Urteil des VG Münster vom 10.03.1982
VG Münster: öffentliche sicherheit, entgangener gewinn, kalb, befund, stall, verbraucher, schlachtung, obg, auflage, verfügung
Verwaltungsgericht Münster, 6 K 816/81
Datum:
10.03.1982
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 816/81
Tenor:
Es wird festgestellt, daß die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 9.
Februar 1981 und der Widerspruchsbescheid des
Regierungspräsidenten Münster vom 27. März 1981 rechtswidrig
gewesen sind. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die
Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
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Der Kläger ist Viehhändler. Am 11. Dezember 1980 untersuchte der Beklagte 6 Kälber
des zu diesem Zeitpunkt insgesamt 16 Tiere umfassenden Bestandes des Klägers
stichprobenweise auf Östrogen, wobei sich bei einem Tier ein positiver Befund ergab.
Bei den 16 Kälbern handelte es sich um sogen. Starterkälber im Alter von ca. 8 Wochen,
die der Kläger aus den Niederlanden importiert hatte. Am 18. Dezember 1980 verhängte
der Beklagte über den Bestand mündlich eine Entfernungs- und Veräußerungssperre,
die er durch Bescheid vom 23. Dezember 1980 schriftlich bestätigte. Bei einer
Nachuntersuchung wies das Kalb, bei dem ein positiver Befund festgestellt worden war,
einen negativen Befund auf. Daraufhin wurden Ende Januar dieses Kalb und die 5
weiteren Kälber, die zuvor untersucht worden waren, freigegeben. Vier weitere Kälber
wurden nach erfolgter Rückstandsuntersuchung mit negativem Ergebnis im Schlachthof
Bocholt geschlachtet. Sodann erließ der Beklagte am 9. Februar 1981 die mit der
vorliegenden Klage angegriffene Ordnungsverfügung, in der es heißt:
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"In Abänderung meiner mündlichen Ordnungsverfügung vom 18.12.1980, schriftlich
abgefaßt am 23.12.1980, wird hiermit auf der Grundlage der §§ 14, 18 des
Ordnungsbehördengesetzes NW und des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b) und c) des
Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes i.V.m. der Verordnung über Stoffe mit
pharmakologischer Wirkung vom 3.8.1977 (BGBl. I Nr. 53 vom 10.8.1977, S. 1479)
folgendes verfügt:
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1. Die aus dem am 11.12.1980 untersuchten Bestand von insgesamt 16 Kälbern
verbliebenen 6 Kälber mit den Ohrmarken Nr. 152946, 152947, 152948, 152949,
152950 und 152945 dürfen nur mit Zustimmung des Veterinäramtes des Kreises von
ihrem Standort in XXX entfernt werden.
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Sofern die Kälber zur Schlachtung abgegeben werden sollen, ist die Schlachtstätte
anzugeben. An der Schlachtstätte unterliegen die Tiere der Rückstandsuntersuchung
auf östrogenwirksame Stoffe nach näherer Anweisung des zuständigen Veterinäramtes.
Nur bei einem negativen Ergebnis der Rückstandsuntersuchung wird das Fleisch für
den menschlichen Verzehr freigegeben.
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Die Rückstandsuntersuchung im Schlachtbetrieb kann dadurch entfallen, daß auf Ihren
Antrag hin Rückstandsuntersuchungen vor der Schlachtung im Bestand vorgenommen
werden und deren Ergebnisse die Unbedenklichkeit des Bestandes ergeben. Auch
diese Untersuchungen sind nach weiterer Maßgabe des Veterinäramtes des Kreises
Borken durchzurühren.
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Die Kosten dieser Untersuchungen sind von Ihnen zu tragen. Die Kälber können mit
Genehmigung des Veterinäramtes des Kreises in andere Bestände zur Mast bis zur
Schlachtreife als Schlachtbullen bzw. als Schlachtrinder oder zu sonstigen
Nutzzwecken verbracht werden, wenn sichergestellt wird, daß der Verbleib der Tiere
durch das Veterinäramt überwacht und erforderlichenfalls Rückstandsuntersuchungen
eingeleitet werden können. Biese Genehmigung wird Ihnen ggf. auf Antrag hin erteilt."
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Zur Begründung heißt es u.a.: Für die verbliebenen 6 Kälber rechtfertigt sich die
Ordnungsverfügung aus dem Gesichtspunkt einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit
gemäß § 14 OBG. Wenn in einem Bestand zumindest ein östrogenverseuchtes Tier
angetroffen wird, so besteht der dringende Verdacht, daß auch andere Kälber des
Bestandes verseucht sind. Hieran ändert auch nichts der Umstand, daß bei weiteren
Tieren ein negativer Befund erhoben worden ist oder daß die Tiere nicht beim Mäster,
sondern bei einem Viehhändler stehen. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit in
Form der Gesundheit der Verbraucher und zu befürchtender Verstöße gegen das
Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz sowie die Verordnung über Stoffe mit
pharmakologischer Wirkung ergibt sich daraus, daß solche Tierbestände, in denen
positive Befunde erhoben werden sind, als verdächtig angesehen werden müssen. Da
auch der Abbau von Östrogen bzw. die Zeitdauer dieses Abbaues einerseits von der
Medikamentation andererseits auch von der Dosierung und der Eigenart des jeweiligen
Tieres abhängt, ist auch stets der Negativnachweis durch eine konkrete
Rückstandsuntersuchung am jeweiligen Tier zu fordern.
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Nachdem die 6 Kälber geschlachtet worden waren, wobei Östrogen nicht festgestellt
wurde, und nach erfolglosem Widerspruch ("Widerspruchsbescheid des
Regierungspräsidenten Münster vom 27. März 1981, zugestellt am 31. März 1981) hat
der Kläger am 30. April 1981 Klage erhoben, zu deren Begründung er im wesentlichen
geltend macht:
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Die Ordnungsverfügung vom 9. Februar 1981 sei rechtswidrig gewesen, weil eine
Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht vorgelegen habe. Ihm sei durch
die Verfügung ein Schaden (Stall- und Fütterungskosten, entgangener Gewinn)
entstanden, dessen Ersatz er vom Beklagten verlangen wolle.
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Der Kläger beantragt, festzustellen, daß die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 9.
Februar 1981 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidenten Münster vom
27. März 1981 rechtwidrig gewesen sind.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wiederholt und vertieft er die Ausführungen in den angefochtenen
Bescheiden.
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Der Vertreter des öffentlichen Interesses beteiligt sich am Verfahren, äußert sich aber
nicht zur Sache.
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Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen und des Sachverhalts im übrigen
wird auf die Gerichtsakte, nebst Beiakte, Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist begründet.
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I. Das nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderliche berechtigte Interesse des Klägers
an der begehrten Feststellung, daß der durch die Schlachtung der 6 Kälber erledigte
Verwaltungsakt des Beklagten vom 9. Februar 1981 rechtswidrig gewesen ist, ergibt
sich aus der konkret dargetanen Absicht des Klägers, den Beklagten auf Ersatz des
durch die Fütterung entstandenen Schadens (Stall- und Fütterungskosten, entgangener
Gewinn) in Anspruch zu nehmen, sowie aus Gründen der Wiederholungsgefahr und des
Rehabilitationsinteresses.
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II. Nach § 14 Abs. 1 OBG NW, worauf die angegriffene Ordnungsverfügung im Kern
gestutzt ist, können die Ordnungsbehörden die notwendigen Maßnahmen treffen, um
eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung
(Gefahr) abzuwehren. Von dieser Vorschrift wird die Verfügung des Beklagten vom 9.
Februar 1981 nicht gedeckt.
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1) Eine Gefahr im Sinne des § 14 Abs. 1 OBG NW liegt vor, wenn eine Sachlage oder
ein Verhalten bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit
Wahrscheinlichkeit die öffentliche Sicherheit oder Ordnung schädigen wird (Wolff,
Verwaltungsrecht III, 3. Auflage, § 125 III a). Für diese Wahrscheinlichkeit genügen
einerseits nicht bloße Vermutungen oder die entfernte Möglichkeit eines Schadens;
andererseits ist nicht erforderlich, daß der Eintritt des Schadens gewiß ist oder
unmittelbar bevorsteht (Wolff, aaO, § 125 III b 1). Dabei sind die Anforderungen an die
Feststellung der Wahrscheinlichkeit geringer, wenn besonders hochwertige Schutzgüter
auf dem Spiel stehen (BVerwG, Urteil vom 26.6.1970 - IV C 99.67 - , NJW 1970, 1890,
1892; Wolff, aaO; Drews/ Wacke/ Vogel/ Martens, Gefahrenabwehr, 1.Bd., 8.Auflage, S.
178 f.).
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Hier kann die vom Beklagten in seiner Ordnungsverfügung vom 9. Februar 1981
angenommene "Gefahr für die öffentliche Sicherheit in Form der Gesundheit der
Verbraucher" nur dann vorgelegen haben, wenn die 6 verbliebenen Kälber mit Östrogen
behandelt worden waren. Daß dies der Fall war, steht nicht fest. Vielmehr spricht der
Umstand, daß diese Kälber bei ihrer Schlachtung kein Östrogen aufwiesen, dafür, daß
zum entscheidenden Zeitpunkt des Erlasses der Ordnungsverfügung objektiv eine
Gesundheitsgefahr für die Verbraucher nicht vorlag.
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2) Allerdings könnten die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht aufrechterhalten
werden, wenn die Behörde stets erst und nur dann zu einem Einschreiten berechtigt
wäre, nachdem sie das objektive Vorhandensein einer Gefahr mit völliger Sicherheit
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festgestellt hat. Bei Zugrundelegen solch strenger Maßstäbe könnten häufig
Abwehrmaßnahmen nicht mehr rechtzeitig getroffen werden. Deshalb ist anerkannt, daß
in den Fällen der sogen. Anscheinsgefahr ein Einschreiten erfolgen kann. Eine
Anscheinsgefahr ist gegeben, wenn im Zeitpunkt des ordnungsbehördlichen
Einschreitens bei verständiger Würdigung objektive Anhaltspunkte für eine Gefahr
vorliegen, sich aber nachträglich ergibt, daß eine Gefahr in Wirklichkeit nicht vorlag
(OVG NW, Urteil vom 7.6.1976 - IV A 330/77 - DVBl. 1979, 733, 734; Wolff, aaO,;
Hoffmann-Riem, Anscheingefahr und Anscheinverursachung im Polizeirecht, in:
Festschrift für Wacke, 1972, S. 327 ff.; Schleberger, Polizei- und Ordnungsrecht NW, 2.
Auflage, S. 26 f.). Nach den Umständen des vorliegenden Falles konnte aber bei
verständiger Würdigung nicht auf das Vorliegen, sondern nur auf die Möglichkeit einer
Gefahr geschlossen werden.
Als die Ordnungsverfügung vom 9. Februar 1981 erging, waren von den 16 ursprünglich
im Bestand vorhandenen Kälbern 10 untersucht worden, wobei nur bei einem Kalb
zunächst ein positiver, bei einer Nachuntersuchung dann ebenfalls ein negativer Befund
festgestellt worden war. Der vom Beklagten in dieser Situation im Anschluß an den
Erlaß des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Nordrhein-
Westfalen vom 20.Dezember 1979 (I C 4 - 3011 - 8587) gezogene Schluß, sofern bei
einem Tier eines Bestandes Östrogen festgestellt werde, bestehe die Gefahr, daß der
Bestand insgesamt mit Östrogen behandelt worden sei, mag zwar bei einem
Mastbetrieb gerechtfertigt sein. Denn wenn ein Mäster Stoffe mit östrogener Wirkung mit
dem Ziel einer Gewichtszunahme bei Tieren verwendet, tut er dies nach der
Lebenserfahrung nicht nur bei einem Tier, sondern bei sämtlichen Tieren des
Bestandes, oder doch jedenfalls bei den im Vergleich zum Durchschnitt
untergewichtigen Tieren. Diese Erwägungen greifen aber nicht bei einem Viehhändler,
der die Tiere nur kurze Zeit in seinem Besitz hat und geltend macht, die Tiere seines
Bestandes stammten aus verschiedenen Herkunftsbeständen. So lag der Fall hier.
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Der Kläger hatte vor Erlaß der angegriffenen Ordnungsverfügung in seinem
Widerspruch vom 9. Januar 1981 gegen die Ordnungsverfügung vom 23. Dezember
1980 u.a. ausgeführt (S. 2, 3):
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"Auf dem Gehöft befinden sich jedoch regelmäßig in einem Verkaufsstall aus den
Niederlanden importierte oder aus anderen Gebieten der Bundesrepublik Deutschland
angelieferte Kälber, die in der Regel am Tage der Anlieferung oder im Höchstfalle mit
einer Aufstallungszeit von ein bis drei Tagen weiter verkauft werden. Wie bereits
ausgeführt, betreibt Herr XXX ausschließlich einen Viehhandel und keinen
Kälbermastbetrieb. Es liegt daher in dem beruflichen Interesse des Herrn XXX für eine
möglichst kurzfristige Aufstallungszeit Sorge zu tragen, um die anfallenden Futterkosten
der Kälber so niedrig wie möglich zu halten.
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Da bei der Vielzahl der angelieferten Kälber im Einzelfall auch Tiere mit minderer
Qualität festgestellt und geliefert werden, können diese von Herrn XXX nicht mit der
übrigen einwandfreien Ware gemeinsam zu gleichen Preisen weiter verkauft werden,
sondern müssen kurzfristig in einem hierfür vorgesehenen besonderen Stall aufgestallt
werden. Sobald mehrere Tiere zusammengekommen sind, werden diese dann zu einem
Minderpreis veräußert. Bei dem von dem Veterinäramt am 11. oder 12. Dezember 1980
überprüften Kälberbestand handelt es sich um derartige Tiere von minderer Qualität.
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Auch diese Tiere verbleiben zumeist jedoch nur über das Wochenende in dem Stall und
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haben eine Höchstverweildauer von im Höchstfall 4 bis 5 Tagen, da auch insoweit nur
ein Verkaufsaufenthalt im Stall gegeben ist."
Diese Angaben hatte er in seiner dem Beklagten am 2. Februar 1981 zugestellten
Antragsschrift wie folgt ergänzt (S. 4):
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"Die dort aufgestallten Kälber sind, wie sich aus der Widerspruchsbegründungsschrift
ergibt, nahezu zufällig dort zusammengestellt worden. Es handelt sich um Kälber der
verschiedensten Lieferungen, die dort nur wenige Tage bis zum Weiterverkauf
aufgestallt wurden."
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Bei dieser Sachlage war die Annahme des Beklagten, es bestehe die Gefahr, den
verbliebenen 6 Kälbern seien östrogenwirksame Stoffe verabreicht worden, nicht
gerechtfertigt. Es bestand vielmehr nur die Möglichkeit, daß die 6 Kälber mit Östrogen
behandelt worden wären. Denn der Kläger hatte unwiderlegt vorgetragen, daß die
Kälber im Höchstfall 4 - 5 Tage in seinem Besitz verbleiben. Da kaum davon
ausgegangen werden kann, daß eine Östrogenbehandlung innerhalb einer so kurzen
Zeitspanne zu einer spürbaren Gewichtszunahme führt, war eine Östrogenbehandlung
der Kälber durch den Kläger selbst unwahrscheinlich. Bei verständiger Würdigung
konnte eine Östrogenbehandlung der 6 Kälber also nur vor Ankauf durch den Kläger im
Herkunftsbestand vorgenommen worden sein. Deshalb war die Annahme des
Beklagten, wenn einem Tier Östrogen verabreicht wurde, bestehe die Gefahr, daß auch
die übrigen Tiere mit Östrogen behandelt wurden, nur gerechtfertigt, wenn die 6
verbliebenen Kälber aus demselben Bestand stammten, wie dasjenige Kalb, bei dem
Östrogen festgestellt worden war. Hier hatte der Kläger jedoch unwidersprochen
dargelegt, es handele sich um "Kälber der verschiedensten Lieferungen", so daß nicht
sicher und nicht wahrscheinlich war, die 6 Kälber stammten aus demselben
Herkunftsbetrieb wie das mit Östrogen behandelte Kalb. Dies war nur möglich, nicht
mehr. Deshalb war auch das Vorliegen einer Gesundheitsgefahr, die von den 6 Kälbern
ausgehen konnte, nicht wahrscheinlich.
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3) Besteht die bloße Möglichkeit (der Verdacht) einer Gefahr, so ist die
Ordnungsbehörde nicht zur Untätigkeit verurteilt, sondern kann eingreifen. Allerdings
muß sich das Einschreiten der Ordnungsbehörde auf vorläufige Maßnahmen für die
Zeitspanne beschränken, bis über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Gefahr
Klarheit geschaffen ist (BVerwG, Urteil vom 16.12.1971 - 1 C 60.67 -, BVerwGE 39, 190
ff., OVG NW, aaO.; Wolff, aaO., § 125 III a 2; Rietdorf/Heise/Böckenförde/Strehlau,
Ordnungs- und Polizeirecht in NW, 2. Auflage, § 1 OBG Rdnr. 13). Nur dann, wenn nach
den Umständen einstweilige Maßnahmen nicht in Betracht kommen und anders ein zu
befürchtender schwerer Schaden für die Allgemeinheit nicht abgewendet werden kann,
muß sich die Ordnungsbehörde nicht darauf beschränken, ein in der Entwicklung
begriffenes Geschehen durch ihre Maßnahmen einstweilen zu unterbrechen, um weitere
Feststellungen treffen zu können, sondern kann auch endgültig wirkende Eingriffe
vornehmen (BVerwGE 39, 190, 196; Brews/Wacke, Vogel/Martens aaO., S. 179). Hier
waren aber vorläufige Maßnahmen zur Feststellung, ob die 6 "verdächtigen" Kälber
tatsächlich mit Östrogen behandelt worden waren, möglich.
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Der Beklagte ist der Behauptung des Klägers, die Kälber stammten aus den
verschiedensten niederländischen Herkunftsbetrieben, nicht nachgegangen, obwohl
Nachforschungen über die Herkunft der Kälber - etwa mit Hilfe der niederländischen
Ohrmarken, die die Kälber trugen und/oder der vom Kläger vorgelegten
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Grenzdokumente - möglich waren. Es hätte auf diese Weise geklärt werden können, ob
die 6 verbliebenen Kälber aus demselben Herkunftsbetrieb stammten wie das Kalb, bei
dem Östrogen festgestellt worden war. Vor allem aber bestand die Möglichkeit,
kurzfristig durch Untersuchung der 6 verbliebenen Kälber seitens des Beklagten zu
klären, ob tatsächlich von diesen Tieren für die Gesundheit der Verbraucher eine Gefahr
ausging. Eine Inanspruchnahme des Klägers wäre deshalb etwa in der Weise
gerechtfertigt gewesen, daß er Untersuchungen der 6 Kälber durch die Behörde und ein
Verbot, die Kälber von ihrem Standort zu entfernen, für die notwendige Dauer der
Untersuchungen durch die Behörde hätte dulden müssen. Demgegenüber geht die
angegriffene Verfügung, die ein endgültiges Entfernungsverbot und
Rückstandsuntersuchungen der 6 Kälber auf östrogenwirksame Stoffe auf Kosten des
Klägers anordnet, zu weit. Sie verletzt das Übermaßverbot, weil sie sich nicht auf
einstweilige Maßnahmen zur Feststellung des Vorliegens einer tatsächlichen
Gesundheitsgefahr beschränkt.
III. Nach alledem war die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte
festzustellen, wobei zur Klarstellung darauf hingewiesen sei, daß diese Feststellung
sich nicht auf den Teil des Bescheids vom 9. Februar 1981 bezieht, der die
Ordnungsverfügung vom 23. Dezember 1980 - zu Recht - aufhebt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 ZPO.
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