Urteil des VG Münster vom 23.03.2010

VG Münster (kläger, höhe, einkommen, begründung, bezug, leistungsfähigkeit, anlage, verwaltungsgericht, post, satzung)

Verwaltungsgericht Münster, 3 K 628/09
Datum:
23.03.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 628/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger
dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht
der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um die rückwirkende Festsetzung höherer Elternbeiträge für den
Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis 31. Juli 2008. Die Tochter der Kläger hat von August
2005 bis Ende Juli 2008 die Tageseinrichtung "Die T. " in P. besucht.
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Nachdem der Beklagte die Einkommensverhältnisse der Kläger in den Jahren 2005 bis
2008 durch die Anforderung von Einkommensteuerbescheiden und sonstigen
Einkommensnachweisen überprüft hatte, setzte er durch Bescheid vom 10. März 2009
den monatlichen Elternbeitrag für den Zeitraum 1. Januar 2008 bis 31. Juli 2008 unter
Zugrundelegung der Einkommensstufe 5 (bis 61.355,-- Euro) von 115,04 Euro auf
177,93 Euro herauf und forderte die Kläger zur Nachzahlung des Betrages von 440,23
Euro auf.
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Die Kläger haben rechtzeitig Klage erhoben. Zur Begründung der Klage machen sie
geltend: Für das Jahr 2008 seien noch Werbungskosten zu berücksichtigen, dadurch
verringere sich das anzusetzende Einkommen erheblich. Dies ergebe sich aus der noch
zu fertigenden Einkommensteuererklärung 2008. Zudem habe sich die Klägerin bis
Ende Juni 2008 in Berufsausbildung befunden und sei erst seit Juli 2008 berufstätig. Die
Tochter der Kläger habe die Kindertageseinrichtung auch nur bis Ende Juli 2008
besucht. Derartige Zäsuren müssten bei der Beitragsberechnung nach der Satzung des
Beklagten berücksichtigt werden. Bei einer unterjährigen Betreuung könne nicht auf das
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Jahreseinkommen abgestellt werden. Außerdem sei die Einteilung in
Einkommensstufen rechtswidrig. Es gäbe keine sinnvolle Begründung, warum die
Elternbeiträge mit Überschreiten einer bestimmten Grenze sprunghaft anstiegen und
keine Interpolation vorgenommen werde.
Die Kläger beantragen,
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den Bescheid des Beklagten vom 00.00.0000 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung trägt er vor, er habe zutreffend auf das Gesamtjahreseinkommen (und
nicht auf das unterjährige Einkommen während des tatsächlichen Besuchs der
Tageseinrichtung) abgestellt. Aus der Ortssatzung, die auf § 17 GTK a.F. Bezug nehme,
ergebe sich, dass das Jahreseinkommen maßgeblich sei. Diese Art der
Beitragserhebung nach der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit diene der
Gleichbehandlung der Beitragspflichtigen und der Beitragsgerechtigkeit. Auch die
einkommensbezogene Staffelung der Elternbeiträge verstoße nicht gegen
höherrangiges Recht. Hierzu verweist er auf Entscheidungen des Bundesverwaltungs-
und des Bundesverfassungsgerichts.
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Zur Überprüfung der Einkommensverhältnisse der Kläger im Streitjahr 2008 hat das
Gericht sich den Einkommensteuerbescheid 2008 vorlegen lassen. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
einschließlich des vom Beklagten übersandten Verwaltungsvorganges ergänzend
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Denn der Elternbeitragsbescheid vom
00.00.0000 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs.
1 Satz 1 VwGO).
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Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des Elternbeitragsbescheides ist § 90 Abs. 1
des Achten Sozialgesetzbuchs -SGB VIII- i.V.m. § 17 des Gesetzes über
Tageseinrichtungen für Kinder -GTK- in der Fassung vom 23. Mai 2006 (GV. NRW.
S.197) i.V.m. der Satzung der Stadt P. über die Höhe der Elternbeiträge für den Besuch
einer Tageseinrichtung für Kinder vom 12. Juni 2006 in der Fassung der 1. Änderung
(im folgenden: EBS).
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An der formellen Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen im Ergebnis keine
Bedenken. Insbesondere die Begründung des Verwaltungsaktes (§ 39 Abs. 1 VwVfG
NRW) sieht das Gericht noch als ausreichend an. Der Beklagte hat den angegriffenen
Bescheid (nur) auf die Elternbeitragssatzung der Stadt P. gestützt. Damit hat er die
genaue Ermächtigungsgrundlage zwar nicht umfassend angegeben, jedoch die
entscheidende rechtliche Grundlage genannt. Sofern man die genaue Angabe der
Ermächtigungsgrundlage für erforderlich hält, ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte
die Begründung durch die Übersendung der maßgeblichen Elternbeitragssatzung, die
auf § 90 SGB VIII und § 17 GTK Bezug nimmt, im Gerichtsverfahren nachgeholt hat (vgl.
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§ 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG NRW). Im Übrigen wäre ein etwaiger Begründungsmangel
auch nach § 46 VwVfG NRW unbeachtlich.
Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Höhe der Elternbeiträge
richtet sich gemäß § 2 EBS nach den Vorschriften des § 17 GTK sowie der Anlage zu §
17 Abs. 3 GTK (Elternbeitragstabelle) in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung
(im Folgenden: GTK a.F.). Die Einkommensermittlung richtet sich nach § 17 Abs. 4 GTK
a.F.. Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 GTK a.F. ist das Einkommen die Summe der positiven
Einkünfte der Eltern im Sinne des § 2 Abs. 1 und Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes,
bei Überschusseinkünften somit der Überschuss der Einnahmen über die
Werbungskosten. Aus der Anlage zu § 17 Abs. 3 GTK a.F. ergibt sich, dass auf das
Jahreseinkommen abzustellen ist. Liegt in Bezug auf die steuerpflichtigen Einkünfte ein
bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid vor, ist grundsätzlich auf diesen
abzustellen. Eine Überprüfung der steuerrechtlichen Festsetzungen im Steuerbescheid
kommt allenfalls dann in Betracht, wenn die im Steuerbescheid enthaltenen Annahmen
offenkundig unzutreffend sind oder die Festsetzungen in rechtlicher Hinsicht offenkundig
unvertretbar sind.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Februar 2008 -12 B 139/08, vom 28. November
2005 -12 A 4393/03- und vom 18. November 2005 -12 A 4219/02-, sämtlich veröffentlicht
in juris.
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Der Beklagte hat danach das Einkommen der Kläger zu Recht der Einkommensstufe 5
(bis 61.355,-- Euro) zugeordnet. Denn die Kläger haben im Kalenderjahr 2008
ausweislich des Einkommensteuerbescheides 2008 Einnahmen in Höhe von 57.373,--
Euro erzielt, von denen (ebenfalls ausweislich des Einkommensteuerbescheides)
Werbungskosten in Höhe von 5.700,-- Euro abzuziehen sind. Das so ermittelte
Einkommen in Höhe von 51.673,-- Euro unterfällt der Einkommensstufe 5.
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Entgegen der Auffassung der Kläger kann und darf nicht auf ein unterjähriges
Einkommen nur während der Dauer des tatsächlichen Besuchs der
Kindertageseinrichtung abgestellt werden. Denn bei der rückwirkenden Neufestsetzung
von Elternbeiträgen ist im Wege der ex-post-Betrachtung zur Ermittlung des
beitragsrelevanten Einkommens auf das Jahreseinkommen abzustellen, das in dem
Kalenderjahr, für das die Elternbeiträge neu festgesetzt worden sind, erzielt worden ist.
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Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Februar 2008 -12 B 139/08, vom 28. November
2005 -12 A 4393/03- und vom 18. November 2005 -12 A 4219/02-, a.a.O.
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Maßgebend ist das tatsächliche Jahreseinkommen. Denn dieses ist für die Beurteilung
der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit allein aussagekräftig, unabhängig davon, in
welchem Zeitraum des Jahres (etwa erste oder zweite Hälfte des Jahres) es erzielt
wurde. Diese Art der Beitragserhebung nach der tatsächlichen wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit dient der nach Art. 3 Abs. 1 GG gebotenen Gleichbehandlung der
Beitragspflichtigen und der Beitragsgerechtigkeit. Das Kindergartenbeitragsrecht ist
nach der gesetzlichen Konzeption vom Jährlichkeitsprinzip geprägt. Maßgebend für die
Höhe des Beitrages ist ausweislich der Anlage zu § 17 Abs. 3 GTK a.F. das
Jahreseinkommen. Der Elternbeitrag ist ein Jahresbeitrag, der in monatlichen
Teilbeträgen zu entrichten ist. Diese auf das gesamte Jahr bezogene Festlegung der
maßgebenden Kenngröße schließt -jedenfalls bei der ex-post-Betrachtung- eine auf
bestimmte Zeitabschnitte des Jahres beschränkte Einkommensbewertung aus, zumal
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dadurch die auf dem Jahreseinkommen aufbauende Bildung von Einkommensgruppen
und damit zugleich von Einkommensgrenzen unterlaufen würde. Vgl. OVG NRW,
Beschlüsse vom 28. November 2005 -12 A 4393/03- und vom 18. November 2005 -12 A
4219/02-, a.a.O.
Die Kläger können danach auch nicht mit ihrer in der mündlichen Verhandlung
geäußerten Auffassung durchdringen, es sei hinsichtlich des maßgeblichen
Einkommens auf das Kindergartenjahr, welches dem Schuljahr entspricht (hier: 1.
August 2007 bis 31. Juli 2008), abzustellen. Denn schon aus § 17 Abs. 5 Satz 1 und
Satz 2 GTK a.F. ergibt sich, dass das Kalenderjahr und nicht das Kindergartenjahr die
maßgebliche Bezugsgröße ist. Schließlich ist auch die von den Klägern gerügte
einkommensbezogene Staffelung der Elternbeiträge rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat der Gesetz- bzw.
Satzungsgeber bei der Staffelung der Elternbeiträge einen weiten
Gestaltungsspielraum. Die nordrhein-westfälischen Regelungen zu den
Einkommensgruppen sind bereits mehrfach Gegenstand höchstrichterlicher
Rechtsprechung gewesen. Sie genügen der bundesrechtlichen Ermächtigungsnorm
und sind mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. August 2008 -12
A 2866/07-, NWVBl 2009, 61 (62) und Beschluss vom 18. August 2008 -12 A 1157/08-,
juris, jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen zur höchstrichterlichen
Rechtsprechung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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