Urteil des VG Münster vom 27.05.2010

VG Münster (stille gesellschaft, gesellschaft, stillen, industrie, gesellschafter, beitrag, verwaltungsgericht, bemessungsgrundlage, höhe, beleg)

Verwaltungsgericht Münster, 3 K 539/09
Datum:
27.05.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 539/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu IHK-Mitgliedsbeiträgen als
Beitragsschuldnerin der Autohandel E. GmbH atypisch stille Gesellschaft für die Jahre
2005 bis 2007.
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Der Gewerbebetrieb wird ausschließlich von der Autohandel E. GmbH betrieben. An
dem Gewerbebetrieb sind die Herren T. E. , N. E. und Semih E. mit einer Einlage von
jeweils 12.500,-- Euro als stille Gesellschafter beteiligt. Die stillen Gesellschafter
erbringen im Gewerbebetrieb der Klägerin Dienstleistungen, für die sie von der Klägerin
entsprechende Vergütungen erhalten.
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Das Finanzamt teilte der Beklagten die folgenden festgesetzten Gewerbeerträge für die
Jahre 2005 bis 2007 für die Autohandel E. GmbH & atypisch stille Gesellschaft mit: 2005
95.300,-- Euro 2006 480.600,-- Euro 2007 504.600,-- Euro
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Durch Beitragsbescheid vom 00.00.0000 zog die Beklagte die Klägerin zu
Kammerbeiträgen für die Jahre 2006, 2007 und 2009 heran. Nachdem der Steuerberater
der Klägerin die Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass die Klägerin, die Autohandel
E. GmbH, steuerlich als atypisch stille Gesellschaft geführt wird, nahm die Beklagte den
Bescheid vom 00.00.0000 zurück. Zugleich erließ sie unter dem 00.00.0000 zwei
Beitragsbescheide: Erstens einen an die "Autohandel E. GmbH" adressierten Bescheid
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(Beleg-Nr.: 950277329) und zweitens einen an die "Autohandel E. GmbH & atypisch
stille Gesellschaft" adressierten Bescheid (Beleg-Nr.: 950277328). Diesen zweiten
Bescheid hat die Klägerin mit der vorliegenden Klage zum Teil angefochten. Die
Beklagte setzte darin den IHK-Beitrag für das Jahr 2005 auf 303,91 Euro, für das Jahr
2006 auf 1.143,57 Euro und für das Jahr 2007 auf 1.196,37 Euro fest und nahm für die
Jahre 2008 und 2009 eine vorläufige Veranlagung vor, die jedoch nicht Gegenstand
dieser Klage ist.
Die Klägerin hat rechtzeitig Klage erhoben. Zur Begründung der Teilanfechtung trägt sie
im Wesentlichen vor: Zunächst mangele es an der erforderlichen Bestimmtheit des
Verwaltungsaktes. Der Beitragsbescheid sei an einen Adressaten gerichtet, der nicht
existent sei. Eine Firma Autohandel E. GmbH & atypisch stille Gesellschaft sei weder im
Handelsregister eingetragen noch handele es sich um einen
Personenzusammenschluss, der in dieser Form nach außen auftrete. Im Übrigen richte
sich die Klage gegen die Höhe der Beitragsforderung. Der Beklagte habe zu Unrecht
den Gewerbeertrag des jeweiligen Kalenderjahres zugrunde gelegt. Der Gewerbeertrag
sei lediglich aus steuerlichen Gründen um den handelsrechtlichen Aufwand für die
ausgekehrten Vergütungen an die stillen Gesellschafter erhöht worden. Der
Kammerbeitrag orientiere sich jedoch an der Leistungsfähigkeit des Betriebes. Die
Bezugnahme auf den Gewerbeertrag habe dabei ausschließlich Indizfunktion und diene
der Vereinfachung der Beitragserhebung. Dadurch werde jedoch nicht ausgeschlossen,
dass eine ohne großen Aufwand feststellbare Bemessungsgrundlage, die der
tatsächlichen Leistungsfähigkeit entspreche, zur Anwendung komme.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
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den Bescheid der Beklagten vom 00.00.0000 (Beleg-Nr. 950277328) insoweit
aufzuheben, als damit für das Jahr 2005 ein höherer Beitrag als 181,-- Euro, für das Jahr
2006 ein höherer Beitrag als 340,-- Euro und für das Jahr 2007 ein höherer Beitrag als
355,-- Euro festgesetzt wurde.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung der Beitragsbescheid sei rechtmäßig. Die atypisch stille
Gesellschaft sei IHK-zugehörig und die Kammerbeiträge seien entsprechend den von
der Finanzverwaltung mitgeteilten Gewerbeerträgen festgesetzt worden. Sie sei an die
Festsetzungen des Finanzamts gebunden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte einschließlich des von der Beklagten übersandten Verwaltungsvorganges
ergänzend Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne Durchführung einer
mündlichen Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Beitragsbescheid ist rechtmäßig
und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu den hier streitigen Kammerbeiträgen ist § 3
Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie-
und Handelskammern (im Folgenden: IHKG) i.V.m. den Beitragsordnungen und den
Haushalts-/Wirtschaftssatzungen der Beklagten für die streitigen Jahre 2005 bis 2007.
Danach werden die Kosten der Errichtung und Tätigkeit der Industrie- und
Handelskammer (IHK), soweit sie nicht anderweitig gedeckt sind, nach Maßgabe des
Haushalts-/Wirtschaftsplans durch Beiträge der Kammerzugehörigen gemäß einer
Beitragsordnung aufgebracht (§ 3 Abs. 2 Satz 1 IHKG).
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An der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen keine Bedenken. Entgegen
der Auffassung der Klägerin beeinträchtigt die von der Beklagten vorgenommene Art der
Adressierung an die "Autohandel E. GmbH & atypisch stille Gesellschaft" nicht die
inhaltlich hinreichende Bestimmtheit des Verwaltungsaktes. Richtiger Inhaltsadressat ist
der Gewerbebetrieb, an dem die atypisch stille Beteiligung besteht, hier die Klägerin
(Autohandel E. GmbH). Denn nur die GmbH ist rechtsfähig. Diese ist auch die
Beitragsschuldnerin der Kammerbeiträge, sowohl für die GmbH als auch für die atypisch
stille Gesellschaft.
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Vgl. Jahn, Zur Entwicklung des Beitragsrechts der IHK, GewArch 2008, 187 (191); VG
Hannover, Urteil vom 19. September 2000 -11 A 7883/98-; VG Berlin, Urteil vom 12.
Februar 2010 -VG 4 K 7.10-.
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Demgegenüber ist die atypisch stille Gesellschaft als reine Innengesellschaft nicht
rechtsfähig. Sie tritt auch nicht nach außen auf. Im Außenverhältnis wird deshalb gemäß
§ 230 Abs. 2 HGB aus den Geschäften der Gesellschaft allein der Inhaber des
Handelsgeschäfts, hier die Klägerin, berechtigt und verpflichtet. Dazu gehört auch die
durch die mitunternehmerische Geschäftstätigkeit der (atypisch) stillen Gesellschaft
ausgelöste Beitragspflicht.
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Vgl. Oetker, Kommentar zum HGB, 1. Aufl. München 2009, § 230, Rn 88 u. 89; VG
Berlin, Urteil vom 12. Februar 2010 -VG 4 K 7.10-.
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Die Adressierung an die Klägerin ist deshalb zutreffend. Die Adressierung auch an die
atypisch stille Gesellschaft ist unschädlich, denn dadurch sollte lediglich verdeutlicht
werden, für welchen Kammerzugehörigen die Beiträge erhoben werden. Die
hinreichende Bestimmtheit des Adressaten ergibt sich hier insbesondere aus der
Zusammenschau mit dem an die Klägerin (allein) gerichteten Beitragsbescheid vom
00.00.0000 und dem erläuternden Schreiben der Beklagten vom selben Tage.
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Der angegriffene Beitragsbescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die atypisch stille
Gesellschaft, deren Kammerbeitrag die Klägerin schuldet, ist Kammerzugehörige im
Sinne des § 2 Abs. 1 IHKG. Nach dieser Vorschrift gehören natürliche Personen,
Handelsgesellschaften, andere (nicht rechtsfähige; dieser Zusatz galt bis zur Änderung
des § 2 Abs. 1 IHKG durch das zweite Mittelstands-Entlastungsgesetz vom 7.
September 2007, BGBl. I S. 2246) Personenmehrheiten und juristische Personen des
privaten und des öffentlichen Rechts zur IHK, sofern sie zur Gewerbesteuer veranlagt
werden und im Bezirk der IHK eine Betriebsstätte unterhalten. Die atypisch stille
Gesellschaft ist eine andere Personenmehrheit im Sinne des § 2 Abs. 1 IHKG. Sie
wurde vorliegend von der Finanzverwaltung zur Gewerbesteuer veranlagt und sie
unterhält im Bezirk der Beklagten eine Betriebsstätte. Letztlich ist die
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Kammerzugehörigkeit der atypisch stillen Gesellschaft zwischen den Beteiligten aber
auch unstreitig (vgl. die Schriftsätze der Klägerin vom 2. Mai 2009 und vom 27. April
2010), so dass weitere Ausführungen hierzu entbehrlich sind.
Die Höhe der festgesetzten Beiträge ist rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der
Auffassung der Klägerin hat die Beklagte der Beitragsfestsetzung zu Recht den von der
Finanzverwaltung übermittelten Gewerbeertrag zugrunde gelegt. Die Beklagte erhebt
die Kammerbeiträge nach § 3 Abs. 3 Satz 1 IHKG als Grundbeiträge und Umlagen.
Bemessungsgrundlage sowohl für den Grundbeitrag als auch für die Umlage ist der
Gewerbeertrag nach dem Gewerbesteuergesetz, sofern vom Finanzamt für das
Bemessungsjahr ein Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt wurde. Für den
Grundbeitrag ergibt sich dies aus II. 2.4 der jeweiligen Wirtschaftssatzung der Beklagten
(bzw. für das Jahr 2005 aus § 4 Abs. 4 der Haushaltssatzung 2005). Für die Umlage ist
dies in § 3 Abs. 3 Satz 6 IHKG normiert. Der vom Finanzamt festgestellte Gewerbeertrag
ist für die Industrie- und Handelskammer verbindlich. Den Entscheidungen der
Finanzverwaltung kommt insoweit kraft Gesetzes Tatbestandswirkung zu. An sie sind
daher die Industrie- und Handelskammern und im Streitfall die Verwaltungsgerichte
gebunden.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Oktober 1998 -1 C 19/97-, juris; Jahn in:
Frentzel/Jäkel/Junge, Industrie- und Handelskammergesetz, 7. Aufl. Köln 2009, § 3 Rn
60 und 61.
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Eine Korrektur der Bemessungsgrundlage um die an die stillen Gesellschafter gezahlten
Vergütungen verbietet sich daher von Gesetzes wegen. Gegebenenfalls hätte die
Klägerin gegen die entsprechenden Gewerbesteuermessbescheide Einspruch erheben
müssen. Denn der Steuerbescheid ist insoweit für die Beklagte (und auch für das
Verwaltungsgericht) Grundlagenbescheid mit Bindungswirkung.
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Vgl. Jahn, Zur Entwicklung des Beitragsrechts der IHK, GewArch 2008, 187 (190).
Letztlich dient die Anknüpfung des Kammerbeitrages an den vom Finanzamt
festgesetzten Gewerbeertrag dazu, das Verfahren zu vereinfachen und effizient zu
gestalten. Die Beklagte soll nicht selbst in eine aufwändige Ermittlung der zutreffenden
Bemessungsgrundlage eintreten müssen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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