Urteil des VG Münster vom 11.03.2003

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Verwaltungsgericht Münster, 5 K 1004/99.A
Datum:
11.03.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 1004/99.A
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht der
Beklagte zuvor Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d :
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Die Beteiligten streiten über die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil
abgeschlossenen Asylverfahrens.
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Der am 0 geborene Beklagte ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen
Angaben am 19. Mai 1995 aus dem Iran über die Türkei auf dem Luftwege in die
Bundesrepublik Deutschland ein. Am 7. Juni 1995 beantragte er unter dem Namen B
die Anerkennung als Asylberechtigter. Zur Begründung seines Asylantrages gab der
Kläger u. a. an, ein Buch über die letzten großen Demonstrationen im Iran geschrieben
zu haben. Nach Ablehnung des Asylantrages durch Bescheid des Bundesamtes für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) vom 19. Juni 1995 und Erhebung
der verwaltungsgerichtlichen Klage verpflichtete das erkennende Gericht die
Restitutionsklägerin durch Urteil vom 12. Januar 1999 - 5 K 2403/95.A -, den Beklagten
als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass in seiner Person die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. In den Gründen des Urteils ist u. a.
ausgeführt:
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"Das Gericht ist auch davon überzeugt, dass es sich bei dem Kläger um den Autor des
von ihm vorgelegten Buches über die "Islamische Republik Iran und die Aufstände
gegen das Regime in jüngerer Zeit" handelt und dass seine diesbezüglichen Angaben
zu den Umständen der Veröffentlichung den Tatsachen entsprechen."
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Nachdem das vorgenannte Urteil in Rechtskraft erwachsen war, erkannte das
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Bundesamt den Beklagten durch Bescheid vom 23. Februar 1999 als Asylberechtigten
an und stellte fest das die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.
Mit Schreiben vom 12. März 1999 - beim Bundesamt eingegangen am 17. März 1999 -
teilte der Oberstadtdirektor der Stadt Hildesheim dem Bundesamt unter Übersendung
der nachbezeichneten Dokumente mit, dass der Beklagte anlässlich der Beantragung
eines Reiseausweises den anliegenden Ausweis über die Ableistung des
Fahnendienstes sowie eine Kopie eines iranischen Ausweises vorgelegt habe. Die
Dokumente seien ihm kürzlich von seinen Eltern aus dem Iran zugesandt worden. Der
Beklagte habe erklärt, dass sein Name nicht mehr B, sondern B sei. Er habe den Antrag
gestellt, den Reiseausweis auf diesen Namen auszustellen.
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Am Montag, dem 19. April 1999, hat die Klägerin Restitutionsklage gegen den
Beklagten erhoben, mit der sie die Aufhebung des Urteils vom 12. Januar 1999 begehrt.
Zur Begründung macht sie geltend: Nach dem Inhalt der von der Stadt Hildesheim
übersandten Urkunden trage der Beklagte nicht den Vornamen B, sondern die
Vornamen T B. Das Verpflichtungsurteil beruhe maßgeblich auf der Annahme, der
Restitutionsbeklagte und damalige Kläger sei identisch mit dem Autor des von ihm im
Verfahren vorgelegten Buches "Islamische Republik Iran und die Aufstände gegen das
Regime in jüngster Zeit" von B sowie weiterer Beiträge in der interkulturellen Zeitschrift
"Arkaden". Nach der Vorlage anders lautender Dokumente über die Identität des
Beklagten könne dies mangels hinreichend plausibler Sachverhaltsaufklärung durch
diesen nicht mehr angenommen werden. Das Urteil werde daher im Wege der
Restitutionsklage gemäß § 580 Nr. 7 b ZPO i. V. m. § 153 VwGO angefochten.
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Die Klägerin beantragt,
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1. das rechtskräftige Urteil umgekehrten Rubrum des Verwaltungsgerichts Münster vom
12. Januar 1999 - 5 K 2403/95.A - aufzuheben,
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2. die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Münster - 5 K 2403/95.A - erhobene
Klage des jetzigen Beklagten und früheren Klägers abzuweisen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt vor: Sein Vorname laute T B B. Auf diesen Namen sei auch sein erster Ausweis
ausgestellt gewesen. Nach der Revolution im Jahre 1979 habe er, wie auch alle
anderen Iraner, einen neuen Personalausweis erhalten. Der zuständige
Verwaltungsbeamte habe den Namen B abgelehnt. B sei ein monarchistischer Name
und bedeute König. Da derartige Namen von dem fundamentalistischen Khomeini-
Regime strikt abgelehnt worden seien, sei in dem neuen Ausweis lediglich der Name T
B B aufgenommen worden. Er sei von allen Verwandten und Freunden immer nur B
genannt worden. Auf diese "Namensproblematik" habe er im Februar 1998 die
zuständige Sachbearbeiterin bei der Ausländerbehörde Hildesheim, Frau L,
hingewiesen und gefragt, wie er sich verhalten solle. Frau L habe ihm erklärt, dass dies
kein Problem sei. Er solle einen beglaubigten schriftlichen Nachweis über die amtliche
Registrierung im Iran liefern. Sobald er die Dokumente vorweise, könne sein Name hier
geändert werden. Bei diesem Gespräch sei Frau E anwesend gewesen. Er habe auch
schon bei der Stellung des Asylantrages am 7. Juni 1995 den Dolmetscher I auf die
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Problematik hingewiesen. Dieser habe erklärt, dass ein Vorname an offizieller Stelle
reiche. Daraufhin habe er, der Beklagte, seinen Rufnamen B genannt.
Der Beklagte hat eine schriftliche Äußerung der Frau E zum "Vorgang in der
Ausländerstelle Hildesheim vom Februar 1998", eine von 10 Personen unterschriebene
Erklärung zur Identität des Beklagten sowie eine vor dem Notar abgegebene
eidesstattliche Erklärung der Frau H vom 4. Januar 2000 vorgelegt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze, die vom Beklagten vorgelegten schriftlichen Erklärungen, die
Akten des Vorprozesses - 5 K 2403/95.A - und die beigezogenen Verwaltungsakten der
Klägerin Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Restitutionsklage hat keinen Erfolg.
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Nach § 153 VwGO kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren nach den Vorschriften
des Vierten Buches der Zivilprozessordnung wiederaufgenommen werden.
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Die Restitutionsklage ist statthaft. Sie richtet sich gegen das rechtskräftige Urteil des
Verwaltungsgerichts vom 12. Januar 1999, durch das die Restitutionsklägerin beschwert
ist. Die Klage ist auch rechtzeitig, nämlich vor Ablauf eines Monats nach Kenntnis der
Klägerin von dem Restitutionsgrund (§ 153 VwGO i. V. m. § 586 Abs. 1 und 2 ZPO) und
nicht später als fünf Jahre nach der Rechtskraft des Urteils (§ 153 VwGO i. V. m. § 586
Abs. 2 Satz 2 ZPO) eingelegt worden.
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Die Zulässigkeit der Restitutionsklage setzt ferner den schlüssigen Vortrag eines
gesetzlichen Restitutionsgrundes voraus. Die Klägerin beruft sich auf den
Restitutionsgrund des § 580 Nr. 7 b ZPO. Danach findet die Restitutionsklage statt,
wenn die Partei eine (andere) Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt
wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Sowohl die - in
Original und Übersetzung - vorgelegte Dienstzeitbescheinigung als auch die Kopie des
iranischen Ausweises sind Urkunden im Sinne der vorgenannten Bestimmung. Die
Urkunden sind von der Klägerin "aufgefunden" worden, denn sie waren im Vorprozess
schon existent, aber der Klägerin unverschuldet unbekannt. Die Klägerin hat auch
dargelegt, dass die Urkunden geeignet sind, die tragenden Erwägungen in der
Entscheidung vom 12. Januar 1999 zumindest in Zweifel zu ziehen. Ob hierin schon die
schlüssige Darlegung eines Wiederaufnahmegrundes gesehen werden kann, ist dann
allerdings fraglich. Dies bedarf aber keiner weiteren Erörterung, denn die Klage erweist
sich mangels Kausalität jedenfalls als unbegründet.
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Die Restitutionsklage ist nur dann begründet, wenn die Urkunde, auf die sich der
Restitutionskläger stützt, in dem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren eine für ihn
günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Für diese Feststellung sind außer
der Urkunde nur der Prozessstoff des Vorprozesses und die im Zusammenhang mit der
Urkunde vom Restitutionskläger neu aufgestellten Behauptungen, nicht dagegen die
Einlassungen des Restitutionsbeklagten zu diesen Behauptungen zu berücksichtigen
(BGH, Urteil vom 12. Dezember 1962 - IV ZR 127/62 -, BGHZ 38, 333 = NJW 63, 715).
Erforderlich ist, dass die Urkunde allein in Verbindung mit den Feststellungen des
angefochtenen Urteils die entscheidungserhebliche Tatsache beweist. Dagegen reicht
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es nicht aus, wenn die Urkunde nur den Anlass zur Vernehmung weiterer Zeugen oder
die Einholung eines Gutachtens bildet (Stein/Jonas Kommentar zur ZPO, 21. Auflage, §
580 Rdnr. 34, m. w. Nachw. aus der Rechtsprechung).
Diesen Anforderungen genügen die hier in Rede stehenden Urkunden nicht. Die
Urkunden machen nicht augenfällig, dass es sich bei dem Beklagten um eine andere
Person handelt als den Autor des im Verfahren vorgelegten Buches "Islamische
Republik Iran und die Aufstände gegen das Regime in jüngster Zeit" von B B sowie
weiterer Beiträge in der interkulturellen Zeitschrift "Arkaden". Die in den Urkunden
aufgeführten persönlichen Daten stimmen allein mit Ausnahme des/der Vornamen mit
sämtlichen Angaben überein, die der Beklagte im abgeschlossenen Asylverfahren von
Anfang an gemacht hat. Völlige Übereinstimmung besteht insoweit beim
Familiennamen (B), dem Geburtsdatum (0), und den zeitlichen Angaben zur Ableistung
des Wehrdienstes (Bahman 1367 bis Bahman 1369 = 7. Februar 1989 bis 7. Februar
1991). Auch die Vornamen der Eltern des Beklagten sind nahezu identisch bezeichnet
(C bzw. T C und O bzw. O). Vor diesem Hintergrund kann dem Umstand, dass allein der
Vorname des Klägers in den vorgelegten Urkunden von seinen Angaben im
Asylverfahren abweicht, für sich gesehen noch keine entscheidende Beweiswirkung in
Bezug auf die Identität des Beklagten beigemessen werden, zumal das Führen eines
vom offiziellen Vornamen abweichenden Rufnamens keineswegs unüblich ist. Hätten
die Urkunden bereits in der mündlichen Verhandlung des Vorprozesses vorgelegen, so
hätte lediglich Anlass zu einer weiteren Sachaufklärung bestanden, insbesondere durch
eine persönliche Befragung des früheren Klägers und gegebenenfalls durch eine
nachfolgende Beweiserhebung, wie sie durch die Einlassung des Restitutionsbeklagten
und die von ihm hierzu angebotenen Beweise vorgezeichnet wird. Die für die
Begründetheit der Restitutionsklage erforderliche Feststellung, dass im Vorprozess
ohne weitere Beweiserhebung ein der Restitutionsklägerin günstigeres Urteil ergangen
wäre, kann mithin nicht getroffen werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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