Urteil des VG Münster vom 19.03.2010

VG Münster (kläger, grundstück, juristische person, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, chemische reinigung, eigentümer, sache, durchführung, gefahr, verfügung)

Verwaltungsgericht Münster, 7 K 1415/08
Datum:
19.03.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 1415/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig
vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte in gleicher Höhe
Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung zur Durchführung von Untersuchungen
zur Gefährdungsabschätzung nach § 9 Abs. 2 Bundesbodenschutzgesetz ( BBodschG )
auf dem Grundstück G1. Er hatte das Grundstück durch notariellen Kaufvertrag vom 14.
Juli 2004 als Teilstück des Flurstücks 0 von I. und V. S. als Gesellschafter der Q. .W. S.
Gesellschaft bürgerlichen Rechts erworben. Auf dem Grundstück wurde von 1949 bis
2003 eine Wäscherei und Färberei und eine chemische Reinigung betrieben. Die
Betriebsgebäude befanden sich auf dem von dem Kläger erworbenen Teilbereich. In
dem Betrieb wurde von 1954 bis 1994 Tetrachlorethen (PER) als Reinigungsmittel
eingesetzt. Der Betrieb erfolgte in verschiedenen Rechtsformen, u.a als KG und OHG.
Diese Gesellschaften waren jeweils auch als Eigentümer des Grundstücks eingetragen.
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Untersuchungen auf dem Grundstück durch das Gutachterbüro Dr. X. Beratende
Ingenieure GmbH (im Folgenden Büro Dr. X. ) im Jahr 1997 führten zu dem Ergebnis,
dass eine schädliche Bodenveränderung und Grundwasserverunreinigung auf dem
Betriebsgelände vorhanden war, zurückzuführen auf den Einsatz von Tetrachlorethen
als Reinigungsmittel. Nach erfolgten Sanierungsmaßnahmen ordnete der Beklagte am
27. Dezember 2000 eine Beprobung an den vorhandenen Grundwassermessstellen auf
den Parameter leichtflüchtige Halogenkohlenwasserstoffe (LHKW) in zweijährigem
Abstand an.
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Ein Gutachten des Büro Dr. X. aus dem Jahr 2004, das im Rahmen der
Verkaufsabsichten erstellt worden war, ergab, dass sich die LHKW-Gehalte erhöht
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hatten und nunmehr über dem empfohlenen Maßnahmeschwellenwert der
Landesarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) lagen. Es bestand die Gefahr der
Verunreinigung des Grundwassers für das nahe gelegene Wohngebiet "B. U. ".
Beprobungen aus den Hauswasseranlagen dieses Wohngebietes zeigten
Konzentrationen bis zu 164 µg/l und bestätigten eine großräumige, das ganze
Siedlungsgebiet betreffende Grundwasserverunreinigung. Es wurden zahlreiche
Untersuchungen durchgeführt, die aber zu einer abschließenden
Gefährdungsabschätzung nicht ausreichten. Im Juni 2006 wurde der Kläger zu der
Anordnung von vier weiteren Messstellen angehört. Zahlreiche Gespräche in der
Folgezeit betreffend die erforderlichen Maßnahmen führten zu keinem Übereinkommen.
Mit Verfügung vom 22. Januar 2007 forderte der Beklagte den Kläger zur Durchführung
von Untersuchungsmaßnahmen nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG auf. Danach sollten
vier Grundwassermessstellen an im Einzelnen bestimmten Standorten errichtet werden
und an den bereits vorhandenen und den neu zu errichtenden Messstellen
Stichtagsmessungen und Grundwasserprobeentnahmen vorgenommen werden. Die
Proben seien auf die Gehalte an leichtflüchtigen Chlorkohlenwasserstoffverbindungen
zu untersuchen. Die Untersuchungen seien durch einen zugelassenen
Sachverständigen vorzunehmen und zu begleiten und zu im Einzelnen bestimmten
Punkten gutachterliche Aussagen hierzu zu fertigen. Wegen der Einzelheiten der
Anordnung wird auf die Verfügung Blatt 1351 ff. der Beiakte Heft 3 Bezug genommen.
Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Prüfwert für leichtflüchtige
Halogenkohlenwasserstoffe von 10 µg/l sei erheblich überschritten und begründe somit
einen hinreichenden Schadensverdacht. Die angeordneten Maßnahmen seien
erforderlich, um die bisher bekannten Hauptgrundwasserbelastungen räumlich
abgrenzen zu können und Erkenntnisse über die räumliche Grundwassersituation, die
Schadstoffmobilität und die Konzentrationsverteilung zu gewinnen.
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Unter den als Verantwortliche im Sinne des § 4 Abs. 3, 5 und 6 BBodSchG in Betracht
Kommenden habe er den Kläger als Grundstückseigentümer und Inhaber der
tatsächlichen Gewalt verpflichtet, um zu vermeiden, dass die erforderlichen Maßnahmen
ansonsten verzögert würden. Ein grundsätzlicher Vorrang der Verantwortlichkeit des
Verursachers vor derjenigen des Eigentümers sei mit Blick auf § 24 Abs. 2 BBodSchG
nicht gegeben. Zugleich ordnete der Beklagte die sofortige Vollziehung der
Anordnungen an und drohte die Ersatzvornahme hinsichtlich der Anordnungen bzw. ein
Zwangsgeld bezüglich der Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen an.
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Der von dem Kläger hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit
Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Münster vom 00.00.0000 zurückgewiesen.
Die auferlegten Maßnahmen seien erforderlich, geeignet und hinreichend bestimmt, um
im Rahmen einer Gefährdungsabschätzung die notwendigen Detailinformationen
hinsichtlich der Schadstoffmenge und der räumlichen Ausbreitung zu erlangen und
daraus die erforderlichen weiteren Schritte ableiten zu können. Die
Auswahlentscheidung, den Kläger als Grundstückseigentümer heranzuziehen, sei nicht
zu beanstanden. Sie habe sich in erster Linie an der Notwendigkeit einer schnellen und
effektiven Gefahrenbeseitigung zu orientieren. Die Durchführung der
Gefährdungsabschätzung dürfe nicht unter tatsächlichen Schwierigkeiten bei der
Feststellung des Verpflichteten leiden.
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Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage führt der Kläger aus, die
Störerauswahl sei rechtswidrig. Seine Inanspruchnahme sei unbillig, weil sie in ihrer
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Eingriffsintensität enteignungsähnliche Wirkungen entfalte. Sein Haushalt werde aufs
Schwerste belastet. Das Grundstück selbst habe seinen Marktwert verloren. Auch habe
der Beklagte verkannt, dass weitere Störer zur Verfügung stehen. Darüber hinaus sei
der Bescheid rechtswidrig, weil der Kläger nicht nur zu Maßnahmen auf eigenem
Grundstück, sondern auf fremden Grundstücken verpflichtet worden sei. Der
Zustandsstörer könne grundsätzlich nur zu Maßnahmen auf dem eigenen Grundstück
herangezogen werden. Sonst würde er in unverhältnismäßiger Weise für Fehlverhalten
des Verhaltensstörers in Anspruch genommen. Er bezieht sich insoweit auf die
Argumentationslinie einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16.
Februar 2000 (Az.: 1 BvR 242/91). Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 22. Januar 2007 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster vom 00.00.0000 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen
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und wiederholt und vertieft seine Begründung zur Störerauswahl. Neben den in der
Ordnungsverfügung genannten Argumenten sei ferner die bei der Klägerin mutmaßlich
vorhandene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu beachten. Vor dem Hintergrund der
Eilbedürftigkeit der Maßnahme wegen der Intensität der Gefahr und des drohenden
Schadens sei die Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden. Die Verantwortlichkeit
des Grundstückseigentümers sei auch nicht auf den räumlichen Bereich des
Grundstücks zu begrenzen. Anknüpfungspunkt sei die durch schädliche
Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Gefahr. Die Einwirkungsmöglichkeit
auf die eine Gefahr verursachende Sache stelle nicht den einzigen Grund für die
Inanspruchnahme eines Zustandsstörers dar. Der Umstand, dass der Eigentümer
Nutzen aus der Sache ziehen könne, rechtfertige es auch, ihn zur Beseitigung von
Gefahren, die von der Sache ausgehen, zu verpflichten. Eine Begrenzung könne unter
dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit geboten sein. Hierfür seien vorliegend keine
Anhaltspunkte erkennbar. Der Kläger habe das Grundstück in Kenntnis der Altlasten
erworben. Zudem sei nicht ersichtlich, dass die Inanspruchnahme enteignungsgleiche
Wirkungen entfalte. Angesichts der geschätzten Kosten der Maßnahmen liege der
Verkehrswert des Grundstücks nach Sanierung erheblich über diesen Kosten. Der
Kaufpreis habe 310.000,-- EUR betragen. Für die Behauptung, der Haushalt der
Klägerin werde durch die Inanspruchnahme aufs Schwerste belastet, sei nichts
vorgetragen worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, denn es besteht trotz der durchgeführten
Ersatzvornahme ein Rechtsschutzinteresse des Klägers, weil die Ordnungsverfügung
vom 22. Januar 2007 hinsichtlich der Kostentragung noch belastende Wirkungen für den
Kläger entfaltet.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen - OVG NRW -, Urteil vom
13. Juni 2006, - Az.: 13 A 632/04 -.
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Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 22. Januar 2007 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster vom 00.00.0000 ist nicht
rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO).
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Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Eine Anhörung zu den getroffenen Maßnahmen hat
unter dem 30. Juni 2006 stattgefunden.
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Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Ordnungsverfügung ist § 9 Abs. 2 Satz 1 i.
V. m. § 4 Abs. 3 BBodSchG. Nach § 9 Abs. 2 BBodSchG kann die zuständige Behörde,
wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen
Bodenveränderung oder einer Altlast besteht, anordnen, dass die verantwortlichen
Personen die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung
durchzuführen haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Gemäß § 3
Abs. 4 BBodSchV liegen solche konkreten Anhaltspunkte in der Regel vor, wenn
Untersuchungen eine Überschreitung von Prüfwerten ergeben oder wenn aufgrund
einer Bewertung nach § 4 Abs. 3 BBodSchV eine Überschreitung von Prüfwerten zu
erwarten ist. Hier sind die Prüfwerte für leichtflüchtige halogenisierte
Kohlenwasserstoffe (LHKW), die in Anhang 2 der BBodSchV Ziff. 3.1 "Prüfwerte zur
Beurteilung des Wirkungspfads Boden-Grundwasser" mit 10 µg/l bestimmt worden sind,
weit überschritten. Dies ist durch zahlreiche Untersuchungen und Gutachten u.a. des
Büro Dr. X. belegt. Auch das von der Klägerin in Auftrag gegebene Gutachten der H.
vom 29.03.2006 zeigt Untersuchungsergebnisse für LHKW an den Messstellen in Höhe
von 215, 222 und 322 µg/l auf, wobei der Anteil von Tetrachlorethen bei 170, 71 und 280
µg/l liegt. Die Untersuchungsergebnisse an Hausbrunnen in dem Wohngebiet "B. U. "
zeigen Werte für LHKW bis zu 1.106 µg/l und Tetrachlorethen bis 789 µg/l auf (vgl. Blatt
947, 951 - 953 BA Heft 3).
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Die in der Verfügung getroffenen Anordnungen sind geeignet und angemessen, um eine
Gefährdungsabschätzung zu erreichen. Die Einrichtung zusätzlicher vier
Grundwassermessstellen an den ausgewählten Standorten erscheinen geeignet, um
den Belastungsbereich eingrenzen und die Belastungsausdehnung einschätzen zu
können. Die Anzahl erscheint auch erforderlich, um den Ausdehnungsbereich möglichst
abschließend bestimmen zu können. Da sich in der Vergangenheit die Schadstofffahne
unterschiedlich ausgebreitet hat, erscheint es auch erforderlich, die bereits vorhandenen
Messstellen in die Beprobung einzubeziehen. Durch die Beschränkung auf den
Parameter LHKW ist berücksichtigt, die Kosten der Beprobung möglichst gering zu
halten.
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Die Anordnungen unter Buchstabe A Ziff. 3 der Verfügung beruhen auf § 9 Abs. 2 Satz 3
BBodSchG. Angesichts der fachspezifischen Anordnungen erscheint es geradezu
zwingend, dass die Durchführung der Maßnahmen durch einen zugelassenen
Sachverständigen für das Sachgebiet "Gefährdungsabschätzung für den Wirkungspfad
Boden-Gewässer" erfolgt. Die Vorgabe der zu treffenden Aussagen ist sachgerecht, um
eine Gefährdungsabschätzung vornehmen zu können.
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Es ist nicht zu beanstanden, dass die angeordneten Maßnahmen sich überwiegend auf
nicht dem Kläger gehörende Grundstücke beziehen. Die Anordnungen werden dadurch
nicht rechtlich unmöglich. Die Maßnahmen können durchgeführt werden mit
Einverständnis der Eigentümer dieser Grundstücke bzw. durch Duldungsverfügungen
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gegenüber den nach § 12 BBodSchG Betroffenen.
Die Heranziehung des Klägers als Pflichtigen für die Durchführung der Maßnahmen zur
Gefährdungsabschätzung ist fehlerfrei erfolgt. Die Auswahl des Klägers aus dem Kreis
der nach § 4 Abs. 3, 5 und 6 BBodSchG genannten Pflichtigen ist nicht zu beanstanden.
Der Beklagte hat ihn als Eigentümer des Grundstücks, auf dem die Altlast besteht, als
Zustandsstörer herangezogen. Er hat umfangreiche tatsächliche und rechtliche
Prüfungen durchgeführt, welche sonstigen Pflichtigen in Betracht kommen, und
ermessensfehlerfrei entschieden, den Kläger heranzuziehen. Insoweit wird zunächst auf
die Ausführungen S. 10 - 12 der Ordnungsverfügung (Bl. 1360 - 1362 Beiakte Heft 3)
verwiesen. Der Beklagte hat sowohl die in Betracht kommenden Betreiber der
Wäscherei und Reinigung als Verhaltensstörer als auch die früheren
Grundstückseigentümer als Zustandsstörer und Verhaltensstörer einbezogen. Er hat
dabei zum Einen berücksichtigt, dass eine Inanspruchnahme ausscheidet, weil keine
rechtsfähige juristische Person mehr vorhanden ist, die persönliche Haftung der
Gesellschafter rechtlich nicht unzweifelhaft ist und die finanzielle Leistungsfähigkeit der
Brüder S. nicht gegeben ist. Zum anderen hat er zu Recht in die Erwägungen
einbezogen, dass im Rahmen der Gefährdungsabschätzung der Effektivität der
Inanspruchnahme ein nicht zu vernachlässigender Stellenwert zukommt. Angesichts der
rechtlich und tatsächlich bestehenden Unwägbarkeiten bei einer Inanspruchnahme der
sonstigen in Betracht kommenden Pflichtigen begegnet die Auswahl des Klägers als
rechtlich eindeutigen Zustandsstörer keinen Bedenken.
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Die Zustandshaftung wird auch nicht durch die fehlende Sachherrschaft oder
Verfügungsmacht über Grundstücke, auf denen die Maßnahmen durchgeführt werden
sollen, ausgeschlossen. Dies stellt, wie oben dargelegt, allenfalls die Durchführbarkeit
der Maßnahme in Frage.
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Die grundsätzlich mögliche Heranziehung des Klägers scheidet auch nicht deswegen
aus, weil ihm die Maßnahmen unzumutbar sind. Eine Beschränkung der Haftung des
Zustandsstörers auf das eigene Grundstück ist nicht gegeben. Dies ergibt sich zum
einen schon aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG, wonach die
Verpflichtung besteht, u.a. durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten
verursachte Verunreinigungen von Gewässern zu sanieren. Gewässer im Sinn des
Gesetzes ist auch das Grundwasser (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 WHG), das jedoch nicht
Bestandteil des Grundstücks ist. Grundwasser bewegt sich typischerweise vom
Grundstück fort. Insoweit bildet das Eigentum am Grundstück lediglich den
Anknüpfungspunkt für die Zustandshaftung, begrenzt aber nicht die Reichweite der vom
Pflichtigen zu treffenden Maßnahmen.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8. November 2007, -11 B
14/05 -; a. A. Verwaltungsgericht Regensburg, Urteil vom 14. März 2005, - RO 13 S
03.1055 - .
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Der Sinn der Vorschrift würde verfehlt, wenn die an die Verantwortlichkeit des
Eigentümers anknüpfenden behördlichen Maßnahmen auf das ihm gehörende
Grundstück beschränkt würden.
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Insoweit ist auch bei der hier im Streit stehenden Gefährdungsabschätzung unerheblich,
ob die Schadstofffahne zwischenzeitlich abgerissen ist und keine unmittelbare
Verbindung mehr zum Grundstück hat.
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Zum Anderen ergibt sich die Verpflichtung nicht allein aus der Zugriffsmöglichkeit und
der Nähe zu dem schädigenden Ereignis, sondern aus der Sozialpflichtigkeit des
Eigentums. Wie dem Eigentümer die Vorteile der privaten Nutzung der Sache auch
dann zufließen, wenn sie ohne sein Zutun entstehen, muss er die Lasten der Sache
auch dann tragen, wenn die Gefahr nicht durch ihn verursacht worden ist.
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Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 16. Februar 2000, -1 BvR
242/91,1 BvR 315/99 - , juris.
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Der Eigentümer hat im Regelfall hinzunehmen, dass er im Rahmen der Zustandshaftung
mit Kosten belastet wird, damit Verluste aus dem Grundstück erleidet und in der
Verwendung des Eigentums zu eigenem Nutzen beeinträchtigt wird. Allerdings kann die
Zustandsverantwortlichkeit im Einzelfall begrenzt sein. Besondere Bedeutung hat hier
der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der nur erforderliche und im Hinblick auf den
Zweck angemessene und zumutbare Grundrechtsbeeinträchtigungen zulässt.
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Vgl. hierzu im Einzelnen die Ausführungen BVerfG, a.a.O., juris, Rdnr.56 ff.
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Gemessen an diesen Vorgaben stellt sich vorliegend die Frage der Begrenzung der
Zustandsverantwortlichkeit des Klägers nicht. Zum einen kannte er bei Erwerb des
Grundstücks dessen Einstufung als Altlastengrundstück und dessen Belastung durch
LHKW. Er kannte die frühere betriebliche Nutzung, die bekanntermaßen mit dem
Einsatz wassergefährdender Stoffe verbunden ist. Wenn auch zu dem Zeitpunkt die
Einschätzung der Gefährdung möglicherweise geringer als tatsächlich vorhanden war,
ist er das Risiko eingegangen und hat die gesetzliche Folge der Verantwortlichkeit zu
tragen. Zum Anderen ist auch die finanzielle Belastung zumutbar. Nimmt man als
Anhaltspunkt das Verhältnis des finanziellen Aufwands zu dem Verkaufswert des
Grundstücks, so beträgt der für die angeordneten Maßnahmen veranschlagte Betrag von
30.000,00 Euro nur einen geringen Anteil des gezahlten Kaufpreises von 310.000,00
Euro (vgl. Bl. 1089 Beiakte Heft 3). Angesichts dieses Verhältnisses ist von einer
unzumutbaren Belastung nicht zu sprechen, zumal der Kläger zu einer finanziellen
Leistungsunfähigkeit nichts Konkretes vorgetragen hat.
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Ob der Kläger sich gegen eine Heranziehung zu den gesamten Kosten der folgenden
Sanierung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit mit Erfolg wenden könnte,
bedarf in diesem Verfahren keiner Entscheidung.
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Ist der Kläger zu Recht als Pflichtiger gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG in Anspruch
genommen worden, hat er auch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG die Kosten der
Maßnahmen zu tragen. Außen vor bleibt, dass er gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG
Ausgleich von anderen Störern verlangen kann.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in
Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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