Urteil des VG Münster vom 08.09.2010

VG Münster (anlage, prüfung, systematische auslegung, höhe, gebühr, sorte, gewicht, rechnung, rechtsgrundlage, verwaltungsgericht)

Verwaltungsgericht Münster, 7 K 670/07
Datum:
08.09.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 670/07
Tenor:
Der Bescheid des Beklagten vom 21. Dezember 2006 und der
Widerspruchsbescheid des Beklagten aus März 2007 werden
aufgehoben, soweit darin eine Gebühr von mehr als 46,00 EUR erhoben
wird.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten
wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages
abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
T a t b e s t a n d : Die Klägerin betreibt in Münster eine Bäckerei, bestehend aus einem
Hauptbetrieb in der M.------straße 00 und vier Filialen.
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Am 14. März 2006 führte der Beklagte Überprüfungen von Brotwaren in dem
Hauptbetrieb der Klägerin durch. Für diese Maßnahmen stellte er der Klägerin mit
Schreiben vom 15. März 2006 zunächst einen Gesamtbetrag in Höhe von 557,60 EUR
in Rechnung (Bl. 2 BA Heft 1). Hiergegen hatte die Klägerin fristgerecht Widerspruch
erhoben (Bl. 4 BA Heft 1).
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Mit Schreiben vom 19. Juni 2006 nahm der Beklagte formlos zum Widerspruch der
Klägerin Stellung (Bl. 61 ff. BA Heft 1). Er führte darin aus, dass das Eichgesetz eine
Ermächtigung des Bundes enthalte, wonach einschlägige Rechtsverordnungen
erlassen werden dürften. Hiervon habe der Bundesgesetzgeber durch den Erlass der
Fertigpackungsverordnung (FPV) Gebrauch gemacht. Die von der Klägerin gewünschte
Zusammenfassung von Broten einer Gewichtsklasse zu einer Überprüfungseinheit ohne
getrennte Gebührentatbestände sei nicht möglich. Da die in Abwesenheit des Käufers
hergestellten Brote rechtlich Fertigpackungen gleichgestellt seien, müssten
Vollprüfungen in produktspezifischer Unterscheidung nach Art und Gewichtsklasse
vorgenommen werden. Dies sei durch die einschlägige Kommentarliteratur sowie durch
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die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung belegt, wonach die jeweilige Überprüfung
"sortenrein" durchzuführen sei. Eine Vermischung unterschiedlicher Grundgesamtheiten
zu einer Stichprobe gleichen Nenngewichts stelle einen Verstoß gegen die Regeln des
in § 4a FPV vorgeschriebenen statistischen Prüfverfahrens dar. Überdies sei zu
befürchten, dass die Anzahl der geprüften Brote mehr als 99 Einheiten betrage und
damit die Gebührenbegünstigung für kleinere Backbetriebe - wie auch diejenigen der
Klägerin - entfalle, da dabei maximal 99 Brote im Rahmen einer Vollprüfung kontrolliert
werden dürften. Die in der Niederschrift ausgewiesenen Vollprüfungen an mehr als 10
Broten pro Gewichtsklasse und Sorte seien ordnungsgemäß nach den in der
Eichkostenverordnung festgelegten Gebühren abgerechnet worden. Bei weniger als 10
Broten pro Sorte und Gewichtsklasse werde eine Überprüfung nur durch einfache
Wägung vorgenommen. Diese Form der Überwachung werde nach der
Eichkostenverordnung nach zeitlichem Aufwand berechnet, da es hierfür an festen
Gebührensätzen fehle.
Mit Schreiben vom 11. Dezember 2006 half der Beklagte dem Widerspruch der Klägerin
wegen einer fehlerhaften Berechnung teilweise ab und nahm die Rechnung zurück (Bl.
89 BA Heft 1). Unter dem 21. Dezember 2006 stellte der Beklagte eine korrigierte
Rechnung über einen Gesamtbetrag in Höhe von 533,00 EUR aus (Bl. 105 BA Heft 1).
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 10. Januar 2007 Widerspruch ein (Bl. 106
BA Heft 1). Zur Begründung verwies sie auf ihre Klagebegründung in dem
Parallelverfahren 7 K 2075/06.
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Ende März 2007 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet
zurück und führte unter Bezugnahme auf sein Informationsschreiben vom 19. Juni 2006
ergänzend aus (Bl. 126 ff. BA Heft 1):
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Die einschlägige Rechtsgrundlage für eine Nacheichung der Waage in Verkaufsstellen
(III) ergebe sich aus § 27 FPV i.V.m. Anlage 7. Die gerügte Berechnung von Stichproben
greife ebenfalls nicht durch. Es seien keine Stichproben eines großen Loses von
Backwaren, sondern lediglich Vollprüfungen und Prüfungen auf Verkehrsfähigkeit
durchgeführt worden, die nach Aufwand und gerade nicht nach festen Gebührensätzen
abgerechnet würden. Weder aus der FPV noch aus der Richtlinie zur
Füllmengenprüfung (RPF) ergebe sich eine Beschränkung auf jeweils
Stichprobenprüfungen oder Vollprüfungen bzw. Prüfung auf Verkehrsfähigkeit. Der
Beklagte habe Überwachungsmaßnahmen nach den einschlägigen Rechtsgrundlagen
durchzuführen und nach den für ihn rechtsverbindlichen Grundlagen abzurechnen. Die
Prüfung auf Verkehrsfähigkeit erfolge bei Stichprobenprüfungen (mehr als 99 Brote
einer Sorte mit gleichem Nenngewicht aus einer größeren Charge) sowie bei den
Vollprüfungen (mehr als 10 und weniger als 99 Brote). Dabei würden Mittelwert und
Standardabweichung in einem gesetzlich vorgeschriebenen statistischen
Kontrollverfahren ermittelt. Würden im Rahmen der Überwachungshandlungen weitere
Brote unterschiedlicher Sorte und in kleineren Stückzahlen von weniger als 10 Broten
pro Sorte und Gewichtsklasse festgestellt, sehe das Prüfverfahren in Anlage 4a zur FPV
vor, dass auf die Bestimmung von Mittelwert und Standardabweichung verzichtet
werden müsse. In einem solchen Fall werde nur durch einfache Wägung der Brote
überprüft, ob diese verkehrsfähig seien (keine Gewichtsdifferenzen bei
Gewichtskontrollen, die mehr als das Doppelte der sogenannten Minusabweichung
betragen). Die Überwachungshandlungen würden sich daher nach Ziffer 6.7 der RFP
lediglich auf die aufwandbezogene Prüfung der Verkehrsfähigkeit der Brote
beschränken.
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Die Rechnung sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Sowohl für die
Abrechnung der Vollprüfungen nach festen Gebührensätzen als auch für die
Abrechnung nach Aufwand für die Überprüfung der Verkehrsfähigkeit verschiedener
Brotsorten seien die rechtsverbindlichen Gebührenordnungen und Richtlinien
berücksichtigt worden.
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Die Klägerin hat am 3. Mai 2007 Klage erhoben. Sie begehrt eine teilweise Aufhebung
des Bescheides und die Rückzahlung von insgesamt 487,00 EUR, wendet sich jedoch
weder gegen die in Ansatz gebrachte Gebühr für das Eichen der Waage in Höhe von
37,60 EUR noch gegen die Gebühr für das Eichen der Mehrteilungs- und
Mehrbereichswaage in Höhe von 8,40 EUR (vgl. Bl. 3 d. GA).
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Die Klägerin behauptet, dass die Mitarbeiter des Beklagten um 4:00 Uhr das Geschäft
der Klägerin betreten und in der Zeit von 4:30 bis 6:30 Uhr die Brote gewogen hätten.
Anschließend sei das Protokoll gefertigt worden, welches um 6:45 Uhr beendet
gewesen sei. Die Klägerin ist der Auffassung, dass bei den durchgeführten
Überprüfungen die Brote einer Gewichtsklasse zu einem gemeinsamen
Abwiegevorgang hätten zusammengefasst werden müssen. Es sei nicht
nachvollziehbar, weshalb neben den durchgeführten Vollprüfungen auch noch eine
Prüfung von unverpackter Backware erfolge, wofür der Beklagte einen Arbeitsaufwand
von zwei Stunden zu Grunde gelegt habe. Bei einer solchen Abrechnung lasse sich
eine Orientierung an dem gebührenrechtlichen Äquivalenzprinzip nicht erkennen.
Abgesehen davon stelle sich die Frage, ob der Beklagte für seine
Überwachungstätigkeit überhaupt Gebühren verlange könne. Die vom Eichwesen zu
unterscheidende Überwachungstätigkeit durch die Veterinärämter, die auch dem
Verbraucher zu Gute komme, ziehe beispielsweise keine von der Klägerin zu zahlende
Gebühr nach sich. Die Klägerin habe durch ihr Verhalten auch keinerlei Veranlassung
zu einer Überprüfung durch den Beklagten gegeben.
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Die Klägerin ist ferner der Auffassung, der Beklagte müsse die hergestellten Brote nicht
zwingend nach dem in der FPV festgelegten Verfahren prüfen. Die FPV sei unmittelbar
nur auf Fertigpackungen anwendbar und damit grundsätzlich nicht auf unverpackt
verkaufte Brote. Dies ergebe sich aus den Anlagen zur FPV, wonach die Vorschriften
der FPV auf unverpackte Backwaren und Verkaufseinheiten nur entsprechend
anwendbar seien. Das vom Beklagten angeführte Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg könne nicht zu einer gegenteiligen Ansicht führen. In dem dort
zugrundeliegenden Verfahren handele es sich um die Prüfung von Joghurtbechern, die
unstreitig als Fertigpackung dem Anwendungsbereich der FPV unterfielen. Die vom
Beklagten zitierte Richtlinie zur Füllmengenprüfung für die Begründung der
Sortenreinheit stelle eine bloße Empfehlung dar und enthalte keine rechtsverbindliche
Anordnung. Eine Zusammenfassung bestimmter Brote sei damals wie heute zulässig.
Der Schutz des Verbrauchers sei auch bei einem von der FPV abweichenden
Verfahren, bei dem Brote gleichen Nenngewichts zu einer Charge zusammengefasst
werden, gewährleistet. Die vom Beklagten vorgenommene strenge Anwendung der FPV
habe für die Klägerin erhebliche gebührenrechtliche Folgen, da für jedes anders
bezeichnete Brot eine individuelle und damit kostenverursachende Überprüfung nötig
werde. Gleiches gelte für vermeintliche "Wartezeiten" zwischen den einzelnen
Wiegevorgängen. Diese seien einerseits pauschal über die Zeiterfassung abgegolten,
würden aber durch zusätzliche Tätigkeiten, wie zum Beispiel die Stichprobenprüfungen,
noch einmal abgerechnet.
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Die Klägerin beantragt,
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die Kostenrechnung des Beklagten vom 21. Dezember 2006 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 28. März 2007 insoweit aufzuheben, als eine Gebühr von
mehr als 46,00 EUR erhoben wird.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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In seiner Begründung (Bl. 23 ff. GA) nimmt er bezug auf seine Ausführungen im
Widerspruchsverfahren und führt ergänzend aus:
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Um die Einhaltung der Anforderungen an Backwaren (Fertigpackungen) zu überprüfen,
sei eine regelmäßige Kontrolle durchzuführen. Der Beklagte bestreitet darüber hinaus
die zeitlichen Angaben der Klägerin. Bei der Prüfung auf Verkehrsfähigkeit ergebe sich
per se eine etwas längere Prüfzeit als bei den Vollprüfungen.
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Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer erneuten mündlichen Verhandlung
verzichtet. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf
den Inhalt der Verwaltungsvorgänge sowie der Gerichtsakten Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Das Gericht konnte im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
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Die Klage hat Erfolg. Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 21. Dezember 2006
und der Widerspruchsbescheid aus März 2007 sind rechtswidrig, soweit darin eine
Gebühr von mehr als 46,00 EUR erhoben worden ist, und verletzen die Klägerin
insoweit in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die vom Beklagten
durchgeführten Vollprüfungen der geeichten Brote sind unter Zugrundelegung eines
falschen Berechnungssystems erfolgt. Für die Einzelprüfungen der Brote auf
Verkehrsfähigkeit fehlt es bereits an einer wirksamen Rechtsgrundlage.
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Der Beklagte darf dem Grunde nach für seine Überwachungstätigkeit Gebühren
erheben. Dies gilt unabhängig davon, ob andere Behörden für verbraucherschützende
Tätigkeiten Gebühren veranschlagen oder nicht. Nach dem Gebührengesetz des
Landes Nordrhein-Westfalen - GebG NRW - kann die Behörde für ihre Amtshandlungen
Gebühren verlangen und dafür entsprechende Gebührenordnungen erlassen (vgl. § 2
Abs. 2 GebG NRW).
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Rechtsgrundlagen für die durch den Beklagten vorgenommenen Vollprüfungen von 179
Broten sind §§ 14, 16 Abs. 2 des Gesetzes über das Mess- und Eichwesen (EichG)
i.V.m. §§ 1, 2 der Eichkostenverordnung (EichKostVO) i.V.m. Schlüsselzahlen 50.3.1.1
und 50.3.1.2 der Anlage Gebührenverzeichnis zur EichKostVO.
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Der Beklagte hat eine nach diesen Vorschriften gebührenpflichtige Amtshandlung
vorgenommen. Gemäß § 16 Abs. 2 EichG ist die zuständige Behörde berechtigt,
Geschäftsräume zu betreten, Prüfungen und Besichtigungen vorzunehmen, Proben zu
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entnehmen sowie in die Unterlagen des Auskunftspflichtigen Einsicht zu nehmen. Die
Überprüfung der 179 Brote stellt eine Amtshandlung dar, für die im Gebührenverzeichnis
der Anlage zur EichKostVO feste Gebührensätze vorgesehen sind. Dabei ist der
Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die Sonderfallregelungen der
Schlüsselzahlen 50.3.1.1 ff. eingreifen, da die Klägerin neben dem Hauptbetrieb
lediglich vier weitere Verkaufsfilialen betreibt.
Die Klägerin ist auch die richtige Gebührenschuldnerin. Dafür ist nicht erforderlich, dass
die Kostenschuldnerschaft ausdrücklich im Fachgesetz normiert ist. Nach § 13 Abs. 1
Nr. 1 Alt. 1 GebG NRW ist zur Zahlung der Kosten verpflichtet, wer die Amtshandlung
zurechenbar verursacht hat. Im Rahmen von Überwachungsmaßnahmen ist dies schon
dann anzunehmen, wenn die Zurechenbarkeit aus dem Sachzusammenhang der
fachgesetzlichen Bestimmungen entnommen werden kann. Angesichts der eindeutigen
Anordnung der Gebührenpflicht für die Überprüfungshandlungen in Form von
Eichungen in der EichKostVO kann nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, dass der
jeweilige Inhaber des überprüften Betriebes als Schuldner der Verwaltungsgebühr
heranzuziehen ist. Die gebotene individuelle Zurechenbarkeit der Verwaltungsgebühr
ergibt sich in diesem Fall aus dem gesetzlichen Gebührentatbestand selbst.
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Jedoch war der Beklagte nach den gesetzlichen Bestimmungen weder berechtigt noch
verpflichtet, sortenreine Prüfungen durchzuführen. Er hätte bei seinem Verfahren Brote
gleichen Nenngewichts zu einer Charge zusammenfassen müssen. Hierfür sprechen
neben dem Wortlaut sowohl systematische Erwägungen als auch eine am Sinn und
Zweck der Eichgesetze orientierte Auslegung der Gebührentarifstellen.
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In der Anlage Gebührenverzeichnis zur EichKostVO vor Schlüsselverzeichnis 50.1.1.1
befinden sich allgemeine Hinweise, die sowohl für die Regelfälle als auch für die hier
vorliegenden Sonderfälle gelten. Darin heißt es unter anderem, dass die Gebühren für
Vollprüfungen von unverpackten Backwaren jeweils "gleichen Nenngewichts" gelten.
Gleiches ergibt sich aus § 32 FPV sowie der Anlage 4a Nr. 10 zur FPV. Auch hier wird
allein auf das jeweilige Gewicht der Backware Bezug genommen. Daraus ergibt sich die
gesetzgeberische Vorgabe, dass es bei einer Überprüfung der Eichbehörden gerade
nicht um Sortenreinheit geht, sondern allein das Gewicht als Prüfkriterium maßgeblich
sein sollte.
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Diese systematische Auslegung der Gebührentatbestände korrespondiert mit dem Sinn
und Zweck der nach dem Eichgesetz vorzunehmenden Amtshandlungen. Nach §§ 1, 2
EichG dienen die Eichpflicht und die zu treffenden behördlichen Maßnahmen der
Gewährleistung der Messsicherheit. Der Käufer soll durch ein richtiges Messen im
geschäftlichen Verkehr bei dem Erwerb messbarer Güter und Dienstleistungen
geschützt werden. Es soll gewährleistet sein, dass der Verbraucher, der mit bloßem
Auge nicht zu erkennen vermag, welches Gewicht das von ihm erworbene Produkt
tatsächlich hat, ein Brot erwirbt, das mit dem angegebenen Gewicht übereinstimmt. So
kann beispielsweise ein großes und dickes Brot wegen der eingesetzten Backtriebmittel
dem Gewicht scheinbar entsprechen, von seiner Konsistenz nach innen aber weicher
und damit leichter sein, so dass dem Käufer hierdurch ein Nachteil entsteht. Durch eine
flächendeckende Überwachung werden somit auch gleiche Wettbewerbsbedingungen
im Handelsverkehr geschaffen. Für den Verbraucher besteht durch die getroffenen
Maßnahmen Vertrauen in die erworbenen Mengen. Die Eichbehörde schützt den Käufer
im Sinne eines effektiven Verbraucherschutzes also nur insoweit, als er für sein Geld die
Gewichtsklasse des ausgewählten Brotes erhält, nicht aber davor, dass die
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Lebensmittelparameter nicht eingehalten worden sind. Zur Durchführung einer
sortenreinen Prüfung ist der Beklagte nach den gesetzlichen Bestimmungen somit nicht
befugt.
Auf die Bezeichnung eines Brotes (z.B. Sonnenblumen, Kürbiskern, Mohn etc.) kann es
vor dem Hintergrund der heutigen Sortenvielfalt schon deshalb nicht ankommen, weil es
hierfür an einem verbindlichen und vernünftigen Maßstab für die Unterscheidbarkeit und
damit einer gleichen Handhabung der jeweiligen Eichbehörden fehlt. Die Sortenreinheit
würde letztlich den Grundsatz der Gebührengleichheit ad absurdum führen, da es im
Ermessen der Behörde stünde, wann sie von einer neuen Sorte ausgeht und damit
weitere Gebühren veranlagen kann. Allein eine am Gewicht orientierte Vollprüfung
vermag im Sinne der Gleichbehandlung und der Praktikabilität zu überzeugen.
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Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht durch das vom Beklagten vorgelegte Urteil
des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. August 2003 - 9 S 1121/09 -
begründen. Diese Entscheidung ist auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht
übertragbar, weil es dort um die Aufmachung von Joghurtbechern und damit um reine
Fertigpackungen ging, deren Prüfung unter einem anderen Aspekt erfolgt als die
Eichung von Backwaren.
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Für die Gebührenerhebung wegen Einzelprüfungen auf Verkehrsfähigkeit fehlt es schon
an einer tauglichen Rechtsgrundlage. Diese 78 Brote hätten wie die übrigen 179 einer
Vollprüfung unterzogen werden müssen.
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Die §§ 14, 16 Abs. 2 EichG i.V.m. §§ 1, 2 Abs. 3 Nr. 1 EichKostVO stellen keine
taugliche Rechtsgrundlage dar. Danach werden für nach dem Eichgesetz
vorgenommene Amtshandlungen, die im Gebührenverzeichnis nicht oder nicht mit
einem festen Gebührensatz aufgeführt sind, Gebühren nach dem Arbeitsaufwand (vgl. §
8 EichKostVO) erhoben. Der Beklagte ging davon aus, dass bei kleineren Stückzahlen
von weniger als 10 Broten pro Sorte und Gewichtsklasse gerade nicht das in Anlage 4a
zur FPV vorgesehene Prüfverfahren eingreife und folglich auch keiner der
Gebührentatbestände vorliege. Deshalb sei eine aufwandsbezogene Prüfung i.S.d. § 2
Abs. 3 Nr. 1 EichKostG durchzuführen.
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Bei seiner Argumentation verkennt er jedoch, dass nach der Systematik des Gesetzes
für die Sonderfälle der unverpackten Backwaren Spezialregelungen gelten, die einem
Rückgriff auf die Verfahren der FPV entgegenstehen. In ihrer Anlage zum
Gebührenverzeichnis (vor Schlüsselzahl 50.3.1.1) bestimmt die EichKostVO den
Umfang für Vollprüfungen anders als in der Anlage 4a zur FPV. Während in Anlage 4a
Nr. 4 c) i.V.m. Nr. 10 zur FPV für Vollprüfungen ein Umfang von Losgrößen zwischen 10
und 99 festgelegt wird, bezieht sich das Vollprüfungsverfahren für die privilegierten
Backbetriebe auf maximal 99 Brote. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die
Vollprüfung immer dann stattfindet, wenn die Charge zwischen einem und 99 Broten
rangiert, da die Norm eine Untergrenze gerade nicht festlegt. Dafür spricht auch die
Formulierung in den Gebührentatbeständen, wonach eine fixe Gebühr für bis zu 25
Backwaren erhoben wird. Hätte der Gesetzgeber das Verfahren nach Vollprüfungen nur
für Einheiten zwischen 10 und 99 festlegen wollen, hätte es einer entsprechenden
Klarstellung in der EichKostVO bedurft. Eine entsprechende Anwendung der Anlage 4a
Nr. 4 i.V.m. Nr. 10 zur FPV war somit für diesen Sonderfall nicht intendiert.
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Etwas Gegenteiliges lässt sich auch nicht aus Ziffer 6.7 der vom Beklagten zitierten
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Richtlinie zur Füllmengenprüfung von Fertigpackungen und Prüfung von
Maßbehältnissen durch die zuständigen Behörden (RFP) herleiten. Die RFP ist keine
das Gericht bindende Vorschrift. Sie wurde durch die Eichbehörden der Länder mit
Zustimmung des Bund- und Länderausschusses den örtlichen Eichbehörden als
Empfehlung an die Hand gegeben, ist aber für sich genommen nicht verbindlich, da ihr
keine norminterpretierende Wirkung zukommt.
Auf die streitige Frage, ob der Zeitaufwand für die Prüfungen korrekt und angemessen
war, kommt es somit vorliegend nicht an.
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Der Bescheid ist insgesamt aufzuheben, da sich das Gericht allein anhand der in den
Verwaltungsvorgängen befindlichen Protokolle des Beklagten nicht in der Lage sieht,
eine fehlerfreie Berechnung vorzunehmen. Teilweise sind die Protokolle unvollständig
oder nicht lesbar, so dass eine Teilaufhebung nicht in Betracht kommt. Der Beklagte ist
gleichwohl berechtigt, die Gebühren nach den gerichtlichen Vorgaben innerhalb der
laufenden Verjährungsfristen gegenüber der Klägerin unter Beachtung der obigen
Ausführungen neu festzusetzen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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