Urteil des VG Münster vom 23.03.2009

VG Münster: wichtiger grund, tod, einverständnis, testament, eltern, genehmigung, menschenwürde, vollstreckung, herzinfarkt, nutzungsrecht

Verwaltungsgericht Münster, 1 K 478/08
Datum:
23.03.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 478/08
Tenor:
Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 25. Juli
2007 in der Gestalt seines Widerspruchbescheides vom 23. Januar 2008
verpflichtet, der Umbettung des verstorbenen Vaters des Klägers, David
Brown, von der Erbgruft 274 a, Rosenhain, in die Grabstelle der Mutter
des Klägers, Anke Brown, Zentralfriedhof West, Neuer Teil, Reihe 1, Nr.
1 und Nr. 2 zuzustimmen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Der Kläger begehrt die Umbettung seines verstorbenen Vaters in das Doppelgrab seiner
verstorbenen Mutter.
2
Der Vater des Klägers verstarb bereits am .......... 1996. Er wurde am .........1996 von
seinen nächsten Angehörigen auf dem Zentralfriedhof N. in einem Einzelgrab
beigesetzt.
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In einem am ............1996 verfassten notariellen Testament äußerte die Mutter des
Klägers den Wunsch, ebenfalls „auf dem Zentralfriedhof in N. in dem Einzelgrab über
meinem verstorbenen Ehemann beigesetzt zu werden, soweit dies nach 20 Jahren
möglich ist. Sollte ich vorher versterben und eine Überbeerdigung in dem Einzelgrab
nicht möglich sein, so wünsche ich, dass ich gemeinsam mit meinem Ehemann in einem
Doppelgrab auf dem Zentralfriedhof beigesetzt werde, also mein Ehemann umgebettet
wird".
4
Die Mutter des Klägers verstarb am ............. 2007. Unter dem ..........2007 meldete sich
ein Bestattungsinstitut bei dem Beklagten und beantragte, sofern eine Erdbestattung in
der Grabstätte des Ehemannes nicht vorgenommen werden könne, dass eine
Umbettung des vorverstorbenen Ehemannes vorgenommen werde und beide Eheleute
in einer gemeinsamen neuen Doppelgrabstätte beigesetzt würden. Eine Mitarbeiterin
des Beklagten sagte eine Doppelgrabstätte zu, verwies hinsichtlich der Umbettung des
Vaters des Klägers jedoch auf die Rückkehr der zuständigen Mitarbeiterin des
Beklagten. Mit Schreiben vom 15. Juni 2007 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die
Umbettung eines Toten vor Ablauf der satzungsmäßigen Ruhefrist von 20 Jahren nicht
möglich sei. Lediglich ausnahmsweise könne eine Umbettung bei einem besonders
dringendem gerechtfertigten Grund erfolgen, der aber nicht gegeben sei. Wegen der
erfolgten Zuteilung eines Doppelgrabes, welches zu der irrtümlichen Annahme einer
statthaften Umbettung beigetragen habe, würden nur die Kosten des Nutzungsrechts an
einem Einzelgrab berechnet.
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Daraufhin beantragte der Kläger mit Schreiben vom 17. Juni 2007 bei dem Beklagten
nochmals förmlich die Umbettung seines Vaters in die Doppelgrabstelle seiner Mutter
aus Gründen der Totenfürsorge. Das Ordnungsamt habe der Ausgrabung der
sterblichen Überreste seines Vaters mit Genehmigung vom 5. Juni 2007 ebenso wie die
Friedhofsverwaltung der Umbettung zugestimmt. Die Ablehnung des Beklagten
widerspreche dem eindeutigen Willen seiner verstorbenen Mutter. In der
Rechtsprechung sei entschieden, dass sich die Umbettung einer Leiche „sich in erster
Linie nach dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des betreffenden
Verstorbenen" richte.
6
Den Antrag des Klägers lehnte der Beklagte unter Hinweis auf die in der
Friedhofsordnung des Zentralfriedhofs enthaltene Frist der Totenruhe mit Bescheid vom
25. Juli 2007 - abgesandt mit einfachem Brief am selben Tag - ab. Den dagegen
gerichteten Widerspruch des Klägers vom 26. August 2007 - eingegangen beim
Beklagten am 27. August 2007 - wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom
23. Januar 2008 zurück.
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Hiergegen hat der Kläger am 23. Februar 2008 die vorliegende Klage erhoben. Zur
Begründung trägt er in Ergänzung seines bisherigen Vorbringens vor: Der Wunsch
seiner Mutter, mit ihrem vorverstorbenen Ehemann - seinem Vater - eine Grabstätte zu
teilen, sei als gewichtiger Grund anerkannt. Es entspreche dem testamentarischen
Wunsch der verstorbenen Eheleute, in einer gemeinsamen Grabstelle bestattet zu
werden. Die Voraussetzungen seien seinerzeit nicht geschaffen worden, weil der Vater
und Ehemann plötzlich und unerwartet verstorben sei. Nach der Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein- Westfalen liege ein gewichtiger Grund
dann vor, wenn durch die Umbettung des Verstorbenen die Würde des Menschen
besser gewahrt werden könne, wenn also das Interesse der Umbettung die durch Art. 1
Abs. 1 GG geschützte Totenruhe überwiege. Dabei sei der Wille des Verstorbenen
maßgeblich mit einzubeziehen und auch ein entsprechender mutmaßlicher Wille
beachtlich. Die Eheleute seien seit 26 Jahren verheiratet gewesen, bevor der Ehemann
plötzlich im Alter von 52 Jahren verstorben sei. Auch wenn seinerzeit kein Anlass
bestanden habe, Vorsorge für ein gemeinsames Grab zu treffen, seien gleichwohl
Umstände gegeben, die darauf schließen ließen, dass sein Vater gemeinsam mit seiner
Mutter in einem gemeinsamen Grab hätte beerdigt werden wollen. Diesen Willen habe
die Mutter in ihrem Testament noch einmal deutlich gemacht. Es entspreche ferner der
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herrschenden sittlichen Auffassung, Ehepartnern eine gemeinsame Grabstätte zu
ermöglichen. Im konkreten Falle müsse daher die Totenruhe zurücktreten, um den
Wunsch der Eheleute zu respektieren.
Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 25. Juli 2007 in der Gestalt
seines Widerspruchbescheides vom 23. Januar 2008 zu verpflichten, der Umbettung
des verstorbenen Vaters des Klägers, E. C. , von der Erbgruft ....., S. , in die Grabstelle
der Mutter des Klägers, B. C. , Zentralfriedhof X. , O. zuzustimmen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er tritt dem Vorbringen des Klägers wie folgt entgegen: Der Kläger habe keinen
Anspruch auf eine Umbettung seines Vaters. Ein besonders wichtiger Grund liege nicht
vor. Nach der mehrheitlich vertretenen religiösen und sittlichen Anschauung dürfe ein
Toter, der einmal beigesetzt sei, in seiner Ruhe nicht mehr gestört werden. Allenfalls
ganz besondere, ebenfalls auf sittlichem Gebiet vorliegende Gründe könnten dazu
führen, dass selbst die Achtung der Totenruhe dahinter zurückstehen müsse. Solche
Gründe lägen hier aber nicht vor. Die Mutter des Klägers hätte die jetzige Situation
vermeiden können, wenn sie seinerzeit sogleich das Nutzungsrecht an einer
Doppelgrabstelle, die in ausreichender Zahl vorhanden gewesen seien, erworben hätte.
Dies habe sie seinerzeit - möglicherweise vor dem Hintergrund, dass ihr Ehemann und
der Vater des Klägers bereits im 52. Lebensjahr verstorben sei - unterlassen. Würde er -
der Beklagte - in diesem Fall einer Umbettung zustimmen, müsse er in Zukunft mit einer
Vielzahl vergleichbarer Anträge und daraus resultierender Umbettungen rechnen. Bei
der Ermessensentscheidung sei zudem berücksichtigt worden, dass die Gräber der
Eltern nur ca. 150 m entfernt lägen, so dass die Totenfürsorge auf demselben Friedhof
stattfinden könne. Eine Umbettung nach 12 Jahren stelle eine Prozedur da, die der
Würde des Verstorbenen und dem allgemeinen Pietätempfinden nicht gerecht werde.
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Am 2. Februar 2009 fand vor dem Einzelrichter eine mündliche Verhandlung statt, in der
die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert wurde. Den daraufhin auf Widerruf
geschlossenen Vergleich widerrief der Beklagte mit Telefax vom 13. März 2009.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der
Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen
Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
16
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.
17
Die Ablehnung des Umbettungsantrages des Klägers durch den Beklagten ist
rechtwidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten; die Sache ist auch spruchreif (§
113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dem Kläger steht gemäß § 4 BestG NRW i.V.m. § 11 Abs. 2
der Friedhofssatzung für den Zentralfriedhof in N. vom 1. Juli 2005 (im Folgenden:
Friedhofssatzung) ein Anspruch auf Zustimmung zur Umbettung seines verstorbenen
Vaters in das Doppelgrab seiner verstorbenen Mutter zu.
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Nach dieser Vorschrift können die Kirchengemeinden nach Genehmigung des
Ordnungsamtes einer Umbettung zustimmen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Hierbei
handelt es sich um einen eng zu verstehenden Ausnahmefall zum Grundsatz des § 11
Abs. 1 Friedhofssatzung, wonach die Ruhe der Toten grundsätzlich nicht gestört werden
darf. Für den Zentralfriedhof in N. bestimmt § 10 Abs. 1 Friedhofssatzung die Ruhefrist
bei Sargbestattungen für Erwachsene auf 20 Jahre. Diese Vorschrift ist mit der Nr. IV 16
a) der Friedhofsordnung für den Zentralfriedhof N. vom Juni 1994, welche zur Zeit der
Beisetzung des Vaters des Klägers galt, identisch.
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Ein Anspruch auf Umbettung eines Verstorbenen besteht nach diesen
Rechtsvorschriften, wenn ein wichtiger Grund für einen solchen eng auszulegenden
Ausnahmefall besteht. Ob und wann ein wichtiger Grund für die Umbettung eines
Verstorbenen anzunehmen ist, hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-
Westfalen in seinem Urteil vom 29. April 2008 - 19 A 2896/07 - wie folgt entschieden:
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„Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn das Interesse an der Umbettung ausnahmsweise
die durch Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Totenruhe überwiegt. Die unantastbare Würde
des Menschen wirkt über dessen Tod hinaus und gebietet eine würdige Bestattung und
den Schutz der Totenruhe. Dieser Schutz genießt angesichts des Art. 79 Abs. 3 GG
nicht nur höchsten Verfassungsrang, sondern entspricht darüber hinaus allgemeinem
Sittlichkeits- und Pietätempfinden und den Interessen des öffentlichen
Gesundheitsschutzes. In § 7 Abs. 1 BestG NRW, wonach jeder die Ehrfurcht vor den
Toten zu wahren und die Totenwürde zu achten hat, hat er zudem seine
einfachgesetzliche Ausprägung im Landesrecht erfahren. Gerät er in Konflikt mit dem
Recht der Angehörigen des Verstorbenen auf Totenfürsorge, so genießt er regelmäßig
den Vorrang.
21
Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1974 - VII C 36.72 -, juris, Rdnr. 19; Beschluss vom 20.
Dezember 1977 - VII B 188.76 -, juris, Rdnr. 8; OVG NRW, Beschlüsse vom 10.
November 1998 - 19 A 1320/98 -, juris, Rdnrn. 13 und 33, und 28. November 1991 - 19
A 1925/90 -, juris, Rdnr. 19 und 21; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 22. Januar 1979 - I
370/78 -, juris, Rdnr. 12.
22
Aufgrund dieses grundsätzlichen Rangverhältnisses zwischen dem Schutz der
Totenruhe und dem Recht zur Totenfürsorge kann die Umbettung einer einmal
beigesetzten Leiche nach allgemeiner Auffassung in der Rechtsprechung grundsätzlich
nur aus ganz besonderen Gründen beansprucht werden.
23
OVG NRW, Beschluss vom 28. November 1991 - 19 A 1925/90 -, juris, Rdnr. 23, m. w.
N. zur Rechtsprechung des Reichsgerichts und Bundesverwaltungsgerichts in Rdnr. 24.
24
Hiervon ausgehend können wichtige Gründe, die der Totenruhe vorgehen,
insbesondere dann gegeben sein, wenn die Umbettung die Würde des Verstorbenen
besser wahrt und seinem Willen besser Rechnung trägt (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 2 BestG
NRW).
25
OVG NRW, Beschluss vom 28. November 1991 - 19 A 1925/90 -, juris, Rdnr. 25.
26
Danach kann die mit der Umbettung verbundene Störung der Totenruhe gerechtfertigt
sein, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten sein ausdrückliches Einverständnis mit der
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Umbettung erklärt hat. Fehlt ein solches, kann auch ein entsprechender mutmaßlicher
Wille beachtlich sein. Dieser setzt voraus, dass zumindest Tatsachen und Umstände
gegeben sind, aus denen der diesbezügliche Wille des Verstorbenen mit hinreichender
Sicherheit gefolgert werden kann. Davon kann auszugehen sein, wenn nur die
Umbettung die von Ehegatten erkennbar gewünschte gemeinsame Bestattung
ermöglicht oder wenn der Verstorbene beispielsweise aufgrund eines tödlichen Unfalls
nicht an dem Ort beigesetzt wurde, der seinem erkennbaren Willen entsprach.
OVG Bbg., Beschluss vom 25. September 2002 - 1 A 196/00.Z -, juris, Rdnr. 4; vgl. BGH,
Urteil vom 26. Februar 1992 - XII ZR 58/91 -, juris, Rdnr. 9.
28
Lässt sich ein Einverständnis des Verstorbenen mit der Umbettung nicht feststellen,
kommt es unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalls darauf an,
ob das Interesse des Totenfürsorgeberechtigten an der Umbettung nach allgemeiner
Verkehrsauffassung schutzwürdig ist und seine Gründe so gewichtig sind, dass die
Achtung der Totenruhe zurücktreten muss. Ein wichtiger Grund kann demnach im
Einzelfall auch dann vorliegen, wenn das Recht auf Totenfürsorge in unzumutbarer
Weise erschwert oder gar unmöglich gemacht wird. Denn dann kann auch die Würde
des Verstorbenen, die sich auch auf die Totenfürsorge wie Grabpflege und
Totengedenken bezieht, nicht hinreichend zur Geltung kommen. In diesem
Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob der geltend gemachte Anspruch der
herrschenden sittlichen Auffassung entspricht und ob der Wunsch des Angehörigen auf
andere Weise nicht erfüllt werden kann.
29
OVG NRW, Beschluss vom 10. November 1998 - 19 A 1320/98 -, juris, Rdnr. 17;
Gaedke/Diefenbach, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 9. Aufl. 2004, S.
196."
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Von diesen obergerichtlichen Grundsätzen ausgehend liegt ein ganz besonderer Grund
für die ausnahmsweise Umbettung des Vaters des Klägers in das Doppelgrab der
Mutter des Klägers vor.
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Allerdings fehlt ein diesbezüglicher ausdrücklicher Wille des Verstorbenen, in das
Doppelgrab seiner Ehefrau umgebettet zu werden.
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Der Kläger und sein Bruder haben in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass ihr
Vater plötzlich und unerwartet im 52. Lebensjahr an einem Herzinfarkt verstorben sei.
Ausdrücklich trugen sie vor: „Da er noch relativ jung war, hat er sich keine Gedanken
darüber gemacht, was nach dem Tod passiert." Mit anderen Worten hat der verstorbene
Vater gerade keinen ausdrücklichen Willen geäußert, was nach seinem Tode mit ihm
und der Beisetzung in einem Einzel- oder Doppelgrab, geschweige denn im Fall des
Nachversterbens seiner Ehefrau mit seinem Leichnam geschehen sollte. Der Kläger
und sein Bruder waren zum Zeitpunkt des Todes ihres Vaters noch sehr jung.
Deswegen ist es verständlich, wenn eine Bestattung und gar eine Umbettung zum
damaligen Zeitpunkt als ihr Vater verstarb nicht Gegenstand von Erörterungen war.
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Allerdings haben der Kläger und sein Bruder in der mündlichen Verhandlung Tatsachen
und Umstände geschildert, die im Zusammenhang mit anderen Tatsachen auf den
mutmaßlichen Willen des verstorbenen Vaters des Klägers schließen lassen, wonach
dieser mit der Umbettung seiner sterblichen Überreste in das Doppelgrab der
verstorbenen Mutter einverstanden wäre. Der Kläger und sein Bruder haben die
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Beziehung zwischen ihrem Vater und ihrer Mutter als sehr „warmes", inniges Verhältnis
geschildert, welches in den Jahren immer enger geworden sei. Die Eltern seien
unzertrennlich gewesen. Im Zeitpunkt des Todes des Vaters war dieser mit der Mutter
des Klägers bereits 26 Jahre verheiratet gewesen. Der Kläger schilderte in der
mündlichen Verhandlung, das seine Eltern seinen Bruder und ihn erst spät „bekommen"
hätten, so dass er zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters erst 12 Jahre gewesen sei.
Für ihre Mutter habe der Vater seine Heimat T. nach dem Tode der Großmutter 1994
verlassen und sei nach Deutschland gezogen, um mit seiner Ehefrau dauernd
zusammenleben zu können. Der Kläger konnte sich erinnern, dass für seinen Vater jetzt,
nachdem er nun mit seiner Frau und seinen Kindern zusammenbleiben konnte, „das
Leben ... erst beginne". Als der Vater dann unerwartet 1996 mit 51 Jahren an einem
Herzinfarkt verstorben sei, sei dies für die Mutter ein großer Schock gewesen. Um mit
dem Vater zusammensein zu können, habe sie sich auch zunächst in seinem Grab
durch Überbeerdigung oder Urnenbeisetzung beisetzen lassen wollen. Ebenso wie der
Vater der Mutter nach Deutschland gefolgt sei, habe auch die Mutter dem Vater folgen
wollen. Beide wären füreinander „durchs Feuer" gegangen, weswegen er - der Kläger -
nach dem Tode seiner Mutter auch zunächst an eine Feuerbestattung gedacht habe,
bevor er deren Testament gefunden habe. Der Kläger und sein Bruder waren sich in der
mündlichen Verhandlung sicher und konnten dies zur Überzeugung des Einzelrichters
darlegen, dass der Vater mit seiner Umbettung in das Doppelgrab der Mutter
einverstanden gewesen wäre, um wieder mit ihr beisammen sein zu können. Ein
weiteres Indiz für die mutmaßlich gewollte Unzertrennlichkeit der Eltern ist in dem
testamentarischen Willen der Mutter zu sehen. Zum Zeitpunkt des Todes ihres Mannes
war die verstorbene Mutter des Klägers ebenfalls erst 52 Jahre alt und musste sich
zudem um zwei minderjährige Söhne kümmern. Es ist nachvollziehbar, dass die Mutter
des Klägers unmittelbar nach dem Tod des geliebten Ehemannes nicht daran gedacht
hat, für den Fall ihres eigenen Todes bereits zum damaligen Zeitpunkt der Beisetzung
ihres Ehemannes schon das Nutzungsrecht an einer Doppelgrabstelle zu erwerben.
Vielmehr durfte und musste sie davon ausgehen, dass sie bei weiterer Gesundheit und
nach der allgemeinen Lebenserwartung ihren Gatten jedenfalls um weitere zwanzig
Jahre überleben würde. Dann wäre aber eine Überbeerdigung in dem Einzelgrab des
Vaters möglich gewesen, so dass beide Eheleute auch nach dem Tod wieder
beisammen gewesen wären. Bereits im Widerspruchsverfahren wurde vorgetragen,
dass die Entscheidung für ein Einzelgrab und die damit verbundenen Einschränkungen
im Fall eines früheren Versterbens der Mutter von dieser in ihrer ganzen Tragweite nicht
erfasst wurden. Aus diesem Grunde hat die Mutter des Klägers durch ihre
testamentarische Verfügung nur zwei Monate nach dem Tod des Vaters versucht, die
Unwägbarkeiten im Falle ihres Todes vor Ablauf von 20 Jahren zu korrigieren. Für den
Fall, dass eine Überbeerdigung vor Ablauf von 20 Jahren in dem Einzelgrab des Vaters
und Ehemannes nicht möglich sein sollte, wünschte sich die Mutter in ihrem Testament,
„gemeinsam mit meinem Ehemann in einem Doppelgrab auf dem Zentralfriedhof
beigesetzt (zu werden), also mein Ehemann umgebettet wird." Dass die Mutter bereits
zwei Monate nach dem Tod ihres Ehemannes testamentarisch an eine Umbettung
dachte und an eine gemeinsame Grabbeisetzung, ist als Indiz dafür zu werten, dass
auch die Mutter des Klägers von dem mutmaßlichen Willen ihres vorverstorbenen
Mannes ausging, mit einer gemeinsamen Grabstelle bzw. mit einer Umbettung in ein
dann zu erwerbendes Doppelgrab einverstanden zu sein. Mit dieser testamentarischen
Verfügung sollte dem mutmaßlichen Willen des Vaters, zusammen mit seiner Ehefrau
eine gemeinsame Grabstelle zu teilen, Rechnung getragen werden. Sowohl die
Schilderungen des Klägers und seines Bruders in der mündlichen Verhandlung als
auch der Umstand, dass die Mutter bereits zwei Monate nach dem Tod die Umbettung
ihres Ehemannes vor Augen hatte, sprechen dafür, dass die Beisetzung in einem
gemeinsamen Grab dem ausdrücklichen Willen der Mutter aber auch dem
mutmaßlichen Willen des Vaters entsprach. Da der Vater aber bereits in einem
Einzelgrab beigesetzt war, kann nur die Umbettung des Vaters in die neu erworbene
Doppelgrabstelle der Mutter den diesbezüglichen Willen der Verstorbenen an einer
gemeinsamen Beisetzung erfüllen, so dass nach Auffassung des Einzelrichters der
besondere Grund für die enge Ausnahme einer Umbettung besteht und der
Menschenwürde des verstorbenen Vaters des Klägers durch die Beisetzung in einer
gemeinsamen Grabstelle zusammen mit seiner über alles geliebten Frau nur in dieser
Weise Geltung verschafft werden kann.
Anders als der Beklagte lässt sich nach dem Vorstehenden das mutmaßliche
Einverständnis des verstorbenen Vaters des Klägers mit einer Umbettung seiner
sterblichen Überreste feststellen. Dieses mutmaßliche Einverständnis hätte der
Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung über die beantragte Umbettung gemäß § 4
BestG NRW i.V.m. § 11 Abs. 2 Friedhofssatzung berücksichtigen müssen. Indem durch
die Umbettung dem Grundrecht der Menschenwürde des verstorbenen Vaters durch
Befolgung seines mutmaßlichen Willens, gemeinsam mit seiner Frau eine
Doppelgrabstelle zu teilen, genügt wird und die Menschenwürde angesichts des Art. 79
Abs. 3 GG nicht nur höchsten Verfassungsrang besitzt, sondern zudem auch Ausdruck
eines allgemeinen Sittlichkeits- und Pietätsempfinden ist, bei erkennbarem Willen
Ehegatten in einer gemeinsamen Grabstelle beizusetzen, reduzierte sich der
Ermessensspielraum des Beklagten auf Null. In dieser Situation hätte er dem Antrag des
Klägers nur zustimmen können, zumal die übrige Voraussetzung des § 11 Abs. 2
Friedhofssatzung - Genehmigung des Ordnungsamtes - bereits vorlag.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf § 124a Abs. 1 Satz 1
VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Rechtssache hat in Bezug auf die
Auslegung der landesrechtlichen Vorschrift des § 11 BestG und der Rechtsprechung
des OVG NRW grundsätzliche Bedeutung.
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