Urteil des VG Münster vom 26.06.2009
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Verwaltungsgericht Münster, 1 L 289/09
Datum:
26.06.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 289/09
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe:
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Der Antrag des Antragstellers,
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die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller
vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zur Wiederholung der vierten
Klasse zuzulassen,
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hat keinen Erfolg.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines
vorläufigen Zustandes in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese
Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile
abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig
erscheint. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 123
Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO). Daran fehlt es hier.
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Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen
Prüfung ist es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass dem Antragsteller gegenüber der
Antragsgegnerin der im Verfahren zur Hauptsache geltend gemachte Anspruch auf eine
(vorläufige) Wiederholung der vierten Grundschulklasse zusteht.
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Soweit sich der Antragsteller zur Begründung seines vermeintlichen Anspruchs auf die
Vorschrift des § 7 Abs. 5 Satz 1 der Verordnung über den Bildungsgang in der
Grundschule (Ausbildungsordnung Grundschule - AO-GS) bezieht, lässt sich aus dieser
Vorschrift der geltend gemachte Anspruch nicht ableiten. Nach § 7 Abs. 5 AO- GS kann
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eine Schülerin oder ein Schüler auf Antrag der Eltern im Verlauf des Schuljahres u.a.
von der Klasse 4 in die Klasse 3 zurücktreten, wenn sie oder er in der bisherigen Klasse
nicht mehr erfolgreich mitarbeiten kann. Bereits nach dem Wortlaut ist unter den dort
genannten Umständen lediglich ein Rücktritt in die 3. Grundschulklasse möglich, nicht
aber eine Wiederholung der 4 Grundschulklasse.
Soweit der Antrag auf Erlass der erstrebten einstweiligen Anordnung dahingehend
verstanden werden soll, dass bis zur Entscheidung über den gegen den Bescheid der
Antragsgegnerin vom 19. Mai 2009 eingelegten Widerspruch vom 17. Juni 2009 der
bestehende Zustand gesichert werden soll (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO), fehlt es
ebenfalls an einem Anordnungsanspruch. Über den Rücktritt eines Schülers von der 4.
in die 3. Grundschulklasse entscheidet gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 AO-GS die
Versetzungskonferenz. Dabei ist der Rücktritt auf Antrag der Eltern der Nichtversetzung
vorzuziehen (Nr. 7.5 VvzAO-GS). Dem Antragsteller droht aber nicht die
Nichtversetzung in die nächsthöhere Klasse. Die Versetzungskonferenz hat sich mit den
Einwendungen der Eltern des Antragstellers sowie dem aktuellen Leistungsstand des
Antragstellers auseinander gesetzt. Danach wird der Antragsteller das Klassenziel
erreichen; eine Nichtversetzung droht ihm nicht. Ebenso hat sich die
Versetzungskonferenz mit dem Argument einer nicht mehr erfolgreichen Mitarbeit des
Antragsstellers in der bisherigen Klasse befasst. Der dort getroffenen Einschätzung,
dass das Verhalten des Antragstellers im Klassenverband seit dreieinhalb Jahren
getragen und toleriert wird, ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten.
Sofern er vorträgt, „dass man ihn in seiner Klasse nicht mögen würde" und er zu Hause
äußerte, „dass er seine Klassenlehrerin hasse", vermag dies nicht die Einschätzung der
Versetzungskonferenz zu erschüttern, dass eine erfolgreiche Mitarbeit in der Klasse
nicht mehr gewährleistet sei.
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Aus diesem Grunde kommt auch die von dem Antragsteller geltend gemachte sog.
Ermessensreduzierung auf Null, die einen Anspruch begründen könnte, nicht in
Betracht.
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Vielmehr ergibt sich aus § 50 Abs. 1 Schulgesetz für das Land Nordrhein- Westfalen
(Schulgesetz NRW - SchulG) i.V.m. mit § 7 Abs. 4 AO-GS, dass ein Schüler nach
Maßgabe der Ausbildungsordnung in der Regel am Ende des Schuljahres in die
nächsthöhere Klasse oder Jahrgangsstufe versetzt wird, wenn die
Leistungsanforderungen der bisherigen Klasse oder Jahrgangsstufe erfüllt sind. Nach §
7 Abs. 4 Satz 1 AO-GS wird ein Schüler in die Klasse 5 versetzt, wenn in allen Fächern
mindestens ausreichende Leistungen erbracht wurden. Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 2 AO-
GS wird er auch dann versetzt, wenn auf Grund der Gesamtentwicklung zu erwarten ist,
dass in der nächst höheren Klasse eine hinreichende Förderung und eine erfolgreiche
Mitarbeit möglich sind. Dies ist bei dem Antragsteller der Fall. Ausweislich des 1.
Halbjahreszeugnisse in der 4. Grundschulklasse wies der Antragsteller in allen Fächern
befriedigende bis ausreichende Leistungen auf. Nach der Einlassung der
Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 23. Juni 2009 sieht es auch im 2. Halbjahr der 4.
Grundschulklasse für den Antragsteller so aus, dass er das Klassenziel mit der
Versetzung in die 5. Klasse erreichen wird. Aus dem Bescheid der Antragsgegnerin an
die Eltern des Antragstellers vom 19. Mai 2009 ergibt sich ebenfalls, dass der
Antragsteller nach dem aktuellen Leistungsstand die Ziele der Grundschule erreicht und
eine Nichtversetzung zur Zeit nicht droht. Für einen (vorläufigen) Verbleib in der 4.
Grundschulklasse besteht demnach kein Anspruch.
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Von diesem in § 50 Abs. 1 SchulG vorgesehenen Regelfall kann der Antragsteller auch
nicht in Ansehung seines Vorbringens im vorliegenden Verfahren eine Ausnahme
beanspruchen.
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Dass sein Lese- und Wortverständnis im Fach Deutsch schwach sind, kommt bereits
durch die von der Fachlehrerin vergebene Note zum Ausdruck. Gleichwohl wird seine
Leistung im Fach Deutsch nicht mit „mangelhaft", sondern noch mit „ausreichend"
bewertet, was nach den Ausführungen zuvor für eine Versetzung reicht. Entgegen dem
Vorbringen des Antragstellers ist eine Verschlechterung seiner Leistungen im Fach
Deutsch infolge unterlassener Nachhilfe- und Förderleistungen der Antragsgegnerin bei
summarischer Prüfung nicht feststellbar. Seit dem 2. Schuljahr sind die Leistungen des
Antragstellers gleich „schwach" geblieben, in dem ihm von der Antragsgegnerin im Fach
Deutsch gleichbleibend „ausreichende" Leistungen bescheinigt wurden. Dies deckt sich
zudem mit den Feststellungen des Schulamtes der Stadt N. , welches nach einem
dreitägigen Prognoseunterricht zu dem Ergebnis kam, dass der Antragsteller zwar für
die Realschule offensichtlich ausgeschlossen ist, nicht aber für eine Versetzung an die
weiterführende Schulform Hauptschule (§ 10 SchulG).
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Soweit die Allgemeinmedizinerin Dr. (RUS) J. I. per ärztlichem Attest vom 16. April 2009
für den Antragsteller die Wiederholung der 4. Grundschulklasse empfahl, basiert diese
Empfehlung offensichtlich allein auf medizinischen Indikationslagen, nicht aber auf
schulfachlich basierten Erkenntnissen. Das insoweit gleichbleibende Leistungsniveau
des Antragstellers liegt nach summarischer Prüfung des Verwaltungsvorganges
offenbar weniger in Fehlzeiten des Antragstellers begründet, als vielmehr in dessen
fehlender Leistungsbereitschaft und der offensichtlich noch schwach ausgebildeten
Arbeitshaltung.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Das beschließende
Gericht bemisst die sich aus dem Antrag des Antragstellers ergebende Bedeutung der
Sache wegen des vorläufigen Charakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens mit
der Hälfte des im Hauptsacheverfahren anzunehmenden Auffangwerts nach § 52 Abs. 2
GKG.
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