Urteil des VG Münster vom 10.01.2008

VG Münster: vertreter, satzung, stimmrecht, kreis, entsendung, zweckverband, mitgliedschaftsrecht, abstimmung, beamter, landrat

Verwaltungsgericht Münster, 1 L 10/08
Datum:
10.01.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 10/08
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt
Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
die Sicherung eines Feststellungsanspruchs, der aus der Verletzung ihm als Mitglied
der Verbandsversammlung des A. T. N. (im Folgenden: A1. ) zustehender Rechte
resultiere. Die Beschlüsse der Verbandsversammlung vom 20. Dezember 2007 hätten
sein Stimmrecht verletzt, da an der Abstimmung nicht stimmberechtigte Personen
teilgenommen hätten.
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Dieses Begehren wäre in einem Hauptsacheverfahren im Rahmen einer
Feststellungsklage zu verfolgen, die gegen die Verbandsversammlung zu richten wäre.
Deren Beschluss, zu der Verbandsversammlung des A. O. X. -M. bestimmte Vertreter zu
entsenden, bedarf keiner weiteren Umsetzung durch den Verbandsvorsteher, so dass
ein Feststellungsanspruch unmittelbar gegenüber der Verbandsversammlung geltend
zu machen wäre. Die Kammer hat die Bezeichnung des Antragsgegners daher von
Amts wegen berichtigt und versteht den Antrag des Antragstellers mithin als Antrag,
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gegenüber der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig
festzustellen, dass die in ihrer Sitzung am 20. Dezember 2007 getroffenen Beschlüsse
ihn in seinem Mitgliedschaftsrecht verletzen.
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Der so verstandene Antrag hat keinen Erfolg. Der Antragsteller hat einen
Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO, §§ 920 Abs.
2, 294 Abs. 1 ZPO).
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Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen
Prüfung der Sach- und Rechtslage wurde durch die Beschlüsse vom 20. Dezember
2007 das Mitgliedschaftsrecht des Antragstellers nicht verletzt.
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Zwar bestehen auch innerhalb eines Zweckverbands als Körperschaft des öffentlichen
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Rechts (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit, im
Folgenden: GkG) Rechtsbeziehungen zwischen dessen Organen oder Organteilen als
Träger organisationsinterner Rechte. Auf Streitigkeiten aus entsprechenden
Rechtsverhältnissen sind daher die Grundsätze entsprechend anzuwenden, die für
Kommunalverfassungsstreitigkeiten innerhalb von Gemeinden und Kreisen entwickelt
wurden.
Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 30. Juni 2005 - 4 L 115/05 -, juris.
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Auch der Beschluss eines Zweckverbands kann mithin im Rahmen eines Organstreits
daraufhin überprüft werden, ob bei der Beschlussfassung Mitgliedschaftsrechte eines
Organs oder Organteils verletzt wurden. Bei der als verletzt gerügten Rechtsposition
muss es sich um ein durch das Innenrecht eingeräumtes, dem klagenden Organ oder
Organteil zur eigenständigen Wahrnehmung zugewiesenes wehrfähiges subjektives
Organrecht handeln. Hierzu zählt das Stimmrecht, das nicht allein das Recht umfasst,
abzustimmen, sondern auch den Anspruch darauf, dass die Stimme mit dem ihr nach
der Verbandsverfassung zukommenden Gewicht bei der Abstimmung berücksichtigt
wird. Mit der Mitgliedschaft in der Verbandsversammlung eines Zweckverbands wird
eine genau umrissene Rechtsstellung auf Mitwirkung an deren Willensbildung
erworben, die sich für Abstimmungen über Änderungen der Verbandssatzung gemäß §
20 Abs. 1 Satz 1 GkG (im vorliegenden Fall in Verbindung mit § 8 Abs. 4 Satz 1 der
Satzung für den Zweckverband T. N. , im Folgenden: Satzung A1. ) dahin konkretisiert,
dass Beschlüsse grundsätzlich mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der
satzungsgemäßen Stimmenzahl der Verbandsversammlung gefasst werden müssen.
Sonstige Beschlüsse der Verbandsversammlung des A1. werden gemäß § 9 Abs. 2
Satz 2 Nr. 1 GkG, § 8 Abs. 2 Satz 1 Satzung A1. gefasst.
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Dies bedeutet nicht nur rechnerisch, dass eine bestimmte Anzahl von Stimmen für einen
Beschluss erforderlich ist, sondern auch, dass es allein auf die Stimmen der
Stimmberechtigten ankommt. Werden bei Abstimmungen nicht nur die Stimmen der
Stimmberechtigten mitgezählt, sondern auch solche nicht stimmberechtigter Personen,
so würde das sich in der Zahl der Stimmberechtigten und der genannten
Abstimmungsregel konkretisierte (Abstimmungs-) Mitwirkungsrecht des einzelnen
Mitglieds rechtswidrig geschmälert.
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Vgl. zum Stimmrecht eines Ratsmitglieds: OVG NRW, Beschluss vom 21. Dezember
1995 - 15 B 3104/95 -, NWVBl. 1996, 191 = NVwZ-RR 1997, 52.
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Dieses Stimmrecht des Antragstellers wurde bei den Beschlüssen der
Verbandsversammlung vom 20. Dezember 2007 über die Änderung der
Verbandssatzung und die Wahl der Vertreter des A1. in der Verbandsversammlung des
Zweckverbands O. X. -M. nicht verletzt.
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Dabei kann offen bleiben, ob es vor der Wahl der Vertreter des A1. in der
Verbandsversammlung des Zweckverbands O. X. -M. einer wirksamen, insbesondere
von der Aufsichtsbehörde genehmigten (vgl. §§ 20 Abs. 4 Satz 1, 10 Abs. 1 Satz 2 GkG)
Änderung der Verbandssatzung des A1. hinsichtlich der Aufgaben der
Verbandsversammlung bedurfte. Denn dem Antragsteller steht aus seiner Organstellung
kein im Rechtsweg verfolgbarer genereller Anspruch darauf zu, dass die
Verbandsversammlung nur gesetzmäßige Beschlüsse fasst.
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Vgl. zur Rechtsstellung eines Ratsmitglieds: OVG NRW, Urteil vom 2. Mai 2006 - 15 A
817/04 - Städte- und Gemeinderat 2007, Nr. 5, S. 37 = EStT NW 2007, 132.
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An den Abstimmungen der Verbandsversammlung in ihrer Sitzung am 20. Dezember
2007 haben keine nicht stimmberechtigten Personen teilgenommen. Die
Verbandsversammlung des A1. besteht aus 40 stimmberechtigten Personen.
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Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 GkG, § 5 Abs. 1 Satz 1 Satzung A1. besteht die
Verbandsversammlung aus den Vertretern der Verbandsmitglieder. Jedes
Verbandsmitglied entsendet nach § 15 Abs. 1 Satz 2 GkG wenigstens einen Vertreter in
die Verbandsversammlung. Das Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit eröffnet
mithin die Möglichkeit, in der Verbandssatzung die Entsendung von mehreren
Mitgliedern zu bestimmen (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 GkG). Sofern von dieser
Möglichkeit in der Verbandssatzung Gebrauch gemacht wurde und zu den Mitgliedern
des Zweckverbands ein Kreis gehört, muss zu dessen Vertretern der Landrat oder ein
von diesem vorgeschlagener Beamter oder Angestellter zählen (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 1,
2. Hs. GkG). Die Verbandssatzung des A1. hat eine entsprechende Bestimmung
getroffen: Nach § 5 Abs. 2 Satzung A1. entsendet jedes Verbandsmitglied in die
Verbandsversammlung sieben Vertreter sowie seinen Hauptverwaltungsbeamten oder
einen von diesem benannten Vertreter. Jedes Verbandsmitglied des A1. wird mithin von
acht Personen vertreten. Die gesonderte Erwähnung des Hauptverwaltungsbeamten
oder seines Vertreters soll dabei erkennbar nur dafür Sorge tragen, dass dieser den
Anforderungen des § 15 Abs. 2 Satz 1, 2. Hs. GkG entsprechend als Vertreter entsandt
wird. Dass dem Hauptverwaltungsbeamten oder dem von ihm benannten Vertreter in
der Verbandsversammlung keine Vertreterstellung, sondern nur ein Teilnahmerecht
ohne Stimmrecht zustehen sollte, lässt sich der Verbandssatzung, insbesondere den
Bestimmungen über den Verbandsvorsteher und seine beiden Vertreter, nicht
entnehmen.
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In den Fällen, in denen die Verbandssatzung die Entsendung von mehreren Vertretern
vorsieht, gehört der Verbandsvorsteher in der Regel der Verbandsversammlung an.
Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GkG wird der Verbandsvorsteher von der
Verbandsversammlung aus dem Kreis der Hauptverwaltungsbeamten oder mit
Zustimmung ihres Dienstvorgesetzten aus dem Kreis der allgemeinen Vertreter oder der
leitenden Bediensteten der zum Zweckverband gehörenden Gemeinden und
Gemeindeverbände gewählt. Da die Hauptverwaltungsbeamten bei der Entsendung von
mehreren Vertretern bereits nach § 15 Abs. 2 Satz Satz 1, 2. Hs. GkG in die
Verbandsversammlung zu entsenden sind, gehört der Verbandsvorsteher, sofern er
nicht aus dem Kreis der allgemeinen Vertreter oder der leitenden Bediensteten gewählt
wurde, bereits in seiner Eigenschaft als Hauptverwaltungsbeamter der
Verbandsversammlung an. Das Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit steht seit
der Streichung von § 16 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. GkG durch Artikel IV Nr. 1 des Gesetzes
zur weiteren Stärkung der Bürgerbeteiligung in den Kommunen vom 28. März 2000 (GV.
NRW. 2000, S. 254) einer Mitgliedschaft des Verbandsvorstehers in der
Verbandsversammlung mithin nicht mehr entgegen.
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Vgl. auch Köhler in Held/ Becker/ Decker/ Kirchhof/ Krämer/ Wansleben,
Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-X. , Band II, § 16 GkG, Anm. 1.
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Die Satzung des A1. geht erkennbar davon aus, dass der Verbandsvorsteher und seine
beiden Vertreter aus dem Kreis der Mitglieder der Verbandsversammlung gewählt
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werden, ihr daher bereits angehören und bereits aufgrund ihrer Mitgliedschaft über ein
Stimmrecht verfügen. Dies wird aus §§ 9 Abs. 1 Satz 4, 5 Abs. 2 , 2. Hs., 8 Abs. 1 Satz 1
Satzung A1. deutlich. Diese Regelungen stellen klar, dass der Verbandsvorsteher und
seine beiden Vertreter der Verbandsversammlung als stimmberechtigte Mitglieder
angehören, zahlenmäßig als ordentliche Mitglieder des entsprechenden
Verbandsmitglieds zu berücksichtigen sind und nicht über ein gesondertes Stimmrecht
verfügen. Auch daraus ergibt sich, dass die begriffliche Unterscheidung zwischen
Vertretern und Hauptverwaltungsbeamten in § 5 Abs. 2 Satzung A1. die Regelung über
die Stimmberechtigung in § 8 Abs. 1 Satz 1 Satzung A1. nicht vorprägt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.
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