Urteil des VG Münster vom 17.03.2010

VG Münster (kläger, vertrag, kindergarten, treu und glauben, folgekosten, stadt, gemeinde, höhe, herstellung, fläche)

Verwaltungsgericht Münster, 3 K 211/09
Datum:
17.03.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 211/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in
gleicher Höhe Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d
1
Die Beklagte nahm Ende der 90er Jahre die Bauleitplanung des über 27 ha großen
Gebietes "X1. E. " in der Flur 11 der Gemarkung "S. links der Ems" in Angriff. Hieraus
resultiert der Bebauungsplan Nr. 298 der Stadt S. , der in seinen vier Teilen "X1. E. - A,
B, C und D eine Fläche von ca. 17,5 ha erfasst, hierin nahezu ausschließlich WA II-
Nutzung festsetzt, am 3. Juli 2001 vom Rat der Stadt S. beschlossen und am 19. Juli
2001 öffentlich bekannt gemacht worden ist. Die Begründung dieses Bebauungsplanes
geht u. a. zum Punkt "Gemeinbedarfsfläche Kindergarten" auf das Gesamtgebiet "X1. E.
" ein und berechnet diesen Bedarf mit einer Zwei-Gruppen-Anlage in maximal
zweigeschossiger Bauweise.
2
Zum Zweck der Neuordnung der Grundstücksverhältnisse sowie zur Beteiligung der
planbegünstigten Grundstückseigentümer an den entwicklungsbedingten Kosten der
Planung trat der Beklagte bereits im Jahr 1999 u.a. an die Mutter des Klägers, Frau N. F.
, heran. Frau N. F. war damals zu 1/2 Eigentümerin des Grundstücks Flur 11, Flurstück
411, in einer Größe von insgesamt 15.043 qm, sowie Eigentümerin des Grundstücks
Flur 11, Flurstück 413 in einer Größe von 2.749 qm. Bis zum 4. Dezember 2000 übertrug
sie das Eigentum am letztgenannten Grundstück auf den Kläger.
3
Am 5. Dezember 2000 schloss die Beklagte mit Frau N. F. , am 1. Februar 2001 mit dem
Kläger jeweils einen Städtebaulichen Vertrag mit dem Ziel, die tatsächliche
Verfügbarkeit von Baugrundstücken in S. zu sichern und die Eigentümer der
4
Grundstücke an den entwicklungsbedingten Kosten zu beteiligen. Die - insoweit
übereinstimmenden - Verträge regeln in § 1 das Umlegungsverfahren "U 12 - X1. E. I"
gemäß §§ 45 ff BauGB, das sodann durch Beschluss des Umlegungsausschusses der
Stadt S. vom 15. April 2002 abgeschlossen wurde.
Vorbemerkungen
5
1. Die Stadt S. beabsichtigt eine Fläche zwischen O. Straße, G.-----straße , E1. Straße
und A.-------straße in einer Größe von ca. 273.576 m² einer städtebaulichen Entwicklung
zuzuführen. Diese Entwicklung soll in dem Bebauungsplan Nr. 298, Kennwort: "X1. E. ",
münden. Ziel dabei ist es, 75 % der jetzigen Fläche als Baufläche auszuweisen,
insoweit also ca. 203.856 m². Dieser Wert soll gleichzeitig Grundlage für alle weiteren
Berechnungen sein.
6
2. In einem ersten Abschnitt soll eine Fläche von ca. 175.000 m² einer städtebaulichen
Entwicklung zugeführt werden und zwar in dem Bebauungsplan Nr. 298, Kennwort: "X1.
E. , Teile A, B, C und D".
7
§ 1 Abs. 5 und Abs. 6 des Vertrages lauten:
8
(5) Der Grundstückseigentümer verzichtet gegenüber dem Umlegungsausschuss der
Stadt S. im Umlegungsverfahren auf Rechtsmittel, und zwar im Hinblick auf folgenden
Verteilungsmaßstab (§ 56 Abs. 2 BauGB):
9
a) Der Grundstückseigentümer erhält pauschal 75 % seiner Einwurfsfläche als
Baufläche wieder zugeteilt. Für die Durchführung der vorgesehenen
Infrastrukturmaßnahmen (z.B. Gemeinbedarfs-, Verkehrs- und Grünflächen) erhält die
Stadt S. den Flächenbeitrag von pauschal 25 % der Einwurfsfläche.
10
b) Die Einhaltung des Zuteilungsanspruches in Höhe von 75 % der Einwurfsfläche kann
in Abhängigkeit von einer zweckmäßigen Bauplatzbildung um +/- 5 % abweichen. Die
Mehr- oder Minderflächen sind mit 260,00 DM/m² auszugleichen.
11
(6) Die übrigen Regelungen dieses Vertrages werden nicht Bestandteil der
Umlegungsregelung, sondern im Rahmen der Umsetzung dieses Vertrages vollzogen.
12
Zur Kostenbeteiligung der Eigentümer haben die Beteiligten (u.a.) folgende Regelungen
vereinbart:
13
§ 4
14
Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderen
Wohnraumversorgungsproblemen
15
(1) Zur angemessenen Beteiligung an der Deckung des Wohnbedarfs von
Bevölkerungsgruppen von S. mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen
verpflichtet sich der Grundstückseigentümer zur Zahlung eines Ausgleichsbetrages.
Dieser beträgt 2,5 % des beitragspflichtigen lagetypischen Baulandwertes der reinen
Wohnbauflächen (Nettobauland).
16
(2) Der voraussichtliche lagetypische Wert der Baugrundstücke im Bereich des
17
künftigen Bebauungsplanes Nr. 298, Kennwort "X1. E. ", wird mit 260,00 DM/m²
angesetzt. Unter Zugrundelegung dieses Wertes beträgt der Ausgleichsbetrag 6,50
DM/m² Bauland.
§ 8
18
Verlagerung der Luftrettungsstation
19
(1) Nach dem vorliegenden Gutachten des Büros B. , M. , ist die Verlagerung der heute
im Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 298, Kennwort: "X1. E. ", gelegenen
Luftrettungsstation unabdingbare Voraussetzung für die Umsetzung des
Bebauungsplanes. Die Kosten für die Verlagerung werden sich auf 3.672.000,00 DM
belaufen.
20
(2) Der Kreis T. als Träger der Luftrettung wird sich mit einem Betrag von 1.800.000,00
DM an den in Absatz 1 genannten Kosten beteiligen. Von den jetzigen
Grundstückseigentümern ist der verbleibende Betrag von 1.872.000,00 DM zu tragen,
mithin 9,18 DM/m² Bauland.
21
§ 10
22
Neubau des Kindergartens/-spielplatzes
23
(1) Durch den Bebauungsplan Nr. 298, Kennwort "X1. E. ", wird Wohnbauland in
erheblichem Umfang geschaffen und in dem Baugebiet sollen ca. 800 Wohneinheiten
für ca. 2.300 Personen errichtet werden. Bedingt dadurch ist es erforderlich, für die dort
künftig lebende Bevölkerung einen Kindergarten und Kinderspielplatz herzustellen.
24
(2) Die Kosten für die Herstellung des Kindergartens belaufen sich auf 1.500.000,00
DM, wobei bei der jetzigen Rechtslage und den derzeitigen Festbeträgen von einer
Bezuschussung in Höhe von 750.000,00 DM auszugehen ist. Insoweit sind von den
jetzigen Eigentümern 750.000,00 DM zu tragen, mithin 3,68 DM/m² Bauland.
25
§ 12
26
Zahlung der Kosten
27
(1) Die in den §§ 5-11 dieses Vertrages genannten Maßnahmen sind im beigefügten
Erläuterungsbericht, der Bestandteil dieses Vertrages ist, näher beschrieben. Die
einzelnen Maßnahmen sind Voraussetzung oder Folge der Ausweisung von Bauland im
künftigen Gebiet des Bebauungsplanes Nr. 298, Kennwort: "X1. E. ". Die Kosten werden
der Stadt S. weder durch Beiträge noch durch sonstige Zuwendungen Dritter erstattet.
Die Maßnahmen beruhen auf heutigen Standards und werden von den Vertragsparteien
hinsichtlich der Höhe der Kosten und der Erforderlichkeit unstreitig gestellt.
28
(2) Der Grundstückseigentümer hat durch die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr.
298, Kennwort: "X1. E. ", einen Sollanspruch von 2.062 m² Bauland. Die in den §§ 4-11
dieses Vertrages genannten Kosten belaufen sich auf 60,89 DM/m² Bauland, so dass
vom Grundstückseigentümer bezogen auf den Sollanspruch ein Gesamtbetrag von
125.555,18 DM (64.195,34 EUR) zu zahlen ist.
29
(5) Sofern der im § 10 dieses Vertrages genannte Kindergarten nicht hergestellt wird,
werden die Kosten an den Grundstückseigentümer erstattet. Ebenso werden die im § 8
genannten Kosten an den Grundstückseigentümer erstattet, wenn die Luftrettungsstation
aus S. abgezogen werden sollte und deshalb der Bau der neuen Luftrettungsstation an
der Lindenstraße nicht mehr erforderlich wäre.
30
(6) Die Vertragsparteien sind sich einig, dass die übrigen in diesem Vertrag genannten
entwicklungsbedingten Kosten mit der Zahlung abgelöst sind und weder ein Anspruch
der Stadt S. auf Nachforderung noch ein Anspruch des Grundstückseigentümers auf
Rückforderung besteht.
31
Die Beklagte hat die Verlagerung der Luftrettungsstation mittlerweile durchgeführt. Zur
Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderen
Wohnraumversorgungsproblemen hat sie im Wesentlichen zu einer sozialen
Wohnraumförderung gemäß einer Richtlinie für die Vergabe von städtischen
Zuschüssen für die Unterbringung von sonstigen Bevölkerungsgruppen mit besonderen
Wohnraumversorgungsproblemen gegriffen. Ein auf einem städtischen Grundstück im
"X1. E. ", Teil D, vorgesehener Kindergarten ist bislang nicht errichtet worden.
Angesichts der noch nicht ausreichenden Bebauungs- und Siedlungsdichte hat die
Beklagte den im Südwesten des "X2. E. ", Teil B, gelegenen St. S1. -Kindergarten
erweitert sowie die Möglichkeit ausgenutzt, auf der außerhalb des X2. gelegenen
Hofstelle M1. einen Ein-Gruppen-Kindergarten einzurichten.
32
Die vorstehende Behandlung bzw. Abwicklung des Städtebaulichen Vertrages sowie
eine aus ihrer Sicht eingetretene Kostenersparnis bei der Verlegung der
Luftrettungsstation hatte Frau N. F. zum Anlass genommen, durch anwaltliche
Schriftsätze vom 15. April 2008 und 17. Juni 2008 Erstattungsansprüche in Höhe von
57.962,98 EUR beim Beklagten geltend zu machen.
33
Auf Grundlage des Schriftsatzes vom 17. Juni 2008 kam es am 28. August 2008 zu
einem Gespräch in der Verwaltung der Beklagten, an dem Rechtsanwalt Dr. C. als
Bevollmächtigter Frau F1. sowie deren Ehemann teilnahmen. Ein sachliches Ergebnis
konnte in diesem Termin nicht erzielt werden. Der Kläger hatte unter dem 16. August
2008 ebenfalls eine Vollmacht erteilt.
34
Am 5. Februar 2009 hat der Kläger Klage auf Erstattung eines Betrages von 21.644,61
EUR erhoben. Zur Begründung führt er aus, der nach § 10 des Städtebaulichen
Vertrages vorgesehene Kindergarten werde - wie Entschließungen des
Jugendhilfeausschusses des Rates der Beklagten vom 18. September 2008 auswiesen
- nicht mehr verwirklicht werden; es werde bei den Ersatzregelungen in Form der
Erweiterungen des St. S1. -Kindergartens sowie der Einrichtungen auf der Hofstelle M1.
bleiben. Auf Basis des gezahlten Zuschusses von 3,68 DM/qm ergebe sich ein
Rückerstattungsanspruch von 7.588,16 DM (3.879,76 EUR). Da die für den Bau des
Kindergartens vorgesehene Fläche nicht mehr benötigt werde, sei ihr Gegenwert an die
Anlieger herauszugeben. Der hieraus resultierende Anspruch belaufe sich auf 4.267,00
EUR. Die Beklagte habe bei der Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen
mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen gemäß § 4 des Vertrages nicht zu
finanzieller Förderung i.S. einer sozialen Wohnraumförderung greifen dürfen. Die
Fehlleitung der vertraglichen Leistung führe zu einem Erstattungsanspruch (in Höhe des
erbrachten Ausgleichsbetrages von 6.852,85 EUR (entsprechend 2.062 qm x 6,50 DM).
Mangels näherer Aufschlüsselung seien die Aufwendungen für die Verlagerung der
35
Luftrettungsstation gemäß § 8 des Städtebaulichen Vertrages nicht nachvollziehbar. Er
müsse davon ausgehen, dass Ausbaukosten in einer Gesamthöhe von 657.000,00 EUR
zu viel angesetzt worden seien; der hieraus abzuleitende Rückgewähranspruch belaufe
sich auf 6.645,00 EUR. Sein Prozessbevollmächtigter habe seine vorprozessualen
Bemühungen (Schriftverkehr, mündliche Verhandlung mit Vertretern der Beklagten) in
einer Kostennote mit 1.902,81 EUR berechnet; diese Nebenkosten habe die Beklagte
zu tragen.
Der Kläger beantragt,
36
die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag von 8.146,76 EUR nebst 5 % Zinsen
über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2002 sowie einen weiteren Betrag von
13.497,85 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu
zahlen, ferner ihn von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen.
37
Die Beklagte beantragt,
38
die Klage abzuweisen.
39
Zur Begründung führt sie aus, eine Standortbestimmung für den zu verwirklichenden
Kindergarten sei in dem mit dem Kläger geschlossenen Städtebaulichen Vertrag nicht
vorgesehen. Eine Errichtung an der vorgesehenen Stelle sei jedoch spätestens im Jahr
2013 zu erwarten, wenn nicht nur der X1. E. in seinen Teilen A bis D, sondern auch der
X1. E. in seinem weiteren Teil E sowie die weitere Umgebung mit Wohnbebauung
besetzt sein werde. Dann werde die Ersatzlösung über den St. S1. -Kindergarten sowie
den Kindergarten auf der Hofstelle M1. nicht mehr ausreichen. Der Zeitraum zwischen
Abschluss des Städtebaulichen Vertrages und Verwirklichung des Kindergartens könne
angesichts der Größe des X2. nicht als ungewöhnlich gelten. Im Übrigen erreichten die
Kosten für die Zwischenlösungen die für eine Verwirklichung des Kindergartens im
Planbereich veranschlagte Höhe. Der Wert der für den Kindergarten vorgesehenen
Fläche sei ohnehin nicht gegenüber den Vertragspartnern auszugleichen. Das
betreffende Grundstück sei der Stadt in der Umlegung nicht als Gemeinbedarfsfläche,
sondern als Wohnbauland zugewiesen worden. Mit diesem Nutzungszweck würde die
Fläche auch verwendet werden, sollten die Ausführungen des Klägers zur
fehlgegangenen Nutzung als Kindergarten zutreffen. Fördermittel gemäß § 4 des
Vertrages i.V.m. der zugehörigen Richtlinie seien bereits in einer Größenordnung von
mehr als 100.000 EUR geflossen. Eine Differenzierung zwischen finanziell Bedürftigen
und Personengruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen stehe im
vorgegebenen rechtlichen Zusammenhang nicht an. Die für die Verlegung der
Luftrettungsstation entstandenen Kosten seien in den Akten ihrer Verwaltung im
Einzelnen niedergelegt worden. Es hätten sich keine Beanstandungen ergeben. Die
tatsächlichen Aufwendungen hätten die vertraglich vereinbarten Folgekosten sogar um
gut 45.000,00 EUR überschritten.
40
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, insbesondere der wechselseitigen Schriftsätze des Klägers vom 5.
Februar 2009 und 23. Juni 2009 sowie des Beklagten vom 11. Mai 2009 und 18. August
2009, ferner auf den Inhalt der Verwaltungsvorgänge (Beiakten Hefte 1 und 3)
verwiesen.
41
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
42
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist bereits unzulässig; überdies wäre sie - Zulässigkeit
unterstellt - auch unbegründet.
43
A. Die Klage ist unzulässig.
44
Eine an sich statthafte Leistungsklage erweist sich nur dann als zulässig, wenn der
betreffende Kläger die Behörde mit seinem Begehren befasst hat, bevor er das Gericht
einschaltet. Insoweit handelt es sich nach gefestigter Rechtsprechung um ein
unverzichtbares und im gerichtlichen Verfahren nicht nachholbares Merkmal der
Zulässigkeit.
45
Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1978 - 5 C 1.78 -, E 57, 204; OVG NRW, Urteil
vom 17. September 1993 - 8 A 1782/91 -.
46
Zwar hat das BVerwG diese Rechtsprechung durch Urteil vom 28. Juni 2001
47
- 2 C 48.00 -, E 114, 350 -
48
in einer beamtenrechtlichen Streitigkeit ergänzt. Damit hat sich in der Einstufung des
genannten Erfordernisses der "vorprozessualen Abmahnung" als
Zulässigkeitsvoraussetzung der Leistungsklage im Grundsatz jedoch nichts geändert.
Der Gedanke, dem stehe die Kostenregelung des § 156 VwGO zur Kostenlast des
Klägers bei sofortiger Anerkenntnis der Behörde nach Klageerhebung entgegen (auch
hierzu BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2001, a.a.O.), vermag die in den Grundzügen
einhellige Rechtsprechung ohnehin nicht zu beeinflussen. Denn auch § 156 VwGO
setzt dem Tatbestand nach eine vorprozessuale Befassung durch die Behörde voraus.
Ferner entspricht es dem in § 75 VwGO niedergelegten Rechtsgedanken, dass die
Behörde nicht damit rechnen muss, erstmals infolge der Klage Kenntnis von dem
konkreten Begehren des Klägers zu erhalten. Denn dieser Norm gemäß wird ihr selbst
in Fällen derjenigen Klagearten eine Überlegensfrist zugestanden, in denen ohnehin
ein Vorverfahren vorauszugehen hat.
49
Der Kläger hat diese Zulässigkeitsvoraussetzung nicht beachtet. Lediglich seine Mutter,
Frau N. F. , hatte die Beklagte mit dem Begehren einer (teilweisen) Rückabwicklung
eines den X1. E. betreffenden Städtebaulichen Vertrages befasst. Insoweit handelte es
sich jedoch um einen anderen Streitgegenstand, nämlich um den selbständigen Vertrag
vom 5. Dezember 2000; dieser betraf ein anderes Grundstück, vor allem aber einen
anderen Ausgleichsbetrag bzw. Kostenbeitrag. Überdies entsprechen die sachlichen
Beanstandungen, die Frau N. F. gegenüber der Beklagten geltend gemacht hatte, nicht
vollinhaltlich den Posten, die der Kläger argumentativ und dem Petitum nach zur Klage
gestellt hat. Hieraus sowie aus den unterschiedlichen Vertragsgegenständen folgt
natürlicherweise, dass die Gemeinde sich in Folge der Klageerhebung des Klägers
insgesamt mit finanziell höheren Belastungen konfrontiert sehen musste. Ein
vorprozessualer Antrag im Sinn der Rechtsprechung kann auch nicht deshalb als
entbehrlich erachtet werden, weil der Kläger im Verlaufe der Auseinandersetzungen
seiner Mutter mit der Behörde eine Vollmacht erteilt hat. Denn aus dieser Vollmacht ist
vor Klageerhebung gerade kein selbständiges Verfahren erwachsen. Selbst das
Gespräch bei der Beklagten vom 28. August 2008 bezog sich ausdrücklich auf den
anwaltlichen Schriftsatz vom 17. Juni 2008. Zu jenem Zeitpunkt war jedoch lediglich
Frau N. F. mit Leistungsbegehren bei der Beklagten vorstellig geworden. Die vom
50
Kläger ausgestellte Vollmacht datiert erst auf den 16. August 2008. Die Konkretisierung
eines bestimmten Leistungsantrags, d. h. vor allem einer bestimmten Geldforderung, hat
sich hieraus nicht ergeben. Solches behauptet auch weder der (seit dem 16. August
2008) Bevollmächtigte des Klägers noch dessen (damals nicht bevollmächtigte) Vater,
Herr X3. F. . Insoweit kann es gleich bleiben, zu welchem Zeitpunkt des
Gesprächstermins am 28. August 2008 die Vollmacht vorgelegt worden ist. Schließlich
belegt der Inhalt des vom Kläger nachgewiesenen Schriftverkehrs, dass das
Auswechseln der bisherigen Anspruchsführerin, Frau N. F. , gegen den Kläger als die
Klage betreibende Person erst einer auf Januar 2009 zu datierenden internen
Absprache folgte. Dieser Wechsel war von der Beklagten auch in deren letzten
vorprozessualen Schriftsatz vom 26. November 2008 noch nicht als bekannt
vorausgesetzt worden; dessen Wortlaut bezieht sich insoweit nur auf Vertragsinhalte,
die ohnehin für alle Verträge galten, also auch für die Verträge der weiteren Mitglieder
der Familie F. . Die (nur) im Schriftverkehr vom 17. Juni 2008/26. November 2008
benutzten Worte "Mandantschaft" bzw. "Mandanten" haben keine Konkretisierung
zugunsten des Klägers oder weiterer Familienmitglieder oder Vertragsparteien -
übergeben wurde auch eine isolierte Vollmacht aus der Feder einer Frau J. C1. , geb.
N1. - gefunden; ebenfalls ist der in der mündlichen Verhandlung von der Klägerseite
eingeführte Begriff "Im Namen aller Beteiligten" nirgendwo aktenkundig geworden.
B. Die Klage wäre überdies - Zulässigkeit unterstellt - nicht begründet.
51
I. Für die Klage auf Herausgabe eines Gegenwertes von 4.267,00 EUR findet sich keine
Anspruchsgrundlage. Dieser Posten betrifft der Sache nach nichts anderes als eine
Korrektur der Neuordnung der Grundstücke nach § 1 des Städtebaulichen Vertrages
vom 1. Februar 2001. Für einen solchen Anspruch steht die Leistungsklage allenfalls als
Annex des Rechtsmittels zur Verfügung, das gegenüber der Umlegung selbst
durchzuführen ist. Ein solches - zumal unanfechtbar zu seinen Gunsten lautendes oder
ansonsten vollziehbares - Ergebnis als Korrektur des Umlegungsverfahrens hat der
Kläger ausweislich seines Klagevorbringens nicht vorzuweisen. Bereits eine
entsprechende Antragstellung als Eröffnung eines entsprechenden Verfahrens ist den
zugehörigen Ausführungen der Klageschrift nicht zu entnehmen, so dass sich Fragen
des § 217 BauGB i.V. m. § 17 a Abs. 2 GVG, ggfs. des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG,
ebenfalls nicht stellen.
52
Überdies besteht nach Herkunft und bauplanungsrechtlicher Erfassung dieses
"Kindergartengrundstücks" objektiv gar kein Anlass zu einer abweichenden rechtlichen
Neubewertung im Rahmen des § 1 des Vertrages; zu diesen beiden Merkmalen trägt
der Kläger auch nicht vor.
53
II. Ein Anspruch auf Rückgewähr von Leistungen i. S. d. einzelnen Posten, aus denen
der Kläger seinen Klageanspruch zusammensetzt, findet keine Substanz unmittelbar in
dem durch den Städtebaulichen Vertrag vom 1. Februar 2001 zwischen den Beteiligten
begründeten Rechtsverhältnis. Die dem Kläger zustehenden Rechtsfolgen aus diesem
Vertrag sind im Wesentlichen über § 11 BauGB zu entwickeln. Denn neben der
Neuordnung der Grundstücksverhältnisse liegen dem Gegenstand nach
Vereinbarungen vor, die gesetzlich ausdrücklich von § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und Nr. 3
BauGB erfasst werden. Der hier maßgebliche Normgehalt hat sich seit dem Datum des
Vertragsschlusses nicht verändert.
54
1. Vertragsbezogene schuldrechtliche Anspruchsgrundlagen - etwa im Sinn eines
55
Minderungsrechts wegen Teilerfüllung bestimmter einzelner Posten - fehlen. Dies folgt
bereits daraus, dass die Beklagte nach § 11 BauGB i. V. m. dem Wortlaut des Vertrages
vom 1. Februar 2001 dem Kläger nicht die Errichtung eines bestimmten Kindergartens
an einer bestimmten Stelle und zu bestimmten Kosten sowie einer Luftrettungsstation zu
bestimmten Kosten (§§ 10 und 8 des Vertrages i. V. m. § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BauGB),
ferner nicht die Deckung eines bestimmten Wohnbedarfs (§ 4 des Vertrages i. V. m. § 11
Abs. 1 S. 2 Nr. 2) BauGB schuldete oder schuldet. Die bezeichneten Rechtsgrundlagen
sehen kein Austauschverhältnis zwischen den Leistungen des Klägers und den
Gegenständen des Städtebaulichen Vertrages dergestalt vor, dass der Kläger bei
abweichender Verwirklichung der Vertragsgegenstände, abweichender Folgekostenlast
oder fehlender Ausschöpfung der auf bestimmte Vertragsgegenstände bezogenen
Ausgleichsbeträge ein schuldrechtlich verankerter Anspruch auf Rückgewähr wegen
Teilerfüllung zukommen könnte. Dem privaten Vertragspartner steht aus § 11 BauGB
nicht einmal ein vertraglicher Anspruch auf Planerfüllung zu; er erscheint lediglich als
Begünstigter des Planungszieles - dies insoweit, als seiner grundsätzlichen
Bauwilligkeit durch bauplanungsrechtliche Umwandlung von Ackerland in Bauland
entsprochen wird; weitergehende Rechte scheitern insoweit an der Planungshoheit der
Gemeinde. Angesichts dieser in jeder Hinsicht hinkenden vertraglichen Rechte des
privaten Vertragspartners bedarf es keiner Vertiefung, ob die vom Kläger formulierten
Ansprüche die Quoten der jeweils behaupteten Teil- oder Schlechterfüllung zutreffend
widerspiegeln.
2. In Ausnahme von dieser gesetzlichen Regel haben die Beteiligten zwar mit § 12 Abs.
5 des Vertrages ausdrücklich eine Erstattungsregelung vorgesehen. Deren
Voraussetzungen sind jedoch nicht eingetreten.
56
a. Ein Anspruch auf Rückerstattung der gemäß § 10 des Vertrages geschuldeten
Folgekosten auf Grundlage des § 12 Abs. 5 S. 1 scheitert, weil es nicht an einer
Herstellung des in § 10 genannten Kindergartens fehlt. Denn der vertragliche Wortlaut
erfasst diesen Kindergarten lediglich über die Beschreibung eines Bedarfs (Abs. 1);
entsprechend orientiert sich die Kostenberechnung (Abs. 2). Die Ausführungen zu Ziff.
4.2 des beigefügten Erläuterungsberichts enthalten keine darüber hinausgehende
Regelung. Hiermit haben die Vertragsparteien ersichtlich nur - gegenüber der Regelung
der Folgekosten i.S.d. § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BauGB aber völlig ausreichend - die
Kausalität zwischen der städtebaulichen Maßnahme und dem für die Herstellung des
Kindergartens prognostizierten Bedarf nebst Kosten bezeichnen wollen. Nicht-
Herstellung gemäß § 12 Abs. 5 S. 1 des Vertrages könnte deshalb nur eintreten bzw.
eingetreten sein, hätte die Beklagte von einer bedarfsorientierten Errichtung eines
Kindergartens im beschriebenen Sinn Abstand genommen. Hiervon kann keine Rede
sein. Dem insoweit nicht widersprochenen Vortrag der Beklagten ist vielmehr zu
entnehmen, dass sie seit Beginn der Bebauung im Geltungsbereich des
Bebauungsplanes Nr. 298 eine bedarfsorientierte Steuerung der Einrichtung von
Kindergartenplätzen durchführt. Den detailliert durch Zahlen belegten Ausführungen der
Klageerwiderungen ist ferner zu entnehmen, dass im weiteren Verlauf - die Beklagte
führt auch insoweit prognostisch nachvollziehbar das Jahr 2013 an - der aus dem "X1.
E. , Teile A bis D" erwachsende B edarf nicht mehr über die Zwischenlösungen im St.
S1. -Kindergarten sowie auf der Hofstelle M1. abgedeckt werden kann. Die
Ausführungen lassen - auch insoweit objektiv vollständig nachvollziehbar - statt dessen
erkennen, dass der zu erwartende Siedlungsdruck im Umfeld des "X2. E. - Teile A bis
D" - einschließlich des "Nachwachsens" der heute ein- bis dreijährigen Kinder dazu
führen wird, dass diese Zwischenlösungen entfallen werden. Berechnungen und
57
Erwartungen der Beklagten stellen sich als schlüssig, insbesondere als
widerspruchsfrei dar, wie gerade auch die heute zu den Akten gereichten Unterlagen
zeigen. Die vom Kläger zitierten Überlegungen des Jugendhilfeausschusses des Rates
der Beklagten vom 18. September 2008 beschäftigen sich nicht explizit mit dem
Merkmal der Herstellung oder Nicht-Herstellung des Kindergartens i. S. d.
ausdrücklichen Regelungen gemäß §§ 10 Abs. 1 und 2, 12 Abs. 5 S. 1 des
Städtebaulichen Vertrages vom 1. Februar 2001, insbesondere auch nicht mit einer
Prognose, wie sie die Beklagte im anhängigen Verfahren mit konkretem Bezug auf den
in Rede stehenden Vertrag geführt hat. Angesichts der Größe des Gesamtgebietes des
"X2. E. " von 27 ha sowie der Größe der Teile A bis D von 17,5 ha muss das Verhalten
der Beklagten, nämlich die Steuerung der Deckung eines vorläufigen Bedarfs an
Kindergartenplätzen, verbunden mit einer Prognose für den Zeitpunkt des Abschlusses
der Siedlungstätigkeit, auch für den dabei erkennbar gewordenen Zeitrahmen als i. S. d.
§ 12 Abs. 5 S. 1 vertragsgerecht gelten. Dies gilt zumal deshalb, weil der Vertrag in
seinen Vorbemerkungen 1. und 2. ausdrücklich darauf verweist, es sei ein
Gesamtgebiet von ca. 27 ha der städtebaulichen Entwicklung zuzuführen, 75 % dieser
Fläche , also ca. 21 ha, sei als Baufläche vorgesehen; dieser Wert solle Grundlage für
alle weiteren Berechnungen sein. Damit wird unzweideutig klargestellt, auf welcher
Basis die Beklagte ihre Bedarfsprognosen auszurichten hatte und hat.
Die insoweit den Vorgaben des § 10 des Vertrages entsprechenden Maßnahmen der
Beklagten genügen überdies - wie zu zeigen sein wird - den Geboten der Kausalität aus
§ 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BauGB.
58
b. Ein Anspruch auf Rückerstattung der gemäß § 8 des Vertrages geschuldeten
Folgekosten auf Grundlage des § 12 Abs. 5 S. 2 scheitert daran, dass die Ereignisse, an
die diese Vertragsklausel anknüpft, nicht eingetreten sind.
59
c. Eine - wie auch immer berechnete - Rückgewähr von Leistungen des Klägers wegen
Nicht- oder Teilerfüllung unmittelbar aus vertraglicher Regelung scheidet deshalb aus.
60
Es bleibt an dieser Stelle deshalb lediglich der Hinweis, dass die - gegenüber dem
Kläger vertraglich nicht geschuldete - Planerfüllung mit Inkrafttreten des
Bebauungsplanes Nr. 298 am 19. Juli 2001 eingetreten ist, damit Befriedigung des
privaten Vertragsinteresses.
61
III. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch des Klägers folgt nicht aus einer
Nichtigkeit oder Teilnichtigkeit des Städtebaulichen Vertrages vom 1. Februar 2001.
Dieser entspricht vielmehr den insoweit einschlägigen Anforderungen des § 11 BauGB
und bildet deshalb nach wie vor einen Rechtsgrund für die Vermögensverschiebung auf
öffentlich-rechtlicher Basis.
62
1. Der Vertrag verstößt nicht gegen § 11 Abs. 2 S. 1 BauGB. Danach müssen die
vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein. Diese
materiell-rechtliche Anforderung betrifft den vertraglichen Ansatz. Dass in dem
Städtebaulichen Vertrag vom 1. Februar 2001 ein Missverhältnis zwischen dem
klägerischen Baulandgewinn durch Errichtung des Bebauungsplanes Nr. 298
gegenüber den gemäß §§ 4, 8, 10 vorgesehenen Ausgleichsbeiträgen und Kosten
angelegt sein sollte, findet bereits im Vortrag des Klägers keinen Anhalt. Objektiv ergibt
sich keinerlei Grundlage für diese Annahme, wie die vertraglich niedergelegten Werte
im Einzelnen ausweisen. Darin haben Kläger und Beklagte den lagetypischen Wert der
63
Baugrundstücke mit 260,00 DM/qm, hingegen die hier strittigen Ausgleichsbeiträge bzw.
Folgekosten gemäß §§ 4, 8 und 10 auf 6,50 DM/qm, 9,18 DM/qm und 3,68 DM/qm
festgesetzt. Selbst der Gesamtbetrag der vertraglichen Leistungen des
Planbegünstigten von 60,89 DM/qm oder eine die Folgekosten und Ausgleichsbeiträge
übergreifende wirtschaftliche Betrachtung des Gesamtvorgangs anhand der Akten
sowie des wechselseitigen Vorbringens bieten nicht einmal einen Ansatz, den
gesamten Umständen nach von einer fehlenden Angemessenheit zu sprechen.
2. Eine im Vertrag angelegte Nichtigkeit der in §§ 4, 8, 10 vereinbarten Klauseln aus
Gründen des § 11 Abs. 1 S. 2 BauGB ist nicht zu erkennen.
64
a. Die Regelung des § 4 des Vertrages über den Ausgleichsbetrag von 6,50 DM/qm
Bauland für die von der Beklagten vorzunehmende Deckung des Wohnbedarfs in
bestimmten Fällen entspricht § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BauGB. Die Vorschrift ist
einschlägig. Zwar geht der gesetzliche Tatbestand von einer Verpflichtung aus, die dem
privaten Vertragspartner auferlegt wird. Da die Fallgruppen des § 11 Abs. 1 S. 2 BauGB
aber ohnehin nicht als abschließender Katalog zu verstehen sind, steht die Verteilung
der darin hervorgehobenen vertragsgegenständlichen Aufgaben frei. Ein Vertrag, der
die Steuerung der darin erfassten Ziele durch die Gemeinde vorsieht, begegnet deshalb
keinen Bedenken. Er erscheint als eine dem Einzelfall genügende Regelung sogar
angemessen und wünschenswert, wenn - wie hier - die Gemeinde zugleich in einem
wesentlichen Umfang privatrechtliche Eigentümerin der planerfassten Grundstücke ist.
Entsprechend bleibt es bedenkenfrei, wenn der private Vertragspartner von der
unmittelbar an § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BauGB ausgerichteten Leistung befreit wird,
stattdessen mit der Gemeinde einen "Ausgleichsbetrag" i. S. d. § 4 des Vertrages
vereinbart. Die Bestimmung des § 4 des Vertrages sowie dessen Handhabung genügt
dem Tatbestand des § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BauGB. Der Begriff der "Bevölkerungsgruppe
mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen" ist dem Vertragscharakter gemäß im
städtebaulichen Zusammenhang zu verstehen. Inhaltlich geht es deshalb nicht darum,
bestimmte Personengruppen etwa mit körperlicher Behinderung oder gesellschaftlich
(noch) fehlender Eingliederung zu versorgen. Vielmehr erleiden insbesondere solche
Personengruppen besondere Erschwernisse bei der Wohnraumversorgung, die durch
junges Alter, Kinderreichtum oder - wie etwa Alleinerziehende mit ein oder mehreren
Kindern - durch individuelle Prägungen im Familienverband gekennzeichnet sind.
Gegenüber diesem gesetzlich anerkannten Normverständnis erweisen sich die
Handhabung der Beklagten und das damit zum Ausdruck gekommene
Vertragsverständnis als beanstandungsfrei. Das zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses
verfügbare Datenmaterial sowie die fiskalische Handhabung sind von der Beklagten
mehrfach schriftlich fixiert worden; das Gericht verweist in den Einzelheiten auf die
objektiven Hintergründe der ursprünglichen Prognosen einerseits sowie der
tatsächlichen Abwicklung andererseits, Klageerwiderungen vom 11. Mai und 18. August
2009.
65
Vgl. zum gesetzlichen Verständnis ansonsten: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger,
BauGB, Loseblattkommentar Stand Juni 2008, § 11 Rdn. 145 ff.
66
b. §§ 8 und 10 des Städtebaulichen Vertrages vom 1. Februar 2001 genügen den
tatbestandlichen Anforderungen des § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BauGB. Sowohl die Kosten
der Herstellung eines Kindergartens als auch die Kosten der Verlegung der
Luftrettungsstation stellen Folgekosten im Sinn dieser Norm dar.
67
Fragen der Ursächlichkeit stellen sich nicht. Das Merkmal der "Voraussetzung oder
Folge des geplanten Vorhabens" wird erfüllt, wenn - wie hier - der betreffende
Grundstückseigentümer das Merkmal der Bauwilligkeit erfüllt, auch wenn dies erst auf
eine Angebotsplanung der Gemeinde zurückzuführen ist. Ferner können die nach §§ 8
und 10 vereinbarten Beträge konkreten Zwecken zugeordnet werden, stehen vor allen
Dingen im sachlichen Zusammenhang mit den jeweiligen Vertragsgegenständen, für
deren Verwirklichung die Beklagte einzustehen hat. Gleiches gilt für die
Angemessenheit; insoweit haben die Beteiligten über § 12 Abs. 1 des Vertrages einen
Erläuterungsbericht eingefügt, der in seiner Konkretisierung deutlich abgrenzt zu
gesetzlich nicht gedeckten Verallgemeinerungen wie etwa gegenüber einer
schematischen Zuzugsabgabe.
68
Vgl. auch insoweit Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., Rdn. 164 ff.
69
§§ 8 und 10 des Städtebaulichen Vertrages vom 1. Februar 2001 genügen des Weiteren
den besonderen Anforderungen an die Kausalität zwischen städtebaulich relevantem
Verhalten des Klägers und städtebaulichen Maßnahmen, deren Kosten übernommen
werden. Das enge Verständnis dieser Ursächlichkeit, dass die Klage im Wesentlichen
auf Grundlage der Rechtsprechung des Nieders. OVG,
70
Urteil vom 10. Juli 2007 - 1 LC 200/05 -,
71
einführt, ist als überholt anzusehen. Zeitgleich mit der Klageerhebung hatte das BVerwG
sich eingehend und unter historischer Aufarbeitung früherer eigener Rechtsprechung mit
dem Merkmal der Ursächlichkeit gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BauGB befasst. Da
dieses höchstrichterliche Verständnis der Anforderungen an die Kausalität dazu führte,
gerade das soeben genannte Urteil des Nieders. OVG aufzuheben, sieht das Gericht
keinen Anlass, diese aktuelle Rechtsprechung des BVerwG zu übergehen.
72
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2009 - 4 C 15/07 -; zur Rechtsprechung des
Gerichts: Urteil vom 22. Oktober 2008 - 3 K 502/07 -, hierzu OVG NRW, Beschluss vom
20. Juli 2009 - 7 A 3015/08 -.
73
Nach aktueller Rechtsprechung des BVerwG sieht § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BauGB keine
Beschränkung der die Folgekosten auslösenden Maßnahmen auf das jeweilige
Bebauungsplangebiet vor. Städtebauliche Maßnahmen können auch außerhalb des
Plangebiets liegen. Ein Folgekostenvertrag ist auch dann mit § 11 BauGB vereinbar,
wenn der Bedarf für eine städtebauliche Maßnahme durch die Überplanung und
Bebauung mehrerer Bebauungsplangebiete verursacht wird. Auf die nach anderen
städtebaulichen Maßstäben vorzunehmende Aufteilung und Abgrenzung der
Bebauungsplangebiete kommt es für die Frage, ob Baugebiete einen kausalverknüpften
Folgebedarf auslösen, nicht an. Selbst die Gesamtkonzeption einer Gemeinde kann
geeignet sein zu belegen, dass eine städtebauliche Maßnahme die Folge mehrerer neu
ausgewiesener Baugebiete ist. Ein derartiges Gesamtkonzept erfüllt dann die
gesetzlichen Anforderungen, wenn die Gemeinde transparent, nachvollziehbar und
damit kontrollierbar belegt, dass die von ihr in einem überschaubaren zeitlichen
Zusammenhang zu beschließenden und realistischer Weise verwirklichungsfähigen
Bebauungspläne einen weiteren Bedarf an öffentlichen Einrichtungen hervorrufen. Ein
derartiges Konzept muss vom Rat der Gemeinde beschlossen und damit von seiner
planerischen und gestaltenden Willensbildung gedeckt sein.
74
Die Abhängigkeiten zwischen Bauwilligkeit, städtebaulichen Maßnahmen und
Herstellung eines Kindergartens - so, wie im Vertragstext umschrieben - genügen
vollinhaltlich gerade diesen neueren Anforderungen der Rechtsprechung. Dabei ist -
wie zuvor im Rahmen des § 12 Abs. 5 S. 1 des Vertrages ausgeführt - grundlegend auf
das Gesamtkonzept hinzuweisen, das der Rat der Stadt für den "X1. E. " in seinen
Teilen A bis D sowie das Gesamtgebiet von ca. 27 ha aufgestellt hat. Dieses hat Einzug
nicht nur in die Begründung des Bebauungsplanes Nr. 298, sondern auch in die
Präambel des Vertrages vom 1. Februar 2001 genommen. Dem genügt der vertragliche
Ansatz gemäß § 10. Denn die Kausalität der Folgekosten erwächst bereits daraus, dass
nach einer aus dem Gesamtkonzept abzuleitenden Prognose ein Bedarfszuwachs an
Kindergartenplätzen zu erwarten ist, der aus der städtebaulichen Maßnahme entspringt.
Der Vertrag kennzeichnet die prognostischen Grundlagen selbst mit Ziff. 1. und 2. der
Vorbemerkungen, § 10 Abs. 1 und Abs. 2 sowie mit Ziff. 4.2 des Erläuterungsberichts.
Die aktuelle, vor allem mit der Klageerwiderung vom 11. Mai 2009 geführte Prognose
bestätigt deren Aussagekraft. Denn danach ist gerade aus dem Druck der umgebenden
Siedlungstätigkeit sowie der Altersentwicklung im Bereich der ein- bis dreijährigen
sowie der bis sechsjährigen Kinder - d.h. mit Blick auf das Gesamtkonzept - ein Bedarf
zu erwarten, der sogar im näheren Bereich der Teile A bis D des "X2. E. " zu befriedigen
sein wird. Die Berechnungen und Erwartungen der Beklagten sind insoweit bis zum
Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung schlüssig, insbesondere widerspruchsfrei
geblieben; auf die Ausführungen zur Erstattungsregelung des § 12 Abs. 5 S. 1 des
Vertrages wird verwiesen. Auf Grund der neueren Rechtsprechung des BVerwG wäre
aber selbst gegenüber einer (vom Kläger beanstandeten) Vorgehensweise, den Bedarf
außerhalb der Planbereiche A bis D abzudecken, nichts zu erinnern. Denn das Gebot
der örtlichen Bindung an das Plangebiet - wie vom Nieders. OVG a.a.O. formuliert -
wurde vom BVerwG gerade nicht bestätigt. Es entspricht dem Erfordernis der Kausalität
aus § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BauGB, wenn - wie hier - der Bedarf für eine städtebauliche
Maßnahme durch die Überplanung und Bebauung mehrerer Plangebiete verursacht
wird. Um dies zu belegen, genügt eine Gesamtkonzeption, wie vorstehend erörtert.
75
Den Anforderungen der Rechtsprechung gegenüber erweist sich die Kausalität von
Bauwilligkeit, städtebaulicher Maßnahme und Folgekosten in Bezug auf die Verlegung
der Luftrettungsstation - so, wie im Vertrag angelegt - ebenfalls als zweifelsfrei.
76
Die Einwendungen gegenüber der Entwicklung der Kosten der Luftrettungsstation
vermögen den Vertrag vom 1. Februar 2001 - hier im Umfang des § 8 - nicht zu Fall zu
bringen. Fragen der Ursächlichkeit sind - wie bereits zur Angemessenheit - daran zu
messen, wie sie im Vertrag selbst angelegt worden sind. Insoweit wirft die dem Vertrag
zugrundegelegte Berechnung der Kosten der Verlegung auch auf Grundlage der
Klageschrift sowie der weiteren Klagebegründungen keine Bedenken auf. Die Klage
stellt vielmehr darauf ab, es sei eine Erstattung fällig, weil die weitere Entwicklung eine
Kostenersparnis auf Seiten der Gemeinde ergeben habe. Dem ist - rein faktisch -
insoweit beizutreten, als die Folgekosten auf Grund ihrer vertraglichen Gestaltung
lediglich auf bestimmte Posten baulicher Maßnahmen einschließlich eines anteiligen
Grundstückswertes, bereinigt um den Wert des aufzugebenden Grundstücks berechnet
worden sind, vgl. Ziff. II. 9. des Erläuterungsberichts, zu den zu berücksichtigenden
Grundstückswerten S. 9 der Klageerwiderung vom 11. Mai 2009. Demgegenüber hat die
Beklagte - wie die Klagebegründung vom 23. Juni 2009 zu Recht bemängelt - in die
Schlussrechnung der Verlegungskosten Beträge eingestellt, die dem Grunderwerb
zuzurechnen sind, nämlich Grundstückswechselkosten i.H.v. 17.340 EUR und
Verzinsung i.H.v. 66.018 EUR. Werden diese Posten herausgerechnet, so bleibt
77
insgesamt allerdings eine Abweichung der dem Vertrag im Jahr 2001 zugrundegelegten
Prognose von den tatsächlichen Kosten nur i.H.v. 3,9 v.H.. Dies ergibt sich aus dem
prognostizierten Aufwand von (umgerechnet) 957.000 EUR und dem tatsächlichen
Aufwand, der ohne Grundstückswechselkosten und Verzinsung mit 919,000 EUR zu
beziffern ist. Eine Abweichung von nur 3,9 v.H. der tatsächlichen Kosten von den zur
Zeit des Vertragsschlusses veranschlagten Kosten wird rechtlich jedoch von dem
Prognosecharakter gedeckt, der einem solchen Städtebaulichen Vertrag stets zugrunde
liegt. Diesen Gedanken greift bewusst § 12 Abs. 1 des von den Beteiligten
unterzeichneten Vertrages auf. Danach beruhen die Maßnahmen auf "heutigen
Standards und werden von den Vertragsparteien hinsichtlich der Höhe der Kosten und
der Erforderlichkeit unstreitig gestellt". Divergenzen im prognostischen Rahmen sind
deshalb auch nach dem vertraglich niedergelegten Willen hinzunehmen. Angesichts der
konkreten Fallumstände - namentlich des Umfangs der herauszurechnenden Teile des
Aufwandes sowie des Umfangs der verbleibenden Abweichung - bedarf es keiner
Festlegung, mit welcher prozentualen Abweichung der tatsächlichen von den
prognostizierten Kosten eine Missbilligungsgrenze erreicht wäre, die nach Treu und
Glauben sodann einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch stützen könnte. Das
BVerwG nimmt eine solche Missbilligungsgrenze in verwandten Rechtsgebieten - etwa
bei Ablösungsverträgen über Beitragspflichten - jedenfalls erst bei Abweichungen in
einer Größenordnung von 50 v. H. an,
vgl. etwa Urteil vom 9. November 1990 - 8 C 36.89 -.
78
3. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch lässt sich nicht auf § 56 VwVfG
zurückführen. Zum einen hat sich die Beklagte in dem Vertrag vom 1. Februar 2001
keine unzulässige Gegenleistung versprechen lassen, § 56 i.V. m. § 59 Abs. 2 Nr. 4
VwVfG; dies ergibt sich aus den bisherigen Ausführungen zur Korrespondenz der §§ 4,
8 und 10 des Vertrages mit § 11 BauGB. Zum anderen stellen sich Leistung und
Gegenleistung, sofern hiervon im hinkenden Austauschverhältnis zu sprechen ist, nicht
als unangemessen dar; insoweit gelten keine anderen Maßstäbe als die oben zu § 11
Abs. 2 BauGB dargelegten.
79
IV. Die Kostenforderung des Klägers i. H. v. 1.902,81 EUR findet bereits keine
gesetzliche Grundlage. Weder das Kostenrecht der VwGO noch das Kostenrahmenrecht
des VwVfG bzw. der VwGO kennen die Erstattungsfähigkeit der im Vorfeld einer
gerichtlichen Rechtsverfolgung angefallenen Rechtsanwaltskosten. Selbst die Kosten
der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren, soweit gesetzlich für
bestimmte Klagearten vorgeschrieben, fallen nur unter besonderen Voraussetzungen
der beklagten Behörde zur Last. Zwar hat die Rechtsprechung teilweise einen Anspruch
aus Verletzung eines Leistungstreueverhältnisses anerkannt und in diesem Rahmen
auch die bei der Schadensbeseitigung entstandenen Rechtsanwaltskosten für
ersatzpflichtig gehalten,
80
vgl. etwa OVG NRW, Urteil vom 23. März 2000 - 3 A 4657/97 -; VG Münster, Urteil vom
3. März 2005 - 3 K 1516/02 -, jew. m.w.N.
81
Eine solche Vertragsverletzung kann jedoch nicht bereits dann anerkannt werden, wenn
der/die später Beklagte im Vorfeld des Prozesses die Ansprüche des jeweiligen Klägers
lediglich negiert hat. Würde eine solche Konstellation bereits zur Ersatzverpflichtung
führen, würden die o.a. gesetzlichen Regelungen zur Kostentragungspflicht und zum
Kostenrahmen regelmäßig umgangen werden. Selbst wenn eine Verletzung des
82
Leistungstreueverhältnisses bereits bei Streit um den Umfang vertraglicher oder
quasivertraglicher Ansprüche anzunehmen wäre, würde der Anspruch des Klägers
fehlgehen, weil - wie gezeigt - im vertragsbezogenen Verhalten der Beklagten keine
Rechtsverletzung festzustellen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
83