Urteil des VG Münster vom 06.09.2010

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Verwaltungsgericht Münster, 2 L 419/10
Datum:
06.09.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 L 419/10
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens; die
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auf 12.500,- EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag der Antragstellerin,
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die aufschiebende Wirkung ihrer Klage 2 K 1104/10 vom 2. Juni 2010 gegen die den
Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 30. April 2010 für die Erweiterung des F.-
Center (000) auf 10.522 qm Verkaufsfläche, Errichtung einer Gastraumfläche von 36 qm,
Errichtung von 466 Stellplätzen und einer Kinderspielfläche auf dem Grundstück
Gemarkung P., Flur 00, Flurstücke 00, 000, 000 - 000, 000 und 000 (M.-straße 00)
anzuordnen,
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hat keinen Erfolg.
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Die im Verfahren der §§ 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende,
regelmäßig am Ausgang des Hauptsacheverfahrens orientierte Abwägung zwischen
dem Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Ausnutzung der ihnen erteilten
Baugenehmigung und dem Interesse eines "Nachbarn", von der Bauausführung bis zur
abschließenden Klärung der Rechtslage im Hauptsacheverfahren verschont zu bleiben,
geht hier zu Lasten der Antragstellerin aus.
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Auf der Grundlage einer in dem vorliegenden Verfahren nur möglichen und gebotenen
summarischen Prüfung lässt sich nicht feststellen, dass das mit der o.g.
Baugenehmigung zugelassene Vorhaben der Beigeladenen gegen solche Vorschriften
verstößt, die zumindest auch dem Schutze der Antragstellerin als Nachbargemeinde zu
dienen bestimmt sind.
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Insoweit ist zunächst hervorzuheben, dass sich ein Abwehranspruch der Antragstellerin
allein aus dem - Drittschutz vermittelnden - interkommunalen Abstimmungsgebot
ergeben könnte.
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Vgl. zum Drittschutz im Rahmen des § 2 Abs. 2 BauGB: Urteile des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), vom 8. September 1972 - 4 C 17.71 -, BVerwGE
40,323 und vom 15. Dezember 1989 - 4 C 36.86 - BVerwGE 84, 209.
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Dieses interkommunale Abstimmungsgebot ist Ausfluss der Planungshoheit der
Gemeinden und verfassungsrechtlich in die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs.
2 GG eingebettet. Der insoweit einschlägige § 2 Abs. 2 BauGB begründete
dementsprechend auch für die Stadt P. ein formelles und materielles Abstimmungsgebot
mit der Antragstellerin. Dieses Gebot war jedoch nur bei der Änderung des
Bebauungsplanes Nr. 00 durch die Stadt P. und nicht bei der Erteilung der
streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 30. April 2010 durch den Antragsgegner
zu erfüllen. Abwehrrechte der Antragstellerin gegen das mit der Baugenehmigung
zugelassene Vorhaben der Beigeladenen bspw. bezüglich der Art und des Maßes der
Grundstücksnutzung sind daher nur insoweit von nachbarrechtlicher Relevanz als sie zu
Lasten der Antragstellerin eine Rechtswidrigkeit der Abwägung im
Planänderungsverfahren bewirken. Folglich kann der Antrag der Antragstellerin nur
erfolgreich sein, wenn der Bebauungsplan Nr. 00 der Stadt P. in seiner 6.
Änderungsfassung unwirksam ist, weil die Planungshoheit der Antragstellerin durch die
Planungen der Stadt P. rechtswidrig verletzt wird.
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Von der Wirksamkeit eines Bebauungsplanes ist in einem Verfahren des vorläufigen
Rechtsschutzes angesichts seines Rechtsnormcharakters regelmäßig auszugehen, es
sei denn, die Fehlerhaftigkeit des Planes drängt sich offensichtlich, gleichsam mit ins
Auge springenden Mängeln, auf.
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Vgl. insoweit nur: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG
NRW), Beschlüsse vom 17. Mai 2002 - 7 B 1360/01 - und vom 7. August 2000 - 10 B
919/00 -. Dass der o.g. Bebauungsplan der Stadt P. zu Lasten der Antragstellerin an
derartigen Mängeln leidet, ist jedoch keineswegs evident.
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Gegen einen evidenten Verstoß gegen das interkommunale Abstimmungsgebot
gegenüber der Antragstellerin spricht bereits, dass das Oberverwaltungsgericht für das
Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW) in seinem - den Beteiligten bekannten - Urteil
vom 30. September 2009 - 10 A 16767/08 - eindeutig festgestellt hat, dass das
Abstimmungsgebot gegenüber der Antragstellerin weder in formeller noch in materieller
Hinsicht verletzt worden ist. Bezüglich der konkurrierenden Planungen der
Antragstellerin ist das OVG NRW im Gegenteil sogar zu der Einschätzung gelangt, es
spreche alles dafür, dass "allein" die Planungen der Antragstellerin das interkommunale
Abstimmungsgebot (gegenüber der Stadt P.) verletzten könnte (vgl. S 41 des UA).
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Auch vermögen die Ausführungen der Antragstellerin in dem vorliegenden Verfahren
keine evidenten Abwägungsmängel zu begründen. Insbesondere gibt es für das Gericht
keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass gewichtige Aspekte zu Gunsten der
Antragstellerin unberücksichtigt geblieben sind.
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In Würdigung der teilweise widerstreitenden Prognosen, die von den Gutachtern K. & L.
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in der ergänzenden Stellungnahme aus Februar 2010 und der Stellungnahme der H1.
vom 23. Februar 2010 abgegeben worden sind, ist zunächst festzustellen, dass beide
Stellungnahmen in das ergänzende Bebauungsplanverfahren eingeflossen und
rechtlich gewürdigt worden sind. Darüber hinaus ist weder von der Antragstellerin
substantiiert vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass mutmaßlich eine
städtebauliche Relevanz für die Antragstellerin und ihre Bewohner dadurch entstehen
wird, dass im Falle der Realisierung des Vorhabens bspw. eine Unterversorgung der in
H. ansässigen Bevölkerung zu erwarten ist.
Bezüglich der H.er Innenstadt wird von der Antragstellerin nicht überzeugend dargelegt,
dass aufgrund der Schließung des Hertie- Kaufhauses nunmehr eine städtebauliche
Relevanz in dem oben beschriebenen Sinne zu erwarten ist. Allein die von der H1. in
ihrer Stellungnahme vom 23. Februar 2010 geäußerte Erwartung, dass auch
geringfügige Umsatzrückgänge im Bereich von Bekleidung, Wäsche, Schuhe,
Lederwaren und Sportartikel gravierende städtebauliche Auswirkungen hätten, genügt
insoweit nicht, zumal auch noch völlig ungeklärt zu sein scheint, welche
Einzelhandelsnutzungen an die Stelle des Kaufhauses treten werden.
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Schließlich hat die Antragstellerin für das Gericht nicht nachvollziehbar dargelegt,
welche - bezüglich ihrer Planungshoheit rechtlich relevanten - Auswirkungen die als
unbestimmt monierte Festsetzung der Büronutzung für die Antragstellerin haben könnte.
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Ferner ist für das Gericht schon nicht plausibel, dass die dem "Hersteller- Direkt-
Verkaufszentrum" (E.) zur Verfügung stehende Verkaufsfläche von 6.600 qm von einem
einzigen Bekleidungsanbieter ausgeschöpft werden könnte und hierdurch für die
Antragstellerin eine nachteiligere Situation entstehen könnte als dies durch eine
Vielzahl von Anbietern in diesem Segment zu erwarten wäre. Denn eine Konzentration
auf einen Anbieter ist aufgrund der Erfahrungen mit dem bereits seit Jahren
bestehenden F.-P. und anderer F.'s in Deutschland weder naheliegend noch nach der
Konzeption, die ein attraktives G. voraussetzt, zu erwarten.
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In Würdigung aller von der Antragstellerin vorgebrachten Bedenken gegen die
Wirksamkeit der 6. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 00 der Stadt P. ist es jedenfalls
keineswegs offensichtlich, dass diesem Bebauungsplan ein gravierender
Abwägungsmangel zu Lasten der Antragstellerin anhaftet
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3 VwGO. Die außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen sind gem. § 162 Abs. 3 VwGO nicht für erstattungsfähig zu
erklären, weil die Beigeladenen keinen Sachantrag gestellt haben und sich somit nicht
dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt haben.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52, 53 GKG und geht von einem Streitwert im
Hauptsacheverfahren von 25.000 EUR aus; dieser Betrag ist im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes angemessen auf die Hälfte zu reduzieren.
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