvoraussetzungen als
diejenige der vollziehbaren Ausreisepflicht eines Ausländers verlangt die gesetzliche
Regelung nicht.
2. Die Ermessensausübung des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat
durch seine Untersagung weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten
noch von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden
Weise Gebrauch gemacht (§ 114 VwGO). Dies gilt sowohl mit Blick auf § 46 Abs. 1
AufenthG als auch in Bezug auf § 61 Abs. 1 Satz 2 AufenthG.
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a) Die Ermessensausübung des Beklagten ist sowohl an dem Zweck des § 46 Abs. 1
AufenthG als auch dem Zweck des § 61 Abs. 1 AufenthG ausgerichtet (§ 40 VwVfG
NRW). Mit dem vom Beklagten verfolgten Ziel einer Beschaffung von
Passersatzpapieren liegt offensichtlich ein legitimer Zweck vor, weil die
Passersatzpapierbeschaffung der Erfüllung der vollziehbaren Ausreise p f l i c h t der
Kläger dient. Dieser Zweck wird sowohl von § 46 Abs. 1 AufenthG als auch von § 61
Abs. 1 AufenthG verfolgt. Im Hinblick auf § 46 Abs. 1 AufenthG folgt der Zweck aus dem
ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift. § 61 Abs. 1 AufenthG verfolgt - zumindest auch
(vgl. zu einem weiteren möglichen Zweck der Gleichbehandlung mit Asylbewerbern BT-
Drucksache 15/420, Seite 92) - denselben Zweck. Die Vorschrift dient primär der
besseren Überwachung vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer (OVG NRW,
Beschluss vom 29. November 2005 - 19 B 2364/03 -, www.nrwe.de, Rn. 24 = InfAuslR
2006, 64; vgl. auch Beschluss vom 17. Februar 2006 - 18 B 1707/05 -, www.nrwe.de,
Rn. 9). "Überwachung" in diesem ordnungsbehördlichen Sinn erstreckt sich nicht nur
auf eine Kontrolle der Anwesenheit eines Ausländers in dem Bundesland. Vielmehr
beinhaltet "Überwachung" die gesamte überwachende sonderordnungsbehördliche
Tätigkeit, die auf die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften und damit auch auf
die Durchsetzung der Ausreisepflicht gerichtet ist. Dies ergibt sich aus dem
vollstreckungsrechtlichen Zweck der Duldung, dem die Nebenbestimmung beigefügt ist
(vgl. zum vollstreckungsrechtlichen Charakter einer Nebenbestimmung nach § 56 Abs. 3
AuslG a. F. die bisherige Rechtsprechung des OVG NRW, Beschluss vom 8. August
2003 - 18 B 2511/02 -, www.nrwe.de, Rn. 11 = AuAS 2003, 272 = NVwZ 2004, Beilage
Nr. I 3, 18). Auch wenn § 60 a Abs. 2 AufenthG ein subjektives Recht begründet (vgl. zu
§ 55 Abs. 2 AuslG a. F. BVerwG, Urteil vom 25. September 1997 - 1 C 3.97 -, BVerwGE
105, 232 = InfAuslR 1998, 12), begründet die Duldung keine "kleine
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Aufenthaltsberechtigung". Eine Duldung gewährt kein Aufenthaltsrecht (BVerwG, Urteil
vom 25. September 1997 - 1 C 3.97 -, a. a. O.). Eine Duldung hat den Inhalt, dass die
Vollstreckung der Ausreisepflicht (nur) ausgesetzt ist (§ 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG;
BVerwG, Beschluss vom 24. Januar 2000 - 1 C 28.99 -, Buchholz 360 § 13 GKG Nr.
108; Urteil vom 25. September 1997 - 1 C 3.97 -, a. a. O.). Mit einer Duldung wird damit
lediglich zeitweise auf die Abschiebung verzichtet (BVerwG, Urteil vom 25. September
1997 - 1 C 3.97 -, a. a. O.; OVG NRW, Beschluss vom 30. März 2007 - 19 B 2309/06 -,
www.nrwe.de = InfAuslR 2007, 279). Anders als in der Verwaltungspraxis nach dem
Ausländergesetz 1965 (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 25. September 1997 - 1 C 3.97 -,
a. a. O.) erfüllt die Duldung nicht die Funktion (der Vorstufe) eines Aufenthaltstitels für
Fälle faktischer Aufenthaltsgewährung.
b) Entgegen der Auffassung der Kläger ist der Beklagte im Rahmen seiner
Ermessensausübung nicht von einer falschen Voraussetzung ausgegangen. Die Kläger
sind ihren Mitwirkungspflichten nicht hinreichend nachgekommen.
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Soweit die Kläger einwenden, im Rahmen der Passersatzpapierbeschaffung
Mitwirkungshandlungen vorgenommen zu haben, verkennen sie die
Ermessenserwägungen des Beklagten. Der Beklagte geht nicht von der Annahme aus,
dass die Kläger an einer Passersatzpapierbeschaffung überhaupt nicht mitgewirkt
haben. So führt er in dem angefochtenen Bescheid an, dass die Kläger zu 1. und 2. im
März 2008 - erneut - Anträge auf Ausstellung von Passersatzpapieren ausgefüllt haben.
Vielmehr geht der Beklagte von der Erwägung aus, dass die Kläger ihre
Mitwirkungspflichten nicht erfüllt haben, weil sie nicht a l l e notwendigen Maßnahmen
ergriffen haben. Die Erfüllung nur eines Teils einer Verpflichtung begründet nicht eine
(vollständige) Pflichterfüllung.
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Der Beklagte geht auch zu Recht davon aus, dass die Kläger ihre Pflichten im
Zusammenhang mit der Passersatzpapierbeschaffung nicht (vollständig) erfüllt haben.
Er darf von den Klägern fordern, dass sie Identitätsnachweise vorlegen (§ 48 Abs. 3
AufenthG). Die Mitwirkungsbemühungen eines ausreisepflichtigen Ausländers müssen
sich neben dem Bemühen um einen Pass oder Passersatz auch auf die Beschaffung
sonstiger Urkunden und Dokumente unabhängig vom Aussteller richten, sofern sie zu
dem Zweck geeignet sind, die Ausländerbehörde bei der Geltendmachung und
Durchsetzung einer Rückführungsmöglichkeit zu unterstützen. Dabei hat der Ausländer
- nicht die Ausländerbehörde - sich gegebenenfalls unter Einschaltung von
Mittelspersonen in seinem Heimatland um erforderliche Dokumente und Auskünfte zu
bemühen. Erwartet werden muss in diesem Zusammenhang, dass mit der
größtmöglichen Sorgfalt in nachvollziehbarer Weise Nachforschungen angestellt
werden (ständige Rechtsprechung des OVG NRW, z. B. Beschluss vom 5. Juni 2008 -
18 E 471/08 -, www.nrwe.de = Inf-AuslR 2008, 417 = NWVBl. 2008, 464).
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Die so umschriebenen Pflichten haben die Kläger offensichtlich nicht erfüllt. Am 2. Juli
2008 und damit kurz vor Erlass der angefochtenen Entscheidung haben die Kläger zu 1.
und 2. noch erklärt, dass sie sich um Pass- oder Passersatzpapiere und
Identitätsnachweise "nicht weiter gekümmert" haben und sich ihr Rechtsanwalt auch
nicht "kümmere". Die Kläger sind bisher auch nicht gewillt, die Pflichten zu erfüllen. Das
- nicht belegte - Schreiben an eine deutsche Auslandsvertretung mag z. B. wegen einer
Anfrage nach Vertrauensanwälten sachgerecht sein, erfüllt aber letztendlich ebenfalls
nicht die o. a. Vorgaben, weil eine konsularische Vertretung der Bundesrepublik
Deutschland für die Kläger keine Identitätspapiere ausstellen kann. Die Kläger haben
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nicht dargelegt, dass und ggf. welche weiteren erfolgversprechenden Maßnahme sie in
der Zwischenzeit ergriffen haben, um sich in ihrem Herkunftsland die erforderlichen
Dokumente und Auskünfte zu beschaffen, die sie in die Lage versetzen, ihrer
konsularischen Vertretung in Deutschland die für die Ausstellung von Pässen oder
Passersatzpapieren erforderlichen Unterlagen vorzulegen.
Ungeachtet dessen spricht viel für die Annahme, dass insbesondere die von den
Klägern zu 1. und 2. in den Passersatzpapieranträgen angegebenen Daten nicht der
Wahrheit entsprechen. Die Kläger zu 1. und 2. konnten von türkischen Dienststellen
nach Prüfung nicht identifiziert werden. Dass dieses Prüfergebnis im Ergebnis falsch ist,
ist nicht erkennbar. Die der Prüfung zugrunde liegenden Angaben der Kläger sind
nämlich nicht hinreichend. Die Kläger zu 1. und 2. sind unglaubwürdig. Mit Urteil vom
20. Juli 2006 - 3 K 1748/04.A - hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass
maßgebliche Tatsachenangaben der Kläger aus dem Asylverfahren vor dem
Bundesamt und vor dem Verwaltungsgericht unglaubhaft waren. Dass die Kläger sich
nunmehr anders verhalten, ist nicht ersichtlich.
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c) Die Einwendung der Kläger, eine Beschränkung ihres Aufenthalts auf den Bezirk der
Ausländerbehörde sei "als Mittel ungeeignet, um vermeintliche Mitwirkungspflichten der
Kläger im Rahmen der Passbeschaffung zu erzwingen", begründet ebenfalls keinen
Ermessensfehler. Die Maßnahme betrifft nicht "vermeintliche", sondern von Rechts
wegen bestehende Mitwirkungspflichten. Sie ist ein geeignetes Mittel im Hinblick auf die
Passersatzpapierbeschaffung. Die Aufenthaltsbeschränkung bezweckt nicht eine
Sanktion früheren Verhaltens, sondern ist auf ein zukünftiges gesetzeskonformes
Verhalten der Kläger ausgerichtet. Damit ist sie auch nicht als "Schikane" zu bewerten.
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Geeignet im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist jede (sonder-)
ordnungsbehördliche Einzelmaßnahme, die aus der ex-ante-Sicht der Behörde zur
Erreichung des Zwecks objektiv beiträgt (Drews/Wacke/Vogel/Martens,
Gefahrenabwehr, 9. Auflage, S. 420 f.) bzw. die den Zweck fördert
(Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Auflage, S. 188; Gusy, Polizei-
und Ordnungsrecht, 7. Auflage, S. 208). Unzulässig ist ein Ge- oder Verbot, das der in
Anspruch genommenen Person etwas zur Gefahrenabwehr absolut Untaugliches
auferlegt (Drews/Wacke/Vogel/Martens, a.a.O.). Bei Anwendung dieser Vorgaben ist die
Aufenthaltsbeschränkung geeignet, zur Passersatzpapierbeschaffung beizutragen.
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Die Aufenthaltsbeschränkung bewirkt zwar nicht unmittelbar, dass die Beschaffung von
Passersatzpapieren beschleunigt oder effektiver gestaltet wird (darauf abstellend die
Geeignetheit einer Aufenthaltsbeschränkung bezweifelnd BayVGH, Beschluss vom 21.
Dezember 2006 - 24 CS 06.2958 -, BayVBl. 2007, 567 = juris; Beschluss vom 24.
November 2006 - 24 CS 06.2815 -, juris; dagegen die Rechtmäßigkeit einer solchen
Anordnung annehmend Beschluss vom 5. Juni 2007 - 24 CS 07.1014 -, juris). Ebenso
wie eine Maßnahme, die nur eine Minderung oder Einschränkung, nicht aber die
Beseitigung einer Gefahr verfolgt, hinreichend geeignet ist, können auch mittelbare
Maßnahmen geeignet sein, zur Zweckerreichung beizutragen und den Zweck zu fördern
(vgl. zu einem Fall der Willensbeeinflussung durch Unterbringung, Beratung und
Betreuung in einer zentralen Gemeinschaftsunterkunft OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 19.
November 2003 - 10 B 11432/03 -, InfAuslR 2004, 255 = NVwZ 2004, Beilage Nr. I 3,
21). Es kommt für die Rechtmäßigkeit der Maßnahme nicht darauf an, ob mit Sicherheit
oder hoher Wahrscheinlichkeit bereits jetzt festgestellt werden kann, dass die räumliche
Beschränkung den Ausländer zu einer sachgerechten Mitwirkung veranlassen wird. Das
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Merkmal der Unmittelbarkeit ist im Polizei- und Ordnungsrecht nur Wertungsbestandteil
der Tatbestandsvoraussetzung " V e r u r s a c h u n g einer Gefahr für die öffentliche
Sicherheit und Ordnung" (vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, a.a.O., Seite 313). Das
Kriterium ist dagegen nicht Teil der Rechtsfolgenfrage, mit welchem Mittel einer Gefahr
begegnet werden darf. Dass die Kläger einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit
unmittelbar herbeiführen, indem sie infolge des Verstoßes gegen ihre
Mitwirkungspflichten (vgl. oben zu b) ihrer gesetzlich vorgegebenen Ausreisepflicht nicht
entsprechen können, ist nach den o. a. Ausführungen offenbar.
Mit der Auflage verfolgt der Beklagte das Ziel, die Kläger zu motivieren, ihre Ausreise
aus dem Bundesgebiet durch Erfüllung ihrer Pflicht zur Beschaffung eines Passersatzes
zu ermöglichen, indem er ihre Bewegungsfreiheit einschränkt und damit ihr privates
Interesse an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet verringert. Dass die räumliche
Beschränkung die privaten Interessen der Kläger beeinflusst und sie diese als für sich
nachteilig bewerten, wird dadurch bestätigt, dass die Kläger von ihrem Recht auf
gerichtlichen Rechtsschutz Gebrauch machen. Die Prognose des Beklagten, dass eine
Reduzierung des Aufenthaltsbereichs die von ihm begehrte Verhaltensänderung der
Kläger bewirken kann, ist nicht zu beanstanden. Die Kläger haben keine Tatsachen
dargelegt, die die Prognosewertung des Beklagten in Zweifel ziehen. Das
Aufenthaltsgesetz geht selbst von einer solchen Prognose aus, wenn es den Aufenthalt
von Ausländern auf Teile des Bundesgebietes beschränkt (vgl. dazu z. B. BVerwG,
Beschluss vom 28. Dezember 1990 - 1 B 14.90 -, Buchholz 402.24 § 17 AuslG Nr. 8
unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 20. September 1983 - 2 BvR 1445/83 -, NJW
1984, 558 und Urteil vom 5. Juni 1984 - BVerwG 9 C 9.84 - Buchholz 402.25 § 20
AsylVfG Nr. 2).
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Dass der Beklagte mit der Nebenbestimmung den Willen der Kläger beeinflussen und
die Passersatzpapierbeschaffung damit mittelbar bewirken will, macht seine Maßnahme
entgegen der Einwendung der Kläger nicht unverhältnismäßig. Ein ausreisepflichtiger
Ausländer ist aufenthaltsrechtlich gehalten, das Land freiwillig zu verlassen. Die
Rechtsordnung mutet dem Ausländer zu, seiner Ausreisepflicht von sich aus
nachzukommen. Die gesetzliche Ausreisepflicht schließt die Obliegenheit für den
Ausländer ein, sich auf seine Ausreise einzustellen, zur Ausreise bereit zu sein und
einen dahingehenden Willen zu bilden. In diesem Rahmen ist es für einen
ausreisepflichtigen Ausländer rechtlich grundsätzlich nicht unzumutbar, zur Ausreise
willens und bereit zu sein (BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 - 1 C 19.08 -,
www.bverwg.de, Rn. 14). Dass eine "freiwillige" Handlung erzwungen werden soll, ist
von Rechts wegen auch nichts Besonderes, wie die Vorschriften der Verwaltungs- und
Zwangsvollstreckung in Bezug auf die Vornahme einer Handlung zeigen.
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II. Der quantitative Umfang der Begründung dieses Beschlusses ist für sich genommen
kein Indiz dafür, dass ein Erfolg des Rechtsschutzbegehrens nicht fernliegend ist. Der
Begründungsaufwand einer gerichtliche Entscheidung hängt nicht davon ab, welche
Erfolgsaussicht das der Entscheidung zu Grunde liegende Rechtsschutzbegehren zu
Beginn des Verfahrens hatte. Maßgeblich ist vielmehr, welche Ausführungen im
Einzelfall notwendig und angemessen sind, um im Interesse von Transparenz und
Akzeptanz gerichtlicher Entscheidungen die ausschlaggebenden rechtlichen und
tatsächlichen Gesichtspunkte darzustellen (OVG NRW, Beschluss vom 19. November
2008 - 6 E 1340/08 -, www.nrwe.de).
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