Urteil des VG Münster vom 26.04.2001

VG Münster: aufschiebende wirkung, stadt, jugendhilfe, öffentlich, besuch, kündigung, erfüllung, ausstattung, verfügung, beendigung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Münster, 7 L 41/01
26.04.2001
Verwaltungsgericht Münster
7. Kammer
Beschluss
7 L 41/01
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e :
Der - im Erörterungstermin vom 10. April 2001 modifizierte - Antrag, im Wege des
vorläufigen Rechtsschutzes
1.) festzustellen, dass der Widerspruch der Antragstellerinnen vom 20.12.2000 gegen den
Beschluss des Rates der Stadt N. vom 13.12.2000, hilfsweise der undatierte, am
25.01.2001 beim Antragsgegner eingegangene Widerspruch der Antragstellerinnen gegen
das Kündigungsschreiben des Antragsgegners vom 05.01.2001, aufschiebende Wirkung
hat; 2.) dem Antragsgegner aufzugeben, die Kündigung des Betreuungsvertrages
bezüglich der Antragstellerin zu 2.) vom 05.01.2001 zurückzunehmen,
hat insgesamt keinen Erfolg.
Die erste Alternative des ersten Antrages richtet sich nicht nur gegen den falschen
Antragsgegner - den P. - statt des Rates der Stadt N. . Er geht auch der Sache nach ins
Leere, weil der Beschluss des Rates vom 13.12.2000 allein noch keine verbindliche
Außenwirkung gegenüber den betroffenen Bürgern hatte. Er bedurfte erst der Ausführung
und der Umsetzung durch den Antragsgegner, wie dies auch durch dessen Schreiben vom
05.01.2001 erfolgt ist.
Der Widerspruch der Antragstellerinnen gegen dieses Schreiben hat keine aufschiebende
Wirkung, weil das Schreiben keinen Verwaltungsakt darstellt, die beantragte Regelung der
Vollziehung aber ein derartiges Verwaltungshandeln voraussetzt.
Kennzeichen des Verwaltungsaktes ist eine Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen
Rechts. Eine solche hat jedoch der Antragsgegner mit seinem Schreiben vom 05.01.2001
ersichtlich nicht treffen wollen.
Vielmehr handelt es sich um eine Maßnahme auf dem Gebiet des Verwaltungsprivatrechts,
die nicht der Überprüfung durch das Verwaltungsgericht, sondern durch das Zivilgericht
unterliegt. Maßgeblich für diese Qualifizierung ist die konkrete rechtliche Ausgestaltung der
Betreuungsverhältnisse für Kinder in den Tageseinrichtungen, die in der Trägerschaft der
Stadt N. selbst stehen. Der Rat der Stadt hat in seiner Sitzung vom 25.08.1999 hierfür
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Allgemeine Bedingungen" formuliert, in deren Ziffer 1.2 ausdrücklich festgelegt ist, dass der
Besuch der Tageseinrichtungen jeweils durch einen privat-rechtlichen Betreuungsvertrag
zwischen der Stadt und den Erziehungsberechtigten geregelt wird.
Als Trägerin einer Tageseinrichtung für Kinder war die Stadt N. frei, sich für eine öffentlich-
rechtliche oder für eine privat-rechtliche Gestaltung der Betreuungsverhältnisse zu
entscheiden. Insbesondere schreiben ihr gesetzliche Vorschriften nicht öffentlich-rechtliche
Verträge vor. Weder das Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder in Nordrhein-
Westfalen (GTK) noch das von diesem Gesetz ausgeführte Achte Buch des
Sozialgesetzbuches (SGB VIII) sehen entsprechende Weisungen oder Bindungen vor.
Eher im Gegenteil betont das SGB VIII den Vorrang der freien Jugendhilfe vor der
öffentlichen Jugendhilfe (§ 4 Abs. 2 SGB VIII) und akzeptiert damit, dass die meisten
Betreuungsverhältnisse ohnehin privat-rechtlich gestaltet werden müssen. Vor diesem
tatsächlichen Hintergrund wäre es wenig einleuchtend, wenn der Gesetzgeber den Trägern
öffentlicher Jugendhilfe vorgeschrieben hätte, dass für Tagesstätten in ihrer Trägerschaft -
die sich von denen freier Träger in nichts unterscheiden - grundsätzlich öffentlich-rechtliche
Betreuungsverträge zu schließen sind. Jedenfalls gibt es hierfür keine gesetzlichen
Anhaltspunkte.
Soweit die genannten Gesetze zu bestimmten Fragen der Betreuung, Finanzierung und
Ausstattung Regelungen treffen, die ihrer Natur nach nur solche des öffentlichen Rechts
sein können - mit der Folge, dass in den entsprechenden Betreuungsverhältnissen
öffentliches und privates Recht zweistufig nebeneinander greifen -, ist die hier streitige
Frage der Schließung einer bestimmten Tagesstätte nicht betroffen.
Nach § 24 Satz 1 SGB VIII hat ein Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum
Schuleintritt Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens. Für die Erfüllung dieser
Aufgabe hat die Stadt N. als Träger der öffentlichen Jugendhilfe in ihrem
Zuständigkeitsbereich gemäß § 79 Abs. 1 SGB VIII die Gesamtverantwortung
einschließlich der Planungsverantwortung. Sie soll gewährleisten, dass die erforderlichen
und geeigneten Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen (§ 79 Abs.
2 Satz 1 SGB VIII), wobei die Einrichtungen sowohl solche der freien Jugendhilfe als auch
vom öffentlichen Träger geschaffene oder noch zu schaffende sein können (§§ 3 Abs. 1,
Abs. 2 Satz 1, 4 Abs. 2 SGB VIII). Entscheidungen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe
in diesem Bereich ergehen in Anwendung zwingender öffentlich-rechtlicher Vorschriften
zur Erfüllung öffentlich- rechtlicher Rechtsansprüche als Verwaltungsakte. Das gilt sowohl
für die Befriedigung des Anspruchs auf einen Kindergartenplatz durch Aufnahme des
Kindes als auch für die Versagung oder Beendigung eines solchen Anspruchs. Getrennt
hiervon auf einer zweiten Stufe ist hingegen die konkrete Ausgestaltung des Anspruchs im
Einzelnen angesiedelt; sie kann privat-rechtlich erfolgen. Hierzu zählt auch die Frage,
welche (von mehreren) Tagesstätten ein Kind besuchen kann und ob es ggf. von einer
Tagesstätte in eine andere wechseln muss. Denn der Rechtsanspruch aus § 24 SGB VIII
umfasst nicht zugleich einen Anspruch auf den Besuch einer bestimmten Tageseinrichtung
mit einem bestimmten Betreuungsangebot. Mit der Einschränkung, dass nicht über
unrealistische oder unzumutbare Zuweisungsentscheidungen der Anspruch auf einen
Kindergartenplatz faktisch aufgehoben werden darf, stehen die Einrichtung und Schließung
von Tageseinrichtungen sowie die Verteilung der Kinder auf Einrichtungen, Gruppen und
Betreuungspersonen im Organisationsermessen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe.
Soweit er damit selbst Regelungen treffen kann, ist er rechtlich nicht gehindert, diese
Verhältnisse privat-rechtlich zu gestalten, wie es vorliegend nach der Vorgabe des Rates
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geschehen ist.
Die Maßnahme vom 05.01.2001 hält sich noch innerhalb des als zweite Stufe
beschriebenen Bereichs. Trotz der missverständlichen Fassung des Schreibens ist unter
der Kündigung ​des Betreuungsvertrages" nicht die Versagung des Rechtsanspruchs der
Antragstellerin zu 2.) auf einen Kindergartenplatz zu verstehen. Dies ergibt sich
hinreichend aus der im Schreiben des Antragsgegners an die Kündigung sich
anschließenden Versicherung, es werde alles getan, um den Übergang in eine andere
Einrichtung möglichst fließend zu gestalten, und ist in diesem Sinne im gerichtlichen
Erörterungstermin vom 10. April 2001 auch noch einmal klargestellt worden.
Mangels eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses hat auch der Zweite Antrag
keinen Erfolg. Die Antragstellerinnen müssten ggf. entsprechenden zivilrechtlichen
Rechtsschutz in Anspruch nehmen, allerdings nicht gegen den Antragsgegner, sondern
gegen die Stadt N. als Trägerin der Tageseinrichtung. Insofern kommt eine Verweisung an
das Amtsgericht nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; eine Streitwertfestsetzung entfällt,
da Gerichtskosten gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben werden.