Urteil des VG Münster vom 19.08.2009
VG Münster (der rat, bebauungsplan, 1995, begründung, mangel, kläger, offensichtlicher mangel, fläche, festsetzung, stadt)
Verwaltungsgericht Münster, 3 K 244/09
Datum:
19.08.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 244/09
Tenor:
Der Bescheid des Beklagten vom 12.10.2005 in der Fassung des
Änderungsbescheides vom 19.1.2009 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht
der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger ist zusammen mit seiner Ehefrau Eigentümer des Flurstücks 1079, Flur 132,
Gemarkung J. mit der postalischen Anschrift „G.--------weg 12". Das Flurstück ist 473 m²
groß. Es liegt im südwestlichen Bereich des am 30.3.1995 beschlossenen
Bebauungsplans „X. II" der Stadt J. .
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Der Bebauungsplan „X1. II" umfasst ein Gebiet, das bereits vorher durch den
Bebauungsplan „X1. „ überplant und zu einem großen Teil als Fläche für die
Landwirtschaft festgesetzt war. Um die Neuplanung zu verwirklichen, führte die Stadt J.
ein Umlegungsverfahren durch.
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Der genannte Bebauungsplan setzt verschiedene Flächen zur Entwicklung von Natur
und Landschaft fest: zum einen Teile der Grünstreifen zwischen der geplanten
Bebauung, zum anderen größere Bereiche im westlichen Teil des Plangebiets (Flächen
K 1 bis K 6). Der Rat der Stadt J. wollte beim Beschluss des Bebauungsplans im März
1995 einen Teil dieser Flächen als Ersatz- und Kompensationsmaßnahmen in einem
Zuordnungsplan den jeweiligen Baugrundstücken als sog. Eingriffsflächen zuordnen
(Seite 13, erster Absatz der Begründung zum Bebauungsplan). Bei der Ermittlung der
Kompensationsflächen waren entsprechend einem zuvor eingeholten Gutachten nur die
bereits bebauten Grundstücke und die vorhandenen Straßen unberücksichtigt geblieben
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(Seite 12, letzter Absatz der Begründung). In einer undatierten Kopie eines Teils dieses
Bebauungsplans wurden dementsprechend die vorhandenen Straßen rot und die
bebauten Grundstücke gelb markiert und mit handschriftlichem Grüneintrag von einer
Zuordnung zu den Ausgleichsflächen ausgenommen. Der Bebauungsplan enthielt in
seiner ursprünglichen Fassung allerdings keine ausdrückliche textliche Festsetzung
über eine solche Zuordnung.
In den Jahren 1997 bis 2002 ließ der Beklagte die Ausgleichsbereiche
landschaftsgärtnerisch gestalten. Darunter befindet sich auch die Ausgleichsfläche K 1,
die entsprechend einem Grünordnungsplan vom 29.8.1994 zunächst als Feuchtwiese
angelegt wurde. Der Beklagte ließ dieses Areal im Jahre 2007 zu einem
Trockenregenrückhaltebecken für andere Baugebiete umgestalten.
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Durch Bescheid vom 12.10.2005 setzte er für das Flurstück des Klägers einen
Kostenerstattungsbetrag für die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen von 1.320,10 EUR
fest.
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Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein.
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Der Rat der Stadt J. beschloss am 22.3.2006, den Bebauungsplan rückwirkend zum
3.4.1995 um folgende textliche Festsetzung zu ergänzen: „Die im Bebauungsplan
festgesetzten Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von
Natur und Landschaft (mit Ausnahme der mit K 5 + K 6 gekennzeichneten Flächen),
sowie die darauf gemäß Grünordnungsplan auszuführenden Maßnahmen sind den im
Bebauungsplan festgesetzten neuen Bauflächen bzw. neuen Straßen als
Sammelausgleichsmaßnahmen zugeordnet. In dem entsprechenden Zuordnungsplan
ist dargestellt, auf welchen Flächen ein Eingriff in Natur und Landschaft ermöglicht wird,
welche Flächen bereits vor Aufstellung dieses Bebauungsplanes als bebaubar galten
bzw. bereits bebaut waren und auf welchen Flächen der erforderliche Ausgleich
realisiert wird." Der in Bezug genommene Zuordnungsplan stammt von November 2005.
Der Ratsbeschluss wurde am 28.4.2006 ortsüblich bekannt gemacht.
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Durch Änderungsbescheid vom 19.1.2009 ermäßigte der Beklagte seinen Bescheid
vom 12.10.2005 auf 1.180,98 EUR, nachdem er den Kostenerstattungsbetrag um die
Kosten für Erschließungsmaßnahmen verringert hatte.
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Am 11.2.2009 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht im Wesentlichen geltend: Die
nachträgliche und rückwirkende Zuordnungsfestsetzung sei unzulässig und verstoße
gegen Grundsätze des Vertrauensschutzes. Er habe das Grundstück erst nach
Inkrafttreten des Bebauungsplans erworben und angenommen, dass der Kaufpreis
eventuelle Ausgleichsbeträge umfasst habe. Die Zuordnung als
Sammelausgleichsmaßnahme sei unzulässig, weil hier wesentlich unterschiedliche
Eingriffslagen gegeben seien und weil viele Grundstückseigentümer bereits im
Umlegungsverfahren Ausgleichsflächen zur Verfügung gestellt hätten. Der Rat habe bei
der Zuordnung keine Abwägung getroffen. Die Feuchtwiese auf der Fläche K 1 habe
nach der Umgestaltung zu einem Trockenregenrückhaltebecken ihre Ausgleichsfunktion
verloren. Schließlich stellten einige der im Bebauungsplan als Ausgleichsmaßnahmen
vorgesehenen Grünanlagen keine Ausgleichsmaßnahmen dar, sondern erweiterten das
städtische Radwegenetz.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 12.10.2005 in der Fassung des
Änderungsbescheides vom 19.1.2009 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Er beruft sich auf die Begründungen der Bescheide und trägt ergänzend vor: Er habe
der Voreigentümerin der Grundstücke des Klägers im Rahmen des
Umlegungsverfahrens im August 1994 mitgeteilt, dass er Kostenerstattungsbeträge
erheben wolle. Wenn sie dies bei den Kaufvertragsverhandlungen verschwiegen habe,
müsse der Kläger sich deswegen an die Voreigentümerin wenden. Der Umstand, dass
die Stadt J. im Umlegungsverfahren unentgeltlich Grundstücke erhalten habe, berühre
nicht die Kostenerstattungspflicht für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen.
Ausgleichsmaßnahmen könnten auch nachträglich den Grundstücken zugeordnet
werden. Dies ergebe sich aus § 135 a Abs. 2 Satz 2 BauGB. Aus dem ursprünglichen
Fehlen einer Zuordnungsfestsetzung könne kein Vertrauen dahingehend entstehen,
dass eine solche auch zukünftig nicht erfolgen werde. Im Übrigen enthielten schon der
Bebauungsplan vom 3.4.1995 sowie dessen Begründung Hinweise auf die
beabsichtigte Zuordnung. Die Zuordnung sei mit der Änderung des Bebauungsplans
rechtmäßig erfolgt. Hinsichtlich der Feuchtwiese K 1 habe das Umweltamt des Kreises
Steinfurt erklärt, dass eine periodische Überflutung die ökologische Wertigkeit nicht
mindere.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte zum vorliegenden Verfahren und zum Verfahren 3 K 398/07 sowie der
Verwaltungsvorgänge des Beklagten zum vorliegenden Verfahren und zum Verfahren 3
K 359/07 Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten
vom 12.10.2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19.1.2009 ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der
Beklagte hat den Kläger zu Unrecht auf der Grundlage der §§ 135 a ff. BauGB zu
Kostenerstattungsbeträgen herangezogen. Es fehlt an einer dafür nach § 135 a Abs. 2
Satz 1 BauGB i.V.m. § 9 Abs. 1 a BauGB erforderlichen wirksamen Zuordnung der
Ausgleichsmaßnahmen zu den Eingriffsgrundstücken. Die Zuordnungsfestsetzung vom
22.3.2006 leidet an einem beachtlichen Abwägungsmangel, der zu ihrer Unwirksamkeit
führt.
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Sofern Ausgleichsflächen oder -maßnahmen bestimmten Eingriffsgrundstücken nach
den §§ 135 a Abs. 2 Satz 1, 9 Abs. 1 a BauGB zugeordnet werden, muss dies im
Bebauungsplan festgesetzt werden.
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Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 28.5.2008 - 8 A 1664/05 -.
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Eine solche Festsetzung setzt eine Abwägung des Plangebers nach § 1 Abs. 7 BauGB
voraus. Diese Vorschrift bezieht sich sowohl auf das Abwägen als Vorgang,
insbesondere also darauf, dass überhaupt eine Abwägung stattfindet und dass bei
dieser Abwägung bestimmte Interessen in Rechnung gestellt werden, als auch auf das
Abwägungsergebnis, also auf das, was bei dem Abwägungsvorgang "herauskommt".
Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.11.2003 - 9 C 2.03 -, NVwZ 2004, 483.
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Das Gebot gerechter Abwägung ist verletzt, wenn die einzustellenden Belange verkannt
werden. Solches kann etwa darauf beruhen, dass das Abwägungsmaterial nicht
vollständig bzw. fehlerhaft erfasst wird.
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Letzteres ist hier der Fall. Die tatsächliche Anzahl der festgesetzten Eingriffsgrundstücke
im Zuordnungsplan von November 2005 ist erheblich geringer als die Anzahl, die der
Willensbildung des Rates bei der Festsetzung von Ausgleichs- und Eingriffsflächen zu
Grunde lag. Dies hat zur Folge, dass der Rat der Sache nach die Ausgleichsflächen
einer Zahl von Baugrundstücken zugeordnet hat, für die nach seinen Maßstäben
erheblich geringere Ausgleichsflächen ausreichend gewesen wären.
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Die Abwägung über die Zuordnung beruht auf den Erwägungen des Rates zur
Festlegung von Eingriffs- und Ausgleichsflächen beim Beschluss des Bebauungsplans
am 30.3.1995. Dies ergibt sich aus der Niederschrift über die Sitzung des Rates vom
22.3.2006 und aus der in dieser Sitzung beschlossenen Begründung zur Ergänzung des
Bebauungsplans. Der Rat ging davon aus, dass die Ausgleichsfestsetzungen und die
übrigen Regelungen des Bebauungsplans unverändert bleiben, wenn er den Plan um
die Zuordnungsfestsetzung ergänzt.
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Bei der Beschlussfassung über den ursprünglichen Bebauungsplan im März 1995 hatte
der Rat aber alle Flächen im Plangebiet als Eingriffsgrundstücke angesehen, die
damals noch unbebaut waren. Nur die schon bebauten Grundstücke und die
vorhandenen Straßen hatten bei der Ermittlung der Kompensationsflächen
unberücksichtigt bleiben sollen (Seite 12, letzter Absatz der Begründung zum
Bebauungsplan). Von derselben Annahme war der Gutachter der Ökologischen Studie
zum Rahmenkonzept X1. der I. D. GmbH von November 1993 ausgegangen, die der
Abwägungsentscheidung des Rates zugrunde gelegen hatte: Er hatte bei der
Berechnung der „neu versiegelten Fläche" (nur) die Flächen der vorhandenen Verkehrs-
und Gebäudeflächen abgezogen (Seite 5 der Studie) und die notwendigen
Ausgleichsflächen und -maßnahmen für die gesamte „neu versiegelte Fläche"
berechnet. Dementsprechend waren in dem vormaligen „Zuordnungsplan" - der
handschriftlich ergänzten Kopie eines Teils des Bebauungsplans - die bereits
vorhandenen Straßen rot und die bebauten Grundstücke gelb markiert und allein von
der Zuordnung ausgenommen worden.
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Bei einem Vergleich dieses Plans mit dem Zuordnungsplan von November 2005 wird
offensichtlich, dass sich die jeweiligen Zahlen der Eingriffsgrundstücke, denen
Ausgleichsflächen zugeordnet werden, erheblich unterscheiden. Während nach dem
handschriftlich ergänzten Plan, der den Willen des Rates vom März 1995 wiedergibt,
fast alle Baugrundstücke als Eingriffsflächen galten, wurden im Zuordnungsplan von
November 2005 größere Plangebiete ausgenommen, nämlich solche, die schon vor
Erlass des Bebauungsplans X. II aufgrund der Festsetzungen des vormaligen
Bebauungsplans X. bebaubar, aber tatsächlich noch nicht bebaut waren (hellrote
Flächen). Insofern wurde der damalige Zuordnungsplan nicht aufgrund verbesserter
technischer Möglichkeiten nur grafisch überarbeitet - so die Begründung zur Ergänzung
des Bebauungsplans -, sondern er wurde inhaltlich erheblich geändert, ohne dass dies
aus den Sitzungsvorlagen für den Rat ersichtlich war oder der Rat selbst das
Abwägungsmaterial überprüft hätte. Dies führte dazu, dass der Rat im Jahre 2006 die
Ausgleichsflächen, welche ursprünglich für eine deutlich größere Zahl von
Eingriffsgrundstücken vorgesehen waren, als Ausgleichsflächen einer nun erheblich
geringeren Zahl an Eingriffsgrundstücken zuordnete und damit die Eingriffe in Natur und
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Landschaft entgegen seinem aus der Begründung ersichtlichen Willen (orientiert an § 1
a Abs. 3 Satz 5 BauGB) gleichsam überkompensierte. Insofern zeigt sich der
Abwägungsfehler hier evident darin, dass die in Bezug genommene Begründung aus
dem Jahre 1995 den im Jahre 2006 beschlossenen Festsetzungen widerspricht.
Konkret wird dies etwa deutlich an dem im nördlichen Bereich des Bebauungsplans
liegenden, ca. 2 ha umfassenden Areal mit vormaligem Extensivgrünland (vgl. Seiten
10, 15, 32 der Studie; im Bereich der heutigen S.-------- -straße ). Der Gutachter und auch
der Rat bei seinem Beschluss im März 1995 hatten diesen Bereich nahezu insgesamt
als Fläche angesehen, auf der Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten waren.
Dementsprechend hatte der Gutachter sie bei der Berechnung der Größe der
Ausgleichsflächen insgesamt berücksichtigt. Der Rat hatte zudem die Inanspruchnahme
dieses ökologisch wertvollen Extensivgrünlandes besonders hervorgehoben (Seite 11,
letzter Absatz der Begründung zum Bebauungsplan). Obwohl nunmehr nach dem
Zuordnungsplan von November 2005 dieses Gebiet nur noch etwa zur Hälfte in den
Bereich der Eingriffsflächen fällt, blieb der Umfang der Ausgleichsflächen hingegen
insgesamt unverändert.
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Der aufgezeigte Fehler stellt einen erheblichen Mangel im Abwägungsvorgang dar.
Maßgeblich sind insoweit nach § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB die Vorschriften über die
Geltendmachung von Mängeln der Abwägung in der Fassung, die sie bei Inkrafttreten
des Bebauungsplans bzw. hier bei der Ergänzung des Bebauungsplans hatten. Das
sind hier die §§ 214 und 215 BauGB in der vom 20.7.2004 bis zum 31.12.2006 gültigen
Fassung der Bekanntmachung vom 23.9.2004, BGBl. I S. 2414 (BauGB a.F.). Nach §
214 Abs. 3 Satz 2 BauGB a.F. sind Mängel im Abwägungsvorgang nur erheblich, wenn
sie offensichtlich und auf das Ergebnis von Einfluss gewesen sind. Ein offensichtlicher
Mangel im Abwägungsvorgang liegt nur dann vor, wenn konkrete Umstände positiv und
klar auf einen solchen Mangel hindeuten. Für die Frage, ob ein Mangel auf das
Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist, ist eine konkrete Betrachtungsweise
anzustellen. Eine solche konkrete Möglichkeit besteht immer dann, wenn sich an Hand
von Planunterlagen, oder sonst erkennbarer oder naheliegender Umstände die
Möglichkeit abzeichnet, dass der Mangel im Abwägungsvorgang von Einfluss auf das
Abwägungsergebnis gewesen ist.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.1.1995 - 4 NB 43.93 -, NVwZ 1995, 692.
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Dies ist hier der Fall. Es ergibt sich ohne weiteres aus einem Vergleich der Begründung
zum Bebauungsplan aus dem Jahre 1995 bzw. der Ökologischen Studie und der
Begründung zur Ergänzung des Bebauungsplans aus dem Jahre 2006 sowie aus einem
Vergleich des alten und des neuen Zuordnungsplans, dass der Rat bei seiner
Abwägung über das Verhältnis der Größen von Eingriffs- und Ausgleichsflächen das
Abwägungsmaterial grob unzureichend erfasst hat.
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Vgl. zu einem ähnlichen Fall, in dem der Satzungsgeber von einem zu großen
Eingriffsgebiet ausging, OVG NRW, Urteil vom 19.6.2006 - 7 D 78/05.NE -, juris.
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Der Mangel ist nicht durch Ablauf der Rügefrist unbeachtlich geworden. Mängel der
Abwägung werden nach § 215 Abs. 1 BauGB a.F. unbeachtlich, wenn sie nicht
innerhalb von zwei Jahren seit Bekanntmachung des Bebauungsplans schriftlich
gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden
Sachverhalts geltend gemacht worden sind. Für die Wahrung der Rügefrist ist es
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unerheblich, ob der Kläger selbst oder ein anderer den Mangel rügt. Ist ein solcher
Mangel hinreichend deutlich und fristgemäß geltend gemacht worden, so bleibt er auch
nach Ablauf der Rügefrist beachtlich. Die Fehlerrüge wirkt dann allgemein und absolut
für jedermann („inter omnes"), also nicht nur zugunsten desjenigen, der den
Abwägungsmangel ordnungsgemäß geltend gemacht hatte.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 2.1.2001 - 4 BN 13.00 -, juris.
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Der Mangel ist rechtzeitig gerügt worden. Der Kläger im Verfahren 3 K 398/07 hat in
seinem Schriftsatz vom 19.6.2007 - also innerhalb von zwei Jahren seit der
Bekanntmachung der Ergänzung des Bebauungsplans am 28.4.2006 - angeführt, dass
die Abwägung fehlerhaft sei. Er hat dabei auf die Stellungnahme auf Blatt 231 des
Verwaltungsvorgangs 1 zum Verfahren 3 K 359/07 verwiesen. Darin ist u.a. davon die
Rede, dass das Gutachten auch solche Bereiche als Eingriffsflächen aufführe und bei
der Berechnung der Kompensationsmaßnahmen berücksichtige, die im
Zuordnungsplan nicht mehr enthalten seien, wie z. B. den östlichen Bereich der
Teilfläche Nr. 4 (Feuchtgrünland Komplex), die Fläche Nr. 5 (Obstwiese) und die
Einzelbäume Nr. 10.
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Der genannte Mangel wirkt sich zudem - selbstständig tragend - auf die Festsetzung des
Umfanges der erforderlichen Ausgleichsflächen und damit auf das Abwägungsergebnis
aus. Ein Mangel im Abwägungsergebnis fällt nicht unter § 214 BauGB und bleibt daher
auch nach Ablauf der Rügefrist beachtlich.
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Vgl. dazu Gierke, in: Brügelmann, BauGB, Stand: April 2009, § 1 Rdnr. 1595; Stelkens,
Planerhaltung bei Abwägungsmängeln nach dem EAG Bau, UPR 2005, 81 (83, 88).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711
Satz 1 ZPO.
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