Urteil des VG Münster vom 13.12.2010

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Verwaltungsgericht Münster, 3 K 831/10
Datum:
13.12.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 831/10
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Elternbeitrag für die
Betreuung ihres Sohnes im Rahmen der Kindertagespflege.
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Auf Antrag der Klägerin bewilligte der Beklagte durch Bescheid vom 1.2.2010 der
Klägerin ab dem 1.12.2009 einen Aufwendungsersatz für die Kindertagespflege ihres
Sohnes. Der Beklagte wies darauf hin, dass die Klägerin dafür einen Kostenbeitrag
zahlen müsse, der vom Umfang der Betreuung abhänge.
3
Nachdem die Klägerin ihre Gehaltsmitteilung für Dezember 2009 vorgelegt hatte, setzte
der Beklagte durch Bescheid vom 26.3.2010 den Kostenbeitrag der Klägerin auf
monatlich 22 Euro fest. Dabei stufte er die Klägerin in die Einkommensstufe von 15.000
Euro bis 25.000 Euro ein.
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Ausweislich des Einkommenssteuerbescheides der Klägerin für das Jahr 2009 betrug
die Summe ihrer Einkünfte 17.787 Euro. Am 27.4.2010 hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie ist der Ansicht, sie sei einer geringeren Einkommensstufe zuzuordnen, weil
Werbungskosten, Sonderausgaben wegen der Schwerbehinderung ihres Sohnes und
Vorsorgeaufwendungen von ihrem Einkommen abzuziehen seien. Wenn die Satzung
dies nicht vorsehe, verstoße dies gegen den Gleichheitsgrundsatz und gegen das
Sozialstaatsprinzip.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 26.3.2010 aufzuheben und den Kostenbeitrag nach
der Satzung über die Festsetzung von Kostenbeiträgen im Rahmen von
Kindertagespflege und Spielgruppen der Stadt P. auf 0 Euro festzusetzen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er weist darauf hin, dass Einkommen nach der maßgeblichen Satzung die Summe der
positiven Einkünfte sei und nicht das zu versteuernde Einkommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 26.3.2010 ist
rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Der Beklagte hat die Klägerin zu Recht auf der Grundlage von § 90 Abs. 1 des Achten
Sozialgesetzbuchs (SBG VIII) i. V. m. § 23 Abs. 1 des Gesetzes zur frühen Bildung und
Förderung von Kindern (KiBiz) i. V. m. der Satzung der Stadt P. über die Festsetzung
von Kostenbeiträgen im Rahmen von Kindertagespflege und Spielgruppen vom
25.6.2008 (KBS) zu einem monatlichen Elternbeitrag von 22 Euro ab dem 1.12.2009
herangezogen.
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Hinsichtlich der Festsetzung der Beiträge verweist § 4 Satz 1 KBS auf die Satzung der
Stadt P. über die Höhe der Elternbeiträge für den Besuch einer Tageseinrichtung für
Kinder vom 25.6.2008 (EBS). Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EBS ist maßgebliches
Einkommen im Sinne dieser Satzung die Summe der positiven Einkünfte der
Beitragspflichtigen im Sinne des § 2 Absätze 1 und 2 des Einkommenssteuergesetzes
(EStG) und vergleichbaren Einkünften, die im Ausland erzielt werden. Die Summe der
positiven Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
EStG ist nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 dieser Vorschrift der Überschuss der Einnahmen über
die Werbungskosten.
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Dementsprechend ist der Beklagte zu Recht von einem Einkommen der Klägerin von
17.787 Euro aus nichtselbstständiger Arbeit ausgegangen.
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Zum hier maßgeblichen Einkommen zählen nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EBS auch
Unterhaltsleistungen. Diese hat der Beklagte zum Einkommen der Klägerin
hinzugerechnet. Abzüge für Alleinerziehende, für Vorsorgeaufwendungen oder wegen
der Behinderung eines Kindes sind in der Satzung nicht vorgesehen. Sie sind daher
hier bei der Einkommensberechnung nicht zu berücksichtigen.
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Ebenso für Sonderausgabenpauschbeträge und Vorsorgepauschalen im Rahmen des
Einkommensbegriffs nach § 17 Abs. 4 GTK OVG NRW, Beschluss vom 2.2.2009 - 12 A
2506/08 -.
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Die Nichtberücksichtigung solcher Aufwendungen der Klägerin bei der
Einkommensberechnung im Rahmen der Elternbeiträge ist rechtmäßig. Die der
Beitragsberechnung zugrundeliegenden Bestimmungen verstoßen insbesondere nicht
gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Sozialstaatsprinzip. Das Bundesrecht gibt für
die Erhebung von Elternbeiträgen keinen bestimmten Einkommensbegriff vor, so dass
dem Gesetzgeber insoweit ein weiter Ermessenspielraum zusteht. Außerdem ist zu
berücksichtigen, dass es sich bei den Elternbeiträgen um eine verfassungsrechtlich
zulässige Kostenbeteiligung im Rahmen einer sozialen Leistungsgewährung handelt.
Der insoweit dem Gesetzgeber eingeräumte weite Gestaltungsspielraum gestattet es
ihm, nach der bei Massenerscheinungen zulässigen pauschalierenden und
typisierenden Betrachtungsweise sowie unter Berücksichtigung des geringen
Deckungsgrades, der mit Elternbeiträgen zu erzielen ist, sowohl die
Einkommensverhältnisse als auch die Familiengröße völlig zu vernachlässigen oder nur
grob zu berücksichtigen. Ein verfassungsrechtlicher Zwang zur Optimierung der
Erfassung der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit besteht danach nicht.
Für die hier gewählte, relativ grobe Pauschalierung bei der Festlegung des
maßgeblichen Einkommens spricht ferner der in diesem Zusammenhang zulässige
Gesichtspunkt der einfachen, unaufwändigen Handhabung und der Praktikabilität. Vgl.
zur Unbedenklichkeit insoweit vergleichbarer nordrhein-westfälischen Regelungen zum
Einkommensbegriff BVerwG, Urteil vom 15.9.1998 - 8 C 25.97 -, BVerwGE 107, 188 =
NVwZ 1999, 993 und Beschlüsse vom 28.10.1994 - 8 B 159.94 -, juris, Rdn. 4, und vom
13.4.1994 - 8 NB 4.93 -, DVBl. 1994, 818 = NVwZ 1995, 173; OVG NRW, Urteil vom
19.8.2008 - 12 A 2866/07 -, NWVBl. 2009, 61, m. w. N. und Beschluss vom 21.9.2007 -
12 A 1156/07 -, juris, Rdn. 5 ff.
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Ausgehend von diesem Einkommensbegriff hat der Beklagte die Klägerin entsprechend
der Festsetzung im Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2009 zutreffend der
Einkommensstufe 15.000 Euro bis 25.000 Euro zugeordnet (17.787 Euro Einkünfte aus
nichtselbstständiger Tätigkeit sowie Unterhaltsleistungen in Höhe von 1.596 Euro,
zusammen 19.383 Euro). Dem entspricht ein monatlicher Beitrag von 22 Euro für die
Betreuung eines Kindes über drei Jahren bis zu 25 Stunden wöchentlich.
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Andere Umstände, die gegen die Höhe der festgesetzten Beiträge sprechen könnten,
sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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