Urteil des VG Münster vom 06.03.2009

VG Münster: öffentliches recht, wissenschaft und forschung, subjektives recht, sozialpakt, verfügung, stiftungsvermögen, studienbeitrag, fachhochschule, einfluss, feststellungsklage

Verwaltungsgericht Münster, 1 K 1832/08
Datum:
06.03.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 1832/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
1
Der Kläger ist eingeschriebener Studierender an der beklagten Fachhochschule N. und
entrichtete für bestimmte Semester ermäßigte Studienbeiträge. Er erstrebt die
Feststellung, dass die Verwendung von Studienbeiträgen zur Bildung von Vermögen
der Stiftung „Qualität in Studium und Lehre" rechtswidrig sei.
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Die Beklagte machte mit dem Erlass ihrer Satzung über die Erhebung von
Studienbeiträgen und Gebühren an der Fachhochschule N. vom 27. September 2006
von der den Hochschulen durch § 2 Abs. 1 des Studienbeitrags- und
Hochschulabgabengesetzes (StBAG NRW) vom 21. März 2006 (GV. NRW. S. 119, 120
ff.) erteilten gesetzlichen Ermächtigung Gebrauch, durch Beitragssatzung für das
Studium von eingeschriebenen oder zugelassenen Studierenden für jedes Semester
ihrer Einschreibung oder Zulassung einen Studienbeitrag zu erheben. Die vom Senat
der Beklagten beschlossene Ordnung über den Einsatz der Studienbeiträge an der
Fachhochschule N. vom 27. September 2006 regelt das Nähere über die
zweckgebundene Verwendung der Einnahmen aus Studienbeiträgen und nennt unter
den Leitideen zur Verbesserung von Lehre und Studienbedingungen auch den Aufbau
einer Stiftung, insbesondere zur dauerhaften Finanzierung von Stipendien. Das für
Wissenschaft und Forschung zuständige Landesministerium erklärte sich nach einem
Bericht der Beklagten mit der Gründung der geplanten Stiftung einverstanden. § 2 Abs. 2
StBAG NRW wurde im laufenden Gesetzgebungsverfahren durch Artikel 5 Nr. 4
Buchstabe a) bb) des Hochschulfreiheitsgesetzes vom 31. Oktober 2006 (GV. NRW. S.
474) neu gefasst. Satz 1 dieser Fassung stimmt mit der ursprünglichen Gesetzesfassung
des § 2 Abs. 2 StBAG NRW überein. Nach dem neu hinzugefügten Satz 2 kann die
Hochschule einen geringfügigen Teil der Einnahmen aus den Studienbeiträgen einer
Stiftung zur Verfügung stellen, die diese Einnahmen ihrerseits zeitnah zweckgebunden
für die Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen an der Hochschule
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verausgabt und in der die Hochschule unter Mitwirkung der Studierenden diesbezüglich
einen beherrschenden Einfluss besitzt. Die Beklagte errichtete im März 2007 durch
Stiftungsgeschäft und Stiftungssatzung die Stiftung „Qualität in Studium und Lehre", die
als rechtsfähige Stiftung Bürgerlichen Rechts anerkannt wurde. Die Zuwendungen der
Beklagten aus den Studienbeiträgen zum Stiftungsvermögen sind auf 20 % ihrer
jährlichen Gesamtbeitragseinnahmen begrenzt. Der Stiftungszweck der Förderung und
Bildung durch die Verbesserung der Lehr- und Studienbedingungen wird insbesondere
durch Vergabe von Stipendien bewirkt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 der Stiftungssatzung sind
die Erträge des Stiftungsvermögens zeitnah zur Erfüllung des Stiftungszwecks zu
verwenden.
Der Kläger hat am 13. August 2008 die vorliegende Feststellungsklage erhoben. Er führt
im Wesentlichen zur Begründung aus: Er könne geltend machen, durch die
Verwendung von Einnahmen aus den Studienbeiträgen für das Stiftungsvermögen in
eigenen Rechten aus § 2 Abs. 2 StBAG NRW verletzt zu sein. Diese Vorschrift diene
schon nach ihrem Wortlaut mit der formulierten Zweckbindung der Verwendung der
Einnahmen aus den Studienbeiträgen für die Verbesserung der Lehre und der
Studienbedingungen auch dem Schutz der Interessen der Studierenden. Außerdem
nehme die Gesetzesbegründung zur ursprünglichen Fassung dieser Vorschrift auf Art.
13 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19.
Dezember 1966 (UN-Sozialpakt) Bezug, der individuelle Rechte des Zugangs zum
Hochschulunterricht begründe. Dies mache deutlich, dass durch § 2 Abs. 2 StBAG NRW
den Hochschulen eine Verpflichtung nicht nur objektiv-rechtlich, sondern auch im
Interesse der Studierenden auferlegt werde. Die Klage sei ferner begründet. Die
Verwendung eines Teils der Einnahmen aus den Studienbeiträgen für die Bildung des
Stiftungsvermögen widerspreche dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 2 StBAG NRW. Eine
zeitnahe Verausgabung der Einnahmen für die Verbesserung der Lehre und der
Studienbedingungen an der Hochschule erfolge nicht, wenn aus den Mitteln
Stiftungsvermögen gebildet bzw. die Stiftung selbst errichtet werde. § 2 Abs. 2 Satz 2
StBAG NRW setze mit der Formulierung, „einer Stiftung zur Verfügung stellen", offenbar
eine bereits bestehende Stiftung voraus. Es genüge nicht, dass die Stiftung allein die
Zinserträge aus dem Stiftungsvermögen für den Stiftungszweck verwende.
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Der Kläger beantragt,
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festzustellen, dass die Verwendung von Studienbeiträgen zur Deckung des
Stiftungsvermögens der Stiftung „Qualität in Studium und Lehre" rechtswidrig ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie führt im Wesentlichen aus: Der Kläger könne nicht geltend machen, in eigenen
Rechten verletzt zu sein. Die das Ausgabeverhalten der Hochschule regelnde Vorschrift
des § 2 Abs. 2 StBAG NRW betreffe keine Rechte der Studierenden. Das Gesetz trenne
streng zwischen der in § 2 Abs. 1 StBAG NRW geregelten Einnahmeseite (weiter
Erhebungszweck „für das Studium") und der in § 2 Abs. 2 StBAG NRW geregelten
Ausgabenseite (engerer Ausgabenzweck „für die Verbesserung der Lehre und der
Studienbedingungen" Zahlungen an den Ausfallfonds sowie „Stiftungslösung"). Auch
bei zweckgebundenen Ausgaben seien die Einnahmen zuvor in den allgemeinen
Haushalt der erhebungsberechtigten Körperschaft geflossen und werde die Verbindung
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zwischen Beitragserhebung und Beitragsverwendung wirksam gekappt.
Dementsprechend führe das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
(OVG NRW) in seinem Urteil vom 9. Oktober 2007 -- 15 A 1596/07 - zur Verwendung
des Studienbeitragsaufkommens für Ausgleichzahlungen an den Ausgleichsfonds aus,
dass die Zweckbindung des § 2 Abs. 2 StBAG NRW lediglich die Verwendung des
Mittelaufkommens betreffe und eine unterstellte Rechtswidrigkeit der Pflicht der
Hochschulen, das Beitragsaufkommen zum Teil dem Ausfallfonds zuzuführen, somit
allenfalls die Hochschulen, nicht aber die beitragspflichtigen Studenten in ihren Rechten
verletzen würde. Außerdem könne es nicht sein, dass den Studierenden auf der einen
Seite - wie der Kläger meine - subjektiv-öffentliche Rechte aus § 2 Abs. 2 StBAG NRW
hinsichtlich der zweckgemäßen Verwendung der Studienbeiträge zur Seite stehen
sollten, dass ihnen zugleich aber auf der anderen Seite nach § 11 Abs. 1 Satz 5 StBAG
NRW gerade dann keine subjektiv-öffentliche Rechte zukommen sollen, wenn objektive
Mängel in der Studienorganisation gegeben seien. Auch aus der Bestimmung des Art.
13 UN-Sozialpakt folgten nach dem Urteil des OVG NRW vom 9. Oktober 2007 keine
subjektiv-öffentlichen Rechte der Studierenden. Die Klage sei zudem nicht begründet.
Die gesetzliche Formulierung des § 2 Abs. 2 Satz 2 StBAG NRW, dass die Stiftung die
ihr zur Verfügung gestellten Einnahmen aus den Studienbeiträgen ihrerseits zeitnah
zweckgebunden für die Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen an der
Hochschule verausgabe, sei so zu lesen, dass die Erträgnisse aus demjenigen Teil des
Stiftungskapitals, welcher durch die Zuführung des jeweils einschlägigen Teils des
Studienbeitragsaufkommens gewonnen worden sei, zeitnah zur Verbesserung der
Lehre und der Studienbedingungen an der Hochschule verausgabt werden müssten. Es
könne sich nicht um irgendeine Stiftung handeln, sondern nur um eine von der
Hochschule zu diesem Zweck gegründete. Denn nur sie habe es in der Hand, mittels
Stiftungsgeschäft und Satzung ihren Einfluss in der Stiftung zu regeln. Die
Nachhaltigkeit in der Verwendung des Beitragsaufkommens, zu der nach der
Gesetzesbegründung mit dem Stiftungsmodell beigetragen werden solle, lasse sich
ausschließlich dadurch erreichen, dass die Studienbeiträge in den Vermögensstock der
Stiftung flössen. Eine kapitallose Stiftung wäre nicht anerkennungsfähig. Die
gesetzliche Verwendung unterstreiche den politisch gewollten Verantwortungsnexus
zwischen der Hingabe der Beitragsaufkommens in das Stiftungskapital und der
Verwendung der Erträgnisse.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und des vorgelegten Verwaltungsvorgangs der Beklagten ergänzend
Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist unzulässig. Der Kläger ist nicht klagebefugt.
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Daraus, dass das in § 43 Abs. 1 VwGO geforderte berechtigte Interesse des
Feststellungsklägers an der erstrebten Feststellung über ein „rechtliches Interesse"
hinaus jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse auch wirtschaftlicher oder
ideeller Art einschließt, folgt nicht, dass jeder in diesem Sinne Interessierte auch ohne
eigene Rechtsbetroffenheit Feststellungsklage erheben kann. Vielmehr ist die Vorschrift
des § 42 Abs. 2 VwGO über die Klagebefugnis zur Vermeidung der dem
Verwaltungsprozess fremden Popularklage auf die Feststellungsklage nach § 43 VwGO
entsprechend anzuwenden. Klagen auf Feststellung des Bestehens oder
Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses (§ 43 Abs. 1 erste Alternative VwGO) sind
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nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, in seinen Rechten verletzt zu sein,
entweder weil er an dem festzustellenden Rechtsverhältnis selbst beteiligt ist oder weil
von dem Rechtsverhältnis eigene Rechte abhängen.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Juni 1995 - 2 C 32/94 -, juris, Rn. 18 = NJW 1996, 139,
und vom 26. Januar 1996 - 8 C 19/94 -, juris, Rn. 20 = NJW 1996, 2046 (2048).
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Daran fehlt es hier. Eine Verletzung eigener Rechte des Klägers scheidet ersichtlich
aus. Der Kläger will mit seiner Klage festgestellt wissen, dass die beklagte
Fachhochschule durch § 2 Abs. 2 StBAG NRW dazu verpflichtet sei, Einnahmen aus
Studienbeiträgen nicht für die Bildung des Vermögens der Stiftung „Qualität in Studium
und Lehre" zur Verfügung zu stellen. Er meint, § 2 Abs. 2 StBAG NRW vermittele ihm
insoweit eigene Rechte. Das trifft nicht zu. Der gerügte angebliche Verstoß der
Beklagten gegen Pflichten aus § 2 Abs. 2 StBAG NRW betrifft keine eigenen Rechte
des Klägers bzw. keine Rechtsbeziehungen, an denen der Kläger selbst beteiligt ist.
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Die Regelungen des § 2 Abs. 2 StBAG NRW begründen kein subjektiv- öffentliches
Recht des einzelnen Studierenden gegen die Hochschule darauf, die Regelungen über
die Zweckbindung der Verwendung von Einnahmen aus den Studienbeiträgen
einzuhalten und Verstöße gegen diese Regelungen zu unterlassen. Ein subjektiv-
öffentliches Recht liegt dann vor, wenn ein Rechtssatz des öffentlichen Rechts nicht nur
öffentlichen Interessen, sondern - zumindest auch - Individualinteressen derart zu
dienen bestimmt ist, dass die Träger der Individualinteressen die Einhaltung des
Rechtssatzes sollen verlangen können.
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Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. November 1985 - 8 C 43/83 -, juris, Rn. 15 = NJW 1986,
1628 (1629), und vom 17. Juni 1993 - 3 C 3/89 -, juris, Rn. 35 = NJW 1994, 1604 (1605).
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Die Regelungen des § 2 Abs. 2 StBAG NRW enthalten eine ausschließlich öffentlichen
Interessen dienende objektiv-rechtliche Verpflichtung der Hochschule dazu, das
Gesamtaufkommen aus den Studienbeiträgen in erster Linie für die Verbesserung der
Lehre und der Studienbedingungen einzusetzen. Diese Verpflichtung besteht im
allgemeinen Interesse der Gesamtheit der grundsätzlich beitragspflichtigen
Studierenden der Hochschule. Der Gesetzgeber hat dementsprechend hinsichtlich der
Verwendung des Studienbeitragsaufkommens nur eine kollektive Mitwirkung der
Studierenden vorgesehen. So haben Vertreterinnen und Vertreter der Gruppe der
Studierenden gemäß § 5 Abs. 8 des Hochschulgesetzes - HG - (in der ab dem 1. Januar
2007 geltenden Fassung) das Recht zur Abgabe von Empfehlungen und
Stellungnahmen hinsichtlich der Verteilung der Einnahmen aus den Studienbeiträgen.
Wenn die Hochschule einen geringfügigen Teil der Einnahmen aus den
Studienbeiträgen gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 StBAG NRW einer Stiftung zur Verfügung
stellt, muss eine Mitwirkung der Studierenden bei der Verwendung der vereinnahmten
Stiftungsmittel verankert sein, die der Mitwirkung nach § 5 Abs. 8 HG gleichkommt (vgl.
§ 2 Abs 2 Satz 2 letzter Satzteil StBAG NRW und LT-Drucksache14/2737, S. 183).
Studierende wirken außerdem nach Maßgabe des § 11 StBAG NRW als
stimmberechtigte Mitglieder in Prüfungsgremien bei der Überprüfung der Qualität der
Lehr- und Studienorganisation mit.
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Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber über die geregelten kollektiven
Mitwirkungsmöglichkeiten hinausgehend einzelnen Studierenden Rechtsmacht - also
ein subjektiv-öffentliches Recht - auf Feststellung von Verstößen gegen die
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Zweckbindung des § 2 Abs. 2 StBAG NRW oder auf Durchsetzung einer
zweckgemäßen Verwendung des Mittelaufkommens verleihen wollte. Diese
Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Vorgaben des § 2 Abs. 2 StBAG NRW sind nicht
dazu bestimmt, zumindest auch Einzelinteressen von Studierenden derart zu dienen,
dass die einzelnen Studierenden die Einhaltung der Regelungen sollen verlangen
können.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 StBAG NRW sind die Einnahmen aus den Studienbeiträgen
nach Absatz 1 Mittel Dritter und von den Hochschulen zweckgebunden für die
Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen sowie für die
Ausgleichszahlungen an den Ausfallfonds nach § 17 Abs. 3 Satz 3 zu verwenden; § 10
bleibt unberührt. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 StBAG NRW kann die Hochschule einen
geringfügigen Teil dieser Einnahmen einer Stiftung zur Verfügung stellen, die diese
Einnahmen ihrerseits zeitnah zweckgebunden für die Verbesserung der Lehre und der
Studienbedingungen an der Hochschule verausgabt und in der die Hochschule unter
Mitwirkung der Studierenden diesbezüglich einen beherrschenden Einfluss besitzt.
„Einnahmen aus den Studienbeiträgen" bedeutet Gesamtaufkommen der nach Absatz 1
des § 2 StBAG NRW erhobenen Studienbeiträge. Die ausdrückliche Bezeichnung
dieses Aufkommens als „Mittel Dritter" hebt hervor, dass das Beitragsaufkommen von
dritter Seite für die Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen erworben
wurde. Der Gesetzgeber wollte mit der Bezeichnung als „Mittel Dritter" erreichen, dass
die Erhebung der Studienbeiträge zu keiner Verringerung der staatlichen Finanzierung
der Hochschule entsprechend dem Beitragsaufkommen führt und „das
Beitragsaufkommen kapazitativ neutral" ist, also die Studienplatzkapazität der
Hochschule nicht erhöht.
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Vgl. die Gesetzesbegründung in LT-Drucksache 14/725, Seite 30 und 35.
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Die gesetzlichen Vorgaben einer zweckgebundenen Verwendung des
Beitragsaufkommens „für die Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen"
sowie für die Ausgleichszahlungen an den Ausfallfonds und die gesetzlich vorgesehene
Möglichkeit, nach § 10 StBAG NRW aus dem Studienbeitragsaufkommen Preise für die
herausragende Qualität der Hochschullehre und der Studienbetreuung auszuloben,
rechtfertigen nicht den Schluss, dass über die objektiv-rechtliche Förderung des
allgemeinen Interesses der Gesamtheit der Studierenden an einem Einsatz des
Beitragsaufkommens zur Verbesserung der Lehre und Studienbedingungen hinaus
auch der Schutz individueller Interessen in der Weise bezweckt ist, dass einzelnen
Studierenden die Rechtsmacht zur Durchsetzung von Rechtspflichten der Hochschule
eingeräumt wird. Das Gesetz unterscheidet systematisch zwischen der Erhebung der
Studienbeiträge für das Studium nach § 2 Abs. 1 StBAG NRW auf der Einnahmenseite
(Abgabentatbestand, Abgabengrund) und der Verwendung des Beitragsaufkommens für
die Zwecke nach § 2 Abs. 2 StBAG NRW auf der Ausgabenseite
(Verwendungsregelung). Die Verwendungsregelung gehört nicht zum
Beitragstatbestand.
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Vgl. Bosse, Zur Rechtmäßigkeit des nordrhein-westfälischen Studiengebührenmodells,
NWVBl. 2007, 87 (89, 91).
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Allein die Erhebung des Studienbeitrags, die durch die Erfüllung des
Beitragstatbestands gerechtfertigt ist, greift in die subjektive Rechtsstellung des
einzelnen Studierenden ein. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 StBAG NRW werden die
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Hochschulen ermächtigt, durch Beitragssatzung „für das Studium von Studierenden, die
in einem Studiengang eingeschrieben sind, ... einen Studienbeitrag in Höhe von bis zu
500 Euro zu erheben", wobei die Festsetzung der Höhe des Studienbeitrags sich
insbesondere an den durch § 2 Abs. 1 Satz 2 StBAG NRW vorgegebenen Zielen
orientieren muss. Die Pflicht zur Entrichtung des Studienbeitrags auf der Grundlage der
Beitragssatzung entsteht gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 StBAG NRW mit der Stellung des
Antrags auf Immatrikulation oder Rückmeldung. Der Studienbeitrag wird als
Gegenleistung „für das Studium" erhoben, nämlich für die Möglichkeit der
Inanspruchnahme der Einrichtung Hochschule. Mit dem Beitragstatbestand des
Immatrikulationsantrags bzw. der Rückmeldung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 StBAG NRW) soll der
Status des Studenten begründet oder fortgesetzt werden, aus dem die Berechtigung zur
Inanspruchnahme der universitären Leistung folgt. Demgegenüber betrifft die
Zweckbindung des § 2 Abs. 2 StBAG NRW lediglich die Verwendung des
Mittelaufkommens.
Siehe OVG NRW, Urteil vom 9. Oktober 2007 - 15 A 1596/07 -. juris, Rn. 24 und 116 =
NWVBl 2008, 22 (22 und 26).
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Dieser Befund wird durch die Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 1 StBAG NRW bestätigt.
Danach werden die Studierenden mit der Beitragshöhe von bis zu 500 Euro „nur zu
einem geringeren Teil zu den Kosten ihrer Ausbildung herangezogen. ...Studienbeiträge
werden zum Zwecke des Studiums erhoben. Dieser Zweckbindung entsprechend sieht
Absatz 2 vor, dass das Gesamtaufkommen der Studienbeiträge zweckgebunden primär
Lehre und Studium zukommen muss."
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Vgl. LT-Drucksache 14/725, Seite 33 f.
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Ohne besondere - hier nicht getroffene - gesetzliche Anordnung berührt die Regelung
des § 2 Abs. 2 StBAG NRW zur Zweckbindung des Gesamtbeitragsaufkommens auf der
Ausgabenseite unter anderem für die Verbesserung der Lehre und der
Studienbedingungen die subjektive Rechtsstellung der einzelnen beitragspflichtigen
Studierenden nicht. Sie erhalten nämlich mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme der
Einrichtungen der Hochschule die Gegenleistung, für die der Studienbeitrag erhoben
wurde, und zwar ein Studienbeitrag, der bis zu der rechtlich zulässigen Höhe von bis zu
500 Euro auch für das kostengünstigste Studium nicht kostendeckend ist. Die
Beitragserhebung ist auch dann gerechtfertigt, wenn der einzelne Studierende von
Vorteilen der Verausgabung des Beitragsaufkommens nicht selbst profitiert.
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Die Bezugnahme in der Gesetzesbegründung zur ursprünglichen Fassung des § 2 Abs.
2 StBAG NRW auf Art. 13 UN-Sozialpakt rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme eines
subjektiven Rechts. In der Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung vom
25. November 2005 wird ausgeführt, dass § 2 Abs. 2 StBAG NRW das Gebot des Art. 13
UN-Sozialpakt verwirkliche bzw. diesem Gebot Rechnung trage. Aus Art 13 UN-
Sozialpakt folgt nach der Begründung des Gesetzentwurfs zudem das bundesrechtliche
Verbot, die allgemeinen staatlichen Ausgaben im Hochschulbereich, die für die Lehre
aufgewendet werden, aufgrund der Beteiligung der Hochschulen an dem
Studienbeitragsaufkommen entsprechend diesem Aufkommen zu reduzieren (Verbot
regressiver Schritte).
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Vgl. LT-Drucksache 14/725, Seite 35.
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Für den Inhalt einer als Gesetz das Gericht bindenden Norm ist der in ihr zum Ausdruck
kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgeblich. Nach dem bereits oben
Ausgeführten gelangt in § 2 Abs. 2 StBAG NRW gerade nicht zum Ausdruck, dass der
Gesetzgeber dem jeweiligen Studierenden individuelle Klagerechte hinsichtlich der
zweckgemäßen Verwendung des Studienbeitragsaufkommens hat verleihen wollen.
Abgesehen davon folgen aus Art. 13 UN-Sozialpakt und dem Vertragsgesetz vom 23.
November 1973 (BGBl. II S. 1569), mit dem der Bund dem Pakt zugestimmt hat, keine
subjektiven Rechte des Studierenden in Bezug auf die Verwendung des Aufkommens
aus Studienentgelten. Die Vertragsstaaten erkennen in Art. 13 Abs. 2 Buchstabe c UN-
Sozialpakt an, dass im Hinblick auf die volle Verwirklichung des in Abs. 1 der Vorschrift
genannten Rechts auf Bildung "der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise,
insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann
gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss".
Nach der Rechtsprechung des zuständigen Oberverwaltungsgerichts,
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vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. Oktober 2007 - 15 A 1596/07 -, juris, Rn. 29 ff. = NVWBl.
2008, 22 ff.,
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der die Kammer gefolgt ist,
33
vgl. Urteil vom 19. Oktober 2007 - 1 K 2077/06 -, juris, Rn. 22 f.,
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enthält die genannte Vertragsbestimmung im Hinblick auf die Unentgeltlichkeit des
Hochschulunterrichts keine verbindliche innerstaatlich unmittelbar anwendbare
Rechtsnorm. Diese rechtliche Aussage gilt erst recht im Hinblick auf die Verwendung
von Einnahmen aus Studienentgelten. Unabhängig davon ergäbe sich selbst bei
unterstellter innerstaatlicher Anwendbarkeit des Pakts aus Art. 13 Abs. 2 Buchstabe c
UN-Sozialpakt kein subjektives Recht des einzelnen Studierenden in Bezug auf die
Verwendung des Aufkommens aus erhobenen Studienentgelten für die Verbesserung
der Lehre und der Studienbedingungen. Die genannte Bestimmung des Sozialpakts
dient dem Ziel, dass jeder nach seinen Fähigkeiten unabhängig von seiner Herkunft und
seinen finanziellen Möglichkeiten einen chancengleichen Zugang zur
Hochschulbildung hat. Dieser chancengleiche Hochschulzugang ist nicht nachteilig
betroffen, wenn dem einzelnen Studierenden keine eigenen Rechte hinsichtlich der
Verwendung des Aufkommens aus erhobenen Studienentgelten zugestanden werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V.
m. §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
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