Urteil des VG Münster vom 30.03.2010

VG Münster (antragsteller, öffentliches interesse, aufschiebende wirkung, hauptsache, antrag, halten, verwaltungsgericht, witterungsschutz, umstand, risiko)

Verwaltungsgericht Münster, 1 L 59/10
Datum:
30.03.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 59/10
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
G r ü n d e
1
Der - sinngemäß gestellte - Antrag des Antragstellers, festzustellen, dass sich das Verfahren in der Hauptsache erledigt habe,
2
ist unzulässig.
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Zwar hat der Antragsteller das Verfahren 1 L 59/19 mit Schriftsatz vom 5. März 2010 für in der Hauptsache erledigt erklärt, doch hat sich der
Antragsgegner dieser Erledigungserklärung nicht angeschlossen. Mit seinem Schreiben vom 15. März 2010 hat der Antragsgegner deutlich gemacht,
dass hinsichtlich des angegriffenen Haltungs- und Betreuungsverbots für Pferde durch den vom Antragsteller vorgelegten "Pferdeeinstellungsvertrag"
mit Dritten ein erledigendes Ereignis nicht erkennbar sei. Für das Verbot gegenüber dem Antragsteller zur Haltung und Betreuung von Pferden bestehe
nach wie vor ein öffentliches Interesse.
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Die Behandlung solcher einseitiger Erledigungserklärungen, die auch im vorläufigen Rechtsschutz möglich sind, wird unterschiedlich bewertet.
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Vgl. Clausing, in: Schoch/Schmidt Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung, München 2009, § 161 Rn. 27 bis 35; Kopp/Schenke, VwGO,
München 2009, 16. Aufl., § 161 Rn. 26 ff.
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Es kann offenbleiben, welcher Auffassung zu folgen ist, denn ein Übergang vom bisherigen Rechtsschutzbegehren zu einem
Erledigungsfeststellungsantrag ist nur dann zulässig, wenn die Hauptsache tatsächlich erledigt ist, denn erst der Eintritt eines erledigenden
Ereignisses privilegiert die Klageänderung. Fehlt es an einem erledigenden Ereignis, kann der Antragsteller nicht von seinem alten Antragsbegehren
Abstand nehmen.
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Das vorliegende Verfahren ist in der Hauptsache nicht erledigt. Der Antragsteller hat mit der Einstallung seiner Pferde bei Dritten seine
Haltereigenschaft nicht verloren. Tierhalter ist nämlich derjenige, der das tatsächliche Bestimmungsrecht über das Tier hat, aus eigenem Interesse für
die Kosten des Tieres aufkommt, den allgemeinen Wert und Nutzen des Tieres in Anspruch nimmt und das Risiko des Verlustes trägt.
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Vgl. Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz, 5. Aufl., München 1999, § 2 Rn. 8; Sprau, in: Palandt, Kommentar zum BGB, 69. Aufl., München 2010, § 833 Rn.
10 m.w.N.
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Ein erledigendes Ereignis für das Haltungs- und Betreuungsverbot ist demnach nicht eingetreten. Der Antragsteller bestimmt, welche Pferde er bei den
betreuenden Dritten einstellt. Er trägt die Kosten für die Tiere und das Risiko für aufkommende Krankheiten. Der Verpächter ist nur verpflichtet, dem
Antragsteller als Einsteller unverzüglich Krankheiten und besondere Vorkommnisse nach § 3 Abs. 2 des Pferdeeinstellungsvertrages zu melden. Die
Entscheidung der Behandlung oder des weiteren Vorgehens bleibt demnach in der Kompetenz des Antragstellers.
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Der somit - zumindest hilfsweise - aufrechterhaltene sinngemäße Antrag des Antragstellers,
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die aufschiebende Wirkung seiner Klage 1 K 197/10 gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 13. Januar 2010 hinsichtlich des verfügten
Haltungs- und Betreuungsverbots für Pferde wiederherzustellen,
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ist deshalb weiter zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
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Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die vom Antragsgegner unter dem 13. Januar 2010 erlassene Ordnungsverfügung, die der Antragsteller
mit seiner Klage 1 K 197/10 vom 30. Januar 2010 angegriffen hat. Zwar hat der Antragsteller als Stichwort für den Streitgegenstand in seiner
Antragsschrift die "Fortnahme von 9 Pferden" genannt, doch hat er mit seinem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz sein ebenfalls anhängiges
Klageverfahren 1 K 197/10 beim erkennenden Gericht in Bezug genommen. Die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 13. Januar 2010 hatte
der Antragsteller dem Klageverfahren 1 K 197/10 beigefügt. Damit wird aber deutlich, dass sich der Antragsteller nicht gegen die Fortnahme seiner
Pferde, die Gegenstand der mittlerweile in der Hauptsache für erledigt erklärten Verfahren 1 L 57/10 und 1 K 199/10 waren, wenden wollte, sondern
gegen das ihm auferlegte generelle Haltungs- und Betreuungsverbot für Pferde.
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Der Antragsgegner hat den sofortigen Vollzug seiner Ordnungsverfügung mit einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz
1 Nr. 4 VwGO genügenden Begründung versehen. In der nach diesen Vorschriften geforderten schriftlichen Begründung kommt hinreichend deutlich
zum Ausdruck, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bewusst
gewesen ist.
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Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 30. März 2009 - 13 B 1910/08 -, in: NWVBl. 2009, 390.
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Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotene Abwägung der widerstreitenden Interessen fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Das
gegenüber dem Antragsteller verfügte Verbot der Haltung und Betreuung von Pferden ist nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen
und nur möglichen summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage offensichtlich rechtmäßig.
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Es findet seine Grundlage in § 16 a Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 Nr. 3, 1. Hs. TierSchG. Nach § 16 a Satz 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde
die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann nach § 16 a Satz 2 Nr. 3, 1.
Hs. TierSchG insbesondere demjenigen, der den Vorschriften des § 2 TierSchG wiederholt oder grob zuwidergehandelt und dadurch den von ihm
gehaltenen oder betreuten Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten oder
Betreuen von Tieren einer bestimmten Art untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er weiterhin derartige Zuwiderhandlungen
begehen wird.
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Diese Voraussetzungen liegen vor. Das Gericht ist anhand der in den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners enthaltenen Vermerke und
Fotografien zu der Überzeugung gelangt, dass der Antragsteller jedenfalls seit Juli 2006 der sich aus § 2 Nr. 1 TierSchG ergebenden Pflicht, seine
Pferde angemessen zu ernähren, zu pflegen und artgerecht unterzubringen, wiederholt und grob zuwidergehandelt hat. Durch die in der
Ordnungsverfügung vom 13. Januar 2010 aufgezeigten wiederholten und groben Verstöße gegen die sich aus § 2 Nr. 1 TierSchG ergebenden
Pflichten hat der Antragsteller den von ihm gehaltenen Pferden erhebliche und länger anhaltende Schmerzen und Leiden zugefügt. Zur Vermeidung
von Wiederholungen wird in entsprechender Anwendung von § 117 Abs. 5 VwGO auf die Feststellungen in der angegriffenen Ordnungsverfügung
Bezug genommen, denen der Einzelrichter nach Durchsicht der Verwaltungsvorgänge folgt. Dort sind wiederholt Ordnungsverfügungen gegen den
Antragsteller wegen tierschutzwidrigem Verhalten gegenüber der von ihm gehaltenen Pferde aufgeführt und zahlreiche Feststellungen zur nicht
artgerechten Unterbringung enthalten. Der Antragsteller hat sein tierschutzwidriges Verhalten trotz zahlreicher Kontrollen, tierschutzrechtlicher
(mündlicher und schriftlicher) Anordnungen und Fortnahmen mit entsprechenden Kostenfolgen durch den Antragsgegner über mehrere Jahre
fortgesetzt. Selbst Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und mehrere Bußgeldbescheide haben zu keiner Verhaltensänderung des Antragstellers
geführt.
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Bereits mit bestandskräftigen Ordnungsverfügungen vom 15. Dezember 2008 ist der Antragsteller aufgefordert worden, entweder seine Pferde in der
Zeit vom 1. Dezember bis zum 30. April eines Jahres von der Weide zu holen oder, soweit baurechtlich statthaft, einen künstlichen tierschutzgerechten
Witterungsschutz zu erstellen und die Pferde ab sofort auf einer tierschutzgerecht eingezäunten Weide zu halten. Gegen diese Anforderungen hat der
Kläger wiederholt und gröblich verstoßen. Der verlangte Witterungsschutz zur verhaltensgerechten Unterbringung der Pferde gerade während der
Wintermonate ist unerlässlich, damit die Tiere Schutz vor Wind und Niederschlag finden können. Dies deckt sich auch mit den "Leitlinien zur
Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten", die durch eine beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz gebildete Sachverständigengruppe unter dem 9. Juni 2009 zusammengestellt wurde (vgl. dort S. 9 f.). Entsprechendes gilt für die
Einzäunung. Die alleinige Verwendung von Stacheldraht und anderen Metalldrähten, ausgenommen gut sichtbare Elektrodrähte, sind bei Pferden
tierschutzwidrig (vgl. dort S. 10).
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Vgl. Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten, abrufbar unter:
http://www.bmelv.de/cae/servlet/contentblob/651026/publicationFile/37958/HaltungPferde.pdf;jsessionid=B36DA0D5DE0D34DBF9E18FA011F9BA19
Diese Beurteilungsleitlinien werden als taugliche Orientierungshilfe für den Vollzug des Tierschutzgesetzes betrachtet. Sie stehen zudem im Einklang
mit der übereinstimmenden Einschätzung der die Pferde des Antragstellers begutachteten Amtsveterinäre, auf welche die §§ 15 Abs. 2 , 16 a Satz 2 Nr.
2 TierSchG besonders abheben.
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Vgl. dazu auch OVG NRW, Urt. v. 25. September 1997 - 20 A 688/96 -.
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Angesichts der vorgenannten Umstände und mit Blick darauf, dass der Antragsgegner bei verschiedenen Überprüfungen im Dezember 2009
anhaltende tierschutzwidrige Verhaltensweisen bei den Pferden des Antragstellers feststellte (z.T. schlechte Hufpflege, auf einigen Weideplätzen nach
wie vor fehlender Witterungsschutz bzw. Einzäunung einiger Weiden nur mit Stacheldraht, Betreuung der Pferde durch eine Person, für die bereits
2007 ein Haltungs- und Betreuungsverbot von Pferden ausgesprochen war) und dem Umstand, dass sich der Antragsteller seit März 2009 in
Frankreich aufhält, ist die Annahme gerechtfertigt, der Antragsteller werde auch künftig seine Pferde nicht angemessen pflegen und artgerecht
unterbringen.
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Das ihm zur Beseitigung des Verstoßes gegen § 2 Nr. 1 TierSchG nach § 16 a TierSchG eingeräumte Ermessen hat der Antragsgegner fehlerfrei
ausgeübt. Er hat sich auf der Grundlage eines zutreffend ermittelten Sachverhaltes am Zweck der Ermächtigung orientiert und seine Entscheidung
auch im übrigen an sachbezogenen Erwägungen ausgerichtet. Die Grenzen seines Ermessens hat er gewahrt. Das verfügte Verbot der Pferdehaltung
und -betreuung ist insbesondere verhältnismäßig. Dem Antragsgegner stand kein milderes Mittel als ein umfassendes Verbot der Haltung und
Betreuung von Pferden zur Verfügung, um künftigen Verstößen des Antragstellers gegen die Bestimmungen des Tierschutzgesetzes effektiv
vorzubeugen. Spezielle, auf einzelne Missstände bezogene tierschutzrechtliche Ordnungsverfügungen haben in der Vergangenheit nicht zu einer den
gesetzlichen Bestimmungen entsprechenden Tierhaltung durch den Antragsteller geführt. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der
Antragsteller seine Pferde nunmehr bei Dritten auf der Grundlage eines Pferdeeinstellungsvertrages eingestallt hat. Abgesehen davon, dass - wie oben
ausgeführt - damit die Haltereigenschaft des Antragstellers nicht aufgehoben wird, läuft der Pferdeeinsstellungsvertrag zwar auf unbestimmte Zeit, doch
kann der Vertrag jederzeit, damit auch von dem Antragsteller, mit einer Kündigungsfrist von 1 Monat gekündigt werden. In diesem Fall wäre der
Antragsteller wieder für die Tiere unmittelbar für die artgerechte Haltung der Pferde verantwortlich, wovon nach dem Vorstehenden nicht ausgegangen
werden kann.
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Der Umstand, dass der Antragsgegner dem Antragsteller das Halten und Betreuen von Pferden seit dem 13. Januar 2010 unbefristet untersagt hat,
führt ebenfalls nicht zur Unverhältnismäßigkeit des Verbots. Denn der Antragsteller kann nach § 16a Satz 2 Nr. 3, 2. Hs. TierSchG jederzeit
beantragen, ihm das Halten und Betreuen von Pferden und Rindern wieder zu gestatten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
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