Urteil des VG Münster vom 18.02.2009
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Verwaltungsgericht Münster, 1 L 680/08
Datum:
18.02.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 680/08
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
G r ü n d e
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Der - sinngemäße gestellte - Antrag der Antragstellerin,
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die aufschiebende Wirkung ihrer Klage - 1 K 2673/08 - gegen die Ordnungsverfügung
des Antragsgegners vom 20. November 2008 wiederherzustellen,
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hat keinen Erfolg.
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Die bei einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung
zwischen dem privaten Interesse der Betroffenen, von der sofortigen Vollziehung bis
zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens verschont zu bleiben, und dem öffentlichen
Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der getroffenen Regelung fällt zu Lasten der
Antragstellerin aus.
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Bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren angezeigten summarischen Prüfung
spricht viel dafür, dass die angefochtene Ordnungsverfügung rechtmäßig ist. Sie findet
ihre Grundlage in § 3 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 LHundG NRW.
Danach stellt die zuständige Behörde nach Begutachtung durch den amtlichen Tierarzt
die Gefährlichkeit eines Hundes fest, die sich daraus ergibt, dass dieser einen
Menschen gebissen hat, sofern dies nicht zur Verteidigung anlässlich einer strafbaren
Handlung geschah. Der Einstufung des Hundes „E. „ der Antragstellerin als gefährlich in
der gutachtlichen Stellungnahme der Amtstierärztin Dr. F. vom 9. Oktober 2008 stehen
keine durchgreifenden Bedenken entgegen. Nach der Darstellung der Amtstierärztin hat
der Hund sie im Verlaufe der Begutachtung am 17. September 2008 zweimal ohne
weitere Vorankündigung in den rechten Oberarm gebissen, was ihr deutliche
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Blutergüsse und schmerzhafte Quetschungen verursacht habe. Zweifel an der
Richtigkeit dieser Darstellung ergeben sich auch nicht unter Berücksichtigung der
Erklärungen, welche die Antragstellerin und ihr Bekannter zum Ablauf der Begutachtung
abgegeben haben, und der vom Tierarzt H. von Plettenberg erteilten Bescheinigung.
Frau Dr. F. schildert den Vorfall differenziert, anschaulich und widerspruchsfrei. Weder
für eine interessegeleitete noch für eine durch Schreckhaftigkeit bestimmte Sicht der
Amtstierärztin auf das Tierverhalten liegen irgendwelche Anhaltspunkte vor.
Verhaltensbeschreibung wie fachliche Einordnung des Verhaltens sind abgewogen.
Sowohl die Angaben der Antragstellerin als auch die mit diesen nahezu im Wortlaut
übereinstimmenden Angaben ihres Bekannten zum Verhalten des Hundes lassen zum
Kern des Geschehens jede plausible Erläuterung vermissen. Insbesondere wird nicht
deutlich, wie sie aus ihrer Entfernung wahrgenommen haben wollen, dass der Hund die
Amtstierärztin bloß mit der Schnauze berührt und nicht gebissen hat, und wie sie
reagiert haben, als diese ihr mit dem Hinweis auf Bissspuren den betroffenen Oberarm
zeigte. Dass die Antragstellerin erneut lediglich von einem Stupsen spricht, das seine
Ursache in einer unterbliebenen Begrüßung des Hundes durch die Tierärztin gehabt
habe, erscheint vor diesem Hintergrund weiter als bloße Schutzbehauptung. Die durch
den bei der amtstierärztlichen Begutachtung nicht anwesenden Tierarzt H. von
Plettenberg erteilte Bescheinigung hat keinen Aussagewert für die Feststellung des
Ablaufs der Begutachtung durch Frau Dr. F. . Im Übrigen heißt es selbst in dieser
Bescheinigung, die Antragstellerin solle unbedingt vermeiden, dass der Hund in
Situationen gerate, die für ihn beengend seien, da er dann die Selbstkontrolle verlieren
könne.
Die durch die Amtstierärztin vorgenommene Prüfung des Verhaltens, das der Hund an
den Tag legte, hat nicht dadurch den Charakter einer Begutachtung nach § 3 Abs. 3
LHundG verloren, dass Frau Dr. F. den Besuch nach den von ihr geschilderten
Beißvorfällen beendete. Die bis dahin getroffenen Feststellungen reichten für die
sachverständige Stellungnahme nach dieser Vorschrift aus. Die Motivation des Hundes
für ein bestimmtes Verhalten ist für die Frage, ob ein Hund gefährlich ist, unerheblich.
Denn das Landeshundegesetz soll auch vor solchen Gefahrenlagen schützen, die
dadurch entstehen, dass Dritte sich aus Unkenntnis, Nachlässigkeit oder Unvermögen
im Umgang mit Hunden unsachgemäß verhalten.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. Februar 2005 - 5 B 2488/04.
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Auch über das Ergebnis der Rechtmäßigkeitsprüfung hinaus überwiegt das öffentliche
Interesse daran, sofort Konsequenzen aus der Feststellung der Gefährlichkeit des
Hundes ziehen zu können, das private Interesse am Aufschub der Vollziehbarkeit. Das
hier gefährdete Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit von Menschen hat in der
rechtlichen Abwägung hohes Gewicht. Demgegenüber wiegen die Belastungen, die für
einen Hundehalter nach den §§ 4 ff. LHundG aus der Feststellung der Gefährlichkeit
eines Hundes resultieren, weniger schwer. Angesichts der Umstände, die dafür
sprechen, dass der Hund „E. „ sowohl in dem durch Beschluss des Gerichts vom 17.
Oktober 2008 - 1 L 467/08 - behandelten Fall (bestätigt durch Beschluss des OVG NRW
vom 27. November 2008 - 5 B 1663/08) als auch bei der Begutachtung durch Frau Dr. F.
Menschen angegriffen hat, muss deshalb das Interesse der Antragstellerin, bis zum
Abschluss des Hauptsacheverfahrens von den Folgen der Einstufung ihres Hundes als
gefährlich verschont zu bleiben, zurücktreten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
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auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Der festgesetzte Wert ist wegen des vorläufigen
Charakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens mit der Hälfte des im
Hauptsacheverfahren anzunehmenden Auffangwerts nach § 52 Abs. 2 GKG zu
bemessen.
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